Simon, ich bin mir da nicht sicher, inwieweit Ming nicht Recht hat.
Natürlich stimme ich Dir zu, daß vordergründig Farnham selbst als eindeutig positiv dargestellt wird. Aber Intention des Autors hin oder her, selbst nach den Standards der Zeit, in der das Buch geschrieben wurde, ist Farnham kein strahlender Held.
Strahlender Held vielleicht nicht, aber nenn mir eine Stelle im Buch, wo irgendwie in Zweifel gezogen wird, dass er letztlich nur das tut, was getan werden muss und dass alle Alternativen feige und eines echten Mannes nicht würdig wären.
Nehmen wir das Verlassen seiner Familie: Grace wird das ganze Buch hindurch als egoistische, versoffene, dumme Ziege dargestellt, die aber am Ende mit ihrem Schicksal vollauf zufrieden ist. Mit Happiness zugedröhnt und Bettwärmer von Ponse — sie ist glücklich.
Duke wird ebenfalls als negative Figur dargestellt; und der Roman macht nicht nur klar, dass seine Kastration nicht Hughs Fehler ist, sondern auch er ist am Ende mit seiner Situation eigentlich zufrieden. Das Angebot, in die Vergangenheit zu reisen, nimmt er nicht an; er zieht eine höfische Existenz vor.
Duke kann seine Familie also mit gutem Gewissen verlassen (was er ja am Ende auch macht. Er sagt explizit, dass er keinen Gedanken mehr an Duke verschwenden wird, der ohnehin immer eine Enttäuschung war. Der Grund: Hugh durfte ihn nicht so erziehen, wie er wollte.); der Roman macht sehr klar, dass er ihnen nichts schuldig ist. Stattdessen kommt er der Verpflichtung seiner "wahren Familie" gegenüber in vorbildlicher Weise nach. Er riskiert sein Leben, damit seine Kinder in Freiheit aufwachsen können. Seine Flucht ist schlecht geplant und scheitert, but what's a man gotta do? Für einen Kerl vom Schlage eines Hughs gilt nicht nur "better dead than red", sondern auch "better dead than a stud". Aus der Sicht des Roman ist klar, dass der ehrenhafte Kampf um Freiheit einer Sklavenexistenz vorzuziehen ist.
Und am Ende geht ja dann auch alles schön auf: Hugh kann sich mit Frau Kindern retten, macht ein Lokal auf, über dem die US-Flagge flattert.
EDIT: Um das klar zu machen: Es geht mir weder um eine allfällige Intention Heinleins (zumindest nicht primär), noch um "Standards der Zeit" (was immer das sein soll). Dass es schon bei Erscheinen Leute gab, die in Farnham einen reaktionären Trottel sahen, glaube ich gern. Unterschiedliche Einschätzungen eines Romans wirst Du aber zu jeder Zeit finden.
Entscheidend ist allerdings, wie die Figur im Roman präsentiert wird. Wird innerhalb der Erzählung irgendwie in Zweifel gezogen, dass er auf die jeweilige Situation am besten reagiert? Damit Hugh nicht als positive Figur erschiene, müsste im Roman irgendwo — und sei es auch nur implizit — einen Gegenposition zu ihm etabliert werden, die überlegen erscheint. Das geschieht aber nicht. Seine Gegenspieler sind alle mehr oder weniger moralisch minderwertig und ihre Vorschläge ebenso. Wie so oft bei Heinlein, sind allfällige Gegenpositionen oder abweichende Standpunkte reine Strohmänner. Duke macht sich über den Bunker lustig, bumm, da kommt die Atombombe. Grace ist so egoistisch, dass sie zu Beginn nicht mal für die Gruppe kochen will und später wegen Barbara fliehen will. All diese Figuren handeln innerhalb der Logik des Romans offensichtlich falsch, während Hugh zumindest versucht, das Richtige zu tun. Ponse hat zwar durchaus charismatische Züge, ist aber ein kannibalistischer Sklavenhalter. Niemand kann Hugh das Wasser reichen, und niemand sagt etwas, was die Überzeugungen, die er vertritt, ernsthaft in Frage stellen würde.
Eine Ironisierung der Figur — eine andere Strategie, um sie in Zweifel zu ziehen — findet erst recht nicht statt.
Um das Negative der Figur zu sehen, muss man schon einen weiten Schritt zurück machen. Dann folgt man aber nicht mehr der Wertung des Romans, sondern nimmt eine eigene vor. Das ist natürlich legitim, bloss sollte man diese Wertung nicht mit dem verwechseln, was der Roman aussagt.
Bearbeitet von simifilm, 18 Juli 2013 - 15:38.