Nun, inzwischen bin ich der Ansicht, daß das Thema, das hier angeschubst wurde, wirklich wichtig ist. Weshalb ich die Gelegenheit ergreifen möchte, den Beitrag von Marianne, den SF-Dinner per Link angebunden hatte, hier in Textform zu dokumentieren.
Bestandskatalog der Sammlung Ehrig
eingestellt (...!?)
Aus und vorbei
oder:
Wie man ein glanzvolles Projekt
in Grund und Boden kopiert
Eines möchte ich ohne jede Eitelkeit feststellen: dieser Katalog ist ein phantastisches und einzigartiges Projekt - ich habe nirgends im Netz etwas Vergleichbares gefunden. Und darum dachte ich in meiner Naivität, daß er sich auch gut verkaufen lassen würde.
Als ich das Ganze plante, habe ich mir eine Liste der potentiellen Abnehmer zusammengestellt und kam, ganz pessimistisch gerechnet, auf ca. 100. Zog ein paar Seilschaften ab, von denen mir klar war, daß man es dort nicht so genau nehmen würde und dachte an 75-80. Vorsichtshalber rechnete ich mit 50. Gekriegt habe ich 21. (Unter denen von meinen eigentlichen heißen Kandidaten nur ganz wenige zu finden sind.)
Schon seit einiger Zeit fiel mir auf, daß kurz vor Erscheinen eines Bandes sehr viele Besucher auf die Startseite des Katalogs gingen, um nachzusehen, ob nicht endlich der nächste Band im Anrollen war. Band 7 ließ ungewöhnlich lange auf sich warten - die Ungeduld stieg, und mit ihr stiegen die Besucherzahlen. Am Schluß waren es 120, die mal nachguckten. Bei nur 21 Abonnenten. Merkwürdig, nicht wahr? Nun hat meine Statistik noch ein paar andere kleine Hilfsmittel zu bieten: eine geographische Übersicht z.B. Und siehe da: in diesen letzten Tagen vor Erscheinen des Bandes zeigten sich gewisse Hot-Spots. Die verglich ich mal spaßeshalber mit meiner niedlichen kleinen Kundenkartei, und plötzlich ergab das ganze verdammte Puzzle einen Sinn.
Lauter kleine Ungereimtheiten: Leute, die ich überhaupt nicht kannte, stellten mir Fragen und gaben mir Antworten, die sich auf den Katalog bezogen, fragten gezielt und detailliert nach Büchern und Heften, von denen sie gar nicht wissen konnten, daß ich sie habe (einer beschrieb mir meinen eigenen Scan und wies auf den wertmindernden Knick im Schutzumschlag hin), Besucher bestaunten in der Sammlung alles und jedes, hatten aber für meinen Katalog nur einen beiläufigen Blick übrig: "Ja, kenne ich schon", usw. Kurz und schlecht: mir wurde klar, daß mir längst eine wirklich beeindruckende Schwarzbetrüger-Gemeinde an den Hacken klebte.
Jeder meiner Käufer wird sagen: "Ich habe nichts getan - nichts kopiert, nichts gescannt, nichts weitergegeben." Stimmt leider nicht bei allen - das steht fest. Wie das im Einzelnen abläuft, ist mir auch völlig wurscht. Oft geht es sicher nur um eine Gefälligkeitskopie. Aber: sowas machte man früher per Fotokopierer - da wurden die Kopien von den Kopien von Generation zu Generation schlechter und schließlich unleserlich. Heute scannt man das Heft und brennt es samt den Bildern auf eine CD. Die läßt sich dann beliebig oft und ohne jeden Qualitätsverlust vervielfältigen. Manch einer wurde wahrscheinlich sogar zur Quelle, ohne es selbst überhaupt mitzukriegen, hat den Katalog nur mal an einen guten Kumpel verborgt, der auch sammelt, oder an einen Bibliographen, der bloß ein paar ganz bestimmte Daten brauchte. Aber: der schmeißt den Katalog zu Hause auf seinen Scanner, und beim nächsten Arbeitstreffen bringt er seinen Freunden was Schönes mit.
Und da liegt die Gefahr: jede einzelne Kopie ist der Beginn einer Kette, von der sich weder vorhersagen noch nachvollziehen läßt, wohin sie führt, wie oft sie sich verzweigt, wieviele Kopien wo und bei wem landen: es ist unkontrollierbar.
Nur eines ist zu 100% sicher: Keiner, der den Katalog auf diese Weise umsonst bekommt, wird hingehen und ihn bei mir bestellen!
Und das bedeutet: wenn nicht möglichst viele Leute mitdenken und den Mumm haben, auch zu einem noch so guten Freund, zu einem noch so wichtigen Prof und anderen netten, lieben, wichtigen Leuten mal "nein" zu sagen, "bestell doch mal besser selbst", geht die Sache sowieso in die Hose. (Ich weiß, das mit dem "Nein"-Sagen ist schwierig, darum hatte ich ja auch von Anfang mit einem gewissen Schwund gerechnet - aber doch nicht in diesem Ausmaß!)
Nun sind ja nach Meinung mancher Leute bibliographische Arbeiten grundsätzlich umsonst und nur um der Ehre willen zu leisten. Damit bin ich auch grundsätzlich einverstanden, wenn man es als Freizeitbeschäftigung betreibt, als Hobby, das in erster Linie Spaß macht - mal ein Stündchen vor dem Schlafengehen und ab und zu ein Wochenende. Mache ich ja auch mit meiner Homepage: steckt viel Arbeit drin, aber das ist mein Privatvergnügen.
Mit dem Katalog ist es aber etwas ganz anderes: an dem habe ich täglich 10-16 Stunden gearbeitet, Pfingsten, Weihnachten und eigener Geburtstag inbegriffen. Ich bin praktisch zu nichts anderem mehr gekommen.
Warum ich mir das überhaupt angetan habe? Ganz einfach: ich hatte gehofft, mit den Einnahmen aus dem Verkauf des Katalogs den Erhalt der Sammlung sichern zu können. Dieses ganze Zeug beansprucht nämlich eine Menge umbauten Raum, und schon der allein kostet Geld in Form von ziemlich hohen Grundsteuern. Die Fenster im großen Saal sind alt und morsch, für den Winter brauche ich Öl, und über das Dach und einige andere Gefahrenpunkte darf ich gar nicht erst nachdenken!
Und darum - auch wenn es in diesen erlauchten Kreisen verpönt ist: reden wir mal vom Geld. 21 Abonnenten x 7 Heftnummern x 20 Euro, das sind 2940 Euro (brutto) für ziemlich genau ein Jahr harter Arbeit. Macht 245 Euro im Monat - toll!!! Dabei sind die viereinhalb Jahre Vorarbeit noch gar nicht berücksichtigt (da wäre ich dann bei knapp 45 Euro pro Monat). Bei Band 7 habe ich Aufzeichnungen geführt: zwei Monate Arbeit zu knapp 60 Cent die Stunde (würde ich da die viereinhalb Jahre Vorarbeit reinrechnen, käme ich auf Geld in homöpathischen Dosen).
Und die Materialkosten hab ich ja schließlich auch noch am Hals.
Anfangs lebte ich noch mit der Hoffnung, daß das Ganze sich erst etablieren und rumsprechen muß und es eben (noch) an wirksamer Werbung fehlt. Aber diese 120 Leute legen den Schluß nahe, daß mein Katalog die ursprünglich von mir angepeilte Auflagenhöhe längst nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten hat - wahrscheinlich noch viel weiter, als diese Zahl suggeriert, denn nicht alle schauen (noch dazu am selben Tag) ins Internet. Die Dunkelziffer ist nahezu beliebig. Hätten wenigstens diese 120 meinen Katalog bestellt und bezahlt - wenn ich daran denke, könnte ich die Wände hochgehen! Einen ganzen Winter lang habe ich mangels Geld für Heizöl mit drei Pullovern und zwei Jacken übereinander bei Frostbremse gelebt, ein ganzes Jahr meines Lebens an Spaß, Freude und Freizeit verloren, weil für nichts Geld und Zeit da war. Und das alles für eine Rotte von Schmarotzern, die meinen Katalog ohne Rücksicht auf Verluste kopieren, scannen und brennen und weitergeben!
Nein, meine Herren:
So nicht - nicht mehr und nicht wieder!
Ich stelle den Katalog ein.
Es gibt noch diesen einen Band - Band 8. Danach ist Schluß.
Ob sich daran noch etwas ändern ließe? Klar! Würden jetzt Dutzende von Bestellungen eintreffen, würde ich weitermachen. Übertriebenen Stolz kann ich mir aus finanziellen Gründen nicht erlauben. Ansonsten mache ich hier die Schotten dicht und mutiere zum Antiquariat - zur Hölle mit der Sammlung, wenn sie mir doch nichts weiter einbringt als Ärger, Sorgen und eine eiskalte Bude!
Jetzt seid ihr dran, meine lieben inoffiziellen Kunden. Gefällt euch der Katalog? Gut, dann bestellt ihn und bezahlt mich für diese gigantische Arbeit! Anderenfalls heißt es hiermit:
Aus und vorbei.
Schade drum - es hätte etwas Großes daraus werden können!
The End...?!
Marianne Ehrig am 30.6.2008
(Neue Kunden wären mir natürlich auch herzlich willkommen!)
PS: Eines bitte ich allerdings zu bedenken: einem Menschen, der ein solches Projekt ganz allein auf die Beine stellt und sich dafür den Arsch abarbeitet, sollte man nicht mannschaftsweise gleich zweimal in den selbigen zu treten versuchen! Also: Bestellen, damit ich weitermache und dann zurück marsch marsch zum alten Schlendrian wird nicht funktionieren. Zeigen sich die bereits bekannten Symptome erneut, wäre Schluß, und zwar endgültig! Und wer da denkt, daß alles sei nur eine Ausrede, weil ich das nicht durchhalte und es mir einfach zu viel Arbeit wird, der ist schiefgewickelt. Ich hab´s in Band 4 schon mal geschrieben und wiederhole es hier: wenn ich nicht zwischendurch tot umfalle, ziehe ich diese Sache schon durch! Iich bin hart im Nehmen und ein Arbeitstier. Aber bescheißen lasse ich mich nicht!