Also ich finde, die U/E-Debatte hat mit diesem Thema nur wenig zu tun. Es geht ganz einfach darum, wer heutzutage noch fähig/willens ist, eigene kreative Leistungen zu vollbringen statt sich an ein gesellschaftlich relevantes Thema wie Ölpest oder Rinderwahn anzuhängen.
Von der Frage abgesehen, ob sich vom Grundthema "Exploitation" gleich auf den grundsätzlichen Verzicht auf kreative Leistung schließen lässt (was Andreas Eschbach ja schon angesprochen hat), wurde das Thema bereits im Eingangspost von der Frage thematischer Kreativität auf allgemeine stilistische und literarische Qualität erweitert:
Problematisch ist dabei, daß eine Tendenz zur Exploitation meist einhergeht mit einer stilistischen Verarmung ...
Ich würde mal sagen, damit steckte von Anfang an schon der allgemeine U/E-Bezug in dem Thread, nicht nur die Betrachtung thematischer Originalität und Kreativität.
... ich vermute mal, er würde sagen, dass da einfach nicht wirklich viel los war mit deutscher Hochliteratur in den letzten 30 Jahren.
Wäre irgendwo auch meine Einschätzung ... wäre aber auch wieder ungerecht pauschalisierend. Ich fürchte, das ist wieder mal ein Thema, das irgendeinen Nerv trifft und dazu verführt, rein gefühlsmäßig erst mal zuzustimmen, wenn man denselben Mangel empfindet.
Aber zum Glück ein ganz anderer Diskurs, denn man hier nicht auch noch aufmachen muss
Und warum sehe ich eigentlich meinen Avatar nicht?
Geht mir auch seit Jahren so (okay, vielleicht nur eine sehr lange Zeit). Bin zu dem Schluss gekommen, dass es mir nicht wichtig genug ist, um hinterherzulaufen. Aber trotzdem danke, dass ich auf diese Weise auch noch einen Hinweis auf mögliche Ursachen bekomme.
Nur dass ich mich gar nicht erinnern kann, dass mein Avatar irgendwas mit Compuserve zu tun hatte
Das sind allerdings alles übersetzungen von Büchern, die auf Englisch bereits relativ erfolgreich waren, ...
Gern genanntes Argument, mein Gegenbeispiel: Zu dem Zeitpunkt, als ich Mievilles "Perdido Street Station" zur Begutachtung vorliegen hatte, existierte der Roman auch auf dem englischsprachigen Markt nur als Uncorrected Proof. Als das Buch dann auf Englisch ein Erfolg wurde und Mieville die ersten Preise bekam, war die Entscheidung bei Bastei-Lübbe längst gefallen und die Rechte gekauft - auf Grundlage einer reinen Qualitäts- und Erfolgseinschätzung im Verlag, ohne dass man vorher durch "Erfahrungen auf Mievilles Heimatmarkt" auf der sicheren Seite war.
Es stimmt also nicht, dass die deutschen Verlage da keine eigenen Entscheidungen treffen, keine Risiken eingehen und nichts Ungewöhnlicheres nehmen, wenn es nicht bereits im Ausland geadelt wurde. Ich hatte für mein Gutachten jedenfalls noch keine Rezeption aus England, an die ich mich anlehnen konnte.
Wenn sich aus der Feststellung, dass angeblich "solche Bücher nur in Übersetzung erscheinen", eine Fragestellung ableiten ließe, dann wäre das nach meiner Empfindung eher nicht "trauen sich deutsche Verlage nicht, gute, ungewöhnliche Bücher ohne Absicherung zu veröffentlichen?". Ich würde mir dann eher die Frage stellen: "Warum habe ich in meiner Zeit als Gutachter einen Mieville nur aus England bekommen und kein deutsches Manuskript, das mich ähnlich mitgerissen hat"?
Denn dass "Perdido Street Station" das beste Buch war, das ich seit mindestens zehn Jahren gelesen hatte, dass wusste ich nach dem Lesen auch selbst. Dafür braucht man nicht erst zu wissen, wie's in England abschneidet. Und da dieses Wow-Gefühl letztlich die wichtigste Basis für meine Empfehlung war, denke ich durchaus, dass ein deutsches Manuskript da keine schlechteren Chancen gehabt hätte - wäre der Impact beim Lesen nur derselbe gewesen.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)