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Paolo Bacigalupi - Biokrieg (The Windup-Girl)


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163 Antworten in diesem Thema

#91 Amtranik

Amtranik

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Geschrieben 25 März 2011 - 15:26

Du bist der einzige der hier die Frage hier aufwarf, aber damit weiĂźt du nicht, wie viele sich die auch gestellt haben. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/wink2.gif


Ironie On
Tja, weis mans? Wird sich schon jeder so seine Gedanken machen und das mit Sicherheit vor allem nur deswegen weil Bacigalupi selber
nichts darüber schreibt und somit erst das eigene Denken des Lesers ermöglicht. Hätte er einen Protagonisten auftreten lassen der
uns diese Haltung vorlebt so hätten wir, die Leser ja bloß vorgekautes übernommen und nicht unserer eigenen Intension nach gehandelt.
Ironie off
Eine wirklich interessante Sichtweise.

Okay, es fehlt der weiße Ritter, der es mit den schwarzen Schurken aufnimmt und sie für ihr widerwärtiges Tun und Denken bestraft. Aber ganz ehrlich, derlei empfände ich als eines preisgekrönten Romans für unwürdig.


Wow, da gehörst Du offenbar zu den Leuten die ganz spezielle Vorgaben haben wie "Preiswürdige" Romane aufgebaut zu sein
haben, sehr interessantes Statement wenn auch fragwĂĽrdig in meinen Augen.

Überhaupt passt die Vorgehensweise doch auch hervorragend zum Aufbau/ der Struktur des Romans. Hier wird vieles offen gelassen, es werden keinerlei Lösungen präsentiert. Stattdessen werden verschiedene "Typen" und ihre Handlungen in einer sich zuspitzenden und schließlich eskalierenden Krise gezeigt. (und Kumiko ist eine davon). Entsprechend aufgesetzt hätte es für mich gewirkt, wenn es da bezüglich Kumiko schwarz-auf-weiß nachelsbare "klare" Aussagen gegeben hätte.


Man könnte auch argumentieren und das träfe dann eher meinen Standpunkt, das der Autor sich die Sache ziemlich leicht gemacht hat.

Du liest im Kaffeesatz die Krise als Mittelpunkt des Romans heraus, für mich ist die Krise nur Hintergrund. Du vermisst das emotionale, für mich ist gerade das vor dem Hintergrund der Krise voll da! Für mich ist das Kern des Romans. Wie reagieren Menschen auf Krisen? Wie frei sind sie in ihren Entscheidungen? Und zu was führt das (gerade auch wegen all der Zufälligkeiten)?


Nein, das habe ich von einigen Schreibern hier einfach mal so übernommen. Ich persönlich und das ist auch Teil meiner Kritik am Roman,
sehe da ĂĽberhaupt keinen vernĂĽnftigen "Mittelpunkt" oder sollte man es "Kerngeschehen" nennen?, oder wie manche meinten
"Roten Faden". Deshalb gefällt mir der Roman nicht besonders und ich finde ihn eher uninteressant.

#92 Jakob

Jakob

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Geschrieben 25 März 2011 - 15:38

Nein, das habe ich von einigen Schreibern hier einfach mal so übernommen. Ich persönlich und das ist auch Teil meiner Kritik am Roman,
sehe da ĂĽberhaupt keinen vernĂĽnftigen "Mittelpunkt" oder sollte man es "Kerngeschehen" nennen?, oder wie manche meinten
"Roten Faden". Deshalb gefällt mir der Roman nicht besonders und ich finde ihn eher uninteressant.


Ist halt offenbar nicht so ein "Roter-Faden-Roman". Die gehen wahrscheinlich leichter daneben ... ich finde, Bacigalupi ist es gleungen, einen guten und vielschichtigen Figurenroman zu schreiben, ohne dass er dabei auf eine Kernidee angewiesen wäre. Einfach gemacht hat er es sich aber ganz sicher nicht mit der ethischen Haltung seiner Figuren. Auf mich wirkt das alles sehr durchdacht und analytisch.
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

R. Scott Bakker

"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

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#93 Rusch

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Geschrieben 25 März 2011 - 15:54

Ich denke Bacigalupi hat als Autor einfach eine andere intension gehabt. Er setzt anderes, sozusagen die bĂĽrokratische Schilderung
wirtschalftlicher und politischer Krisen in den Mittelpunkt seiner Erzählung. Die persönliche Ebene bleibt dahinter zurück.

Man kann das gut und konsequent finden, mir gefällt es nicht und daher der Roman auch nur mäßig.


Dann kann man eigentlich sagen, dieses Buch ist Hard SF im eigentlichen Sinne und irgendwie stimmt das auch. Zwar spielt Technik keine wirklich groĂźe Rolle, wohl aber die Auswirkungen der Technik auf die Menschen.

#94 molosovsky

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Geschrieben 25 März 2011 - 16:20

Jeder hat seine Lesart. Mir tun aber die Leser von »Windup« leid, die anscheinend nicht damit zurande kommen, einen Zusammenhang zu erkennen, denn ich finde den Roman keineswegs übermäßig kompliziert oder undurchschaubar.

Am Ende kommt der Roman sogar erstaunlich konventionell auf den Punkt:
Kap. 49/50 bietet eine Szene, die mich umgehauen hat und die ich sehr markant fand in Bezug auf die Fragestellung, was man als Individuum machen kann in einer Situation, da die große Weltgestaltung einerseits von gierigen Firmengiganten und andererseits von den Krisen einer außer Kontrolle geratenen (fabrizierten) Evolution bestimmt werden. †” Kanya hat dramaturgisch hier eigentlich die Funktion inne, die bereits als ›weißer Ritte des moralisch Guten‹ bezeichnet wurde. Oder les das nur ich so, dass Bacigalupi hier nach einem weitestgehend ernüchternd trostlosen Szenario seinen Lesern ein zustimmendes, befreiendes »Zahl es den Fiesen heim«-Gefühl gönnt?

Der Schluss ist wie auch immer ein merkliches »F*** You«-Signal in Richtung Gentechnik-Industrie †¦ und die macht sich ja schon seit geraumer Zeit daran, unsere Welt genau in die Wüste zu verunstalten, die das Szenario von »Windup« mahnend aufzeigt (siehe Monsanto und Co.)

Auch der Epilog stimmt noch mal zwei Themen, die m.E. zentral fĂĽr den Roman sind, deutlich an:
Öko- (bzw. Sozial-)Nischen, in denen Arten oder Leute (über)leben können und der harte Transhumanismus von Gibbons. Beides lässt sich zusammendampfen auf einen Appell, der im Roman an ein, zwei Stellen markant geäußert wird: »Evolve or die«. †” Durchaus ein Ruf, von dem ich mal Kaffeesatzlese-mäßig meine, dass ihn der Autor an seine zeitgenössischen Leser richtet.

Ob mir das Spannungsfeld des Romans gefällt, das er zwischen traditionellem Aberglauben, spirituellem Stoizismus, sekular-geschäftlichen Pragmatismus, ökologischen Fanatismus und machtwilligen Transhumanismus aufspannt, konnte ich nicht entscheiden. Aber ich fand es sehr anregend, mich durch dieses Spannungsfeld zu bewegen, noch dazu auf eine Art, die überraschend war, da ich nicht leicht vorhersehen konnte, wohin der Hase rennt.

In der ersten Hälfte hatte ich z.B. die Befürchtung, dass Emiko im Lauf der Handlung zu einer Art Superheldin mutieren, bzw. ihre Fluchtgeschichte glatt in Richtung Norden zu der New People-Kolonie abbiegen wird. Allein, wie sehr der Verlauf der Emiko-Handlung nicht dem (für mich) Erwartbarem entsprach, fand ich erfrischend.

GrĂĽĂźe
Alex / molo

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#95 Amtranik

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Geschrieben 25 März 2011 - 18:02

Jeder hat seine Lesart. Mir tun aber die Leser von »Windup« leid, die anscheinend nicht damit zurande kommen, einen Zusammenhang zu erkennen, denn ich finde den Roman keineswegs übermäßig kompliziert oder undurchschaubar.


Also was mich angeht ist dem nicht so. Nach einigem einlesen ist der Roman sehr leicht verständlich, aber eben in meinen Augen
ein biĂźchen langweilig.

Am Ende kommt der Roman sogar erstaunlich konventionell auf den Punkt:
Kap. 49/50 bietet eine Szene, die mich umgehauen hat und die ich sehr markant fand in Bezug auf die Fragestellung, was man als Individuum machen kann in einer Situation, da die große Weltgestaltung einerseits von gierigen Firmengiganten und andererseits von den Krisen einer außer Kontrolle geratenen (fabrizierten) Evolution bestimmt werden. †” Kanya hat dramaturgisch hier eigentlich die Funktion inne, die bereits als ›weißer Ritte des moralisch Guten‹ bezeichnet wurde. Oder les das nur ich so, dass Bacigalupi hier nach einem weitestgehend ernüchternd trostlosen Szenario seinen Lesern ein zustimmendes, befreiendes »Zahl es den Fiesen heim«-Gefühl gönnt?


Diesen Enthusiasmus für das Buch finde ich erstaunlich. Nichts im Roman was nicht in der heutigen Realität ( schaue nach Japan und schaue auf die Politiker in Deutschland vor dem Hintergrund aktueller Wahlen, auf die verflechtung von Politik, Wirtschaft und dem
Drang Geld zu verdienen und noch mehr Geld zu verdienen ) viel eindringlicher, offensichtlicher und mit ebengleicher Logik zu
beobachten wäre. Lediglich sind wir in der Realität noch an einem anderen Punkt der Geschichte. Es wird weitere Schwere Erdbeben
geben. Es wird massive Landverluste durch erhöhte Meeresspiegel geben. Die Profitgier und Ihr offensichtliches Antlitz in Form
von allmächtigen global operierenden Firemnimperien ist für jeden sichtbar und wir sind mittendrin. Wie sollte mich da so ein
Roman vom Hocker hauen können.

Der Schluss ist wie auch immer ein merkliches »F*** You«-Signal in Richtung Gentechnik-Industrie †¦ und die macht sich ja schon seit geraumer Zeit daran, unsere Welt genau in die Wüste zu verunstalten, die das Szenario von »Windup« mahnend aufzeigt (siehe Monsanto und Co.)


Auch der Epilog stimmt noch mal zwei Themen, die m.E. zentral fĂĽr den Roman sind, deutlich an:
Öko- (bzw. Sozial-)Nischen, in denen Arten oder Leute (über)leben können und der harte Transhumanismus von Gibbons. Beides lässt sich zusammendampfen auf einen Appell, der im Roman an ein, zwei Stellen markant geäußert wird: »Evolve or die«. †” Durchaus ein Ruf, von dem ich mal Kaffeesatzlese-mäßig meine, dass ihn der Autor an seine zeitgenössischen Leser richtet.


Dazu brauche ich ĂĽbrigens nicht bis zum Epilog gehen. Das empfand ich schon in der ersten Szene mit Anderson, als es um
diese Frucht geht und bereits rudimentär die schöne neue Welt der von Gentechnik verschandelten Lebensmittelreserven
angeschnitten wird.
Es mag ja sein das diese Themen in Angelsächsichen Ländern derzeit aktuell sind, bei denen gibts ja auch zig tausende
Genveränderte Lebensmittel die nicht als solche erkennbar sind im Einkaufsregal, mich lockt das nur mäßig hinterm
Ofen hervor. Solche Zivilisationskritik war in Deutschland bereits in den 80ern voll im Trend.



In der ersten Hälfte hatte ich z.B. die Befürchtung, dass Emiko im Lauf der Handlung zu einer Art Superheldin mutieren, bzw. ihre Fluchtgeschichte glatt in Richtung Norden zu der New People-Kolonie abbiegen wird. Allein, wie sehr der Verlauf der Emiko-Handlung nicht dem (für mich) Erwartbarem entsprach, fand ich erfrischend.


Na ja, Superheldin, so was plattes wollte sicherlich niemand. Ansonsten verblĂĽffend, denn dies war gerade ein Aspekt den ich mir
gewünscht hätte. Die Story, natürlich gut umgesetzt, hätte mich sehr interessiert. Das andere gewusel um Weißhemden, einem
alten Chinesischen Flüchtling der nur einer von vielen ist mit ähnlichem oder schlimeren Schicksal etc, fand ich dagegen weniger
unterhaltsam.

Lediglich zum Ende gewinnt der Chinese deutlich an Profil als er sich des Mädchens Mai annimmt. Mir hat die letzte Szene von
Kummiko gefallen, aber letzenendes ist es einfach zu wenig fĂĽr einen guten Roman.

#96 Rusch

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Geschrieben 25 März 2011 - 19:51

Jeder hat seine Lesart. Mir tun aber die Leser von »Windup« leid, die anscheinend nicht damit zurande kommen, einen Zusammenhang zu erkennen, denn ich finde den Roman keineswegs übermäßig kompliziert oder undurchschaubar.


Da hast Du mich falsch verstanden. Die Handlung ist schon klar, aber ich finde sie total langweilig. Ein biĂźchen Intriege, ein biĂźchen Korruption. Der Konflickt spitzt sich zu, es kommt zu den erwarteten VerknĂĽpfungen zwischen den Protagonisten und ĂĽber allen ragt der erhobenen Zeigefinger.

*pathetic*

Sorry, das ist einfach zu wenig. Die Figuren sind mir egal, weil sie einfach hölzern und ohne Leben sind. Hier hat Baciualupi vollkommen versagt und wir sind wieder bei der üblichen Soft vs. Hard SF Diskussion. Ich mag wissen, wie es in den Figuren aussieht, ich mag ihre Vergangenheit, ihre Träume, ihre Ängst. Bei Bacigalupi sind sie aber nur Mittel zum Zweck. Sklaven seiner Geschichte. Und die Geschichte reißt mich einfach nicht vom Hocker. Was bleibt also?

#97 Amtranik

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Geschrieben 25 März 2011 - 20:13

Und die Geschichte reiĂźt mich einfach nicht vom Hocker. Was bleibt also?


Eine mittelmäßige, ziemlich beliebige Geschichte die einzig aufgrund Ihrer gewonnen Preise bei mir verblüffung
hervorruft.
Vermutlich wäre eine Diskussion, ob solch ein Roman auch in Deutschland einen Preis gewonnen hätte spannender als
der Roman selbst.

#98 molosovsky

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Geschrieben 25 März 2011 - 20:55

@Amtranik & Rusch: Bei genügend verschiedenen Lesern treffen wohl unweigerlich welche aufeinander, die fast vollends gegenteilige Auffassungen und Lesehaltungen und Erwartungen haben. †” Von Rusch weiß ich ja (und Amtranik hat auch eine kurze positive Meldung abgegeben), dass ihm Grimwoods »Replay« ganz gut gefallen hat. Und auf den Roman von Grimwood treffen nun für mich alle negativen Kritikpunkte zu, die von Euch beiden gegenüber »Windup Girl« geäußert wurden (und noch ein paar mehr). Nicht dass ich Bacigalupis Roman für superduper halte †” (bei Büchern gebe ich ungern Punkte, aber grob würde ich »Windup« bei 7 bis 8 von 10 ansiedeln). So übern Daumen gepeilt habe ich das Gefühl, dass der Roman straffer sein, er um ca. 20 bis 50 Seiten gekürzt werden könnte. Aber ich las ihn dennoch gerne und mir fällt auf, dass die Nachhallzeit intensiv ist Grüße Alex / molo

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#99 Amtranik

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Geschrieben 25 März 2011 - 22:14

. Und auf den Roman von Grimwood treffen nun für mich alle negativen Kritikpunkte zu, die von Euch beiden gegenüber »Windup Girl« geäußert wurden (und noch ein paar mehr).



Es ist zwar schon einiges her das ich "Replay" gelesen habe, ich bin jedoch einigermaĂźen verblĂĽfft und kann das so gar nicht
nachvollziehn. Ich wĂĽrde es aber gerne versuchen.
Grimwoods Geschichte ist ja nun die Klassische " Was wäre wenn ". Ein Roman der einzig durch seine Idee und natürlich
deren Umsetzung besticht. Läge man diesen Maßstab an "Windup Girl" an... nun ja über die Originalität der Storyline wurde ja schon
genug gesagt.

Also bitte, laß hören. Ich bin sehr gespannt auf dein Statement zu Grimwoods Replay.

Bearbeitet von Amtranik, 25 März 2011 - 22:15.


#100 molosovsky

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Geschrieben 25 März 2011 - 22:48

Mein Fazit zu »Replay« findest zu auf der letzten Seite des Lesezirkel-Threads von damals. (Und auf den Seiten davor mehr Details zum Lese-Prozess).

Für mich läuft der Vergleich auf einen deutlichen Relevanz-Kontrast hinaus:
»Replay« bietet für mich leider überwiegend ne Wohlfühl-Eso-Schnulze über einen mich langweilenden seichten Otto-Normalo (der mir arg mit Blick auf ein Mainstream-Publikum konstruiert erscheint). Schreib-Handwerklich gut gemacht, deshalb aber bei mir in seiner nervigen Wirkung um so fataler.

»Windup Girl« ist für mich gut durchdachte Hard SF mit Schwerpunkt auf Politik und Gesellschaft, eben aus Froschperspektive. Was mir fehlt, ist vielleicht eine Prise Humor, die würde die nüchterne ›Kälte‹ aufwiegen und somit den Roman sicherlich zugänglicher machen. Aber mir ist der kühle Blick von Bacigalupi eben unterm Strich lieber, als so eine Rosenblüten-Attake wie die von Grimwood.

GrĂĽĂźe
Alex / molo

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#101 Vincent Voss

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Geschrieben 25 März 2011 - 22:50

M.E. bündeln sich die ausgeworfenen Fäden schon zu einem in sich stringentem und auch logischen Ende. Das wirklich allerletzte Kapitel hingegen hat mir als Bild nicht zugesagt, es wirkte bei der anhaltenden Mühe, alles glaubwürdig und sachlich zu erklären, ein wenig zu sehr wie "Alice im Wunderland". Vielleicht war es aber auch die Schlüsselszene zu einer Metaebene (Erschaffer und Geschöpf(e) überleben Katastrophe, die sich mir nicht erschlossen hat. Insgesamt hat mir der Roman gefallen, mit allen Figuren konnte ich mitfühlen und ggbf. mitleiden, das Setting wurde methodisch gut bis sehr gut belebt (Begriffe, Beschreibung der Schauplätze, Profil der Akteure, Technik, Kultur und Gesellschaft). Als Schwäche sehe ich den Teil nach der ersten Einführung aller wichtigen Figuren bis zum 20ten Kapitel. Zu lange fischte ich als Leser im trüben Gewässer, wurde von Schauplatz zu Schauplatz geführt, ohne selbst etwas entdecken zu können oder herausgefordert zu werden. Warum so viele Preise, das frage ich mich auch. Insgesamt landet der Roman bei mir bei 8 von 10 Punkten

#102 Amtranik

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Geschrieben 26 März 2011 - 09:38

Mein Fazit zu »Replay« findest zu auf der letzten Seite des Lesezirkel-Threads von damals. (Und auf den Seiten davor mehr Details zum Lese-Prozess).

Für mich läuft der Vergleich auf einen deutlichen Relevanz-Kontrast hinaus:
»Replay« bietet für mich leider überwiegend ne Wohlfühl-Eso-Schnulze über einen mich langweilenden seichten Otto-Normalo (der mir arg mit Blick auf ein Mainstream-Publikum konstruiert erscheint). Schreib-Handwerklich gut gemacht, deshalb aber bei mir in seiner nervigen Wirkung um so fataler.

»Windup Girl« ist für mich gut durchdachte Hard SF mit Schwerpunkt auf Politik und Gesellschaft, eben aus Froschperspektive. Was mir fehlt, ist vielleicht eine Prise Humor, die würde die nüchterne ›Kälte‹ aufwiegen und somit den Roman sicherlich zugänglicher machen. Aber mir ist der kühle Blick von Bacigalupi eben unterm Strich lieber, als so eine Rosenblüten-Attake wie die von Grimwood.

GrĂĽĂźe
Alex / molo


Ja, das ist ein Statement mit dem ich was anfangen kann. Vermutlich hat mich Grimwoods Protagonist so interessiert weil ich
eben auch ein Otto-Normalo bin..

Ansonsten finde ich bei Dir häufiger das Phänomen, das Du aus meiner Sicht viel zu viel in und um das Buch hineininterpretierst.
Ich meine damit so Dinge wie bspw, Google-Seiten, Gesellschaftliche Realitäten, oder eben das Du Dir Gedanken machst ob
Grimwood nicht eine Figur aus KalkĂĽl als "Mainstream-Liebling" konstruiert hat.

Auf mich wirkt das immer so als wĂĽrdest Du bereits vor dem Lesen eine Menge an Ballast mit Dir herumschleppen dem der Text
erstmal standhalten muĂź um ĂĽberhaupt eine Chance zu haben fĂĽr gut befunden zu werden, anstatt mal einfach die Festplatte im
Oberstübchen zu resetten und sich auf einen Text als etwas neues einzulassen ohne ständige Quervergleiche mit Literatur,
Zeitgeschehn, Zeitgeist oder was weiĂź ich noch was.

Ansonsten mag ich zb beides gern, Happyend oder Badend ist nicht entscheidend. Auch nicht ob ein Roman ĂĽberwiegend eine
positive oder negative Atmosphäre zeichnet.

Bearbeitet von Amtranik, 26 März 2011 - 09:39.


#103 molosovsky

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Geschrieben 26 März 2011 - 10:28

@Amtranik: Naja, was soll ich sagen. Ich bin wohl ein (verhältnismäßig) anspruchsvoller Leser. Ich mag es nicht, wenn ich das Gefühl habe, dass der Autor glaubt, sich zu mir runter beugen zu müssen. Umgekehrt recke und strecke ich mich gerne, wenn mir ein Autor das Angebot macht, dass sich die Mühe der Anstrengung lohnt (siehe Harkaway oder Stephenson oder Hal Duncan). -- Auch werde ich nicht gerne eingelullt, bzw. mag ich allzu tröstliche Stoffe nicht wirklich. Aber es kommt (selten) durchaus vor, dass ich einen Autor mit Vergnügen lese, der es mir leicht machen will (mit Wohlfühlprosa oder Cliffhanger-Infaltion ect). Dan Browns Romane mit Robert Langdon sind so ein Fall. Die finde ich -- trotz aller ihrer *Billigkeit* -- sehr amüsant ... vielleicht nicht so, wie es der Autor beabsichtigte, aber das ist mir als Leser erstmal Wurscht. Otto-Normalos gibt es m.E. nur als Abstraktion in der Marktforschung oder Statistik. Meiner Ansicht nach sind ALLE Menschen irgendwie Freaks, manche halt nur besser getarnt, als andere ;) Und was meine Leseweise angeht, dass ich Ballast mitbringe (Relevanz, Bezug zu Zeitgeschehen oder anderen Werken oder was auch immer). Dafür ist, für mich, Literatur nun mal da. Ich gönne jedem *naivem* Leser seinen Spaß und versuche, ihnen wegen ihrer unbedarften Leseweise keinen Vorwurf zu machen. Aber ich finde es nicht richtig, wenn die anspruchslosere Haltung der allgemeine Maßstab für Literatur sein sollte. Intelligenz sollte sich nach oben ausrichten, zu höheren Intelligenzen hin, nicht nach unten ... das ist nähmlich dann nichts anderes als Suchtlesen, Betäuben, Zumachen gegenüber der Welt. Und ich gehe an alle Medien durchaus mit einer *Kunst*-Defaulthaltung heran: ich will Welt, Erweiterung, Bereicherung. Wenn ich NUR Entspannung will, lass ich mich massieren, oder gehe in den Zoo :) Grüße Alex / molo

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#104 Susanne11

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Geschrieben 26 März 2011 - 10:42

Habe das Buch durch und bin hochzufrieden. Das Ende, eigentlich sind es zwei Enden, erlauben einen positiven Ausblick, was mir gefällt. Wenn ich ein Wort finden müsste, um das Buch zu charakterisieren, dann ist es das Wort „intensiv“. Das Geschichte ging mir unter die Haut, und ist eindringlich und sehr wirkungsvoll erzählt. Von den Personen gefielen mir Kanya und Jaidee am besten. Kanya hat einen Tiefpunkt nach dem Besuch bei Gibbons und entscheidet sich, weiterzumachen „bis ihr schlechtes Kamma endlich getilgt ist.“ Und entsprechend handelt sie. Bei ihr ist eine Veränderung geschehen, sie hat etwas gelernt. Jaidee folgt seinem Weg ohne Bedauern und ohne seinen Humor zu verlieren. :) Eine ganze Weile fand ich die Szenen der sexuellen Mishandlung von Emiko überzogen dargestellt. Später wurde dann klar, warum das so grausam und drastisch sein musste. Alles in allem eines der besseren Bücher, die ich gelesen habe und ich kann mir gut vorstellen es nochmals zu lesen. Der Roman ist insofern ausgewogen erzählt, als dass sich Action-Szenen und Beschreibungen des Innenlebens der Figuren sowie der historischen Entwicklungen die Waage halten. Ich hasse Romane, die im Grunde Actionfilme zwischen zwei Buchdeckeln sind, was hier glücklicherweise nicht der Fall ist.

Bearbeitet von Susanne11, 26 März 2011 - 11:29.


#105 T. Lagemann

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Geschrieben 26 März 2011 - 11:13

Wow, da gehörst Du offenbar zu den Leuten die ganz spezielle Vorgaben haben wie "Preiswürdige" Romane aufgebaut zu sein
haben, sehr interessantes Statement wenn auch fragwĂĽrdig in meinen Augen.


nicht "wie", aber das sie mehr/anderes/neues bieten mĂĽssen, als die nicht mit Preisen bedachten Romane, versteht sich ja von selbst ...

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"Wir sind jetzt alle Verräter."
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."

(James Corey, Calibans Krieg)

"Sentences are stumbling blocks to language."

(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)

"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"

(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")
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#106 Jakob

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Geschrieben 26 März 2011 - 11:18

Auf mich wirkt das immer so als wĂĽrdest Du bereits vor dem Lesen eine Menge an Ballast mit Dir herumschleppen dem der Text
erstmal standhalten muĂź um ĂĽberhaupt eine Chance zu haben fĂĽr gut befunden zu werden, anstatt mal einfach die Festplatte im
Oberstübchen zu resetten und sich auf einen Text als etwas neues einzulassen ohne ständige Quervergleiche mit Literatur,
Zeitgeschehn, Zeitgeist oder was weiĂź ich noch was.


Da müsstest du dir jetzt aber doch in Bezug auf "Windup Girl" an die eigene Nase fassen. Du lässt dem text ja auch wenig Chancen, dich zu überzeugen. Ich würde da auch keinen grundlegenden Unterschied machen zwischen der von molo vertretenen "anspruchsvollen" Lesehaltung und der "naiven" Herangehensweise. Die "naive" Variante ist ja genauso voraussetzungsreich, man hat auch Erwartungen, die durch bisherige Leseerfahrungen geprägt sind - man will z.B. einen klaren roten Faden, ein gewisses Erzähltempo, ein SF-Novum im Mittelpunkt der Handlung, einen verlässlichen Erzähler. Das ist ja alles nicht selbstverständlich.
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#107 T. Lagemann

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Geschrieben 26 März 2011 - 11:34

Ist halt offenbar nicht so ein "Roter-Faden-Roman". Die gehen wahrscheinlich leichter daneben ... ich finde, Bacigalupi ist es gleungen, einen guten und vielschichtigen Figurenroman zu schreiben, ohne dass er dabei auf eine Kernidee angewiesen wäre. Einfach gemacht hat er es sich aber ganz sicher nicht mit der ethischen Haltung seiner Figuren. Auf mich wirkt das alles sehr durchdacht und analytisch.


yepp. Schon die gewählten Hauptfiguren, dazu die Nebenfiguren, damit wird ein breites, gesellschaftliches Spektrum abgedeckt. Damit wird die heraufziehende Krise aus vielen Blickwinkeln beleuchtet.

Anfangs hat mich das isolierte Erzählen der Figuren gestört, aber dann stellten sich nach und nach Beziehungen her, verbanden sich die einzelnen Geschichten. Und verdichteten sich zu einem recht eindrucksvollen Gemälde eines Landes im Umbruch.

Rusch schrieb weiter unten:

Ich mag wissen, wie es in den Figuren aussieht, ich mag ihre Vergangenheit, ihre Träume, ihre Ängst. Bei Bacigalupi sind sie aber nur Mittel zum Zweck. Sklaven seiner Geschichte.


In dem Roman machen nicht Menschen Geschichte, die Geschichte widerfährt ihnen. Sklaven sind sie nicht, aber ihre Entscheidungen beeinflussen den Lauf der Dinge so gut wie kaum. Einzig Kumikos Amoklauf bringt die Dinge gehörig in Bewegung (bzw. beschleunigt den Staatsstreich). Und am Ende, als alles gelaufen zu sein scheint, werden die Pumpen gesprengt und die Stadt versinkt im Meer. Was wird danach geschehen? Was aus denen, die die Pumpen gesprengt haben? Welchen Wert haben vor so einem Geschichtsverständnis Träume? Ängste? Ja, die Figuren haben sie, manchmal werden sie mir sogar viel zu ausführlich beschrieben, aber den Lauf der Welt ändern sie damit nicht.

Ein pessimistisches Weltbild? Nein, ich denke, ein realistisches. Und das zieht Bacigalupi bis zum Ende gnadenlos durch.

Ich habe den Figuren nicht immer folgen können, Anderson zum Beispiel blieb mir unverständlich - anfangs dachte ich bei ihm, wow, eine Figur wie von le Carre, aber dann stolpert er nur noch ziemlich sonderbar durch den Roman. Im Gesamtblick auf den Roman denke ich nun, dass das so beabsichtigt ist, dass Anderson eine Art Mensch ohne Eigenschaften ist (sein Pendant ist der zutiefst idealistische Fabrikbesitzer, der jedoch schnell abserviert wird). Anderson funktioniert für seine Firma bis hin zum Einsatz seines Lebens, ohne zu wissen, warum.

Viele GrĂĽĂźe
Tobias
"Wir sind jetzt alle Verräter."
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."

(James Corey, Calibans Krieg)

"Sentences are stumbling blocks to language."

(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)

"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"

(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")
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#108 Rusch

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Geschrieben 26 März 2011 - 12:13

Also Molo, ich sage ja immer, dass man bei fast jeden SF Buch einen findet, der es liebt und einen, der es hasst. Irgendwie scheint dies eine Gesetzmäßigkeit zu sein und ich bin da nicht nachtragend, wenn jemand ein Buch verreißt, dass ich liebe. Ich glaube für mich ist alles entscheidend, dass ich Zugang zu den Protagonisten finde. Wenn das nicht klappt, funktionieren Romane bei mir in der Regel nicht.

#109 Susanne11

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Geschrieben 26 März 2011 - 12:25

In dem Roman machen nicht Menschen Geschichte, die Geschichte widerfährt ihnen. Sklaven sind sie nicht, aber ihre Entscheidungen beeinflussen den Lauf der Dinge so gut wie kaum. Einzig Kumikos Amoklauf bringt die Dinge gehörig in Bewegung (bzw. beschleunigt den Staatsstreich). Und am Ende, als alles gelaufen zu sein scheint, werden die Pumpen gesprengt und die Stadt versinkt im Meer. Was wird danach geschehen? Was aus denen, die die Pumpen gesprengt haben? Welchen Wert haben vor so einem Geschichtsverständnis Träume? Ängste? Ja, die Figuren haben sie, manchmal werden sie mir sogar viel zu ausführlich beschrieben, aber den Lauf der Welt ändern sie damit nicht.

Das sehe ich anders.

Kanyas Entscheidung in Kapitel 49/50
Spoiler
ist eine weitgehend autonome Entscheidung, die weitreichende Folgen hat.
Ihr Besuch bei Gibbons hat eine Veränderung in ihr bewirkt und sie handelt entsprechend.

#110 Amtranik

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Geschrieben 26 März 2011 - 16:20

@Amtranik:
Naja, was soll ich sagen. Ich bin wohl ein (verhältnismäßig) anspruchsvoller Leser. Ich mag es nicht, wenn ich das Gefühl habe, dass der Autor glaubt, sich zu mir runter beugen zu müssen. Umgekehrt recke und strecke ich mich gerne, wenn mir ein Autor das Angebot macht, dass sich die Mühe der Anstrengung lohnt (siehe Harkaway oder Stephenson oder Hal Duncan). -- Auch werde ich nicht gerne eingelullt, bzw. mag ich allzu tröstliche Stoffe nicht wirklich.

Aber es kommt (selten) durchaus vor, dass ich einen Autor mit VergnĂĽgen lese, der es mir leicht machen will (mit WohlfĂĽhlprosa oder Cliffhanger-Infaltion ect). Dan Browns Romane mit Robert Langdon sind so ein Fall. Die finde ich -- trotz aller ihrer *Billigkeit* -- sehr amĂĽsant ... vielleicht nicht so, wie es der Autor beabsichtigte, aber das ist mir als Leser erstmal Wurscht.

Otto-Normalos gibt es m.E. nur als Abstraktion in der Marktforschung oder Statistik. Meiner Ansicht nach sind ALLE Menschen irgendwie Freaks, manche halt nur besser getarnt, als andere ;)

Und was meine Leseweise angeht, dass ich Ballast mitbringe (Relevanz, Bezug zu Zeitgeschehen oder anderen Werken oder was auch immer). Dafür ist, für mich, Literatur nun mal da. Ich gönne jedem *naivem* Leser seinen Spaß und versuche, ihnen wegen ihrer unbedarften Leseweise keinen Vorwurf zu machen. Aber ich finde es nicht richtig, wenn die anspruchslosere Haltung der allgemeine Maßstab für Literatur sein sollte. Intelligenz sollte sich nach oben ausrichten, zu höheren Intelligenzen hin, nicht nach unten ... das ist nähmlich dann nichts anderes als Suchtlesen, Betäuben, Zumachen gegenüber der Welt. Und ich gehe an alle Medien durchaus mit einer *Kunst*-Defaulthaltung heran: ich will Welt, Erweiterung, Bereicherung. Wenn ich NUR Entspannung will, lass ich mich massieren, oder gehe in den Zoo :)

GrĂĽĂźe
Alex / molo



Wer hat eine anspruchslosere Haltung? Ich bitte dich von deinem hohen Roß abzusteigen. Ich möchte mit Sicherheit
auch nicht nur "berieselt" werden. FĂĽr mich ist dieser Roman nur einfach ein alter Hut was Story und Idee angeht und
langweilig was die Protagonisten und den Verlauf der Handlung angeht.

Ich kann nicht erkennen wie Hinweise auf derzeitige mögliche Trends aus dem Herkunftsland des Romans und eine damit
begründete Prämierung desselbigen von ausrichtung zu höherer Intelligenz spricht.

Bearbeitet von Amtranik, 26 März 2011 - 16:20.


#111 Amtranik

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Geschrieben 26 März 2011 - 16:30

Da müsstest du dir jetzt aber doch in Bezug auf "Windup Girl" an die eigene Nase fassen. Du lässt dem text ja auch wenig Chancen, dich zu überzeugen. Ich würde da auch keinen grundlegenden Unterschied machen zwischen der von molo vertretenen "anspruchsvollen" Lesehaltung und der "naiven" Herangehensweise. Die "naive" Variante ist ja genauso voraussetzungsreich, man hat auch Erwartungen, die durch bisherige Leseerfahrungen geprägt sind - man will z.B. einen klaren roten Faden, ein gewisses Erzähltempo, ein SF-Novum im Mittelpunkt der Handlung, einen verlässlichen Erzähler. Das ist ja alles nicht selbstverständlich.


Also ich wĂĽrde das nicht so pauschalisieren.
Zunächst einmal habe ich bei keinem Roman grundsätzlich die von Dir angesprochenen Erwartungen.
Es ergibt sich immer aus dem Text selbst. Mal stört einen der fehlende Rote Faden.. sprich man denkt, dieser oder
jener Roman hätte einem mit ein wenig mehr "an die Hand nehmen des Lesers" noch besser gefallen. Bei
anderen Storys ist dieser Aspekt völlig unerheblich und es gibt vielleicht total andere Punkte die stören.

Was Du ansprichst, sind doch da eher ganz allgemeine Grunderwartungen die wir alle mit uns herumschleppen.
Ich bin mir nicht mal sicher ob der User Molo wirklich objektiv eine anspruchsvollere Lesehaltung hat als bspw ich oder
andere Kritiker des Romans. Mir kommt zb die Bewertung der Storyline des Romans von seinen BefĂĽrwortern etwas zu
unkritisch vor.

Bearbeitet von Amtranik, 26 März 2011 - 16:31.


#112 molosovsky

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Geschrieben 26 März 2011 - 17:53

@Amtranik: Tut mir leid, aber langsam erscheint mir Deine Argumentationsweise paradox. Ich sitze auf dem hohen Ross, WEIL ich beim Lesen von Romanen einen gewissen *Schallraum* aufmache, und gelte gleichzeitig als unkritischer, WEIL ich meine Festplatte beim Lesen nicht resette? Da komme ich nicht mehr mit. Grüße Alex / molo, der reiten gelernt hat und deshalb gern auf Rössern sitzt ... auch auf hohen :P

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#113 Amtranik

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Geschrieben 26 März 2011 - 18:31

@Amtranik:
Tut mir leid, aber langsam erscheint mir Deine Argumentationsweise paradox.
Ich sitze auf dem hohen Ross, WEIL ich beim Lesen von Romanen einen gewissen *Schallraum* aufmache, und gelte gleichzeitig als unkritischer, WEIL ich meine Festplatte beim Lesen nicht resette?

Da komme ich nicht mehr mit.

GrĂĽĂźe
Alex / molo, der reiten gelernt hat und deshalb gern auf Rössern sitzt ... auch auf hohen :P


Ich hab ja nie behauptet das der von Dir so benannte "Schallraum" einen kritischeren Umgang mit Lesestoff, oder
gar eine der "höheren Intelligenz" verflichteten Leseweise entspricht. Das hast Du so interpretiert.
Mir kam es so vor, ( ich behaupte ja nicht das dem tatsächlich so ist ) als wenn bei Dir oftmals zu viele Dinge von "außen",
Dinge die gar nichts direkt mit dem Inhalt, dem Roman selber zu tun haben in deine Bewertung einfliessen so daĂź Du aus
meiner Sicht zu manchmal schwerlich nachvollziehbaren ergebnissen kommst. Das ist jetzt nicht unbedingt auf "Windup-Girl"
bezogen, hier ist ja die Argumentation der beiden Fraktionen Pro und Kontra recht klar und wie ich finde nachvollziehbar.

Ich wĂĽrde mich in jedem Falle dagegen wehren wollen wenn man mir unterstellte, generell naiver oder unkritischer als bspw Du
selbst es tust an einen Roman heranzugehn. So war das gemeint mit dem hohen RoĂź. Bitte nicht ĂĽberbewerten, Beleidigungen liegen
mir fern.

Bearbeitet von Amtranik, 26 März 2011 - 18:32.


#114 molosovsky

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Geschrieben 26 März 2011 - 18:55

Ganz kurz @Amtranik: Vom beleidigt-Sein bin ich weit entfernt. Du äußerst Dich ja höflich, trotz gegenteiliger Auffassung. Find ich doll. Grüße Alex / molo

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#115 Oliver

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Geschrieben 26 März 2011 - 18:56

Leider kam ich aus Zeitgründen die letzten Tage nur mit dem Lesen aber nicht mit dem Posten in diesem Thread hinerher, möchte aber einfach mal in die Runde werfen, dass sich das insgesamt doch zu einem sehr schönen Lesezirkel entwickelt hat mit interessanten Postings, da muss man ja längst nicht alle Meinungen teilen. Gerne hätte ich zu vielem noch was gesagt, will aber jetzt nicht wieder alles von hinten aufrollen. Gerne gelesen habe ich das fast alles.

Ich steige mal hier wieder ein:

erstmal standhalten muĂź um ĂĽberhaupt eine Chance zu haben fĂĽr gut befunden zu werden, anstatt mal einfach die Festplatte im
Oberstübchen zu resetten und sich auf einen Text als etwas neues einzulassen ohne ständige Quervergleiche mit Literatur,
Zeitgeschehn, Zeitgeist oder was weiĂź ich noch was.

Das Argument finde ich verblüffend und möchte entgegnen: Ja, was denn sonst? Was Du da nennst, ist doch gerade das, was beim Lesen mit am meisten Spaß macht, die (eigene) Einordnung in einen Kontext.
Wenn ich mein Hirn durchlüften oder entspannen will, da habe ich für mich James Patterson entdeckt; es gibt unzählige Autoren die besser sind als er, auch viele schlechtere, aber keinen, den ich kenne, der einem so wenig Lesewiderstand entgegen bringt. Ansonsten muss ich mich in einem völlig Molo anschließen: Ich möchte, außer bei Patterson, von einem Autor bitteschön gefordert werden, der soll sich nicht zu mir herablassen.
  • • (Buch) gerade am lesen:"Tales of the Shadowmen 1", J.-M. Lofficier (ed.)
  • • (Buch) als nächstes geplant:"Tales of the Shadowmen 2", J.-M. Lofficier (ed.)
  • • (Buch) Neuerwerbung: Sherlock Holmes - Aus den Geheimakten des Weltdetektivs (Sammelband, 1973, mit 15 Heftromanen (1907/1908))
  • • (Film) gerade gesehen: "Das Testament des Dr. Mabuse" (Fritz Lang)
  • • (Film) als nächstes geplant: "Jurassic World: Dominion" (Dinos!!!!!)
  • • (Film) Neuerwerbung: "Judex" (Louis Feuillade)

#116 molosovsky

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Geschrieben 27 März 2011 - 09:50

Ich habe nun folgendes Problem. Wir können nun annehmen, dass es im Grunde keine *besseren* oder *schlechteren* Leseweisen gibt, und wir alle -- jeder mit seinem Geschmack und dem darauf ruhenden Urteil -- richtig liegen. Das akzepiere ich des lieben Frieden willens gerne, auch wenn ich der Meinung bin, dass diese Haltung falsch ist. Wie überall herrscht auch auf dem Gebiet des Lesens und der Leseweisen eine vertikale Spannung, will sagen: die verschiedenen Arten zu Lesen lassen sich stufenweise voneinander unterscheiden. Nun besteht zwar die Möglichkeit, dass Leser, die mit "Windup Girl" ganz zufrieden sind, schlechtere Leser sind, als Leute, die das Werk als eher minder einstufen. Aber wenn man als Kriterium für gelungene Lektüre heranzieht, ob durch das Lesen eines Romanes Enttäuschung oder Bereicherung gestiftet wurde, bin ich geneigt, die Lektüreweisen, die zur einer Bereicherung geführt haben eher als die erfolgreichere zu werten. -- Damit will ich nicht sagen, dass Millionen Leser, die mit Schund glücklich werden durch ihre Begeisterungsäußerungen dem Werk automatisch verhelfen, als gutes Werk zu gelten zu können. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: es gibt Werke, die die einfachste und *anspruchsloseste* Lese-Stufe zu befriedigen wissen, eben die des Unterhalten-Werdens. Daraus kann man ableiten, dass bestimmte Leser (wie ich) deshalb nicht glücklich mit der Lektüre solcher Bücher werden, denen es überwiegend lediglich um die Erfüllung von leicht zu erlangenden Unterhaltungsbedürfnissen geht, weil sie sich dabei (was Sprache, Struktur und dergleichen betrifft) unterfordert fühlen, bzw. dargebrachte Argumente, Aussagen, Behauptungen, Schilderungen von Gefühlen & Kausalitäten für zu seicht, zu beliebig, unplausibel usw halten. Ich möchte daran erinnern, dass ich nicht vollends hingerissen bin von "Windup Girl". Wiegesagt vermisse ich in dem düsteren und schon deprimierend ernsten Szenario eine gewisse Humorigkeit, die (für mich persönlich) jeden guten Roman kennzeichnet, egal wie ambitioniet und engagiert seine Ziele sind. -- (Diese meine Forderung ist vielleicht sogar Verwandt mit Amtraniks Forderung danach, der Autor hätte doch jemanden in den Roman als *Retter* bzw. Fürsprecher für das gequälte New People-Wesen auftreten lassen sollen). Grüße Alex / molo

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#117 Susanne11

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Geschrieben 27 März 2011 - 10:47

Ich möchte daran erinnern, dass ich nicht vollends hingerissen bin von "Windup Girl". Wiegesagt vermisse ich in dem düsteren und schon deprimierend ernsten Szenario eine gewisse Humorigkeit, die (für mich persönlich) jeden guten Roman kennzeichnet, egal wie ambitioniet und engagiert seine Ziele sind. -- (Diese meine Forderung ist vielleicht sogar Verwandt mit Amtraniks Forderung danach, der Autor hätte doch jemanden in den Roman als *Retter* bzw. Fürsprecher für das gequälte New People-Wesen auftreten lassen sollen).

Gerade dieses (fast) vollständige Fehlen von menschlich-positiven Ansätzen fand ich verstörend. Das ist jenseits von allem, was wir heutzutage für unser Selbst- und Weltbild brauchen. Dass Bacigalupi sich an dieser Stelle verweigert und diese Bedürfnisse des Lesers nicht bedient, gefällt mir.

#118 molosovsky

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Geschrieben 27 März 2011 - 11:38

Es gibt nicht gerade wenige Stellen, an denen Bacigalupi in dem Roman zartere Saiten anschlägt. Das diese Szenen aber dann hier von einigen als zu merklich *aufgesetzt gefühlig* eingeschätzt werden, kann ich verstehen. -- Ich selbst meine etwas anderes mit "ner Prise Humor" wäre nett gewesen.

Spoiler


Aber ich halte es für heikel, einem Roman Vorwürfe daraus zu stricken, was man gerne gehabt hätte. Zu beurteilen gilt zuförderst, was man bekommt.

GrĂĽĂźe
Alex / molo

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#119 Bungle

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Geschrieben 27 März 2011 - 12:39

Gerade dieses (fast) vollständige Fehlen von menschlich-positiven Ansätzen fand ich verstörend. Das ist jenseits von allem, was wir heutzutage für unser Selbst- und Weltbild brauchen. Dass Bacigalupi sich an dieser Stelle verweigert und diese Bedürfnisse des Lesers nicht bedient, gefällt mir.


Ja, so geht es mir auch, die Figuren wirken dadurch fĂĽr mich auch glaubwĂĽrdiger.
Aber andererseits halte ich den Roman nicht für einen Hard SF-Roman, der zeigt, wie sich naturwissenschaftliche und technologische Veränderungen auswirken. Dazu ist Thailand nicht der richtige Ort, denn hier verläuft das Leben in sehr traditionellen Bahnen, und die Zukunft dieses Landes sieht sehr nach Vergangenheit aus. Das ist zimlich zwiespältig. Es scheint mir so, dass wie bei vielen SF-Romanen eigentlich eher der gegenwärtige Zustand als erhaltenswert erscheint, denn es kann nur schlimmer werden. Das ist der Konversatismus der Science Fiction http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png Die Welt ist durch die "Machenschaften" der Gen-Hacker und der Gen-Konzerne völlig verwandelt worden, Biodiversität Ade. Nur in Thailand ist es etwas anders besser, weswegen auch Thailand als Handlungsort ausgewählt wurde.
Mit Gibbons versucht Bacigalupi der Mentaliät hinter den Gen-Konzernen ein Gesicht zu geben. Ansonsten wirken die Konzerne wie höhere Mächte, die ihre Boten aussenden auf die Erde. Zu wenig greifbar und anschaulich.
Das Bewusstsein und das alltägliche Leben der Menschen hat sich auch durch Erderwärmung, Bedrohung durch neue Krankheiten nicht sonderlich verändert. Ökologisch korrektes Verhalten wird durch Gesetze erzwungen und der Staat, das Umweltministerium gestaltet die Rahmenbedinungen, ohne die Bevölkerung "mitzunehmen". Das kennen wir aus der Politik. Das ist nicht wirklich was Neues. Weswegen das uns gar nicht so fremd erscheinen dürfte.
Andererseits die letzte Tat
Spoiler
eine Schritt, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, sozusagen einen wirklichen Neuanfang zu wagen. Allerdings ist das auch wieder sehr zwiespältig. Man spürt als Leser, dass er irgendwie notwendig ist, doch möglicherweise wird es genauso weitergehen wie vorher.
Spoiler

Bearbeitet von Bungle, 27 März 2011 - 12:40.


#120 Susanne11

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Geschrieben 27 März 2011 - 13:02

Man spürt als Leser, dass er irgendwie notwendig ist, doch möglicherweise wird es genauso weitergehen wie vorher.

Es ist sogar wahrscheinlich, dass es keine große Veränderung geben wird, weil der Rest der Welt von den Kalorierenkonzernen kontrolliert wird.
Dennoch hat mir dieser Schluss gut gefallen. In einer aussichtlosen Lage nicht aufgeben und einen radikalen Schritt wagen - auch wenn es vielleicht an einem anderen Ort nicht besser sein wird. Das spricht mich gefühlsmäßig sehr stark an.

Je länger ich darüber nachfühle, desto deutlicher wird es - Kanya und Jaidee sind die eigentlichen Helden des Romans.
Kanya wegen ihres konsequenten Verhaltens. Da ist noch etwas, was mir an ihr gut gefällt, aber ich bekomme es noch nicht richtig zu fassen.
Jaidee wegen seinem Humor, der über das persönliche Betroffensein hinausgeht.


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