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"Handlung, Handlung, Handlung" - was macht einen guten (SF-)Roman aus?


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161 Antworten in diesem Thema

#61 Jakob

Jakob

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Geschrieben 19 Februar 2011 - 21:43

Ein Negativbeispiel ist "Axis" von Charles Wilson. Sowohl von der Schreibweise als auch vom Inhalt her war das Buch derart dröge, dass ich nach einigen 'zig Seiten das Weiterlesen aufgegeben habe. Eine "Zukunft", die darin besteht, dass die Ellenbogengesellschaft der USA auf andere Planeten übertragen wird, ist für mich nur deprimierend. Nun kenne ich viele (Krimi-)Autoren, die aus der Gesellschaft der USA einen Hintergrund für harte und schnelle Handlung gemacht haben. Wilson gehört aber nicht dazu - nach dem genialen "Darwinia" war er für mich in "Bios" und "Axis" eine einzige Enttäuschung.


Tja, mir hat Axis nun wieder gut gefallen, wenn auch nicht so gut wie Spin - tatsächlich handelt es sich aber um einen ganz "entspannten" SF-Abenteuerroman. Und das mit der "Ellenbogengesellschaft der USA" ist doch wieder eine ganz andere Ebene als die Frage, ob Wilson da technisch einen guten Spannungsaufbau hinkriegt. Nur, weil dir inhaltlich nicht gefällt, dass in dem Roman eine neue "Frontier" aufgemacht wird, macht das den Roman doch nicht formal schlecht.

Das zweite Negativbeispiel ist "Das Simarillion" von Tolkien. Tolkien beschreibt da, wie die Welt von Mittelerde geschaffen wird und wie mit Sauron das Böse in die Welt kommt. Da habe ich aber irgendwann auch aufgegeben, weil es im Gegensatz zum "Herr der Ringe" oder "Der kleine Hobbit" nicht fesselnd geschrieben war.


Das Silmarillion ist auch kein Roman, sondern ein fiktiver Mythenkreis und als solcher vielleicht sogar das interessanteste Werk Tolkiens. Genau da liegt das Problem: Wenn du jetzt herkommst und behauptest, das Silmarillion sei ein schlechtes Buch, weil es einen nicht von der ersten Seite an packt, dann verrät das rabiat gesagt leider nur, dass du gar nicht weißt, womit du es zu tun hast.
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

R. Scott Bakker

"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

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#62 Beverly

Beverly

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Geschrieben 20 Februar 2011 - 12:44

Das Silmarillion ist auch kein Roman, sondern ein fiktiver Mythenkreis und als solcher vielleicht sogar das interessanteste Werk Tolkiens. Ge


Nachdem ich aus dem Simarillion erfahren hatte, wie die Welt von Mittelerde entstanden war, verlor ich das Interesse, weiter zu lesen. Denn:

Wenn du jetzt herkommst und behauptest, das Silmarillion sei ein schlechtes Buch, weil es einen nicht von der ersten Seite an packt, dann verrät das rabiat gesagt leider nur, dass du gar nicht weißt, womit du es zu tun hast.


Man kann nicht erwarten, dass ein jedes Buch schon von der ersten Seite an fesselt. Aber wenn nach x Seiten das Lesen noch immer keinen Spaß macht, weiß ich, womit ich es zu tun habe: mit einem Buch, dass ich wahrscheinlich nicht zu Ende lesen werde.

#63 karla

karla

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 08:31

Vielleicht würde es helfen, wenn man mal die Diskussionsebenen trennt. Im Grunde beschreibt Beverly einfach Geschmackskriterien. Daraus objektivierbare Krieterien für "gute Romane" stricken zu wollen, funktioniert eben nicht. Jakob versucht immer noch, das zu verdeutlichen und entsprechend zu argumentieren, worauf Beverly aber konsequent nicht eingeht und wieder Geschmacksurteile äußert. Zum Beispiel: Beverly mag das Silmarilion nicht. Aber da es gar kein Roman ist und nie einer sein wollte, kann man hier auch keine Romanmaßstäbe anwenden. Mann kann lediglich feststellen: Nicht mein Ding bzw. Find ich aber interessant. Oder: Beverly fand "Axis" lahm, Jakob mochte es, was aber wenig mit den formalen/strukturellen Merkmalen zu tun hat (wenn, dann indirekt), sondern mit den Themen und Aussagen des Romans. Ich fände eine Diskussion um formale Merkmale/Kriterien tatsächlich interessant. Kann es welche geben, oder nicht? Welche Maßstäbe kann man anwenden? Geht man dabei vom Autor oder vom Leser aus? ...? Aber so bringt das irgendwie nichts ... LG, Karla EDIT: Ob einen ein Buch "packt" oder nicht, hat übrigens nicht zwangsläufig etwas damit zu tun, wie schnell es "Handlung" gibt. Auch wenn Handlung + Konflikt sicher die einfachste und direkteste Möglichkeit ist, Leserbindung zu erzeugen, kann ein Buch kann auch auf vielen anderen Ebenen "packen". (Es soll sogar Leser geben, die es anödet, immer gleich von der ersten Seite an in die Handlung geschmissen zu werden.) Ob einen also zum Beispiel das Silmarillion auf Seite 1, Seite 14, Seite 123 oder niemals packt, hängt wesentlich davon ab, was der jeweilige Leser 1. von dem Buch will und erwatet und 2., ob er Bücher dieser Art grundsäzlich eher mag oder nicht. Schlecht ist ein Buch erst dann, wenn es nicht schafft, was es sich vorgenommen hat - oder?

Bearbeitet von karla, 21 Februar 2011 - 09:20.


#64 C. J. Knittel

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 11:37

Hallo Leute! Ich finde Karla hat recht, die Diskussion muss man trennen. Über Geschmack läßt sich nunmal nicht streiten. Auch ich fände eine Diskussion um formale Kriterien interessant. Dabei würde ich in erster Linie vom Leser ausgehen, da der ja sozusagen der Endverbraucher ist. Aber im Prinzip ist jeder Schreiber auch ein Leser. Man kann natürlich nur mit Schreibern über technische/handwerkliche Dinge sprechen. Was das schlechte Buch angeht: Ich finde auch, dass ein Buch erst dann schlecht ist, wenn es quasi nichts von dem erreicht, was es sich vorgenommen hat. Dann hätte man es aber auch mit einem schlechten Schreiber zu tun. Ich biete keinem Verlag ein Manuskript an, dass nicht so geworden ist, wie ich es haben wollte. Bzw. das nimmt doch kein Verlag an. Ich sehe als Autor selbst, wann mein Werk gut ist und wann nicht. Wenn ich das nicht sehe, muss ich halt weiter üben.

Bearbeitet von C. J. Knittel, 21 Februar 2011 - 11:38.

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#65 Diboo

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 11:47

Schlecht ist ein Buch erst dann, wenn es nicht schafft, was es sich vorgenommen hat - oder?


Äh, was kann sich denn ein Buch vornehmen???

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#66 C. J. Knittel

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 12:34

"vornehmen" im Sinne von Beweisen einer Prämisse oder vermitteln einer Aussage

Bi-lal kaifa
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#67 Diboo

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 12:52

"vornehmen" im Sinne von Beweisen einer Prämisse oder vermitteln einer Aussage


Und wenn sich das Buch weder das eine, noch das andere vornimmt?

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#68 karla

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 12:52

Äh, was kann sich denn ein Buch vornehmen???


Ein Buch kann sich nichts vornehmen, das stimmt schon. Aber ein Autor kann sich vornehmen, mit seinem Buch eine bestimmte Wirkung zu erzielen.

Zum Beispiel kann ich mir vornehmen, ein Buch zu schreiben, das zwei völlig konträre Interpretationen zulässt, ohne eine davon zu bevorzugen. Ich könnte zum Beispiel wollen, dass man die Erlebnisse meiner Hauptfigur a) als zunehmenden Wahnsinn oder ;) als zunehmend irre Ereignisse auslegen kann. Die Entscheidung soll dem Leser überlassen bleiben. Dass man nicht entscheiden kann, ob etwas Hirngespinst oder Wirklichkeit ist, soll womöglich sogar eine "philosphische" Aussage sein.
Das ist ziemlich viel "vorgenommen" und ich gehe als Autor ein großes Risiko ein, dass ich das handwerklich einfach nicht hinbekomme und Leser sich einfach nur fragen, was der Mist soll und warum das Buch denn nun so verworren ist ...
Wenn ich aber mein Handwerkszeug beherrsche, könnte es sein, dass ich ein absolut faszinierendes Buch schreibe, an dem die Leute nur so kleben bleiben, weil ich immer wieder neue Hinweise und Haken auslege, an denen man sich entlangrätseln kann.

Sowas meine ich mit "vornehmen".

"vornehmen" im Sinne von Beweisen einer Prämisse oder vermitteln einer Aussage


Ja, im Sinne einer Prämisse vielleicht auch. Eine Prämisse betrifft ja die inhaltliche Aussage des Buches und die Schlusswendung: Geht das Buch "gut" oder "schlecht" aus. Im Grunde meinte ich aber schon die Frage, welche Wirkung ich erzielen will:
Soll ein ein rasend spannendes, ein nachdenkliches, ein komisches oder deprimierendes oder ein erotisches oder was für ein Buch sein - und gelingt mir das?

LG, Karla

#69 karla

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 12:57

Und wenn sich das Buch weder das eine, noch das andere vornimmt?


Wenn sich ein Buch nichts vornimmt, braucht man es auch nicht zu schreiben.
Ein ziemlich kniffliges Vorhaben kann es z.B. sein, gut und spannend zu unterhalten. Das muss nicht immer was Tiefschürfendes sein. Aber ein Buch muss. m.M.n. zumindest seine Leser erreichen wollen. Und darum die Mittel wählen, die dazu geeignet sind.

(Wäre übrigens nett, wenn "das Buch" das wirklich allein täte und nicht so viel Hilfe dabei bräuchte ... ;) )

Und eine Prämisse braucht ein Roman auch, wenn er nicht nur einfach so ein paar Hundert Seiten vor sich hinblubbern will. Sagt mir einen Roman, (den ich auch kenne, sonst kann ichs nicht überprüfen), der keine Prämisse hat, und ich geb ne Falsche Sekt aus.

LG, Karla

Bearbeitet von karla, 21 Februar 2011 - 13:01.


#70 molosovsky

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 12:58

Das istr arg verkürzt.

Die Frage danach, was sich *ein Roman vornehmen kann*, ist zugegebenermaßen etwas abstrakt.

Am besten kann man das erhellen über die Figur des *idealen Lesers* den jeder Text für sich auf Grund seiner speziefischen Eigenschaften konstruiert.

Wenn z.B. bei Thomas Mann oder Tolstoi zu Beginn eines Romanes viel Französisch gebabbelt wird, ohne dass diese Dialoge übersetzt werden, postuliert der Text eben einen idealen Leser, der Französisch kann (oder, abgestuft: einen idealen Leser, dem es nichts ausmacht, diese Dialoge nicht zu verstehen).

Im Netz findet sich z.B. diese Definition:

Idealer Leser: In der Rezeptionstheorie eine durch Abstraktion vom empirischen Leser gewonnenen Idealvorstellung eines Lesers, der einen Text dadurch vollständig versteht, dass er sämtliche Bedeutungsangebote des Textes realisieren kann.

Quelle: http://www.teachsam......Idealer Leser

Wobei man das *vollständig verstehen* mit Vorsicht genießen sollte. Ich selbst würde eher sagen, dass der ideale Leser ein solcher ist, der einen entsprechenden Text weitestgehend versteht und Genuss aus ihm zu ziehen weiß´, sprich: der sich auf das jeweilige Spiel der Interpration, des Nachvollziehens und Aussetztens des Zweifels eines Textes mit Vegnügen einzulassen gewillt ist.

Ich glaube Brain W. Aldiss hat mal in einem Text erklärt, dass ihm bekannte sehr gebildete Literatur-Heinis schon bei so einem typischen SF-Begriff wie *Mono-Pol* aussteigen und den Text nicht mehr nachvollziehen können, weil sie eben nicht über entsprechend verspielte naturwissenschaftliche Bildung verfügen.

Grüße
Alex / molo

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.

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#71 Heidrun

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 13:11

(Wäre übrigens nett, wenn "das Buch" das wirklich allein täte und nicht so viel Hilfe dabei bräuchte ... ;) )

:cheers: - mein Grinsen dazu.
Ich glaube, hier haben wir ein Kriterium für ein gutes Buch. Oder zwei:
1. ein Buch ist gut, wenn es gelesen wird. Gut, es gibt auch Mist, der gelesen wird. Aber ein Buch, das nicht gelesen wird, ist einfach nur Papierverschwendung.
2. ein Buch ist gut, wenn es eine Absicht verfolgt (bzw. sein Autor). Nur unterhalten finde ich meistens etwas dünn. Das ist wie ein großes, buntes Geschenkpaket, in dem man am Ende ein Streichholz findet. Für mich muß ein Autor die Welt ändern wollen, mindestens.
Ansonsten gehöre auch ich zu den Verfechtern der 1. Seite-Regel: Wenn die erste Seite den Leser nicht packt, kauft er das Buch nicht. Egal, wie gut der Rest ist, er ist umsonst gut. Schlechte erste Seiten können sich nur Leute leisten, die so bekannt sind, daß man auch ihre Einkaufszettel kaufen würde.
Von echten Fehlern abgesehen (Grammatik, holziger Satzbau, sachlicher Mumpitz, Logikfehler), ist das meiste andere Geschmackssache. Mein Schwager liebt Bücher, die möglichst viele Zahlen und Tabellen über Eisenbahnen enthalten. Gähn! Ich mag verworrene Geschichten ohne echte Auflösung, die meinen Mann zum Wahnsinn treiben.
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#72 Diboo

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 13:17

2. ein Buch ist gut, wenn es eine Absicht verfolgt (bzw. sein Autor). Nur unterhalten finde ich meistens etwas dünn.


Ich nicht. Das reicht völlig aus.

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#73 karla

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 13:32

Wobei man das *vollständig verstehen* mit Vorsicht genießen sollte. Ich selbst würde eher sagen, dass der ideale Leser ein solcher ist, der einen entsprechenden Text weitestgehend versteht und Genuss aus ihm zu ziehen weiß´, sprich: der sich auf das jeweilige Spiel der Interpration, des Nachvollziehens und Aussetztens des Zweifels eines Textes mit Vegnügen einzulassen gewillt ist.


Klar, wenn ich einen Text schreibe, ergibt sich daraus automatisch eine Sorte von Lesern, die ihn genießen sollen. Schreibe ich für liebesabenteuerhungrige Teanager, für beflissene Bildungsbürger, für SF-Fans, ... In der Uni oder im Deutschunterricht mag man "idealer Leser" sagen, den der Text "konstituiert". Im Verlag sagt man wahrscheinlich einfach "Zielgruppe". Nee, unsere Zielgruppe kann kein Französisch, die würden würgen! ;)
Viele "Klassiker" würden heute bei Verlagen sicherlich durchfallen, wenn man dort nicht wüsste, von wem sie sind ...

2. ein Buch ist gut, wenn es eine Absicht verfolgt (bzw. sein Autor). Nur unterhalten finde ich meistens etwas dünn. Das ist wie ein großes, buntes Geschenkpaket, in dem man am Ende ein Streichholz findet. Für mich muß ein Autor die Welt ändern wollen, mindestens.


Naja, gute Unterhaltung halte ich schon für eine Kunst. Nur beißt sich die Katze da schon wieder in den Schwanz. Wann ist Unterhaltung "gut"? Wenns ordentlich rumst und kracht und viel Blut fließt? Oder wenn feinsinniger Sprachwitz die Handlung begleitet? ...?

Ansonsten gehöre auch ich zu den Verfechtern der 1. Seite-Regel: Wenn die erste Seite den Leser nicht packt, kauft er das Buch nicht. Egal, wie gut der Rest ist, er ist umsonst gut.


Hm ... ich lese im Buchladen meistens erstmal gar nicht die erste Seite, sondern irgendwo im ersten Drittel rein. Wenn ich dann merke, dass ich hängen bleibe, lese ich vielleicht auch noch den Anfang, bevor ich das Buch kaufe. Muss aber nicht sein. Könnte ein Hinweis darauf sein, dass ich eher auf "Sprache" lese als auf "Handlung"? Hm ...

#74 Lomax

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 13:37

Und eine Prämisse braucht ein Roman auch, wenn er nicht nur einfach so ein paar Hundert Seiten vor sich hinblubbern will. Sagt mir einen Roman, (den ich auch kenne, sonst kann ichs nicht überprüfen), der keine Prämisse hat, und ich geb ne Falsche Sekt aus.

Nun ja, dazu muss man aber schon einwerfen, dass die obligatorische Existenz einer Prämisse keinesfalls ein allgemein anerkanntes Faktum ist, sondern halt auch nur eine sehr umstrittene These einer bestimmten "Schule" der Literaturbetrachtung.
Unbestritten ist, dass man so gut wie jeder Geschichte eine Prämisse zuschreiben kann. Ob sie diese Prämisse dann allerdings "hat", ist eine andere Frage; ob der Autor sie bewusst setzen muss, dementsprechend auch. Möglicherweise ist es also schwer, ein Buch zu finden, bei dem sich keine Prämisse nennen lässt - recht häufig passiert es allerdings, dass man sich über die Prämisse eines Buches streiten kann, was zumindest zeigt, dass die Prämisse nicht immer im Buch allein steckt und auch vom Leser etwas kommen kann.
Ich würde also eher sagen, die "Prämisse" zählt schon nicht mehr zu den rein formalen Merkmalen eines Romans, die man analysieren und quantifizieren kann, sondern bereits zum Feld der "Interpretation", die sich erst durch das Einbringen einer Perspektive des Betrachters und einer (subjektiven) Bewertung ergibt.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#75 Jakob

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 13:38

2. ein Buch ist gut, wenn es eine Absicht verfolgt (bzw. sein Autor). Nur unterhalten finde ich meistens etwas dünn. Das ist wie ein großes, buntes Geschenkpaket, in dem man am Ende ein Streichholz findet. Für mich muß ein Autor die Welt ändern wollen, mindestens.


Das scheint mir auch ein sehr fragwürdiges Kriterium zu sein. Ich bin mir nicht sicher, ob ich weiß, was du meinst - ich lege auch wert auf das Gefühl, dass der Autor ein Buch schreibt, weil es ihm unter den Nägeln brennt, und besonders gern habe ich es, wenn es auch noch um ernste und schwierige Themen geht. Aber ein Autor, der mit seinem Roman "Die Welt verändern will" - da muss ich an selbstgerechte Moralapostel denken. Wenig ist für mich besser als Romane, die sich ernsthaft mit der Wirklichkeit auseinandersetzen, und wenig ist für mich schlimmer als ein "Roman mit Botschaft".
Das ist natürlich auch ein Geschmacksurteil. Ich würde mich aber gerade wegen solche Geschmacksfragen dagegen wehren, die Unterscheidung zwischen "nur Unterhaltung" und "Bücher, die die Welt verändern wollen" mitzumachen. Ich will Romane, die sich mit der Welt auseinandersetzen, keine Manifeste oder gar (meistens am allerschlimmsten) Satiren.


Ansonsten gehöre auch ich zu den Verfechtern der 1. Seite-Regel: Wenn die erste Seite den Leser nicht packt, kauft er das Buch nicht. Egal, wie gut der Rest ist, er ist umsonst gut. Schlechte erste Seiten können sich nur Leute leisten, die so bekannt sind, daß man auch ihre Einkaufszettel kaufen würde.


Eine gute erste Seite ist aber eben nicht unbedingt eine erste Seite, die packt. Genauso, wie ein gutes Buch nicht automatisch ein Pageturner ist. es gibt schließlich auch tolle Musikstücke, die einem erst beim fünften oder sechsten hören ins Ohr gehen, und die man nicht vom ersten Takt an mitsummen kann.
Ein Buch kann auch durch einen "packenden" Einstieg versaut werden. Die Erfahrung habe ich neulich erst gemacht, bei einem Buch, bei dem ganz offensichtlich eine durchaus spannende Actionsequenz vorne dran geklatscht wurde, die mit dem restlichen Buch nichts zu tun hat und die im Rückblick zum Ärgernis wird.
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#76 simifilm

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 13:42

In der Uni oder im Deutschunterricht mag man "idealer Leser" sagen, den der Text "konstituiert". Im Verlag sagt man wahrscheinlich einfach "Zielgruppe".


Die beiden Begriffe würde ich doch nicht unbedingt gleichsetzen, denn die Perspektive ist eine ganz andere. Im einen Fall will jemand etwas verkaufen und überlegt sich, wem er das das wie verkaufen kann. Im anderen Fall geht es darum, was ein Text beim Leser voraussetzt, welche "Register" beim Lesen aktiviert werden sollen oder können.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
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#77 karla

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 13:43

Unbestritten ist, dass man so gut wie jeder Geschichte eine Prämisse zuschreiben kann. Ob sie diese Prämisse dann allerdings "hat", ist eine andere Frage; ob der Autor sie bewusst setzen muss, dementsprechend auch. Möglicherweise ist es also schwer, ein Buch zu finden, bei dem sich keine Prämisse nennen lässt - recht häufig passiert es allerdings, dass man sich über die Prämisse eines Buches streiten kann, was zumindest zeigt, dass die Prämisse nicht immer im Buch allein steckt und auch vom Leser etwas kommen kann.
Ich würde also eher sagen, die "Prämisse" zählt schon nicht mehr zu den rein formalen Merkmalen eines Romans, die man analysieren und quantifizieren kann, sondern bereits zum Feld der "Interpretation", die sich erst durch das Einbringen einer Perspektive des Betrachters und einer (subjektiven) Bewertung ergibt.


Volle Zustimmung. Insofern war meine Aufforderung, mir ein Buch ohne Prämisse zu zeigen, natürlich ein wenig unehrenhaft - weil man immer eine reininterpretieren kann. Auch wenn der Autor gar keine intendiert, formuliert oder sich auch nur Gedanken darüber gemacht hat.
Aber interessant ist es schon, dass am Ende immer eine drinzustecken scheint, oder?

Anders gefragt: Wenn ich in ein Buch keine Prämisse (im Sinne von "Aussage") mehr hineininterpretieren kann, ist es dann ein "schlechtes Buch"? Oder ist es einfach nur ein Buch, dessen Interpretationsangebote mich nicht erreichen?

#78 raps

raps

    Scoobynaut

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 13:46

;) - mein Grinsen dazu.
Ich glaube, hier haben wir ein Kriterium für ein gutes Buch. Oder zwei:
1. ein Buch ist gut, wenn es gelesen wird. Gut, es gibt auch Mist, der gelesen wird. Aber ein Buch, das nicht gelesen wird, ist einfach nur Papierverschwendung.
2. ein Buch ist gut, wenn es eine Absicht verfolgt (bzw. sein Autor). Nur unterhalten finde ich meistens etwas dünn. Das ist wie ein großes, buntes Geschenkpaket, in dem man am Ende ein Streichholz findet. Für mich muß ein Autor die Welt ändern wollen, mindestens.



Also, Punkt 1 kann ich nun überhaupt nicht zustimmen. Hier scheint mir Heidrun ausschließlich aus der Perspektive des Verlegers/Verlagslektors zu argumentieren. Ein Buch kann ganz große Kunst sein, dabei aber so 'schwierig', dass kaum jemand bis zur letzten Seite kommt. Zum Beispiel kennt jeder "Finnegan's Wake" und fast keiner hat's gelesen. Oder: Karla liest gerade Daths "Sämmtliche Gedichte". Sicher nicht vergleichbar mit Joyce, aber doch auf einem (teilweise) beachtlichen Niveau geschrieben - trotzdem hat gewiss Suhrkamp nix an dem Roman verdient.
Auflagenzahlen und leichte Lesbarkeit können unmöglich das wichtigste Kriterium für die Qualität eines Textes sein.
Zu Punkt 2: Jeder Autor verfolgt (mindestens) eine Absicht (ob bewusst oder unbewusst). Der eine will womöglich die ideale Gesellschaft beschreiben, Dirk vielleicht (ich weiß das natürlich nicht) seine exotischeren Jungenträume (die wir alle haben) bebildern.

Gruß, Rainer

#79 karla

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    Cybernaut

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 13:48

Die beiden Begriffe würde ich doch nicht unbedingt gleichsetzen, denn die Perspektive ist eine ganz andere. Im einen Fall will jemand etwas verkaufen und überlegt sich, wem er das das wie verkaufen kann. Im anderen Fall geht es darum, was ein Text beim Leser voraussetzt, welche "Register" beim Lesen aktiviert werden sollen oder können.


Okay, hast Recht.
Ich denke nur, es läuft beim Machen so ungefähr auf dasselbe hinaus. Einer richtet sich beim Schreiben an seine Muse, der andere denkt an seine Zielgruppe. Das "Registerziehen" läuft dann wahrscheinlich im ersten Entwurf weitgehend unbewusst ab. Dann kommt die Überarbeitung und damit die "bewusste Leserlenkung". Auch arg verkürzt ... Natürlich ist der Schreibprozess "in Wirklichkeit" komplexer.

#80 Heidrun

Heidrun

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 13:55

Wobei man das *vollständig verstehen* mit Vorsicht genießen sollte. Ich selbst würde eher sagen, dass der ideale Leser ein solcher ist, der einen entsprechenden Text weitestgehend versteht und Genuss aus ihm zu ziehen weiß´,

Nö, Alex, das wäre kein idealer Leser mehr, sondern eher eine Art "90 % Leser". Der ideale folgt dem Autor blind und vollständig, sonst wäre er nicht ideal. Ich finde allerdings den Standardleser hilfreicher (auch Zielgruppe genannt). Wenn ich davon ausgehen kann, daß der es versteht, habe ich viel gewonnen.
Allerdings habe ich gelernt, daß verschiedene Leute ein Buch aus völlig verschiedenen Gründen gut finden können. Manchmal hat man das Gefühl, sie lesen verschiedene Bücher. Da hilft dem Autor nur Fatalismus.

@Diboo: dafür gibt es das Fernsehen. Wenn ich mir die Mühe mache, selbst zu denken, dann muß es das auch wert sein.

Bearbeitet von Heidrun, 21 Februar 2011 - 13:56.

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#81 Heidrun

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 14:08

Hier scheint mir Heidrun ausschließlich aus der Perspektive des Verlegers/Verlagslektors zu argumentieren. Ein Buch kann ganz große Kunst sein, dabei aber so 'schwierig', dass kaum jemand bis zur letzten Seite kommt. Zum Beispiel kennt jeder "Finnegan's Wake" und fast keiner hat's gelesen.

Eigentlich habe ich aus der Sicht des Autors argumentiert. Ich will gelesen werden. Was nutzt es mir, wenn mir ein paar Literaturprofessoren bescheinigen, ein ganz großes Werk geschrieben zu haben, aber keiner liest den Kram? Dann kann ich auch Luftlöcher starren oder Plätzchen backen.
Zum Beispiel Finnegan's Wake. Hab's versucht, und es ist eins von vielleicht vier, fünf Büchern (also etwa 1 in 10 Jahren), das ich entnervt weggelegt habe. Und das ist jetzt große Kunst, weil 99 % der Bevölkerung zu blöd sind, es zu verstehen? Eher lese ich den Duden. Es gibt erstaunlich wenige große literarische Kunstwerke, die irgendjemand freiwillig liest. Die meisten würgen sich allenfalls Schüler unter Zwand runter. Als Mittel der Kommunikation haben sie damit versagt.
Irgendwer hat über Flann O'Brien gesagt: "So hätte Joyce geschrieben, wenn er nicht verrückt gewesen wäre." Der hat mir aus dem Herzen gesprochen.

Bearbeitet von Heidrun, 21 Februar 2011 - 14:12.

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#82 simifilm

simifilm

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 14:26

Eigentlich habe ich aus der Sicht des Autors argumentiert. Ich will gelesen werden. Was nutzt es mir, wenn mir ein paar Literaturprofessoren bescheinigen, ein ganz großes Werk geschrieben zu haben, aber keiner liest den Kram? Dann kann ich auch Luftlöcher starren oder Plätzchen backen.
Zum Beispiel Finnegan's Wake. Hab's versucht, und es ist eins von vielleicht vier, fünf Büchern (also etwa 1 in 10 Jahren), das ich entnervt weggelegt habe. Und das ist jetzt große Kunst, weil 99 % der Bevölkerung zu blöd sind, es zu verstehen? Eher lese ich den Duden.


Und was sagt uns das? Eigentlich nur, dass Dich andere Dinge begeistern oder interessieren als ein Joyce-Liebhaber.

Es gibt erstaunlich wenige große literarische Kunstwerke, die irgendjemand freiwillig liest.


Eine sehr gewagte Aussage.

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#83 karla

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 14:33

Merkt Ihr, dass wir schon wieder bei den Geschmacksurteilen sind? Vielleicht läuft einfach letztlich immer wieder alles darauf zurück und man kann lediglicht Wahrscheinlichkeiten beschreiben, wann welchen Lesern was gefällt ...

#84 Jakob

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 14:37

Zum Beispiel Finnegan's Wake. Hab's versucht, und es ist eins von vielleicht vier, fünf Büchern (also etwa 1 in 10 Jahren), das ich entnervt weggelegt habe. Und das ist jetzt große Kunst, weil 99 % der Bevölkerung zu blöd sind, es zu verstehen? Eher lese ich den Duden. Es gibt erstaunlich wenige große literarische Kunstwerke, die irgendjemand freiwillig liest. Die meisten würgen sich allenfalls Schüler unter Zwand runter.


Ich glaube, das ist eine völlige Fehleinschätzung, die daher rührt, dass die meisten lesenden Menschen in der Schule oder an der Uni eben AUCH mehrere "große Werke" lesen mussten, die ihnen kein bisschen Spaß gemacht haben. Das wird dann als Vorurteil auf alle "großen Werke" übertragen, ohne dabei zu bedenken, dass man wahrscheinlich selbst auch viele bekannte und nicht ganz leicht zugängliche Bücher gelesen hat, die einem gut gefallen haben.
Mir fallen große, schwierige Werke ein, durch die ich mich durchgequält habe, und welche, die ich mit Hingabe gelesen habe. In kaum einem Fall hatte das etwas damit zu tun, ob sie mich von der ersten Seite an gepackt haben. Genauso habe ich mich schon durch handwerklich solide Gebrauchsliteratur gequält, der einfach der Funke der Originalität und der Wille, etwas Eigenes zu machen, gefehlt hat. Schätzings Schwarm, der vielen scheinbar als Musterbeispiel der Spannungsliteratur gilt, habe ich nach wenigen überflogenen Seiten völlig entnervt von so viel Willen zur Durchschnittlichkeit beiseite gelegt.
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Geschrieben 21 Februar 2011 - 14:44

"Was wollte der Autor uns damit sagen ?" *AAAAAAHHHHHHRGH* Böse Erinnerungen an einen unqualifizierten Deutschunterricht steigen bei solchen Fragestellungen wieder bei mir auf. Ich kann Dirk nur Recht geben : Ein Buch bzw. sein Autor muß sich nichts "vornehmen", es kann, darf und sollte genau und nur unterhaltend sein. Bei wirklich guten Autoren (Michael Iwoleit und Sylke Brandt seien hier als zwei Beispiele genannt) kommt die Aussage einfach automatisch, denn ab einem gewissem literarischem Level kann sich ein Autor Unterhaltung ohne Anspruch gar nicht mehr vorstellen.

#86 karla

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 15:03

"Was wollte der Autor uns damit sagen ?"
*AAAAAAHHHHHHRGH*
Böse Erinnerungen an einen unqualifizierten Deutschunterricht steigen bei solchen Fragestellungen wieder bei mir auf.
Ich kann Dirk nur Recht geben : Ein Buch bzw. sein Autor muß sich nichts "vornehmen", es kann, darf und sollte genau und nur unterhaltend sein. Bei wirklich guten Autoren (Michael Iwoleit und Sylke Brandt seien hier als zwei Beispiele genannt) kommt die Aussage einfach automatisch, denn ab einem gewissem literarischem Level kann sich ein Autor Unterhaltung ohne Anspruch gar nicht mehr vorstellen.


Ja, dieses Grauen kennen wahrscheinlich die meisten von uns .. aber "Anspruch" ist dennoch nicht gleich "moralinsaure, didaktische, in erzählende Prosa verpackte Besserwisserei", sondern erstmal die Bereitschaft eines Autors, sich Gedanken darüber zu machen, was er/sie eigentlich rüberbringen will und wie das dramaturgisch und sprachlich am besten verpackt wird.
Und das kommt mit zunehmender Routine nicht "von allein". Man kann sich auch gut auf dem Level von Försterromanen einrichten.
Anspruch in der Literatur heißt für mich auch: Etwas erforschen, herausfinden und kommunizieren wollen und dazu das Medium "Roman" zu wählen (oder andere Gattungen). Und wenn ich alles schon weiß und es den Lesern nur noch beibiegen muss, dann kommt eben didaktische Dauerwurst dabei raus.

#87 Lomax

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 15:26

Anders gefragt: Wenn ich in ein Buch keine Prämisse (im Sinne von "Aussage") mehr hineininterpretieren kann, ist es dann ein "schlechtes Buch"? Oder ist es einfach nur ein Buch, dessen Interpretationsangebote mich nicht erreichen?

Ich denke mal, zunächst ist das einfach ein Buch, das dir nichts "gegeben" hat. Die nächste Frage wäre dann, ob es so ziemlich jedem mit diesem Buch so ergeht, oder ob es andere Leser durchaus anspricht und sie für sich eine Aussage darin finden. In letzterem Falle gehört man wohl einfach nicht zur Zielgruppe des Buches; in ersterem Fall gibt es anscheinend gar keine Zielgruppe, die das Buch besonders anspricht, und das könnte man durchaus als Mangel des Buches ansehen.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#88 Diboo

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 16:12

@Diboo: dafür gibt es das Fernsehen. Wenn ich mir die Mühe mache, selbst zu denken, dann muß es das auch wert sein.


Selber denken wird überbewertet. Ich will beim Lesen, wenn möglich, gar nicht denken müssen. Sobald ein Autor meint, anstrengend sein zu müssen, ist das Buch auch schon fort.

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#89 Heidrun

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 16:29

Das wird dann als Vorurteil auf alle "großen Werke" übertragen, ohne dabei zu bedenken, dass man wahrscheinlich selbst auch viele bekannte und nicht ganz leicht zugängliche Bücher gelesen hat, die einem gut gefallen haben.

Na, na, von allen habe ich gar nicht gesprochen. Aber "Finnegan's Wake" ist ein gutes Beispiel. Ich kenne NIEMANDEN, der es gelesen hat, und dabei kenne ich eine Menge Leute, die alles Mögliche lesen und gut finden. Es hat also nichts mehr mit Geschmack zu tun. Ich nehme mal an, der Zweck eines Buches ist es, gelesen zu werden, so wie der Zweck eines Hammers das Einschlagen von Nägeln ist.
Natürlich sind die Geschmäcker verschieden. Ich kann gut damit leben, daß es Bücher gibt, die nur von 10 % der lesenden Bevölkerung gut gefunden werden.
eher OT:
Ich habe in der Schule den Kurs "Weltliteratur des 19. Jahrhunderts" belegt. Es war so stinklangweilig, daß ich im nächsten Jahr Digitalelektronik gewählt und meinen Berufswunsch von Fremdsprachen auf Physik korrigiert habe. Wobei ich in meiner Klasse die Einzige war, die freiwillig Puschkin, Gogol, Balzac und Kafka gelesen hat. Entnervte Frage unseres Deutschlehrers nach einer langen Frageliste zur Lektüre: "Was lesen Sie denn überhaupt?!"
Und dabei wurde bei uns noch viel gelesen, weil es nur zwei Fernsehsender und keine Computer außerhalb von Rechenzentren gab. Die Antwort lautete also: "Was anderes".

@Karla bzw. Jakob: Das mit den Försterromanen meinte ich. Wenn ein Autor keine Botschaft hat, dann kommt ein Arztroman raus. Wird gelesen, ist trotzdem Mist. Anspruch alleine endet auch bei Mist. Ich finde, es ist eine gute Idee, ein aufregendes/spannendes/tiefsinniges/lustiges/todtrauriges Buch zu schreiben und dem Leser die Botschaft irgendwo zwischen Seite 37 und 212 klammheimlich unterzuschieben.
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#90 simifilm

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Geschrieben 21 Februar 2011 - 16:36

Na, na, von allen habe ich gar nicht gesprochen. Aber "Finnegan's Wake" ist ein gutes Beispiel. Ich kenne NIEMANDEN, der es gelesen hat, und dabei kenne ich eine Menge Leute, die alles Mögliche lesen und gut finden. Es hat also nichts mehr mit Geschmack zu tun.


Ich habe zufällig vor ca. zwei Wochen ein Interview mit Fritz Senn, dem Leiter der Zürcher Joyce-Stiftung, gelesen. Der kann sich auch nach wohl über 40 Jahren Joyce lesen immer aufs Neue für dessen Bücher begeistern. Senn, der übrigens ursprünglich überhaupt keine akademische Ausbildung hat und gewissermassen nur aus Liebe zu Joyce zum Literaturwissenschaftler geworden ist, veranstaltet seit Jahren einen öffentlichen Joyce-Lesekreis. Horden werden da sicher nicht nicht dabei sein, aber ja: es gibt tatsächlich Leute, die daran teilnehmen, die diese Bücher einfach so mit viel Genuss und Gewinn lesen können.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

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Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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