Ich bewundere Familien bei denen manchmal beide Elternteile arbeiten gehen und sich dennoch kaum etwas leisten können. Die können auch kein Recht auf Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einfordern. Geschweige denn Vergünstigungen (Befreiung von den GEZ-Gebühren, Ermäßigung der Telefongebühren, Schulbuchgeld, Bezahlung der Klassenfahrten etc. ).
Der Ansatz läuft am Ende auf das Neidargument hinaus, dass man Hartz-IVler ruhig kürzen dürfte, damit der Abstand zu Niedriglohnern gewahrt bleibt. Ein attraktives Argument, mit dem die Schlechtmenschen auch die dümmeren unter den Niedriglohnern ködern können - dass aber insofern unehrlich ist, als es am meisten denen schadet, die angeblich "geschützt" werden sollen, nämlich eben jene "arbeitenden Familien, die sich kaum etwas leisten können.
Denn das Lohnniveau am unteren Rand und bei gering qualifizierten Tätigkeiten hängt natürlich auch von den Sicherungsleistungen ab, und es fällt in dem Maße, wie Sicherungsleistungen gesenkt werden und Arbeitslose zu schlechten Konditionen in den Markt gedrängt werden. Es wäre also gerade im Sinne der ehrlich arbeitenden, aber gering verdienenden Familien, diese Spirale zu unterbinden.
Ich wage zu bezweifeln, daß an dem "Journalismus-Produkt" in unserem Land wirklich Bedarf besteht.
Darüber mag ich eigentlich keine ideologische Diskussion führen, sondern die Einschätzung nur an zählbaren Fakten festmachen. Wofür jemand prinzipiell bereit ist, freiwillig Geld auszugeben, ist auch ein "Produkt". Journalistische Produkte werden (wenn auch in sinkendem Maße) gekauft. Also ist Journalismus eine produktive Tätigkeit.
Ob man Journalisten oder ihre Produkte gut (oder "gesellschaftlich nützlich") findet, ist eine andere Frage.
Die Forderung nach einem garantierten Grundeinkommen krankt an vielen Defiziten in der Umsetzung und der Folgenabschätzung - an so vielen, dass ich sie gar nicht alle aufzählen kann. Ich beschränke mich daher auf einige Schlaglichter:
1. Die Annahme, dass die Einführung eines solchen Einkommens zu massiven Einsparungen im Sozialbereich (Verwaltung, Transfers) führen werde, ist irrig. Zum einen müssen ja all die freigesetzten Mitarbeiter irgendwo hin. Ein signifikanter Anteil dürfte, durchaus verbittert darüber, rausgeworfen worden zu sein, sich in exakt die Hängematte legen, die zu ihrer Entlassung geführt hat. Dadurch werden neue Kosten entstehen.
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Eigentlich hat Jakob das Wesentliche zu dem Thema gesagt. Insbesondere die Antwort auf das blödsinnige Argument gegeben, dass es dem Staat Mehrkosten verursacht, wenn bisher staatlich Beschäftigte in diese Versorgung gedrängt werden - die Allgemeinheit bezahlt sie jetzt schon, wenn die Allgemeinheit ihnen also in Zukunft weniger bezahlt, tritt eine Ersparnis ein. Dass die Produktivität dabei sinkt und die Leute fürs Nichtstun bezahlt werden, spielt dabei keine Rolle, wenn die Produktivität überflüssig ist und schon vorher keinen Ertrag erwirtschaftet hat.
Und, wie du selbst schon gesagt hast, andere Teile der jetzigen "Arbeitslosenbetreuung" würden dadurch nicht zwangsläufig überflüssig. Was aber auch eher ein Vorteil des Grundeinkommens wäre als ein Nachteil, weil der Apparat, den man trotzdem noch braucht, sich auf die gesellschaftlich sinnvollen Teile der Betreuung konzentrieren könnte.
Andere Einwände gegen das Mindesteinkommen sehe ich auch und kann sie nachvollziehen, weswegen dieses Modell auch nicht meine präferierte Lösung wäre. Als prinzipiell weniger problematisch als das gegenwärtige Modell sehe ich das "Grundeinkommen" allerdings auch an, und auch bei deiner Aufzählung habe ich keinen Einwand gesehen, der sich nicht durch eine entsprechend niedrige Gestaltung des Grundeinkommens (und notfalls auch durch eine entsprechende Ausgestaltung der Umsetzung) korrigieren ließe. 1500 Euro, fürchte ich, klappt nicht. So gut ist die Welt nicht. 1000 auch nicht. Aber irgendwo darunter dürfte ein Punkt zu finden sein, wo sich die meisten Vorbehalte gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen erübrigen.
Bzw. wo ich das, was neoliberale "Randisten" noch als Nachteile vorbringen können, im Gegenteil als Vorteil betrachten würde
Selbst der angeblich durch ein Mindesteinkommen bedrohte Niedriglohnsektor würde bei einem entsprechenden Mindestsatz eher gefördert als bedroht - sogar weniger bedroht, als durch eine "Arbeitspflicht". Denn wenn es jede Menge Grundeinkommensleute gibt, die dafür gar nichts tun müssen und beliebig viel Zeit mit freier Zeiteinteilung haben, deren nackte Existenz durch das Grundeinkommen gesichert ist, aber insgesamt durch die geringe Höhe des Satzes eher trostlos aussieht - dann hätte man plötzlich auch jede Menge Arbeitskräfte, für die sogar Tätigkeiten zu niedersten Löhnen ein erstrebenswerter und fühlbarer Zugewinn wären. Ich gehe also mal davon aus, bei einem Grundeinkommen von beispielsweise 600 Euro gäbe es plötzlich deutlich mehr Bewerber für die Kellnerstelle um die Ecke, die sich sogar mit weniger Gehalt zufrieden gäben. Weswegen mein Café nicht zwangsläufig teurer würde
Die Entscheidung ist ja eben nicht "wenig Geld und viel Freizeit" oder "mehr Geld und wenig Freizeit". Apologeten des Mindesteinkommens fordern mehr Geld und mehr Freizeit für alle, sonst würde das Mindesteinkommen ideologisch ja nicht funktionieren: es soll doch jedem unterschiedslos die gleiche gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen.
Im Moment gibt es eher die Wahl, mehr oder minder viel Geld und keine Freizeit. Oder gar kein Geld und zu viel Freizeit. Eine Systemänderung, die Arbeit besser verteilt und die verfügbare Arbeit nicht auf möglichst wenige Personen verteilt, während andere leer ausgehen, wäre also grundsätzlich zu begrüßen.
Was nicht heißt, dass ein Mindesteinkommen in dieser Hinsicht etwas verbessern würde. Ich will mit diesem Einwand nur darauf hinweisen, dass das gegenwärtige System für die Freizeit/Gelb-Abwägung unglückliche Ergebnisse produziert und man daher kaum argumentieren kann, man müsse beim Status Quo bleiben, weil eine Alternative unglückliche Ergebnisse produziert.
Man kann nicht etwas mangelhaftes verteidigen mit dem Argument, die Alternative könnte vielleicht auch mangelhaft sein.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)