MartinHoyer schrieb am 02.05.2011, 18:02:
Jede Erinnerung eines überlebenden Wehrmachtssoldaten ist doch eine Mischung aus seiner damaligen und seiner heutigen politischen Haltung, durchmischt mit mehr oder weniger genauen und wiederum durch die damalige und zum Erinnerungszeitpunkt existente Haltung geprägten Erinnerungen. Diese betreffen zudem Einzelereignisse wie bestimmte Gefechte oder Schlachten, die zwar Teil eines Unrechtskrieges (Frage: Gibt es gerechte Kriege?) sind, was aber für die Momentaufnahme des Frontschweins irrelevant ist: Der erinnert sich an das Geschehen selbst, nicht an die Auslöser oder die Folgen dieses Geschehens.
Das ist für die Momentaufnahme des einen oder anderen "Frontschweins"
möglicherweise irrelevant, sicherlich aber nicht für jeden (heutigen) Leser.
MartinHoyer schrieb am 02.05.2011, 18:02:
(Frage: Gibt es gerechte Kriege?).
Ich differenziere selten zwischen gerechtem und ungerechtem Krieg. Es gilt m.E. aus möglichst vielen Perspektiven und möglichst genau das Einzelereignis, z.B. mögliche Kriegsverbrechen zu betrachten und zu analysieren.
MartinHoyer schrieb am 02.05.2011, 18:02:
Der erinnert sich an das Geschehen selbst, nicht an die Auslöser oder die Folgen dieses Geschehens.
Das ist nicht gesagt, es gibt zuhauf Soldatengeschichten, in denen Erinnernde durchaus die Folgen ihres Tuns reflektieren, selbst wenn sie es zum Zeitpunkt des damaligen Eintretens als "Erfolgserlebnisse und Nervenkitzel" empfunden haben.
MartinHoyer schrieb am 02.05.2011, 18:02:
Rudern wir also mal ein paar Takte zurück: Hat hier irgend jemand genug Textkenntnis der Landser-Hefte, um sagen zu können, dass der Inhalt ideologisch tendenziös wäre? Ich habe auch nicht genug Kenntnis, um das Gegenteil zu behaupten, habe allerdings auch keine Vorwürfe gegen irgend jemanden erhoben.
Wie gesagt, die Basis für meine Ausführungen uind kritische Nachfragen waren weitgehend Klappentexte, die zwar aussagekräftig sind, aber natürlich die Lektüre des Primärtextes nicht ersetzen könnte. Hier gebe ich Dir recht, Martin, ich kann mir über eine politische Tendenz der Texte nicht 100% sicher sein. Trotzdem scheinen die Klappentexte einigen der oben angeführten bzw, von mir eruierten (TAZ-Artikel) Sekundärmeinungen nicht zu widersprechen.
MartinHoyer schrieb am 02.05.2011, 18:02:
Die beispielhaft zum Vergleich heranziehbaren Machwerke des Unitall-Verlags hingegen kenne ich und kann daher behaupten, dass der Landser schon sehr deutlich ideologisch verbrämt sein müsste, um diese zweifelhafte Qualität auch nur annähernd zu erreichen. Wie das seit den 60er Jahren an der Bundesprüftstelle und ähnlichen Institutionen vorbeigegangen sein kann, wäre mir dann schleierhaft.
Ist es auch nicht. Es ist zu Indizierungsversuchen und Indizerungen des
Landsers gekommen. Und nicht nur das.
ZITAT
Denn es scheint, dass in diesen pseudodokumentarischen Beschreibungen von "Selbstopfereinsätzen" deutscher, tugendhafter, soldatischer Übermenschen die Opfer- bzw. Gegenperspektive konsequent ausgeblendet wird - das entnehme ich den Klappentexten der online beworbenen Heftchen - und somit Geschichte nach einer bestimmten Programmatik kompiliert wird.
MartinHoyer schrieb am 02.05.2011, 18:02:
Wenn es um Kriegserinnerungen (oder um darauf basierende Fiktion) geht, halte es für ein wenig sehr anspruchsvoll, vom Erinnernden eine Reflektion über die Motivationen und Gründe des damaligen Kriegsgegners sowie die historischen, kriegsauslösenden Ereignissen zu verlangen. Den Anspruch hat so ein thematisch spezielles Groschenheft nicht, ebenso - das behaupte ich bis zum Beweis des Gegenteils einfach mal - wenig wie den, das Gegenteil zu vertreten.
Ich weiss ehrlich gesagt immer noch nicht, was der
Landser für einen Anspruch hat. Ich habe auf jeden Fall den Anspruch - der Publikationsort Groschenheft tut für mich nichts zur Sache, - an jedwede Form von kriegserinnernder Literatur, dass sie ein gewisses (sprich zivilisiertes) Maß an Reflexion an den Tag legt . Insbesondere wenn diese Literatur heutzutage - ich schreibe diese Zeilen an einem sonnigen Vormittag des 4. Mai 2011 - erscheint und - so wird sie auf der Webpage ja beworben -, "neu" sein und zur Erhellung der - so steht es auf der Landser-Webpage und darunter geht es anscheinend nicht - "Geschichte des Zweiten Weltkrieges" beitragen will.
MartinHoyer schrieb am 02.05.2011, 18:02:
Bei den Machwerken von Torn Chaines, wie sie bei Unitall erschienen sind, tropfte jedoch Ideologie aus jeder Zeile, die Absicht war unverkennbar und dem Rezipienten bleib absolut kein Spielraum, das Gelesene irgendwie anders zu bewerten. Es sei denn natürlich, man möchte annehmen, dass Autor und Verlag einen rabenschwarzen Humor besitzen und es irgendwie bei allen Gelegenheiten versäumt haben, die Pointe an den Leser zu bringen.
Das mag alles sein und ich habe mich an anderer Stelle in ähnlicher Weise wie Du geäußert, trotzdem können solche Hinweise und Vergleiche nicht eine kritische Betrachtung des
Landsers ersetzen. Diese Betrachtung hat dann zunächst nur mit dem
Landser zu tun.
ZITAT
Welche Werte sollten das sein? Und wo siehst du im Landser das Moment des "Anti-Kriegs"?
MartinHoyer schrieb am 02.05.2011, 18:02:
Gar nicht. Wo siehst Du in meinen Ausführungen, dass ich so etwas darin sehen würde?
Gesehen habe ich leider nichts, ich registrierte möglicherweise ein etwas irritiertes Augenflimmern, weil Du im Zusammenhang mit dem
Landser - auch wenn du diese verneinst - überhaupt an so etwas wie "Wertevermittlung" denkst.
MartinHoyer schrieb am 02.05.2011, 18:02:
Ansonsten würde ich als weiteres Beispiel gerne die Erzählreihe des Militärverlags der Deutschen Demokratischen Republik in den Topf werfen. Damals als Kind war das spannende Lektüre, später habe ich sie bewusster gelesen. Die Reihe beinhaltete in Heftromanform Kriegserzählungen aus allen Epochen, war bei jüngeren Konflikten ebenfalls (semi-) biographisch und ideologisch klar pro-russisch. Den direkten Vergleich mit dem Landser kann ich mangels Material nicht ziehen, aber hier es ging auch immer um Charaktere auf der - die Ideologie des Staates zugrunde gelegt, in dem das Heft erschien - "falschen" Seite, die trotzdem Sympathieträger sein konnten.
Welche "Ideologie des Staates" meinst Du? Wie ist in der Erzähreihe mit Geschichte umgegangen worden? Was meinst Du mit (semi-) biographisch? Wer war Autor?
Ich weiß nicht, ob dieser Vergleich - ob direkt oder indirekt - hilfreich ist.
MartinHoyer schrieb am 02.05.2011, 18:02:
Der Landser ist, nach den paar Seiten, die ich daraus gelesen habe und nach dem Vielen, was ich darüber gehört habe, eine vage historische, plakative Abenteuerserie.
Das mag manche Menschen stören, weil es nicht darum geht, wer jetzt ideologisch im Recht oder Unrecht ist, sondern mit einzelnen Charakteren zu sympathisieren. Und ja, man darf auch mit Wehrmachtssoldaten sympathisieren und sich wünschen, dass sie Beschuss überleben, selbst wenn sie als Aggressoren im Vorgarten dessen stehen, der sie beschießt. Dabei pro Heft wenigstens einen Moment der inneren Einkehr zu erwarten, in dem irgend jemand pflichtschuldigst über das Unrecht sinniert, Schuldgefühle wälzt und das Menschliche im Gegner sieht, ist meines Erachtens in so einer Reihe zu viel verlangt. Die Überlegung, dass man (per se ideologisch belastete?) Werte wie Tapferkeit und Treue in den Dienst der falschen Sache stellt, wäre womöglich politisch korrekt, ist aber nicht integraler Bestandteil dieses Genres.
Ist es denn nun Abenteuerliteratur oder sind es eher autobiografische, möglichst sachliche Kriegsberichte? Du kannst Dich anscheinend nicht entscheiden und schreibst auch oben: "Kriegserinnerungen (oder um darauf basierende Fiktion)"?
Auch mir ist die Autorschaft und auch das Genre dieser Heftchen nicht klar. Wobei ich allerdings weniger zur Augenzeugenberichten als zu redaktionell über- (?), be- (??) oder gar er-(???)arbeiteter und evtl. desöfteren recycelter Abenteuerliteratur tendiere. In diesem Fall steigt allerdings mein Anspruch an diese Texte, da ich dann nicht vorschnell den Verfasser mit dem (Haupt-) Protagonisten des Textes gleichsetzen kann. Dann sie sind eben keine "Augenzeugenberichte" und keine Erinnerungen, sondern primär literarische Texte.
MartinHoyer schrieb am 02.05.2011, 18:02:
Und noch einmal: Jeder Vergleich von Pabel-Moewig mit Unitall und die sich daraus (nicht) ergebenden Verpflichtungen der jeweiligen Autoren erachte ich als Vergleich von Äpfeln und Birnen, bis mir jemand nachweist, dass Pabel-Moewig ebenso notorisch ist wie Unitall, was - auf Sandkastenniveau - darauf hinausläuft nachzuweisen, dass der Landser allein gleichwertig mit mehreren Machwerken Unitalls stehen kann.
Ich komme schon wieder nicht mit. Wo siehst Du, dass ich Pawel-Moewig mit Unitall vergleiche? In jedem vorschnellen Vergleich steckt bekannterweise das Gleichmachen und die Gefahr der Verwässerung der analytischen Perspektive drin. Nichts liegt mir im konkreten Fall ferner als das. Ich möchte Dir dahingehend zunächst mal gar nichts nachweisen.
Bearbeitet von UdoTascher, 04 Mai 2011 - 08:49.