Geschrieben 03 Mai 2011 - 16:44
Schreiben sehe ich ebenfalls erst einmal ein Handwerk: Man muss es lernen, kann es dann ausüben und im Idealfall kommt etwas Brauchbares dabei heraus. Das schließt nicht aus, dass ein Handwerker nicht auch ein Künstler (auf seinem Gebiet) sein oder werden kann. Zum Künstler-Sein braucht man allerdings nur ein starkes Ego, um Künstler zu sein ein paar Leute, die das auch so sehen.
Da der olle Goethe mal wieder herhalten musste, sollte man sich vergegenwärtigen, dass dieser sich als Handwerker verstand, was nicht ausschließt, dass er sich auch als Künstler sah. Seine Zeitgenossen jedenfalls waren sich noch höchst uneins, was sie von diesem Typen halten sollten, der ebenso Dramatik hoher Schule nach Lehrbuch, aber auch ganz ungezwungen Unfug fabrizierte.
Das Problem der Deutschen mit Goethe und anderen historischen Geistesgrößen, die (auch) Literatur schufen ist, dass sie diese immer noch in identitätsstiftendem Kontext und daher als nachzueifernde Vorgabe sehen, von der man tunlichst nicht abweichen sollte. Man könnte sagen, dass zumindest der vergeistigte Literaturbetrieb irgendwie verpasst hat, das Deutschland schon längst einig Vaterland ist, mit einer Sprache, einem Gesetz und soviel bürgerlichen Freiheiten, dass man auf solchen Klebstoff gut verzichten könnte.
Man muss ja Goethe und Co. deswegen nicht vergessen, aber so lange sie bereits den Schulstoff dominieren und somit schon im heranwachsenden deutschen Michel das Gefühl vermitteln, dass danach keine ernstzunehmende Literatur mehr kam, geht das Ganze paradoxerweise sogar nach hinten los, denn: Deutschland hat praktisch keine eigenen modernen literarischen Formen entwickelt. Entweder kopieren wir unsere früheren Literaten oder Modelle anderer Kulturkreise. Und wenn jemand mit der selben ungezwungen Leichtigkeit wie Goethe, aber nicht in dessen inhaltlichen und formalen Fahrwasser schwimmt, ist das verdächtig.
Um die Kurve zu kriegen: Ist Perry Rhodan Kunst? Keine Ahnung. Das ist in etwa so, als würde man fragen, ob Pflanzen essbar sind. Manches, was bisher unter dem Label PR entstand (Und das ist mehr als nur die Textform!) , ist im Ganzen mindestens ordentliches Handwerk, im Detail - worunter man einzelne Hefte oder sogar Textpassagen verstehen kann - mag man darin dann Kunst oder eben auch Schund finden; dies noch unterteilt nach Sichtweise.
Ein sollte klar sein: Mit PR hat sich akademisch noch niemand auseinander gesetzt. Allenfalls war er ein willkommen exotisches Thema für eine Haus- oder Abschlussarbeit, vielleicht sogar für eine Doktorarbeit. Aber er wird nicht ständig behandelt, was bei einem ständig anwachsenden Fundus eigentlich notwendig wäre, um sich ein abschließendes Urteil wenigstens für den Moment erlauben zu können. Aber das gilt nicht nur für PR, sondern für einen globalen Literaturbetrieb, vor dessen Ausstoß die akademische Welt bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts zu kapitulieren begann und sich auf die Betrachtung eines überschaubaren Bereichs zurückzog - nämlich auf den Bereich, den sie behandelte, als man ihn noch umfassend behandeln konnte.
Für den einzelnen Autor oder Leser ist das jedoch nicht von Interesse, denn man muss ja bekanntlich keine Kuh sein um festzustellen, ob die Milch frisch oder sauer ist. Man kann also ganz getrost sein Ding machen, ohne zu wissen, ob PR nun Schund ist oder nicht. Von der ohnehin überschaubaren Zahl deutschsprachiger SF-Autoren dürfte wiederum nur ein kleiner Teil tatsächlich von PR geprägt sein. Und gute Handwerker schreiben sogar für PR und können (oder wollen gar) ansonsten einen eigenen Stil vertreten, ob nun aus künstlerischem Anspruch, aus anderem emotionalen oder ganz rationalen Gründen heraus. Da man im Zweifelsfall aus Perry Rhodan (für sich selbst) auch lernen kann, wie man es nicht machen will, war er sicher nicht der Todesstoß für die deutsche SF.
Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)