[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Der Club der toten Dichter - von Aldiss bis Wyndham
Nun ist auch der letzte der „alten Garde“, der Ikonen aus den 40er- und 50er-Jahren verstorben: James E. Gunn, 97-jährig am 23.12.2020. Es ist an der Zeit, Rückschau zu halten. [/font]
Ich beziehe mich auf „Die Anthologie der Berühmten“, die ich gemeinsam mit meinem Schulfreund A.D. Krauß in den frühen 60ern für den Heyne Verlag als Paperback in 3 Bänden[ 1 ] herausgeben durfte.
Alle illustren Namen waren darin versammelt, viele so klangvoll wie heute noch - Asimov († 1992), Bradbury († 2012), Clarke († 2008), Dick († 1982), Heinlein († 1988) -, viele in liebevoller Erinnerung - Aldiss († 2017), Bester († 1987), Farmer († 2009), Galouye († 1976), Sheckley († 2005), Miller jr. († 1996), Sturgeon († 1985), van Vogt († 2000), Wyndham († 1969) - manche hingegen drohen, bei aller Bedeutung einzelner Werke, in Vergessenheit zu geraten - Blish († 1975), Budrys († 2008), Gunn († 2020), Kuttner (der einzige, der bereits 1958 - 43jährig - verstorben war), Leiber († 1992), Pohl († 2013), Russell († 1978), Simak † (1988).
Es las sich wie ein „Who is Who“ der angloamerikanischen Science Fiction, ein Spiegelbild der Zeit. Wir - als Herausgeber - starteten das Projekt im zarten Alter von 22/23 Jahren, bemüht nur Erstveröffentlichungen zu bringen. (Die Ausnahme war die Erzählung „Nightfall“ von Asimov.) Wer sollte vertreten sein? Zur Bedingung stellten wir, dass der Autor bis dahin mindestens 2 sehr gute Romane (ja, damals lag die Romanproduktion noch in den Anfängen und erstreckte sich häufig auf „Serials“ in Magazinen) sowie eine Anzahl beachtenswerter Kurzgeschichten veröffentlicht haben musste.
Nun werden manche - in der Rückschau - einige Namen vermissen: u.a. Ballard, Matheson, Williamson, Silverberg, Vance; aber entweder waren sie damals noch zu „frisch“ (Ballard), zu „horrorlastig“ (Matheson), in Storys schwach (Williamson) oder eben mit dem Makel ihrer Jugendsünden behaftet. Andere - Disch, Herbert, Le Guin, Tiptree jr., Zelazny usw. kamen erst in den späten 60ern hinzu.
Neuland betraten wir ebenfalls, indem wir die Autoren mit ihrer Kurzvita und ihren wichtigsten Werken vorstellten. Wir durften uns rühmen, für Heyne Meilensteine (sagen wir „bahnbrechende Wegmarken“) [ 2 ] gesetzt zu haben; Wolfgang Jeschke nannte sie in einem Brief nach meiner Rückkehr 2002 in die Szene „das Non-Plus-Ultra zur damaligen Zeit“.
Genug der Selbstbeweihräucherung! Die „Dichter“ sind†™s, die mir am Herzen liegen, ihrer möchte ich gedenken, vor allem jene, an die sich die meisten kaum mehr erinnern:
James Blish - A Case of Conscience, The Seedling Stars.
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Algis Budrys -Rogue Moon.[/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]James E. Gunn (Herausgeber, lehrte SF an der Universität) - The Immortals, auch als TV-Serie verfilmt. [/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Henry Kuttner (alias Lewis Padgett, mit C.L.Moore verheiratet und zusammenarbeitend) - Mimsy were the Borogoves.[/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Fritz Leiber (Poet, Schauspieler) - The Big Time und, als Fantasy, die Fafhrd and the Grey Mouser-Serie. [/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Frederic Pohl (Herausgeber u.a. von Galaxy) - The Space Merchants.[/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Eric Frank Russell - Mechanistria. Clifford D. Simak - City.[/font]
Ein Schlaglicht werfen möchte ich auch auf die in liebevoller Erinnerung Gebliebenen, auf ihre damals - und heute noch - herausragenden Werke:
Brian W. Aldiss - Nonstop (der erste Generationenflug-Roman).
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Alfred Bester - The Stars my Destination, a.T. Tiger! Tiger! („Der Graf von Monte Christo“ im All), Fondly Fahrenheit.[/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Philip Jose Farmer (sexueller Tabubrecher) - Strange Relations.[/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Daniel F. Galouye - Simulacron 3 (mehrfach verfilmt und als Theaterstück aufgeführt).[/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Robert Sheckley (König der Kurzgeschichte) - Prize of Peril, The Seventh Victim (verfilmt, mehrfach abgekupfert).[/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Walter M. Miller jr. - A Canticle for Leibowitz.[/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Theodore Sturgeon (Grand Master of Emotion) - More than Human.[/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]Alfred Elton van Vogt - Slan, Voyage of the Space Beagle.[/font]
[font="arial, helvetica, sans-serif;"]John Wyndham - The Day of the Triffids, The Midwich Cuckoos (mehrfach verfilmt). [/font]
Müßig, die erstgenannten fünf Autoren eigens vorzustellen - wer kennt sie nicht, wer verehrt sie nicht?! Asimov, Bradbury, Clarke, Dick, Heinlein.
So mancher Name ziert einen Award: Bradbury, Clarke, Dick, Heinlein, Sheckley, Sturgeon †¦
Ich verneige mein Haupt vor diesen „Dichtern“ einer Epoche, des „Golden Age“, als der Begriff „Science Fiction“ noch jung war. Inzwischen ist doppelt so viel Zeit vergangen - fünf, sechs Jahrzehnte - und viele, viele Autoren haben das Genre bereichert und werden es noch bereichern. Blicken wir hoffnungsvoll in die Zukunft, gedenken wir aber auch der Vergangenheit.
Ad astra!
Helmuth W. Mommers, Februar 2021
[ 1 ] „7 SF-Stories“ (1966, Bd. 17), „7 SF-Stories“ (1966, Bd. 20) und „8 SF-Stories“ (1967, Bd. 23). Der Band „9 Science Fiction Stories“ gehörte definitiv nicht dazu; es handelte sich dabei um ein reine Themenanthologie (eine, die die gängigsten Themen in der SF vorstellte) und wurde mangels besseren Wissensstands vom Verlag (und dann von den Bibliographen) aber dazu gerechnet.
[ 2 ] Als erste weltweit hatten wir eine Anthologie mit SF-Kriminalgeschichten (Heyne Paperback Bd. 11, übrigens unsere Einstandsidee bei Heyne) herausgegeben; wenig später, ebenfalls als erste, SF-Weihnachtgeschichten, Heyne Tb, Bd 3106). Die Amerikaner sollten uns Jahre später folgen†¦
Bearbeitet von Trace, 04 März 2021 - 18:51.
Schriftensalat geputzt ;-)