Ich stolpere immer wieder. Teils über einzelne Wörter ("namenhafte Gamer" - heißt das nicht "namhaft"?), teils über Sätze. Immer wieder frage ich mich außerdem, wie dieses Game genau funktioniert. Okay, die Leute gehen nicht ins Stadion, um ihre Helden dabei zu sehen, wie sie durch eine Geleemasse schwimmen, sondern wegen der Sponsorengeschenke, soviel ist klar. Wobei auch heute schon zig Leute auf Twitch anderen beim Spielen zuschauen (ohne dafür Geschenke zu erhalten, im Gegenteil, sie verteilen welche). Das ist nix Neues. Und letztlich sind die meisten Multiplayer-Games heutzutage ja eh Egoshooter (PUBG, GTA). Oder Echtzeitstrategie (League of Legends etc.). Wozu also etwas ausführlich zeigen, das eh jeder kennt. Dass Aiki das eigentliche Spiel nicht näher beschreibt, mag bedeuten, dass das letztlich egal ist. Es geht nur darum, sich für ein Spiel und für irgendwelche Helden (Top-Gamer) zu begeistern. Somit ist das ganze Gaming-Thema nur Fassade. Der Hintergrund, vor dem die Figuren agieren, um die es Aiki ohnehin in erster Linie geht. Dann aber passt der Klappentext nicht, der zumindest mir als Gamer ein innovatives Gameplay zu versprechen scheint - implizit erwarte ich da intensive, detaillierte Beschreibungen und nicht eine handelsübliche Cyberpunk-Installation mit Sensoranzügen und Implantaten, über die man seit 30 Jahren immer wieder liest. Intensiv und detailliert sind bisher nur die Beschreibungen der Figuren. Bis hin zu kackfarbenen Zahnpastaresten zwischen den Zähnen. Ja. Das ist kreativ und eklig, Spaß macht es mir nur begrenzt, darüber zu lesen.
Und Go: Go ist nonbinär, weil ihre Tanten immer Junge-Mädchen gesagt haben, kann sich keinem Geschlecht zuordnen und bindet sich deshalb was um die Brüste, damit sie nicht zu weiblich aussieht? (Ob ein Penis vorhanden ist, ist hingegen anscheinend nicht so wichtig, dass es erwähnt werden müsste) Go ist definitiv eine interessante Figur, aber dass manche junge Menschen ein paar Schwierigkeiten mit der eigenen (körperlichen) Identität haben, ist keine allzu revolutionäre Idee. Aber vielleicht wird das ja später noch deutlicher.
Obwohl das nicht ausdrücklich so beschrieben wurde, stelle ich mir die Spiele so vor, dass das, was die Spieler sehen, auf die Leinwände projiziert wird und so alle an dem teilhaben können, was die Spieler erleben. Als Fassade würde ich das Gaming Thema nicht bezeichnen, auch wenn die Games nicht haarklein erklärt wurden, denn ich habe es so verstanden, dass die Games für sehr viele Leute sehr wichtig sind, quasi als Lebensinhalt gesehen werden. Viel Arbeit scheint es nicht mehr zu geben in Aikis Welt und irgendwie müssen die Menschen ja beschäftigt werden. Das ist in meinen Augen ein Thema, das früher oder später unweigerlich auf uns zukommen wird.
Hm, ich bin mir nicht sicher, ob wir Bücher an dem messen sollten, was wir - vielleicht fälschlicherweise - erwarten. Ich bin ganz ohne Erwartung an den Text gegangen und das hat den Vorteil, dass ich nicht enttäuscht wurde.
??? Wo liest du heraus, dass Go sich wegen ihrer Onkel und Tanten keinem Geschlecht zuordnen kann? Das habe ich so nicht aus dem Text entnommen. Wer hat denn behauptet, dass es eine revolutionäre Idee wäre, einen nonbinären Charakter zu verwenden? Ich finde, dass Aiki mit dem Thema sehr einfühlsam umgegangen ist. Da waren keine xxx-Enthüllungen, die alle aufschreien lassen.
Aber gut, wir haben wohl einen anderen Geschmack.
@Future Remains:
Hm, es gibt solche und solche Leseeindrücke. Ich musste mich z. B. nicht durch das Buch kämpfen, ich fand es völlig ohne Glossar sehr gut verständlich, weil Aiki Wörter verwendet hat, die sich gut herleiten ließen und sich so meistens aus dem Zusammenhang gut verstehen ließen. Wenn Aiki weiteren Nebenfiguren mehr Leben hätte einhauchen wollen, hätte das mehr Platz in Anspruch genommen, dann wäre der Roman noch länger geworden. ;-)
Ich fand das Buch kein Stück anstrengend und ich fand auch nicht, dass es viel Denkarbeit erforderte. Ich war sofort drin in dieser dunklen Welt habe die handelnden Personen kennengelernt und mit ihnen mitgefiebert. Mein Leseeindruck wird dann hoffentlich von Aiki genauso wahrgenommen, wie die anderen, denn ich habe mich echt bestens unterhalten gefühlt. Als Albtraum würde ich das Buch auf gar keinen Fall bezeichnen.
@Jol:
Ich bin zwar nicht Yvonne, aber auch ich habe mich bei euren Rezis gefragt, ob ich nicht ein völlig anderes Buch gelesen habe.
Woran das liegt? Wahrscheinlich spielt mit rein, was wir sonst so lesen. Was wir so gewohnt sind und was teilweise wohl erwartet wurde. Und wahrscheinlich lässt Aiki tatsächlich ohne Wertungen im Text zu, dass jeder etwas anderes liest. Was ja schon irgendwie genial wäre.
Ich glaube, dass Aiki das Thema der nonbinären Person so beschreiben wollte, dass möglichst viele Leser Verständnis für diese Person aufbringen können und das konnte sie meiner Meinung nach besser ohne neue Wortschöpfungen oder Neopronomen erreichen, weil die vielen eben noch fremd sind und die sich davon vielleicht zu einer negativen Sicht beeinflussen lassen würden. Das hat sie hier vermieden..
Bearbeitet von fancy, 16 Januar 2023 - 17:28.