Ein Nachtrag zu meinem Kommentar zur Geschichte von Roland Grohs:
Die Story von Roland Grohs ging für mich auch gar nicht. Ich habe sie fertig gelesen, aber die nackten herumtanzenden Mädchen und die Schambehaarung. Sorry. Schreib mal lieber Porno. Das ist mehr ein Einblick in die unerfüllten erotischen Fantasien des Autors als sinnvolle Schreibe.
Da solche Beschreibungen nicht nur in pornographischen Werken ihren Platz haben können, geht es aus meiner Sicht eher um die von Yvonne aufgeworfene Frage, ob diese Beschreibung eine sinnvolle Funktion in der Geschichte erfüllt. Da dieses Werk ja mehrdeutig ist, wäre zu erwägen, ob es eine Interpretation gibt, in der die beschriebene Nacktheit einen Sinn ergibt.
In Bezug auf das Verhalten der Mädchen erwähnt die Erzählstimme explizit, dass „hier drinnen“ bestimmte „Konventionen neu bewertet werden“ müssen. Dem kann ich aufgrund der Art der Ausnahmesituation und dem Wissen, wie Menschen unter ähnlichen Umständen zuweilen reagieren (siehe Big Brother TV-Shows u.ä.), folgen. Der Text handelt auch davon, wie Menschen ihre Lebenswirklichkeit bewerten, abhängig von ihren Bedürfnissen und ihrem Lebenshintergrund. Das Mädchen, um das es geht, Ela, ist wohl laut Ben eine „blutjunge Waise“. Sie ist scheinbar freiwillig in diesen Kontext gekommen, um den „Bettlerstraßen“ zu entfliehen, eingedenk des Umstandes, wie wenig Freiheitsgrade eine solche Entscheidung besitzt. Sie sagt: „Ich kann ficken und essen und muss dafür noch nicht mal arbeiten!“ Dass Entbehrungen sie stumpf gemacht haben wird auch erwähnt. Hier werden Grundbedürfnisse wie die Sicherung von Ernährung und Sexualität einerseits und Ausbeutung andererseits nah nebeneinandergelegt. Der Text schildert dies recht unmittelbar und konkret, was die Konfrontation, auch mit der Brutalität der Situation, verstärkt, so auch in der Art wie Versehrtheit und Tod geschildert werden, als in blutigen Details der „Glücklose“ beschrieben wird, der aus großer Höhe auf eine Pflasterung „klatscht“. Daher erscheint mir die explizite Beschreibung von Nacktheit – auch von Geschlechtsteilen – folgerichtig, wenn auch nicht zwingend notwendig.
An der Stelle finde ich es bemerkenswert, dass die Explizitheit in Bezug auf die Beschreibung des „Glücklosen“ nicht kritisch kommentiert wurde, anders als die in ihrer Länge ähnliche Beschreibung der weiblichen Nacktheit. Dieses Phänomen findet sich in unserer Gesellschaft wieder, speziell in unserer Medienlandschaft, wo Sexualität mehr tabuisiert wird als Gewalt. Filme für das breite Publikum in großen öffentlichen Kinos, in denen Gewaltakte und Wunden gezeigt werden, gibt es viele. Darstellungen von Sexualakten und Geschlechtsteilen findet man in dieser Öffentlichkeit hingegen nicht. Die gewaltfreie Lösung von Konflikten ist kaum ein Thema. Das ist kulturbedingt und diese Kultur prägt unsere Denk- und Sehgewohnheiten und unsere Bewertungen. Darauf achten wir viel zu wenig, obwohl es von Bedeutung ist. Die russische Gesellschaft z.B. hat sich nicht über Nacht in eine Diktatur verwandelt. Dem ging u.a. ein schleichender Prozess voraus, in dem in den Medien immer gewalttätiger dargestellt und formuliert wurde. Aber ich schweife ab.
"Ein vierblättriges Kleeblatt" von Meike Braun:
Hier gibt es übrigens auch entblößte Körperteile, und siehe da, man kann das auch total nicht sexualisiert beschreiben und schon ist es einfach nur Umgebungsbeschreibung.
In der B-Story lese ich auch einiges über Freundschaft heraus, sei es zwischen den Geschwistern oder auch zwischen Tajo und Bruno.
Ich glaube dieser Vergleich hinkt etwas, denn in diesem Text werden entsprechende Körperteile nur benannt, aber nicht beschrieben. Dort heißt es: „…eine Schulter, ein Bein, eine Brust waren entblößt.“ Es geht um die Asymetrie in der Selbstdarstellung (das Kursive stammt aus dem Original), nicht um die Entblößung oder gar um Sex. Es wäre deshalb nicht folgerichtig gewesen, den Fokus auf die Beschaffenheit der Körperteile zu lenken.
Bearbeitet von Christian Hornstein, 23 August 2023 - 20:11.