So, ich bin seit vier Stunden auf, und habe dann aus Versehen die NOVA ganz durchgelesen.
Ulf Fildebrandt: Die Tür in den Sommer
Die Story ist sehr sehr schön und lebensecht und das Ende sitzt. Hier und auch bei Lauenroth (und ein wenig bei Moté) musste ich dann doch ein paar Tränen spüren. Meine Highlights des Hefts sind aber dann doch Lauenroth, Schmitt und Moté.
V. A. Kramer: Population: One
Eine sehr, sehr originelle Story, auf die ich nie im Leben gekommen wäre. Plus, authentisch geschildert, auch wenn ich mir über so eine Szenerie niemals Gedanken gemacht hätte.
Janika Rehak: Iggy B. Wellington
Ein ernstes Thema (Bienensterben) humorvoll verpackt, plus, in dieser Kürze mit einer extrem einprägsamen Hauptfigur, die genau richtig schrullig, liebenswert und bemerkenswert ist. Für mich steht und fällt die Story mit der Perspektive, die ich einfach klasse finde. Und Iggy, die Biene, gewinnt den Preis für die originellste Nebenfigur.
So viel Humor habe ich bei der Autorin sonst selten entdeckt! Klar, es gibt tragische Momente, aber letztendlich bleibt das leichtfüßig, ganz anders als ich es sonst von ihrer Prosa gewohnt bin.
Frank Lauenroth: Kadaver
Aus einer sehr, sehr schönen Idee (Menschen sehen nur noch weiß, schwarz und Grautöne, keine Farben mehr) wurde eine Hammer-Story gestrickt, super recherchiert. Die längste Story im Heft, kommt aber mit drei Figuren aus, in der Hauptsache Beth, ihre Tochter Maddy und Ruby. Hier wird Alltag gezeigt und ein außergewöhnliches Ereignis, eine Art Entwicklung (nicht nur Plot, sondern auch bei den Charakteren, zumindest gibt es seitens von Beth einiges an Erkenntnis), und das alles in einer Kurzgeschichte! Ich bin sehr begeistert. Und der Schluss sitzt toll!
Carsten Schmitt: Das Lethe-Quantum
Nicht ganz einfach ist es zunächst, mich zu orientieren, da es zwei "Ich-Perspektiven" gibt, das bereits übertragene Ich und das Ich, das bereits im Sterben liegt. Und sie verabschieden sich voneinander. Bei jeder Übertragung verliert das "Ich" ein wenig Erinnerung, jedesmal nicht viel, aber es summiert sich: Das Lethe-Quantum.
Das ist Schmitt in Bestform, vermeintlich leise, erzählt er aber wieder von einem Preis (hoch? nicht ganz so hoch?), den Unsterblichkeit (oder so etwas in der Art) hat. Mich beschäftigt jedoch irgendwie noch etwas anderes. Wenn ich mich für diesen Weg entscheiden würde, würde ich dann vielleicht die sein, die stirbt? Ja, sicher. Aber auch die, die weiterlebt.
Und zack, sind ganz schön verwirrende Räume in meinem Kopf geöffnet worden. Das kann nur SF.
Rajiv Moté: Die Luft fängt uns auf
Hier die tolle Übersetzung von The Air will catch us, eine tolle Story, und wie es die ganze Zeit mein Plan war, habe ich sie dem Kind vorgelesen. MKI hat nicht Unrecht, wenn er hier Parallelen zum magischen Realismus sieht. Die Situation ist schon sehr schräg und sprengt sicher die Grenzen meiner Vorstellungskraft. In nur zwei Generationen hat sich die Luft so sehr verändert, dass Kinder auf dem Spielplatz nicht mehr runterfallen und sich alle Knochen brechen, sondern sanft segeln, quasi fliegen, so dick ist die Luft, eher wie Wasser. Und auch feuchter, schwerer einzuatmen, vor allem für das erzählende Ich, die Oma von Nisha.
Die sehr kurze Story erzählt von einem Spielplatzbesuch, könnte Alltag sein, aber am Ende geschieht noch etwas sehr ungewöhnliches, vor allem für die Oma.
Tolle Story!
So, ich habe ein paar Storys ausgelassen, wenn ich das Gefühl hatte, dass ich aufgrund meiner Eingebundenheit in den Auswahlprozess nicht ganz unvoreingenommen war. Ansonsten bin ich jetzt durch.
Beim Sekundärteil habe ich mich vor allem auf die beiden Nachrufe konzentriert. Beides traurige Tode, wobei mich der von Hans Frey noch mehr getroffen hat. Sicher auch, weil ich ihm in Berlin persönlich begegnet war und ich das Gefühl habe, sein Lebenswerk bleibt nun unvollendet. Aber er hätte vermutlich einfach immer weiter Pläne gemacht, egal wie alt er geworden wäre. Was ihn irgendwie zu einem verdammt coolen Menschen macht.