So, die neue Exodus ist da, ich eröffne mal den Lesezirkel!
Geschichten, wie sie auf der Webseite sortiert sind (alphabetisch), im Heft haben sie aber eine andere Reihenfolge:
Geschrieben 12 Juli 2024 - 09:12
So, die neue Exodus ist da, ich eröffne mal den Lesezirkel!
Geschichten, wie sie auf der Webseite sortiert sind (alphabetisch), im Heft haben sie aber eine andere Reihenfolge:
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 12 Juli 2024 - 15:19
Ich habe mal einen ersten Durchgang gemacht und die meisten Storys gelesen, eine sogar zweimal. Ich habe die von Uwe Post erst alleine für mich gelesen und später meinem ältesten Kind vorgelesen (auch wenn ich dabei eine Menge Worte erklären musste). Beim zweiten Lesen kam sie mir auch weniger nervös in der Mitte vor und besser, organischer.
Abgesehen mal von der Post-Story hat mir auch die Story von Schneiberg wieder sehr gut gefallen, vermutlich sogar besser als Frau in der Wand aus der letzten Ausgabe. Wobei ich auch hier nach dem ersten Lesen nicht ganz sicher bin, was die Prämisse eigentlich ist. Er hat so gute Ansätze in der Story, aber so richtig greifen kann ich es noch nicht und der Anfang ist sehr, sehr konventionell, hart an der Grenze zu "zu uninteressant". Das Thema ist zurzeit auch eher präsent (Pandemie, Virus), der Text besticht für mich eher durch die sehr menschliche Sichtweise. Das haben wir zu selten, finde ich. Insofern bin ich sehr interessiert daran, weiterhin Storys von Schneiberg zu lesen. Das scheint ein Autor zu sein, für dessen Prosa ich mich nachhaltig begeistern kann.
Endres ist die übliche Action, einige sehr coole Welten-Ideen, toughe Protagonistin, mir fehlt aber die Tiefe, ich ich beispielsweise bei die Straße der Bienen gelesen habe. Trotzdem, sehr lesbar, durchaus spannend.
Grohs habe ich gelesen, obwohl ich eigentlich seine Prosa nicht mehr lesen will, da ich sicher schon locker zehn oder zwölf Storys von ihm gelesen habe und mich immer irgendwas arg störte. So auch hier, aber der Anfang war so fürchterlich interessant. Jemand lässt seinen Kopf auf einen anderen Körper transplantieren. Von diesem anderen Körper war der Kopf krank (wird auch sehr nah am Horror beschrieben) und von dem anderen der Körper.
Ich erwarte eine Geschichte, die näher an diesem Thema bleibt, bekomme aber leider etwas anderes. Und wieder etwas ableistisches, was mir jetzt bei diesem Autor schon zu oft geschehen ist. Ständig gibt es in seiner Prosa stellenweise Passagen, die kolportieren, dass das Leben als alter Mensch, als behinderter Mensch usw. viel weniger wert ist oder gleich nicht mehr lebenswert. Der Autor mag ja (zurzeit!) jung und able-bodied sein, aber wenn er Glück hat, wird auch er alt und gebrechlich und dann wird er das womöglich anders sehen.
Ich bin schon wieder abgeschreckt und überlege, ob ich beim nächsten Mal nicht mal den ersten Satz lese.
Hermann, das war diesmal für mich leider nicht originell. Kann am Lesehintergrund lesen, das war einfach déja lu.
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 12 Juli 2024 - 16:11
Wunderbar! Ein Lesezirkel zur neuen Exodus! Da werde ich gerne mitlesen und mich vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle zu Wort melden. Ich bin ja etwas befangen.
Geschrieben 12 Juli 2024 - 16:48
Meine Exodus lag heute im Briefkasten. Mal schauen, wann ich zum Lesen komme.
Bearbeitet von Jol Rosenberg, 12 Juli 2024 - 16:48.
Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/
Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen
Geschrieben 12 Juli 2024 - 17:40
Meine Exodus lag heute im Briefkasten. Mal schauen, wann ich zum Lesen komme.
Geschrieben 13 Juli 2024 - 09:30
Ich bin natürlich auch dabei und habe mit der Geschichte von Christian Endres begonnen.
@Yvonne
Huch! Deine Kommentare zu den Geschichten sind ja diesmal sehr kurz geraten. Hoffentlich kommt da noch ein bisschen mehr.
Ständig gibt es in seiner Prosa stellenweise Passagen, die kolportieren, dass das Leben als alter Mensch, als behinderter Mensch usw. viel weniger wert ist oder gleich nicht mehr lebenswert. Der Autor mag ja (zurzeit!) jung und able-bodied sein, aber wenn er Glück hat, wird auch er alt und gebrechlich und dann wird er das womöglich anders sehen.
Oder auch nicht. Ich habe diesen Text noch nicht gelesen, aber eines kann ich Dir sagen: Nicht wenige ältere Menschen sagen ganz offen, dass das Altern anstrengend ist und nicht zwingend Spaß macht. Ich kenne das auch aus der eigenen Familie und kann nachvollziehen, warum ältere Menschen zu diesen Aussagen kommen. Natürlich sollten wir als Gesellschaft solidarisch und fürsorglich sein und den Älteren unter uns so viel helfen, wie es möglich ist. Wir sollten aber nicht verklären, dass Alter heutzutage auch oft mit Krankheit einher geht, auch mit sehr leidvoller Krankheit. Unsere Medizin hat ja leider mehr Erfolg dabei gehabt das Leben zu verlängern als es lebenswert zu erhalten.
Geschrieben 13 Juli 2024 - 09:37
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 13 Juli 2024 - 09:55
Okay. Dann lese ich den Text nach dem von Christian Endres als nächstes. Du hast mich neugierig gemacht.
Geschrieben 13 Juli 2024 - 10:45
Wichtig ist nur, was die Leute glauben
von Christian Endres
Die Botschaft dieser Geschichte ist klar und düster, sehr düster. Leider ist etwas Wahres dran. Trotzdem hätte ich mir noch etwas Konstruktives gewünscht. Eine eigenwillige Erzählstimme berichtet uns flott von der Handlung, die jedoch ein bisschen zu offensichtlich nur die Botschaft vorbereitet. Es ist ein bisschen so, als handle eine Geschichte davon, wie ich mich nach dem Verzehr eines Joghurts leicht unwohl fühle, aus meiner Wohnung hinaus auf die Straße gehe an verschiedenen Geschäften vorbei bis zu meinem Hausarzt, wo ich dann erfahre, dass fast alle Lebensmittel mit Mikroplastik verseucht sind. Die Handlung ist dann für sich genommen recht dünn und der Weg zur Auflösung allzu direkt, wobei die Auflösung ebenfalls keine weitere Vertiefung erfährt. Bei der Botschaft in Christian Endres Text wäre da mehr möglich gewesen mit ihren vielen gesellschaftlichen, psychologischen und politischen Implikationen. Die Flucht der Hauptfigur führt uns wie bei einer Stadtführung durch eine Welt der nahen Zukunft, die uns unangenehm vertraut erscheinen mag. Die Wendung ist gut platziert, aber nicht besonders neu.
Illustration von Frank G. Gerigk
Die Illustration von Frank G. Gerigk folgt dem Stil einer Fotomontage als Gebrauchsgraphik mit geringer Schöpfungshöhe. Aufgrund der Artefakte in den Bildelementen (z.B. Anomalie am hinteren linken Rotorarm der Drohne, am linken Ohr der Bikerin, am linken Teil des Fahrradlenkers, am Vorderrad) scheinen diese mit Graphik-Assistenz erstellt worden zu sein. Die Drohne folgt dem Design gängiger zeitgenössischer faltbarer Modelle im niedrigen Preissegment und wirkt dadurch nur oberflächlich betrachtet (z.B. wegen der LED-Leistenlichter) wie aus der Zukunft. Die Bildelemente scheinen auch wenig bearbeitet worden zu sein, z.B. besitzt der Fahrradhelm anders als in der Geschichte keine Kamera.
Ich freue mich über Austausch, Fragen und Kommentare, gerne auch von Autori, Graphikeri und den Herausgeberi, hier im Forum, per PN oder unter chrshrn@christianhornstein.de
Bearbeitet von Christian Hornstein, 14 Juli 2024 - 20:51.
Geschrieben 14 Juli 2024 - 16:51
Christian Endres: Wichtig ist nur, was die Leute glauben
Eine sympathische und handwerklich gut gemachte Erzählstimme nimmt uns mit auf ihren Job als Fahrradkurierin. Wie bei Endes häufig entwickelt sich das zur rasanten Geschichte inklusive Schießerei und Verfolgungsjagd. Ich habe das gern gelesen und es war unterhaltsam, allerdings wird die Hauptfigur für mich wenig plastisch und das Ende wirkt zu gewollt. Als sei der ganze restliche Text nur dazu da, dieses Ende vorzubereiten. Dieses wirft einen kritischen Blick auf unsere Jetztzeit, ist aber auch zu naheliegend, um wirklich spannend zu sein. Ein positiver Aspekt sind für mich die gut eingeflochtenen Weltenbau-Elemente.
Wolf Welling: Der Zähler und der Monolith
Den Einstieg in diesen Text mochte ich: Die Hauptfigur, ein Mann mit Zählzwängen, soll das Verschwinden einer Menschenkolonie untersuchen. Und dazu hilft ihm eine KI. Ich war sehr an „Athos 2643“ erinnert, allerdings nur kurz. Denn der Text gleitet dann ab in reinen Infodump und hat mich so sehr gelangweilt, dass ich nach einigen Absätzen reiner Informationsvermittlung begann querzulesen. Der Infodump ist auch leider so, dass ich trotz des Querlesens das Ende schon wusste. Dass es dann noch damit einhergeht, dass der Mann „geheilt“ wird, hat mich geärgert, widerspricht doch die Hauptfigur zu Beginn des Textes der Heilung ausdrücklich: Er mag seine Zwänge und will sie behalten. Sie ihm dann doch zu nehmen, ist übergriffiger Saneismus. Darüber hinaus bleibt das Ende auch so vage, dass es mich null befriedigt.
Roland Grohs: Geisterbahn
Auch wenn ich den Text sprachlich von Beginn an etwas unbeholfen fand, beginnt er mit einem interessanten Thema: Jemand erhält einen neuen Körper, nur der Kopf ist der alte. Das wird horrorähnlich beschrieben, allerdings so distanziert, dass es mich völlig kalt lässt. Der behandelnde Arzt fährt die Hauptfigur im Rollstuhl herum und es werden verschiedene Patient*innen vorgeführt und dem ableistischen Blick des Arztes und des Patienten ausgesetzt. Ich fand das Ganze einfach nur widerlich, zumal das Begaffen und Sich-lustig-machen über als entstellt gelabelter Körper sich in eine unschöne Tradition stellt. Hinzu kommt ein gerüttelt Maß an Sexismus, wenn „natürlich“ nur die weiblich gelesenen Körper nach Schönheit beurteilt werden. Zu allem Überfluss hat der Text kein überzeugendes Ende, er hört einfach irgendwo auf.
Puh, ich muss sagen, ich habe meine Mühe. Und lese nun bei euch, dass es euch ähnlich ging. Schon die letzte Exodus hat durch Saneismus geglänzt, diese hier tritt in dieselben Fußstapfen. Ich verstehe nicht, wieso man so etwas abdruckt. Ich werde diese Exodus noch weiterlesen, bin mir aber recht sicher, dass das Magazin mich als Leser*in damit verloren hat. So etwas mag ich weder unterstützen noch lesen.
Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/
Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen
Geschrieben 14 Juli 2024 - 17:20
Roland Grohs - Geisterbahn:
Warum tue ich mir sowas an? Alles was ich bisher von Roland Grohs gelesen habe, hat mich auf die eine oder andere Art abgestoßen. Und nun nehme ich mir als erstes wieder seine Geschichte vor (eure Eindrücke habe ich erst danach gelesen!). Es ist wohl so eine Art Masochismus, ich weiß auch nicht.
Der Anfang der Geschichte macht neugierig. Ein totkranker Mensch lässt seinen Kopf auf einen gesunden Körper transplantieren. Coole Idee, eigentlich. Aber was danach kommt, ist eine sinnlose Odyssee des frisch Operierten durch das Krankenhaus, um missgestaltete Figuren zu begaffen. HÄ? Was soll das? Obwohl sich die Story einigermaßen flüssig lesen ließ, war das inhaltlich nix. So etwas will ich einfach nicht lesen (... und werde es beim nächsten Mal wohl doch wieder tun - seufz!).
Uwe Hermann - Ein Stückchen Erinnerung:
Wenn ich bedenke, dass ich sonst von Hermanns Geschichten meist sehr begeistert bin, so muss ich hier sagen, das geht besser. Eine durchschnittliche Geschichte mit einem durchschnittlichen Twist am Ende. Schade. Ich hatte mehr erwartet.
SF
Geschrieben 14 Juli 2024 - 18:35
Na, ich bin ja erleichtert, dass ich nicht allein bin mit meinem Kopfschütteln über die Grohs-Story. Wem gefällt denn sowas?
Michael Schneiberg: Das weiße Zelt
Aus der Sicht eines Jungen im Grundschulalter erleben wir eine Pandemie, die ihm alles nimmt. Es beginnt mit der Schwester und dem Schulalltag, aber natürlich endet es nicht dort.
Der Text greift einige Corona-Elemente auf und bekommt dadurch eine sehr dichte Unmittelbarkeit, seine große Stärke sehe ich aber vor allem in der überzeugenden Figurennähe: Das magische Denken des Jungen, seine Versuche, sich die Welt zu erschließen, lassen mich tief eintauchen. Der Text könnte anfangs im Hier und Jetzt spielen, gleitet aber immer mehr ins Fantastische ab. Wirklich als SF kann ich das nicht lesen, weil mir dazu die Zukunftskomponente fehlt, aber ansonsten ist das ganz großes Kino.
Yvonne Tunnat: Besuch für die Astronautin
In einem Pflegeheim bekommt eine alte Frau, eine ehemalige Astronautin, Besuch. Eine Pflegerin mag die Frau sehr und möchte herausfinden, wer da zu Besuch ist, und wir folgen ihr und erleben eine kleine Szene zwischen Besucherin und der Alten, bei der mit beeindruckender Beobachtungsgabe schöne Details geschildert werden.
Ich mag die Sprache dieses Textes und die kleinen Beobachtungen – besonders der immer im Weg stehende Olivenbaum hat es mir angetan – aber mir wird hier zu viel in der Schwebe gelassen. Ich erfahre weder, wer die Besucherin ist, noch, warum die Alte mit ihr mitgeht. Warum sie die Perspektivträgerin für einen Bot hält, kann ich nur ahnen. Wie so oft fehlt mir, um das zu einem genialen Text zu machen, ein überzeugendes Ende.
Uwe Hermann: Ein Stückchen Erinnerung
Jemand erwacht im Nichts und puzzelt sich langsam die Situation zusammen. Leider wirkt das auf mich arg gekünstelt und ich bekomme das Gefühl, dass die Figur all die Dinge nur aktiv erinnert, um sie mir vorführen zu können. Er treibt, so wird deutlich, allein im All. Als ihn endlich jemand anfunkt, entsteht ein Gespräch, bei dem natürlich nur die Kollegin weint und das großenteils aus Infodump besteht.
Das Ende gibt dem Ganzen einen gemeinen Twist, konnte mich aber trotzdem nicht begeistern. Dazu habe ich mich einfach zu sehr gelangweilt zwischendurch. Außerdem gibt es hier ein riesiges Plotloch (Achtung Spoiler!):
Galerie: Lothar Bauer
Wer den Text über Bauer geschrieben hat, erfahre ich leider nicht. Inhaltlich wiederholt er Allgemeinplätze zur KI-Überlegung und bleibt dabei leider ziemlich an der Oberfläche. Schade, da hätte ich mir mehr erwartet.
Die Bilder sind alle sehr schön anzuschauen, allerdings fällt mir die Häufung weiblich gelesener Körper auf: ästhetische Gesichter und Brüste, Brüste, Brüste. Seufz. Anhand des Titels des Coverbildes findet dann auch noch eine Exotisierung mit Afrikabezug statt, von der ich nicht ganz weiß, was ich davon halten soll. Hier würden mich eure Gedanken dazu interessieren: Warum heißt das "Africana Space"?
Bearbeitet von Jol Rosenberg, 15 Juli 2024 - 09:33.
Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/
Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen
Geschrieben 14 Juli 2024 - 20:07
Scipio Rodenbücher - Wann kommen wir wieder zusamm'?
Hiermit konnte ich hat nichts anfangen. Eine wirre, zusammenhanglose Aneinanderreihung von Wörtern, in abgehackten, kurzen Sätzen. Der Text hat irgendwas mit virtueller Realität zu tun. Ich hab nach ca. 30 % aufgegeben, weil ich nicht begriffen habe, was mir der Autor sagen will. Für mich ein Totalausfall.
SF
Geschrieben 14 Juli 2024 - 20:14
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 14 Juli 2024 - 21:44
Geisterbahn
von Roland Grohs
Die Einrichtung, um die es hier geht, ähnelt tatsächlich einer Geisterbahn, klassisch in einem Schloss. Wegen der vielen Ungereimtheiten interpretiere ich diese Geschichte mehr als Alptraum oder gerade noch als stark heruntergekommene „medizinische“ Einrichtung, die ihren ethischen Kompass verloren hat, was auch zur gesellschaftskritischen Prämisse des Textes passen würde. Besonders unrealistisch in ihrer fast albernen Monstrosität finde ich die „Drillinge“, die mir so ähnlich schon oft in schauerlichen Erzählungen begegnet sind. Sicher, Leseri, die unbedarft und/oder vorurteilsbehaftet sind gegenüber Menschen mit analogen Missbildungen werden sich bestätigt fühlen. Das ist insofern misslich, als dass unser Alltag wenig Gelegenheit für Korrekturen bietet. Wann begegnen wir schon mal einem solchen Menschen?
Andererseits erscheint dieser Text im Exodus und gilt somit als SF, ein Genre, das dafür bekannt ist, unsere Realität zu verfremden. Es gibt so viele Behinderungen und Fehlbildungen, so viele Gebrechen, die in den Künsten verarbeitet wurden, von distanziert bis mitfühlend, sachlich bis übersteigert, gleichgültig bis obsessiv und fasziniert. Wenn wir all das in der Kunst nicht mehr ausdrücken dürften, wo dann? Aber es stimmt schon. Diese „Drillinge“ waren unnötig und lassen ein unschönes Stereotyp anklingen. Die Botschaft hätte hier auch anders und eindrücklicher vermittelt werden können.
Etwas ähnliches in Bezug auf alte Menschen oder das Altern habe ich in dem Text nicht wahrgenommen, Yvonne. Die Hauptfigur (oder besser gesagt ihr Kopf) ist erst 53 Jahre alt. Über die Furie im Goldfischglas erfahren wir, sie habe einen „tollen“ Körper gehabt … und einen Unfall. Sie war wohl auch nicht sehr alt.
Es gibt sicher aufschlussreichere Arten, die Anpassungsschwierigkeiten bei Migrationen des Geistes in andere Körper und Welten zu veranschaulichen, die ethischen und praktischen Fragen zu stellen in Bezug auf Heilung, Kompensation und dem damit verbundenen Verhältnis der Menschen zueinander.
In Hinsicht SF bewegt sich die Geisterbahn auf recht konservativem Terrain. Die eher phantastische, düstere und andeutungsreiche Erzählweise scheint Roland Grohs Stil zu kennzeichnen. Er veröffentlicht übrigens nicht nur im phantastischen Bereich, sondern auch in Literaturzeitschriften. Nicht nur seine Kurzgeschichten, sondern auch seine Romane wie Golem und Luka und die Guten sind anscheinend eher dystopisch. Ich vermute, es ist Roland Grohs Weise, das, was ihn umtreibt, in erschreckenden, überzeichneten Bildern zu verarbeiten und nach außen zu tragen, was sicher nicht für jeden Menschen geeignet ist, aus unterschiedlichen Gründen. Für manche scheinbar schon.
Illustration von Oliver Engelhard
Die Illustration von Oliver Engelhard entspricht ganz dem Stil des Künstlers und bietet die bekannten Elemente an. Seine Interpretation der grimmigen Gestalten als orkähnliche Wesen und der traurige Gesichtsausdruck der Dame aus dem Goldfischglas, die fast zärtlich eine Hand auf den leblosen Kopf eines ihrer Opfer legt, passt meinem Empfinden nicht zu den Schilderungen im Text, in dem es explizit um Männer geht und wo die Schwertschwingerin alles andere als mitleidvoll oder melancholisch wirkt, besonders, wenn sie lächelnd die Männer niedermetzelt.
Bearbeitet von Christian Hornstein, 14 Juli 2024 - 21:46.
Geschrieben 15 Juli 2024 - 09:06
Christian Endres: Wichtig ist nur, was die Leute glauben
Eine sympathische und handwerklich gut gemachte Erzählstimme nimmt uns mit auf ihren Job als Fahrradkurierin. Wie bei Endes häufig entwickelt sich das zur rasanten Geschichte inklusive Schießerei und Verfolgungsjagd. Ich habe das gern gelesen und es war unterhaltsam, allerdings wird die Hauptfigur für mich wenig plastisch und das Ende wirkt zu gewollt. Als sei der ganze restliche Text nur dazu da, dieses Ende vorzubereiten. Dieses wirft einen kritischen Blick auf unsere Jetztzeit, ist aber auch zu naheliegend, um wirklich spannend zu sein. Ein positiver Aspekt sind für mich die gut eingeflochtenen Weltenbau-Elemente.
Interessant. Das habe ich ja ganz ähnlich empfunden.
Roland Grohs: Geisterbahn
Auch wenn ich den Text sprachlich von Beginn an etwas unbeholfen fand, beginnt er mit einem interessanten Thema: Jemand erhält einen neuen Körper, nur der Kopf ist der alte. Das wird horrorähnlich beschrieben, allerdings so distanziert, dass es mich völlig kalt lässt. Der behandelnde Arzt fährt die Hauptfigur im Rollstuhl herum und es werden verschiedene Patient*innen vorgeführt und dem ableistischen Blick des Arztes und des Patienten ausgesetzt. Ich fand das Ganze einfach nur widerlich, zumal das Begaffen und Sich-lustig-machen über als entstellt gelabelter Körper sich in eine unschöne Tradition stellt. Hinzu kommt ein gerüttelt Maß an Sexismus, wenn „natürlich“ nur die weiblich gelesenen Körper nach Schönheit beurteilt werden. Zu allem Überfluss hat der Text kein überzeugendes Ende, er hört einfach irgendwo auf.
Puh, ich muss sagen, ich habe meine Mühe. Und lese nun bei euch, dass es euch ähnlich ging. Schon die letzte Exodus hat durch Saneismus geglänzt, diese hier tritt in dieselben Fußstapfen. Ich verstehe nicht, wieso man so etwas abdruckt. Ich werde diese Exodus noch weiterlesen, bin mir aber recht sicher, dass das Magazin mich als Leser*in damit verloren hat. So etwas mag ich weder unterstützen noch lesen.
Zum Abschluss der Geschichte: Es ist halt ein offenes Ende. Der Text hört aber nicht einfach irgendwo auf. Von Anfang an werden wir auf, sagen wir mal, brutale Weise mit bestimmten philosophischen Fragen konfrontiert, die mit unserem Verhältnis zu unserem körperlichen, aber auch sozialen Dasein zu tun haben. Die Hauptfigur hat einen bestimmten Weg beschritten und sich zu einem Körpertausch vom Hals abwärts entschieden. Nach den schauerlichen mehr oder auch eher weniger hilfreichen Denkanstößen, wird sie gefragt, ob sie bereit ist für den nächsten Schritt, die Rehabilitation. Ihre Antwort wird offenbaren, welchen Schluss sie aus alledem zieht und wie sie sich entscheidet. Roland Grohs möchte hier aber nichts vorgeben, was speziell bei diesem Thema auch sinnvoll ist. Das Problem ist, glaube ich, dass der Text davor für eine belebende und befriedigende Anregung der Leseri zu eigenen Überlegungen zu wenig verdeutlicht, worum es geht. Was bei den Leseri, so vermute ich, dominiert, sind eher Gefühle von Abscheu und das ist einfach zu wenig.
Geschrieben 15 Juli 2024 - 09:19
Roland Grohs - Geisterbahn:
Warum tue ich mir sowas an? Alles was ich bisher von Roland Grohs gelesen habe, hat mich auf die eine oder andere Art abgestoßen. Und nun nehme ich mir als erstes wieder seine Geschichte vor (eure Eindrücke habe ich erst danach gelesen!). Es ist wohl so eine Art Masochismus, ich weiß auch nicht.
Der Anfang der Geschichte macht neugierig. Ein totkranker Mensch lässt seinen Kopf auf einen gesunden Körper transplantieren. Coole Idee, eigentlich. Aber was danach kommt, ist eine sinnlose Odyssee des frisch Operierten durch das Krankenhaus, um missgestaltete Figuren zu begaffen. HÄ? Was soll das? Obwohl sich die Story einigermaßen flüssig lesen ließ, war das inhaltlich nix. So etwas will ich einfach nicht lesen (... und werde es beim nächsten Mal wohl doch wieder tun - seufz!).
SF
Ja, genau das meinte ich. Du fragst Dich nach dem Sinn der Geisterfahrt, die Dich nur irritiert zurücklässt. Es mag eine Zielgruppe für diesen Text geben, die sich an seiner Atmosphäre und den Bildern erfreut, und ein Teil dieser Gruppe, der sogar dekodiert, worum es dem Autor ging, aber ich glaube, diese letzte Gruppe ist sehr klein. Ich weiß, dass das viele Autori nicht kümmert. Ich finde das schade, denn die Gedanken, um die es geht, sind ja nicht uninteressant, zuweilen auch höchst relevant für unsere Gesellschaft. Es ist allerdings auch wesentlich schwieriger so zu schreiben, dass die Themen für möglichst viele Leseri deutlich werden, ohne plakativ zu wirken. Ich hoffe, es ist mir dieses Mal mit Grün gelungen.
Geschrieben 15 Juli 2024 - 09:39
Ich stimme dir absolut zu, Christian, dass es wichtig ist, über Behinderungen zu schreiben. Was ich dagegen einfach nur unnötig finde ist, dieses Zurschaustellen von "Monstrositäten". Der gesamte Text hier funktioniert so, dass ein Monster nach dem anderen vorgeführt wird. Außer Ekel und Abscheu wird bei mir nichts ausgelöst. Genau darum funktioniert der Schluss für mich auch nicht: Es stellt sich für mich keine ethische Frage, auch weil die anderen Patient*innen scheinbar nichts mit der Hauptfigur zu tun haben.
Ich finde es also nicht generell schwierig, über Menschen mit Behinderung zu schreiben. Aber ich finde es schwierig sie zu objektifizieren und/oder auf ihre Behinderung zu reduzieren. Und genau das passiert hier meiner Meinung nach.
Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/
Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen
Geschrieben 15 Juli 2024 - 10:01
Maria Orlovskaya: Slide Machine
Die Grundidee dieses Textes spricht mich an: Mithilfe einer Maschine können Menschen mit ihrem Alter-Ego in einem Paralleluniversum die Plätze tauschen. Aber nur, wenn diese auch wollen.
Die Umsetzung lässt leider zu wünschen übrig, was meines Erachtens auch daran liegt, dass das Thema jede Menge Logikbrüche nahelegt, die schwer zu manövrieren sind. Hier entstanden für mich eine Menge Inkonsistenzen, die mir etwas die Lust an diesem flüssig geschriebenen Text mit seinen beeindruckenden Bildern nahmen. Außerdem bleiben alle Figuren sehr blass.
Jess ist unzufrieden mit ihrem Leben, weil sie ihres Erachtens den falschen Mann geheiratet hat. Sie geht davon aus, dass dies in einem Paralleluniversum anders ist. (Warum?) Achtung Spoiler!
Olaf Lahayne: 37er und 42er
In der Zukunft verpressen große Anlagen CO2 unter die Erde. Lilith, die Hauptfigur des Textes, arbeitet und so einer Anlage und bekommt einen neuen Chef. Achtung Spoiler: Aber dieser glaubt an Verschwörungstheorien und möchte die Anlage sabotieren. Aber natürlich hält sie ihn davon ab und ist dann sogar noch so edel, ihm das Leben zu retten.
Der Text ist nicht nur vom Plot her schwach, sondern leidet auch sonst unter handwerklichen Mängeln: holzige Dialoge voller Infodump, dadurch Langeweile, und wenig ausgearbeitete Figuren. Ich habe streckenweise nur quergelesen, weil mich das so gelangweilt hat.
Scipio Rodenbücher: Wann treffen wir wieder zusamm’?
Ein Mann hat eine KI im Kopf, die ihm sagt, was er tun soll. Aber ist er überhaupt ein Mann? Und was ist eigentlich real?
Der Text ist sprachlich schön, irgendwann haben mich aber die sich selbst übertreffenden Bildern völlig abgehängt. Einen Plot konnte ich nicht erkennen, die Figur bleibt wenig fassbar. Nach einigem Querlesen, in dem für mich kein Plot auffindbar war, habe ich das abgebrochen. Und hier dürfen wir uns dann auch wieder eine nackte feminin gelesene Person als Illus ansehen. Seufz.
Volker Dornemann: 11 Sekunden (Micro-Story)
Wie so oft bei Dornemann ist das hier keine Geschichte. Sondern ein fiktiver Werbespot für eine Dating-App für KIs, dem ich wenig abgewinnen kann.
Bearbeitet von Jol Rosenberg, 15 Juli 2024 - 10:01.
Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/
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Geschrieben 15 Juli 2024 - 10:15
Ich stimme dir absolut zu, Christian, dass es wichtig ist, über Behinderungen zu schreiben. Was ich dagegen einfach nur unnötig finde ist, dieses Zurschaustellen von "Monstrositäten". Der gesamte Text hier funktioniert so, dass ein Monster nach dem anderen vorgeführt wird. Außer Ekel und Abscheu wird bei mir nichts ausgelöst. Genau darum funktioniert der Schluss für mich auch nicht: Es stellt sich für mich keine ethische Frage, auch weil die anderen Patient*innen scheinbar nichts mit der Hauptfigur zu tun haben.
Ich finde es also nicht generell schwierig, über Menschen mit Behinderung zu schreiben. Aber ich finde es schwierig sie zu objektifizieren und/oder auf ihre Behinderung zu reduzieren. Und genau das passiert hier meiner Meinung nach.
Ja, genau, wobei ich glaube, dass Roland Grohs nicht objektifizieren oder jemanden reduzieren wollte, letztlich aber genau diesen Eindruck erweckt aufgrund der stereotypen Darlegung.
Das weiße Zelt
von Michael Schneiberg
Halbwegs konsequent und einfühlsam aus der Perspektive eines Kindes und mit vielen Alltagselementen aus dem Leben einer Familie zur Plausibilisierung des Settings erzählt uns die Hauptfigur von einem klassischen Pandemie-Szenario, das wir leider alle aus eigener Anschauung gut kennen, wenn auch in recht verschiedenen Varianten und die meisten von uns nicht in der Dramatik, die in der Geschichte entfaltet wird. Ich finde, man merkt es dem Text an, dass er aus genau diesen Erfahrungen schöpft. Die Beschreibungen unterscheiden sich nur in relativ geringfügigen Details von dem, was wir unter Corona erlebt haben. Der Virus, um den es im vorliegenden Text geht, wirkt auf kognitiv, und zwar auf die Sprachzentren. Das ist nicht ganz neu im SF-Genre (siehe z.B. der zunächst letzte Film New Kingdom aus der Reihe Planet der Affen) und erhält hier leider keine originelle Vertiefung, auch wenn die Überlegungen des Kindes zum Einfluss der Namensgebung von Dingen auf die Natur der Dinge und unsere Haltung zu ihnen ein nettes Leitmotiv ist, das sich am Schluss mit der Viruswirkung verbindet. Das Sprachthema wirkt eher wie eine Metapher für die Änderung der Lebenswelt der Menschen durch die Pandemie. Insofern hätte die Geschichte auch nicht unbedingt SF sein müssen.
Illustration von Dirk Berger
Die Illustration von Dirk Berger bietet ein zur Geschichte passendes Motiv: Ein einsam wirkendes Kind, das allein vor dem weißen Zelt mit dem Zeichen für Biohazard sitzt. Man sieht es von hinten, was Projektionen zu seinem Gesichtsausdruck/Gemüt zulässt, vor einem übergroß wirkenden Zelt mit schwarzem, undurchdringlichem Eingang. Das Sonnenlicht fällt von links auf das Kind und verleiht ihm eine Art Gloriole, ein Sinnbild für das Besondere und Gute, das es in der düsteren Welt darstellt. Der Stil ist einem Acrylgemälde mit groben Pinselstrichen nachempfunden, wahrscheinlich nicht wirklich gemalt, sondern ein Filter, vielleicht auch das nachbearbeitete Bild einer Graphik-Assistenz, jedenfalls deuten manche Details darauf hin.
Geschrieben 15 Juli 2024 - 10:17
Ich stimme dir absolut zu, Christian, dass es wichtig ist, über Behinderungen zu schreiben. Was ich dagegen einfach nur unnötig finde ist, dieses Zurschaustellen von "Monstrositäten". Der gesamte Text hier funktioniert so, dass ein Monster nach dem anderen vorgeführt wird. Außer Ekel und Abscheu wird bei mir nichts ausgelöst.
[ ...]
Ich finde es also nicht generell schwierig, über Menschen mit Behinderung zu schreiben. Aber ich finde es schwierig sie zu objektifizieren und/oder auf ihre Behinderung zu reduzieren. Und genau das passiert hier meiner Meinung nach.
Same here! Ich schreibe sogar sehr gern über Behinderungen* und hatte da sogar mal ein tolles Sensitivity Reading, bei dem ich viel gelernt habe.
Bei diesem Autor habe ich jetzt aber schon sehr oft ableistische oder altersfeindliche Tendenzen herausgelesen. Das mag ja vielen von uns "mal passieren", aber hier ist es eben ständig der Fall.
*bzw. habe Figuren drin, die Behinderungen haben und eben Teil der Story sind
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 15 Juli 2024 - 10:32
Was der Autor intendiert hat, weiß ich natürlich auch nicht. Aber ich erwarte von Redaktion und Lektorat schon, dass sie da nochmal drüberschauen und ggf. um Anpassung bitten. Meine Vermutung ist, dass sowohl Redaktion als auch Autor an der Stelle eine andere Präferenz haben als ich.
Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/
Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen
Geschrieben 15 Juli 2024 - 11:42
Das mit der Präferenz könnte gut sein, aber wir müssen ja zwischen Autori und Figuren unterscheiden. Derjenige, der in Geisterbahn objektifiziert, ist Dr. Fratale. Bei den "Drillingen" versucht die Hauptfigur, sich dem zu entziehen. Wenn Autori Objektifizierung kritisch darstellen wollen, muss es jemand in der Geschichte geben, der objektifiziert. Ich glaube, die Szene mit den "Drillingen" sollte zusätzlich auch andere Themen anreißen. Aber ich stimme Dir zu, dass es dafür bessere Wege gegeben hätte.
Geschrieben 15 Juli 2024 - 12:33
Jol, klingt so, als könnte ich mir zumindest den Text von Orlovskaya noch mal anschauen.
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 15 Juli 2024 - 14:48
Das mit der Präferenz könnte gut sein, aber wir müssen ja zwischen Autori und Figuren unterscheiden. Derjenige, der in Geisterbahn objektifiziert, ist Dr. Fratale. Bei den "Drillingen" versucht die Hauptfigur, sich dem zu entziehen. Wenn Autori Objektifizierung kritisch darstellen wollen, muss es jemand in der Geschichte geben, der objektifiziert.
Ich weiß nicht, ob das stimmt, und behaupte mal dreist das Gegenteil. Aber ich habe es noch nicht versucht ...
Christian Hornstein: Grün
Sergej und SelFish wollen die Welt retten und dazu ein Virus unter die Menschen bringen, dass diese verändert, in der Hoffnung, dass dies dazu führt, dass der Klimawandel wirklich eingedämmt wird.
Die Idee, die Menschen besser zu machen, damit sie Probleme angehen, ist nicht neu. Die Frage, wie diese Menschen sein müssten, auch nicht. Hornstein hat dem Thema trotzdem neue Aspekte abgerungen, indem er zwei sehr schnoddrige Figuren (von denen eine auch noch selfish heißt) zu Weltenretter*innen erkoren hat. Hinzu kommt Pope, der auch nicht gerade Sympathiepunkte sammelt.
Leider kann mich der Text trotz der sprachlichen Finesse nicht wirklich packen. Mir ist die Schreibe zu gewollt, zu umständlich, die Figuren zu wenig fassbar. Auch sind viele Nebendinge scheinbar nur in den Text gequetscht, um Weltenbau zu zeigen oder Seitenhiebe auf die Jetztzeit zu verteilen. Die Handlung an sich ist recht übersichtlich und besteht fast nur aus Dialogen. Um mich zu packen, müssten sich hier die Erzählstimmen unterscheiden. Für mich klingen sie aber alle gleich. Das Ende ist offen und lässt mich mit der Frage stehen, ob das, was sie da vor haben, wohl eine gute Idee ist. Auch nicht neu. Leider.
Uwe Post: Die drei Stigmata des lila Panda
Aus der Sicht eines KI-Kuscheltiers, eben jenes Panda, erfahren wir, wie der Panda sich überflüssig fühlt und sein Kind verlässt, dem er Elternersatz sein soll. Die Geschichte ist von zynischem, bösartigen Humor durchdrungen, denn sie zeigt deutlich, wie wenig der Panda in der Lage ist, Menschen wirklich emotional zu lesen und zu begleiten. Natürlich kann er auch sich selbst kaum schützen und gerät in schwierige Situationen. Dazu passt der düstere Weltenbau, in dem nur noch wenige Menschen den persönlichen Kontakt zueinander suchen.
Das Ende, das hier nicht verraten werden soll, ist zwar unerwartet tröstlich, scheint aber genau darum nicht zum Rest des Textes zu passen. Insgesamt ist mir der Text zu düster. Ich mag es auch nicht, wenn Texte ihre eigenen Figuren nicht ernst nehmen und sich über sie lustig machen.
Marie Meier: Noah, der Hammer und der Gott in der Maschine
Eine Arche driftet durch das All. Auf ihr ein Mensch und ein Roboter. So weit, so bekannt. Meier erzählt nachvollziehbar, wie Mensch und Roboter sich gegenseitig nerven und wie es dann zur Konflikteskalation kommt. Das ist ganz unterhaltsam, wirklich begeistern kann es mich aber nicht. Dabei gibt es einen interessanten Ansatz darin: Um Streit zu vermeiden, gibt es nur immer einen Menschen. Und aus irgendeinem Grund muss der immer männlich sein. Als einmal versehentlich eine Frau geboren wird, bringt das alles durcheinander. Warum? Was bedeutet das? Da wüsste ich gern mehr. Aber leider verrät uns die Autorin nichts darüber.
Comics: Wie oft kann ich dem Comic von Kostas Koufogiorgos gar nichts abgewinnen (diesmal spricht mich nicht einmal die Zeichnung an). Die Steine-Comics von Volker Toons sprechen mich immerhin zu 50% an: Die Sache mit Stonehenge finde ich witzig.
Tja. Ich würde sagen, ich brauche eine Exodus-Pause. Diese Ausgabe war immerhin besser als die letzte (da lag die Messlatte aber auch so niedrig, dass man drüber stolpern könnte), aber vom Hocker reißt sie mich nicht.
Bearbeitet von Jol Rosenberg, 15 Juli 2024 - 14:48.
Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/
Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen
Geschrieben 15 Juli 2024 - 14:53
Geschrieben 15 Juli 2024 - 14:56
Das ist interessant. Ich war der Meinung, bei Durchgang 1 alles begriffen zu haben, aber daran bekomme ich grad so meine Zweifel. Magst du verraten, ob du was entdeckt hast, was in meiner Rezi fehlt?
Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/
Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen
Geschrieben 15 Juli 2024 - 15:32
Geschrieben 16 Juli 2024 - 19:17
Na dann fang ich doch mal damit an ...
Maria Orlovskaya: Slide Maschine
Erste Frage: Rutsch Maschine oder Slide Machine.
Aber das kann an dem Universum liegen.
Gute Geschichte, interessanter Weltenbau, schöner Twist.
Meckern (auf hohem Niveau): wie groß ist die Wahrscheinlichkeit der Ereignisdeckung?
Miltons Monolog über vormalige Butterfly-Effekt-Fähigkeiten fand ich nicht notwendig.
Aber wirklich eine richtig gute KG, die mich nach und nach immer mehr gepackt hat. Daumen hoch.
† In memoriam Michael Szameit / Christian Weis / Alfred Kruse / Rico Gehrke : Aktuelle Projekte und neue Veröffentlichungen : 'Gleich' ist der Tod des kleinen Mannes.
Geschrieben 17 Juli 2024 - 06:53
Yvonne Tunnat: Besuch für die Astronautin
Ach ja, wenn eine Story den Aufkleber "Echt Tunnat" verdient hat, dann diese.
Die Atmosphäre der Geschichte umschließt einen wie ein warmer Sommerwind.
Der Aha-Effekt wird dezent vorbereitet und setzt ein bisschen Verständnis für Weltraumreisen voraus.
Querverweise auf eigene Geschichten funktionieren logischerweise nur, wenn die LeserInnnen beide kennen. Ich mache das auch gerne und freue mich, wenn es jemandem auffällt.
Also Yvonne: Bennie
Eine kurze runde Sache, sehr schön!
† In memoriam Michael Szameit / Christian Weis / Alfred Kruse / Rico Gehrke : Aktuelle Projekte und neue Veröffentlichungen : 'Gleich' ist der Tod des kleinen Mannes.
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