Psyche mit Zukunft: Sieg über die Finsternis in mir (Hg. Jol Rosenberg)
#91
Geschrieben 01 Dezember 2024 - 11:56
Ich denke, die werden sich entwickeln
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#92
Geschrieben 01 Dezember 2024 - 12:03
Ich kann auch nur berichten, was ich bei meinen Kindern als gelebte Sprache höre. Diese Regeln haben sie sich selbst gegeben. Ob sich das in andere Gruppen von Jugendlichen ausbreitet oder wieder verschwindet, kann ich nicht vorhersagen.
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#93
Geschrieben 01 Dezember 2024 - 12:35
Das ist keine isolierte Sprachentwicklung Deiner Kinder: Meine sind gute 10 Jahre älter und sprechen auch so. Das kanonisiert sich schon langsam.Ich kann auch nur berichten, was ich bei meinen Kindern als gelebte Sprache höre. Diese Regeln haben sie sich selbst gegeben. Ob sich das in andere Gruppen von Jugendlichen ausbreitet oder wieder verschwindet, kann ich nicht vorhersagen.
#94
Geschrieben 01 Dezember 2024 - 13:52
Das wirkt auf mich, als würden sie es als sprachlich korrekt und/oder als moralische Verpflichtung empfinden, so zu sprechen, auch wenn gar keine Person zugegen ist, die eine andere Ansprache als Affront empfinden könnte. Woher haben die das? Es ist ja unproblematisch, wenn Du ein generisches Maskulinum innerhalb einer Gruppe verwendest, das dieses auch als ein solches versteht.
Woher kannst du das je wissen? Außerdem unterstellst du damit, dass das Kind selbst eine rein männlich gegenderte Ansprache nicht als Affront sehen würde, was ja durch die Tatsache, dass das Kind so spricht, schon widerlegt ist.
Nur für die Statistik: Meins spricht übrigens auch so, ist aber schon 17. Allerdings ist, wenn ich es sprechen höre, ja immer eine, meist mehrere nichtbinäre Personen anwesend ...
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#95
Geschrieben 01 Dezember 2024 - 21:48
Woher kannst du das je wissen?
Ich vermute, Deine Frage bezieht sich auf meinen Satz "Es ist ja unproblematisch, wenn Du ein generisches Maskulinum innerhalb einer Gruppe verwendest, das dieses auch als ein solches versteht" und meinst: Woher kannst du je wissen, dass die Gruppe das generische Maskulinum als solches versteht? Das habe ich vorausgesetzt, denn das ist die Prämisse meiner Feststellung. Wenn Du z.B. mit Menschen zu tun hast, die Dir vertraut sind, weißt Du so etwas in der Regel.
Außerdem unterstellst du damit, dass das Kind selbst eine rein männlich gegenderte Ansprache nicht als Affront sehen würde, was ja durch die Tatsache, dass das Kind so spricht, schon widerlegt ist.
Ich habe nichts unterstellt, sondern die Möglichkeit, die Du meinst, gerade erwähnt, dass Yvonnes Kind dies als Affront sehen könnte. Ich schrieb, dass es die sprachliche Alternative zum generischen Maskulinum zu verwenden als moralische Verpflichtung betrachten könnte, und ich fragte, wie es zu dem Verhalten kommt, denn selbstverständlich ist das nicht, da es unter bestimmten Bedingungen möglich wäre, auch mit einem generischen Maskulinum richtig verstanden zu werden. Deiner Überlegung folgend hätte die Antwort lauten können: Tatsächlich sieht das Kind das generischen Maskulinum grundsätzlich als Affront, d.h. es empfindet eine moralische Verpflichtung immer Person zu sagen, und zwar weil es dies in den sozialen Medien von seinen Peers so übernommen hat oder weil es selbst mit seiner Identität zwischen den Stereotypen steht oder ...
#96
Geschrieben 01 Dezember 2024 - 22:05
Nur so als Einwand, »generisches Maskulin im Deutschen« ist in der Linguistik umstritten. Es ist kein Fakt, nur eine These.
Es geht bei Verwendung gendergerechter Sprache nicht um eine sprachliche Alternative, sondern um die grundsätzliche Manifestation von Sichtbarkeit.
Die vier Astronauten der Raumfähre, der tote Fahrzeughalter des Autos, der Betreiber eines Fünfsternerestaurants – sind allesamt scheinbare Sindmitgemeint, aber selten Sindmitgedacht.
Das Deutsche verfügt nativ über Möglichkeiten weibliche Formen zu nutzen.
Nun werden Möglichkeiten entwickelt, über das binäre Geschlechterdenken hinaus reichende Formen in die Grammatik einzuführen.
Weil es sich richtig anfühlt.
Das ist kein Kampf, kein Aufbegehren, sondern die Akzeptanz der Notwendigkeit, ein Experimentieren mit Sprache, um ihre aktuellen Grenzen zu sprengen.
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#97
Geschrieben 02 Dezember 2024 - 05:37
Es will einfach nur nicht, dass ich den Menschen ein gender zuordne, ohne vorher zu fragen. Insofern will es nicht, dass ich sagen:"Der junge da ...", es sei denn, ich kenne den jungen und weiß, dass er mit der Bezeichnung übereinstimmt.
Wenn ich sage "Die Schüler in deiner Klasse ..." Geht es dabei mit
(Bei "Die Erzieher in deiner Kita ..." Habe ich damals aber gesagt bekommen, "Mama, das sind fast alles Erzieherinnen?" Es arbeitet dort lediglich ein Mann.)
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#98
Geschrieben 02 Dezember 2024 - 05:41
Edit: sorry, jetzt habe ich auch noch zum OT beigetragen
Wir können gern einen vierer Chat via PN aufsetzen und das fort weiter erörtern
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#99
Geschrieben 03 Dezember 2024 - 20:45
Wir können gern einen vierer Chat via PN aufsetzen und das fort weiter erörtern
Gerne, obwohl: Im Prinzip sind wir uns ja einig. Mehr Sichtbarkeit dort, wo sie nicht sicher vorliegt, aber vorliegen sollte, ist wünschenswert, aber schönere sprachliche Lösungen wären gut.
Bearbeitet von Christian Hornstein, 03 Dezember 2024 - 20:52.
#100
Geschrieben 03 Dezember 2024 - 20:50
Neu formatiert
von Simone Kehrberg
Diese Geschichte greift die Fantasie aus den Anfängen des Cyberpunks auf, durch Technik ganze Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster aus dem Hirn laden und in dasselbe einspielen zu können, auch problematische Muster, z.B. wie bei den Bewusstseinsspielen von Pat Cadigan. Die erzählende Figur wird auf diese Weise scheinbar von ihrem Leiden geheilt, doch ihre Erwartung, alle würden nun nett zu ihr sein, erfüllt sich nicht, natürlich nicht. Die Welt ist nun einmal systemisch. Die Ursache des Problems, so glaubt die Erzählstimme, liegt im fehlenden Verständnis der anderen für ihr früheres Leiden. Könnte es da helfen, wenn sie auch einmal am gleichen Gebrechen leiden?
Die Idee ist einfach, leider auch die Umsetzung. Es läuft viel zu glatt und gerade als es spannend werden könnte, ist die Geschichte schon zu Ende. Die Prämisse kann sich nicht entfalten. Es ist ein Storyrumpf.
#101
Geschrieben 05 Dezember 2024 - 06:57
Nachrichten
Autori unbekannt
Im Anschluss an Neu formatiert kommt unvermittelt ein nicht besonders aufschlussreicher Chat aus der Confiboost®-Welt. Warum, das bleibt für mich ein Geheimnis.
Bearbeitet von Christian Hornstein, 05 Dezember 2024 - 09:38.
#102
Geschrieben 05 Dezember 2024 - 09:41
Toter Winkel
von Lena Richter
Auch diese Geschichte wird gut erzählt und das Thema sogar als Krimi eingeführt, was ich für eine gute Idee halte, nur leider bleibt es bei Krimielementen. Nachdem uns die Geschichte als klassischer Whodunit präsentiert wurde, erhalten wir keine Möglichkeit mitzurätseln, und kurz vor Schluss wird uns plötzlich die übeltätige Figur präsentiert. Schade.
Die geschilderten Probleme aus Suchtbehandlung und Pflege sind die gleichen wie heute. Die SF-Elemente ändern daran nichts, auch nicht am Ausgang mit Ausblick auf Hilfe und möglicherweise auch auf einen Sieg über die Finsternis.
Auch hier möchte ich kurz auf die Sprache zu sprechen kommen. 20 Mal begegnen mir im Text Wörter mit dem Sternchen, z.B. Patient*innen. Es ist bestimmt gut gemeint, aber ich plädiere dafür, diese Genderungetüme in der Beamtensprache zu lassen, die ohnehin nicht den Anspruch hat, leserlich zu sein. In der Belletristik wünsche ich mir geschmeidigere Lösungen, zumal ich zu denen gehöre, die Wörter wie Patient*innen als Patientinnen lesen. Diese könnten im Text nämlich auch als Leidende, Schutzbefohlene, Suchtkranke oder Substanzabhängige bezeichnet werden. Auch stehen im Text so einige individualisierte Pronomen. Das Problem hierbei ist, dass ein Pronom wie hen nach einer Weile auf mich wie ein Vorname und dadurch redundant wirkt. Es wäre hilfreich, wenn man sich in Deutschland darauf einigen könnte, dass nicht jeder Mensch mit einem eigenen, von ihm gewählten, vielleicht sogar erdachten Pronomen angesprochen werden soll, sondern eine Handvoll Pronomen zur Verfügung steht, damit wir alle uns darauf einstellen können, denn derart individualisierte Pronomen verlieren ihre Funktion, allgemein einsetzbare Stellvertreter zu sein.
#103
Geschrieben 05 Dezember 2024 - 09:52
Für die Pronomen sehe ich da so schnell keine Lösung. Meine Lebenswirklichkeit ist auch so, dass ich ca. zehn nonbinäre Menschen kenne, die locker fünf bis sechs unterschiedliche Pronomen verwenden (they, ens, an, na, dey, usw.).
Was die Pluralformen betrifft, ist gerade "Patienten" echt schwer, denn "Patienti" oder "Patienty" rockt irgendwie nicht. :-) Deine alternativen Vorschläge für Synonyme taugen da besser.
Es liegt auch an den Lesegewohnheiten. Mich hat hier bei Lenas Text überhaupt nichts gestört. Ich weiß aber, 2020/21 habe ich jeden Text mit Neopronomen noch überfordert abgebrochen. Vor allem im Englischen, wenn "they" als Singular-Pronomen genutzt wurde, bin ich immer rausgeflogen. Ich habe mich daran gewöhnt.
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#104
Geschrieben 06 Dezember 2024 - 17:06
Wahrscheinlich könnten wir uns alle irgendwann an durch Sternchen unterbrochene Wörter und stetig wechselnde Pronomen gewöhnen. Wir Menschen können uns ja an vieles gewöhnen. Ich fände es trotzdem schön, wenn Neuerungen organisch und elegant wären. Ich kann mir Bilder mit dicken braunen Heftstreifen an die Wand kleben und mich an den Anblick gewöhnen. Schöner finde ich aber Halterungen, die hinter den Rahmen verschwinden.
#105
Geschrieben 06 Dezember 2024 - 17:18
Wo es nun hier doch im Off-Topic weitergeht: Es mag ja sein dass für dich Gendersternchen wie braune Heftstreifen sind. Für mich ist es so, dass ich Texte ohne mittlerweile so lese, dass ich mir das Sternchen denke, um nicht ständig daran erinnert werden zu müssen, dass die Sprache Leute wie mich nicht vorsieht. Da würde ich mir wünschen, dass du ein wenig mehr hinspürst, dass es ein Unterschied ist, das als generisch angesehene Geschlecht zu haben oder eben nicht. Was sprachlich schön ist, ist letztlich auch eine Geschmacks- und Erfahrungssache.
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#106
Geschrieben 06 Dezember 2024 - 17:42
Ich finde, das ist okay, solange wir nicht ausufern. Ganz off-topic ist der Aspekt ja bei dieser Anthologie nicht, da er in mehreren Texten wiederkehrt.
Ich verstehe genau was Du meinst. Ich stolpere ja auch über das generische Femininum, wenn ich erwarte, dass auch Männer gemeint sein sollten. Genauso klar ist es für mich, dass es nicht nur zwei Geschlechter gibt. Zwei Pole ja, aber dazwischen lebt im biologischen die Intersexualität und auf psychosozialer Ebene ist es das reinste Mosaik.
Deshalb bin ich ja dafür, sprachliche Formen zu schaffen, die das abbilden können, auch wenn ich weiß, dass viele Menschen gelernt haben, das generische Maskulinum generisch zu interpretieren, auch Frauen. Ich weiß nur zu gut, wie wichtig Sichtbarkeit und wie schädlich Marginalisierung sein kann. Darum sehe ich keinen Grund, alles beim Altern zu belassen.
Ich finde nur, wir sollten es ansprechend tun. Du meinst, das ist Geschmackssache. Stimmt. Wenn Du die Sternchenlösungen schön findest, ist das ja legitim. Andere Menschen, so wie ich, finden es weniger schön. Wir könnten ja etwas suchen, das sich besser in unsere Sprache einfügt und möglichst viele Menschen schön finden.
Bearbeitet von Christian Hornstein, 06 Dezember 2024 - 17:43.
#107
Geschrieben 06 Dezember 2024 - 17:56
Zum Glück gibt es da ja bereits ganz viele Varianten und ich und andere Leute probieren weiter herum. Und ebenso zum Glück gibt es auch Nischenkunst, die nicht dem Mehrheitsgeschmack entspricht. Wieso sollte das an dieser Stelle anders sein?
Also klar, ich lese auch lieber Texte, die ich nicht sperrig finde. Aber e-Literatur lebt geradezu von Sperrigkeit und was ich als flüssig empfinde, lässt andere stolpern. Insofern finde ich den Anspruch, es solle vielen gefallen, wenig lebbar. Zumal bei entgenderten Texten viele schon aus Prinzip ablehnend reagieren.
btw: Mir sind selbst zwei Pole von Geschlecht noch zu eng gedacht.
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#108
Geschrieben 07 Dezember 2024 - 20:35
Ich fände es schade, wenn Sprache, die Vielfalt abbilden kann, eine Nische bliebe.
Momentan ergeben sich die zwei Pole aus der Biologie, besser gesagt, aus der Evolution, die Säugetiere auf unserem Planeten durchlaufen haben. Was da noch alles möglich sein könnte, vielleicht auf anderen Planeten mit anderen Voraussetzungen, das deutet sich in manchen Arten auf der Erde an, wo Individuen beispielsweise unter bestimmten Bedingungen ihr Geschlecht wechseln, just like this.
Die Vielfalt ist auf der biologischen Ebene auch bei uns Menschen schon recht groß, im psychosozialen kaum mehr überschaubar. Das kann man sicher nicht alles eins zu eins in Sprache abbilden, höchstens in einem enzyklopädischen Werk. Für die Schreibpraxis brauchen wir übersichtlichere Lösungen.
#109
Geschrieben 08 Dezember 2024 - 14:47
Ich und mein Parasit
von C.H. Stance
Auch in dieser mit Humor und einem gehörigen Schuss Misanthropie gewürzten Geschichte ist der SF-Kontext austauschbar. Die von Parasiten hervorgerufenen Zustände könnten für Dysthymien und depressive Episoden stehen, die Parasiten selbst könnten spezielle, unveränderliche (z.B. genetische) Ursachen darstellen und die Paravisierenden wären Psychotherapeuti. Dieser Text könnte mit leichten Anpassungen Kindern mit bestimmten Varianten depressiver Verstimmungen eventuell einen hilfreichen Anstoß geben.
Wirklich viel Raum bietet die geschilderte Welt den Beschwerden nicht, einen Sieg über die Parasiten kann ich auch nicht ausmachen, einen Bewältigungsansatz jedoch schon (Distanzierung durch Personifikation), allerdings keinen neuen.
Auch hier bin ich über die Pronomen gestolpert: Dieser Text macht großzügigen Gebrauch des erfundenen Pronomens xier. Und auch hier habe ich gemerkt, wie ich es nach wenigen Zeilen als Vornamen interpretiert habe, dann aber wechselte die damit bezeichnete Person. Es wäre wirklich super, bessere Alternativen zu finden.
Bearbeitet von Christian Hornstein, 08 Dezember 2024 - 14:48.
#110
Geschrieben 09 Dezember 2024 - 08:39
"Xier" ist zwar beileibe kein unbekanntes Pronomen (ist eines der bekannteren Neopronomen), aber ich stimme zu, es ist sehr sperrig, vor allem beim Vorlesen. Für Menschen wie mich, die einen Text eher beim Lesen hören als sich die Szene visuell vorzustellen, auch beim Selbstlesen keine gute Lösung.
Ich erinnere mich, dass ich einen Roman von Kia Kahawa (Endstation, glaube ich) gelesen habe und sie hat wirklich schöne Neopronomen gehabt (ein drittes, nicht viele abwechselnd) und am Ende auch noch mal die Grammatik zusammengefasst. Das hat mich damals gut mit Neopronomen vertraut gemacht, zumal nur Nebenfiguren in ihrem Roman diese Pronomen genutzt haben, so dass ich quasi leichtfüßig herangeführt wurde und es mich nicht jedes Mal aus dem Text gehauen hat.
Ansonsten würde ich mal anmerken, dass Sprache sich nicht immer handlich entwickelt. Man merkt es ja beim Fremdsprachen lernen. Im Deutschen gibt es ja nun auch etliche sehr unhandliche Grammatik, die Deutschlernende regelmäßig zur Verzweiflung bringen. Insofern müssen wir vermutlich akzeptieren, dass es oft auch die Realität ist, die so komplex ist und die Sprache das lediglich abbildet. Ähnlich wie beim Katalogisieren von Werken (sorry, ich bin Bibliothekswissenschaftlerin), da möchte man auch meinen, die Regeln müssten auf ein DIN A 4 Blatt passen, aber es ist die Realität, die so komplex ist (mehrere Autory pro Werk, Autory mit mehreren alternativen Namen, Körperschaften, Übersetzungen, Neu-Übersetzungen, veränderte Neu-Auflagen, you name it).
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#111
Geschrieben 09 Dezember 2024 - 11:39
@Yvonne
Genau. Das ist die Herausforderung. Die Vielfalt handlich abzubilden. Ohne Komplexitätsreduktion wird es wohl nicht gehen, wie so oft.
Übrigens kam mir im Text von Aiki an einer Stelle beim Gebrauch von Raumfahrerx eine witzige Assoziation, die ich, falls ihre Provokation beabsichtigt war, recht gelungen erdacht und vermittelt finde. Da heißt es:
Als wärst du ein exotisches Tier, zeigte meine Kollegin auf dich und sagte: „Raumfahrerx. Auf der Erde kaum zu sehen.“
Da dachte ich sofort an Archaeopteryx oder T-Rex (wegen dem exotischen Tier und dem x). So etwas mag ich.
Bearbeitet von Christian Hornstein, 09 Dezember 2024 - 20:07.
#112
Geschrieben 09 Dezember 2024 - 20:08
Emmerich
von Paula Velten
Eine niedliche Geschichte, diesmal über die zwanghafte Figur Bruni, die zwar keinen Sieg über die Finsternis erringt, sich jedoch in einem Job eingerichtet hat, der ihren Neigungen entgegenkommt, die ihr am Ende sogar einen Grund zu feiern bescheren. Das SF-Ambiente wäre auch hier vollkommen austauschbar gegen ein zeitgenössisches Setting.
#113
Geschrieben 10 Dezember 2024 - 11:27
Seelenruh
von Marie Meier
In dieser Geschichte kommen Pharmaunternehmen gar nicht gut weg. Die Zukunft ist zunächst alles andere als freundlich zu Menschen mit psychischen Leiden, bevor die Wende kommt. Bis dahin führt uns ein wahrlich blumiger Weg (mit einem durchaus blumigen Stil) durch die Entwicklung einer Beziehung. Viel passiert nicht, das Motiv des Bösewichtes ist nicht ganz plausibel und die Prämisse ein wenig zu romantisch, doch ein Sieg wird errungen dank eines Agens aus der Zukunft, auch wenn die wissenschaftliche Basis obskur bleibt und das Agens nach wie vor pharmazeutischer Natur zu sein scheint.
Eine Kostprobe:
Ihr Blick schweifte zu dem schweren Holztresen, den löwenfüßigen Ledersesseln, dem kleinen Eckofen und dem feuchtfleckigen Boden, als fiele es ihr schwer, sich zu entscheiden, ob sie in einer Kellerkirche, einem Kaminzimmer oder im Bau des weißen Kaninchens gelandet war.
#114
Geschrieben 11 Dezember 2024 - 09:43
Grenzwandlerin
von Nicole Hobusch
Dieser Text vermittelt die Beklemmung der impulsiven, unsicheren Esra, wenn Zweifel in ihr aufkommen, was real ist, und bedrohlicher Argwohn sie ergreift. Erst in der letzten Zeile tauchen SF-Elemente auf. Da es wohl dem Anthologietitel und dem Vorwort entsprechend SF ist und es zugleich um psychische Beschwerden mit Krankheitswert gehen soll und nicht nur allgemein um Leid, haben wir es mit einer Exazerbation eines psychischen Leidens zu tun und einer wohlbekannten, partiellen retrospektiven Umdeutung.
Es gibt keinen wohlwollenden Raum für das Leiden, das vielleicht eine Borderlinestörung (siehe Titel) oder sogar eine Psychoseerkrankung sein könnte, auch keinen Sieg darüber. Bestenfalls hat Esra den Vorteil, durch ihre Sensibilisierung vor der Gefahr zunächst geschützt zu werden, doch nachhaltig dürfte das nicht sein, da sie es mit einem chronischen Stressor zu tun hat, der diesen verletzlichen Menschen auf Dauer wohl zugrunde richten wird.
#115
Geschrieben 12 Dezember 2024 - 13:04
Retrospektive
von Janika Rehak
Diese elegant erzählte Lebensbeichte kündet vom Sieg über das Leiden und seinem Nutzen im Rahmen des Klischees Genie-und-Wahnsinn. Dabei geht die Erzählung nebenbei auf ein paar typische Aspekte ein aus dem Leben und Erleben eines kunstschaffenden Menschen. Im Vordergrund steht ein Aspekt, der nicht nur im Kunstbetrieb bedeutsam ist, sondern für das ganze Leben. Er wird denn auch wie ein Mantra mehrfach wiederholt. Der SF-Kontext ist auch hier mehr Überwurf als kraftvolle Rumpfmuskulatur. Mi-Doh stellt zwar eine wichtige Hilfe dar, geht funktional aber nicht wesentlich über die Leistung heutiger Partneri, Agenti und Assistenzhundi hinaus.
#116
Geschrieben 13 Dezember 2024 - 22:41
Puh, hier ist aber mittlerweile ganz schön totes Höschen.
Mein Fazit
Die Agenda der Anthologie war ambitioniert und hat mich neugierig gemacht. Sie strebte dem Vorwort und Titel nach belletristisch im Wesentlichen den Entwurf von drei Projektionen an:
Raum für die Psyche (Anpassung der Umwelt: Individualisierung)
Der Psyche soll Raum gegeben werden i.d.S., dass der durch Leiden bedingte Druck durch Anpassung der Umwelt reduziert wird, indem Wände, gegen die man stoßen könnte, gepolstert oder problemlos beseitigt werden, Gläser, die man trotz allem noch zerbricht, folgenlos ersetzt werden, und zwar so, dass die Lebensqualität verbessert wird und die eigene psychische Beschaffenheit vielleicht sogar als Stärke wirken kann.
Sieg über die Finsternis in mir (Anpassung des Individuums: Akklimatisierung)
Die Psyche soll siegen i.d.S., dass sie durch intrapsychische Kompensation und/oder Transformation ihrer selbst zu erhöhter Lebensqualität gelangt.
Psyche mit Zukunft (Anpassung durch zukünftige Entwicklungen: Zukunftsagens)
Die beschriebenen Anpassungen werden erst durch zukünftige Entwicklungen möglich. Hier entsteht der Bezug zum Genre.
Die zwei ersten Projektionen brauchten nicht unbedingt zugleich erfüllt zu sein, die dritte aus meiner Sicht schon, da sonst das Genre zur bloßen Dekoration würde.
Die Wahl eines Genres ist immer ein implizites Versprechen an die Leserschaft. Wenn ich SF angeboten bekomme, speziell die Zukunftsvariante, erwarte ich, dass es einen guten Grund gibt, warum die Geschichte in der Zukunft spielt und nicht in der Gegenwart oder Vergangenheit. Das Genre muss relevant sein für die Darstellung der Handlung, der Figuren und/oder der Prämisse. Das ist in dieser Anthologie bei 10 von 19 Geschichten erkennbar, auch wenn die Relevanz des Genres bei 3 dieser 10 nur gering ist.
Bei 6 Geschichten ist der Bezug zu Individualisierung und Akklimatisierung mindestens zu einem dieser beiden Aspekte gegeben, wenn auch unvollständig. Bei 7 ist er mindestens in einer Hinsicht vollständig und bei einer Geschichte ist es unklar. Von den 13, die zumindest teilweise einen Anhaltspunkt bieten, haben 3 ein Zukunftsagens. Es sind also 3 Geschichten, die das im Vorwort genannte Projektionsziel zumindest teilweise erreichen. Eine tut es in jeder Hinsicht. Es ist HHH von Jol.
Nun mag es sein, dass es eher darum ging, SF-Geschichten zu präsentieren, in denen irgendwie ein psychisches Leiden vorkommt, um solche Leiden sichtbarer zu machen. Dann sollten aber Titel und Untertitel der Anthologie sowie das Vorwort abgewandelt werden und die Geschichten müssten so viel Substanz haben, dass die Erwartungen an eine Geschichte, speziell auch an eine SF-Geschichte, erfüllt werden. Wahrscheinlich bestand bei dieser Sammlung eher ein Problem, das alle Anthologien beschwert, besonders die thematisch eingeschränkten, nämlich dass nicht genügend Geschichten zusammenkamen, die sowohl der Agenda vollständig folgten als auch den Geschmack der Veröffentlichenden trafen.
In Bezug auf andere Aspekte wie sprachliche Attraktivität, Unterhaltungswert, Humor, Handlungsführung, Originalität, Atmosphäre, Figurenzeichnung, Glaubwürdigkeit, emotionalem Impact oder Erkenntnisgewinn gibt es größere Unterschiede, wie in fast allen Anthologien. Einzelne Geschichten zeigen in einzelnen Bereichen Stärke, aber keine in mehr als vier. Es war offenbar schwer, der Agenda vollständig zu folgen, und dabei auch noch mitreißende Geschichten zu erzählen.
Bearbeitet von Christian Hornstein, 13 Dezember 2024 - 22:43.
#117
Geschrieben 14 Dezember 2024 - 07:57
Im Januar kommt Aiki und liest their Geschichte aus der Anthologie, dann ist das noch mal Thema bei mir und ich beschäftige mich noch mal mit Aikis Kurzgeschichten und ggf. mit dem Ziel dieser Anthologie.
Ich glaube, Ziel war schon auch, einen Alltag mit psychischen Krankheiten in einer potenziellen Zukunft zu zeigen und eben nicht zwingend eine Geschichte zu erzählen. Das ist aber nicht meins. Slice of Life geht für mich schon, nur braucht es dann trotzdem eine Prämisse, einen Plot. Mir fallen dazu gerade nur ein paar Storys aus anglo-amerikanischen Magazinen ein.
Ich hatte die Ziele im Vorwort nicht so verstanden, dass man immer ALLE davon erreichen muss. Wir müssen ja bedenken, womit wir hierzulande arbeiten, woher sollen solche Geschichten denn kommen?
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#118
Geschrieben 14 Dezember 2024 - 21:18
Puh, hier ist aber mittlerweile ganz schön totes Höschen.
Mir fällt es schwer, etwas zu Deinen Einschätzungen zu schreiben, weil ich eigentlich nie herauslese, ob Dir etwas daran gefällt oder nicht. Für mich kommentierst Du rein sachlich über den Inhalt der Story.
Und nun ja, gelesen hab ich sie ja auch.
Und das Fazit ist ja recht allgemein. Du nennst nur eine Story explizit. Mir nützt sowas nicht, ich möchte schon gern konkret wissen, was sind die guten, was die schlechten und was die KLP-Blockbuster.
Das ist nur meine Meinung, keinerlei Verpflichtung oder Aufforderung.
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#119
Geschrieben 16 Dezember 2024 - 22:02
Ich hatte die Ziele im Vorwort nicht so verstanden, dass man immer ALLE davon erreichen muss.
Ich auch nicht. Ich habe drei intendierte Projektionen ("Ziele") identifiziert. Wenn das Vorwort und der Titel Sinn ergeben sollen, dann müsste m.E. mindestens eine der ersten zwei und die Dritte in jeder Geschichte umgesetzt werden.
Wir müssen ja bedenken, womit wir hierzulande arbeiten, woher sollen solche Geschichten denn kommen?
Hmm. Ich bin mir nicht sicher was Du meinst, aber ich befürchte, Du vermutest, dass deutsche Autori diese Aufgabe eher nicht meistern könnten.
Bearbeitet von Christian Hornstein, 16 Dezember 2024 - 22:02.
#120
Geschrieben 16 Dezember 2024 - 22:39
Mir fällt es schwer, etwas zu Deinen Einschätzungen zu schreiben, weil ich eigentlich nie herauslese, ob Dir etwas daran gefällt oder nicht. Für mich kommentierst Du rein sachlich über den Inhalt der Story.
Und nun ja, gelesen hab ich sie ja auch.
Das stimmt, dass ich meine Vorlieben nicht in den Vordergrund stelle. Ich freue mich, dass Du meine Kommentare als sachlich empfindest. Das sollen sie nämlich sein. Ich möchte vermeiden, jemanden unnötig zu verletzen. Es sind aber keine reinen Wiedergaben des Inhalts, sondern auch Ergebnisse einer knappen Erzähltextanalyse. Da sind also auch Einordnungen und Wertungen dabei, über die man diskutieren könnte, es sei denn, Du stimmst mir einfach nur bei allem zu. Wenn Dir etwas fehlt, kannst Du mich ja auch fragen, wie Du es schon einmal getan hast.
Und das Fazit ist ja recht allgemein. Du nennst nur eine Story explizit. Mir nützt sowas nicht, ich möchte schon gern konkret wissen, was sind die guten, was die schlechten und was die KLP-Blockbuster.
Das verstehe ich, aber was mir gefällt muss Dir nicht unbedingt auch gefallen und es muss auch nicht "gut" sein. Ich kann nur angeben, was in Bezug auf bestimmte Schreibziele oder Zielgruppen möglicherweise gelungen ist oder nicht, und das habe ich getan. Drei Beispiele dafür, was ich in dieser Hinsicht zu bestimmten Geschichten geschrieben habe:
- Retrospektive: elegant erzählt, aber SF-Kontext mehr ein Überwurf ...
- Seelenruh: blumiger Stil, viel passiert nicht, Motiv des Bösewichtes nicht ganz plausibel, usw.
- Toter Winkel: gut erzählt, gute Idee als Krimi, aber unbefriedigender Whodunit, mehr SF-Deko usw.
Ich glaube nicht, dass man aus diesem Thread entnehmen kann, wer den KLP gewinnt. Unsere paar Meinungen hier sind doch nicht Teil einer Abstimmung (KLP), oder? Falls doch, wüsste ich das gerne.
Mein Fazit ist das Ergebnis einer eingehenden Analyse und nicht allgemein. Vielleicht meinst Du eher abstrakt, weil ich nicht konkret jede Geschichte einer bestimmten Kategorie zugeordnet habe. Welche wohin gehört ergibt sich aber eigentlich aus meinen Kommentaren zu jeder einzelnen Geschichte.
Bearbeitet von Christian Hornstein, 16 Dezember 2024 - 22:41.
Auch mit einem oder mehreren dieser Stichwörter versehen: Psyche mit Zukunft, Science-Fiction, Social Fiction, Speculative Fiction
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