Geschrieben 15 April 2024 - 10:46
Hallo zusammen,
als Tipp für Freund*innen (uuhps, ich habe es schon wieder getan ...) positiver Utopien sei hier von mir ganz ausdrücklich Ilija Trojanows "Tausend und ein Morgen" empfohlen. Zeitreisen sind möglich. Und aus einer Zukunft, in der (fast) alles richtig gut ist, machen sich Zeitreisende auf in Vergangenheiten, um an vermuteten Schlüsselstellen auch für diese Zeitlinien den Weg hin zu einer positiven Zukunft zu ermöglichen. Trojanov macht das mit großer Lust an der Sprache. Und er hat gut recherchiert. Die Zeitebenen sind: Piratie (und Sklavenaufstände) in der Karibik. Die Oktoberrevolution in Russland (samt dem missglückten Anschlag auf Lenin durch Fanny Kaplan). Eine zukünftiges Indien am Vorabend katastrophaler Religionsunruhen.
Ein Roman, in dem es auch um Utopien bzw. deren Scheitern geht, ist Wu Mings "UFO 78". Durchsetzt von popkulturellen Einsprengseln befassen sich die Wu Ming Autor*innen (da die Mitschreibenden des Autorenkollektiv - und damit derie Geschlechter - unbekannt sind, muss ich zwangsläufig gendern) mit dem Jahr, in dem Aldo Moro entführt und getötet wurde. Für Italien ein Jahr des Umbruchs. Utopien wurden entzaubert, dystopische Elemente (Gladio) sichtbar. Und nebenbei gibt es einen wunderbaren Exkurs in Sachen UFO-Sichtungen bzw. UFO-Forschung nicht nur in Italien. Und, ja, es geht um Drogen. Der Roman liest sich jedoch nicht so gut wie der zuvor angepriesene, die Sprache kommt etwas trocken daher, es gehlt ihr die mitreißende Wucht Trojanovs.
Viele GrĂĽĂźe
Tobias
"Wir sind jetzt alle Verräter."
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."
(James Corey, Calibans Krieg)
"Sentences are stumbling blocks to language."
(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)
"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"
(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")