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Phantastik-Begriff


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445 Antworten in diesem Thema

#121 molosovsky

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Geschrieben 20 August 2007 - 10:31

UdoTascher schrieb:

danke für die Ausführungen, lieber Molo. Eine technische Nachfrage vorweg:
...warum reservierst Du den "Großraum" für Nicht-Literarisches? müsste Deiner Definition nach Harry Potter u.a. aufgrund der Auflagezahlen und der großen Lesergemeinschaft nicht auch Großraumphantastik sein??

Ach goddele.
Dafür steht dann das grob eine Zeile drüber. Ich trau mich solche verwischende Schwammigkeiten schon gar nicht mehr formulieren hier (obwohl ich sicherlich den Titel einer Ehren-B. inne hab) Das überlasse ich dann Leuten wie dem Suchsland bei Telelepolis.

Ich betrachte meinen Blabla über Großphantastik auch nicht als Wortklauberei und Beiträge zum Rechthaben was die "korrekte" Bedeutung von Ph. betrifft. Dazu hab ich zuwenig Abi- und Uni in den Akten.

Grüße
Alex / molo

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#122 simifilm

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Geschrieben 20 August 2007 - 10:40

UdoTascher schrieb:

Ach goddele.
Dafür steht dann das grob eine Zeile drüber. Ich trau mich solche verwischende Schwammigkeiten schon gar nicht mehr formulieren hier (obwohl ich sicherlich den Titel einer Ehren-B. inne hab) Das überlasse ich dann Leuten wie dem Suchsland bei Telelepolis.

Ich betrachte meinen Blabla über Großphantastik auch nicht als Wortklauberei und Beiträge zum Rechthaben was die "korrekte" Bedeutung von Ph. betrifft. Dazu hab ich zuwenig Abi- und Uni in den Akten.

Es ist ja leider nicht so, dass ein Uniabschluss vor Dummheit und begrifflicher Schlamperei schützt; insofern darfst Du gerne kräftig eigene Behauptungen aufstellen. Für mich ist auch nicht relevant, ob Dein Ansatz 'korrekt' ist. Ich frage mich nur, warum Du den ohnehin schon umstrittenen Phantastikbegriff in ein komplett neues Feld einführen musst und ob Dir nicht viel mehr gedient wäre, wenn Du einen eindeutigeren und weniger umkämpften Terminus wählen würdest, bei dem zumindest ansatzweise die Chance besteht, dass ein Aussenstehender ohne grosse Erklärungen versteht, was Du meinst.

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#123 molosovsky

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Geschrieben 20 August 2007 - 11:48

@Simi:
Puh, es beruhigt mich, daß ich ab und zu doch noch was Korrektes zusammenbringe. Ich finde diese ganze "richtig und falsch"-Leseweisen-Entscheiderei gerade bzgl. Nicht-Sachmedien sehr problematisch. Romane, Spielfilme, Comics usw zu unterstellen, daß es sie betreffend EINE richtige Lesart gibt, empffinde ich als mitunter ziemlich irrational und emotional lesender Mensch schlicht fatal.

Wo schreibe ich, daß Cazottes Novelle keine oder nur EINE metaphorische Lesart nahelegt? Ich schreibe lediglich, daß die eine mögliche metaphorische Lesart (Mädchenhandel) nicht nahegelegt wird. Cazotte schreibt in seinem Nachwort zur zweiten (oder dritten Version?) der Novelle selbst, daß sie in zweifacher Hinsicht allegorisch lesbar ist. Und es gibt viel Sekundärliteratur dazu, daß seine Novelle den Zwist zwischen kirchlichen versus aufklärerischen Strömungen thematisiert.

Konsens mit Dir Simi wähne ich ja was den Umstand angeht, daß "Leseweisen immer differieren (können) und es gibt keine gesicherte Methode festzustellen, welches die richtige ist." Kurz: man hat es mit Spannung zu tun, nicht mit Eindeutigkeiten.

Was aber die Sache mit der (nicht-)metaphorischen Lesart und der Phantastik betrifft, bin ich noch sehr am Grübeln, also nicht ganz sicher, und könnte hier nur laut vor mich hindenken dazu, was heißt: es ist wieder Schwurbelgefahr angesagt. Prinzipiell versuche ich dazu z.B. Ecos Warnung zu beachten:

»Man kann aus Texten herauslesen, was sie nicht explizit sagen (und die ganze Interpretations-Kooperation des Lesers beruht auf diesem Prinzip), aber man kann nicht das Gegenteil dessen, was sie sagen, in sie hineinlesen«

Immerhin wird das "herauslesen" andauernd gemacht. Die "Sopranos" z.B. werden immer wieder als großer Kommentar auf die heutige US-Gesellschaft verstanden. Das ist so eine Fuzzi-"Logik"-Sache. Nebenbei: ich habe Konrads und Deine "binäre" Versuche mit großem, angenehmen Amusement gelesen. Imho eine fruchtbare Illustration, daß es bei Literatur (und Kunst im weiteren Sinne) eben nicht um 0 und 1, wahr oder falsch geht, sondern um "Stimmungswetterzauber". Es sind die ganzen emotionellen, subjektiven Aspekte, weshalb das Spiel des "richtigen" Interpretierens so schwer zu umreissen ist. Manchmal glaub ich ja, daß ich als umerzogener Linkshänder schlicht versaut wurde für klares Argumentieren, nicht nur was Literatur und Kunst betrifft. Ich bin nun mal ein großer clownesker Zweifler.

Grenzverschiebungen liegen sicherlich vor. Nur befinden sich für mich eben alle Fiktionen jenseits der Realitätsgrenze. Ein Text ist real, im Sinne von Buchstabenanordnung. Seine Inhalte und (möglichen) Verhältnisse zur tatsächlichen Wirklichkeit aber sind immer fiktiv. Das Dublin von Joyce, das Berlin von Döblin oder das Wien von Doderer hat es nie wirklich gegeben; diese "Spiegelwelt"-Städte sind fiktiv, sind Phantasien. Auch die Waschmaschine von der eine Waschmaschinengebrauchsanleitung spricht, ist "eigentlich" fiktiv, auch wenn wir als Leser von Waschmaschinengebrauchsanweisung den Text der Weisung (hoffentlich auf nützliche Art) auf die reale Waschmaschine beziehen. Die Rahmungen bei all diesen Interpretationsproblemen sind derart komplex, daß darüber zu schreiben so gut wie immer längere Texte als den zu interpretierden Text erzeugt. Schauspieler kennen ja die Übung, jeden einzelnen Satz eines Stücks zu interpretieren, indem sie draufzukommen versuchen, was eine Figur tatsächlich denkt. Was wir Menschen denken und was wir tatsächlich äußern, ist selten (imho nie) 1 zu 1 deckungsgleich.

Dann sie Sache mit GOtt, Gandalf und Ion Tichy. Das ist eben so eine Frage der Konvention, was als "wahr" gilt und was nicht. In dem Sinne, daß man sich diese Wesen vorstellt, sich von ihnen faszinieren läßt, mit ihnen fibbert, sie sympathisch oder unsympatisch findet usw, können sie für Leser eben durchaus "real" sein. Imho ist eben das Sprachvermögen zu grob, um die diskreten Schritte des Spektrums zwischen "wahr" und "als ob" genau auseinanderzuhalten. Wiegesagt: denkt dabei nicht nur an Logik und rationalen Verstand, sondern eben auch an Gefühl und Faszination. Die Bedeutung, der Grad an "Wahrhaftigkeit" und Orientierungswürdigkeit für Einzelne wird eben zu einem Gutteil von den Einzelnen in einen Text, eine Medienbotschaft hineingelegt. -- Nehmen wir z.B. Gandalfs weise Worte dazu, daß der Einzelne sich nicht anmaßen sollte über Leben und Tod zu entscheiden. Da ist es völlig egal, ob so eine moralische Maxime von einer religiös-fiktiven Instanz oder von einer literarisch-fiktiven Instanz geäußert wird. Wer Gandalfs Aussage befolgenswert findet, wird sich an ihr als etwas für ihn, den Leser, Wahres orientieren. Beides, Gandalfworte und GOttes-Worte sind nun mal nicht mehr als Buchstaben auf einer Buchseite.

Ich stimme Dir, Simi, sehr innig zu, daß das Problem damit anfängt, was man "für bare Münze" nimmt. Hier muß/kann ich als "Phantasten-Bright" wieder persönlicher werden: die Bibel ist für mich in gleicher Weise ein fiktiver Text wie LOTR. Viele Christen (Monotheisten und andere Religiöse), die nicht den Gefahren des Fundamentalismus verfallen sind, sehen das meinem Vermuten nach ganz ähnlich, auch wenn das ausdrückliche Feststellen dieser Ähnlichkeit für sie ein ungleich größeres Tabu darstellen dürfte. Und fundamentalistische Christen zweifeln nun mal eher an den Erkenntnissen z.B. der Geologie und Biologie, als an der Bibel. Für diese sind Geologie und Biologie Fiktionen, Lügengebilde, die der Wahrheit des Wortes GOttes zuwiderlaufen. Siehe die Streitigkeiten zwischen den absoluten teleologischen Offenbahrungswahrheiten und den pragmatischen, vorläufigen Wissenschaftserkenntnisssen.

Aktuell erleben wir mit der Finanzkrise ganz ähnliches. Die einen bezeichnen die hochriskanten Hedgefonds-Praktiken als "raffinierte Finanzprodukte", für andere sind es schlicht "Betrügereien auf hohem Niveau". Für die einen sind diese Börsenvorgänge schon "verbrecherisches Casino", für andere noch "seriöses Geschäft". Was stimmt nun? Wer macht da wem den Vorwurf, daß man SO oder SO nicht von Hedgefonds und Finanzwelt sprechen sollte/darf ? -- Wie alle Interpretationsfragen eine Frage des Vertrauens und der Perspektive (sprich: Einbettung). Die Vogelperspektiven sind dabei imho immer fiktiver, "großraumphantatischer" als die Froschperspektiven.

In Deinem Buch, Simi, berührst Du z.B. was "sprechen über die Zukunft" selbst sehr anschaulich diese Probleme ("Die Konstitution des Wunderbaren" S. 65/66), wenn Du den Gegensatz zwischen dem ehemals hierarchischen Wahrheitsanspruch der religiösen Rede (Neues Jerusalem) dem pluralen Utopiespekulieren gegenüberstellst. Auch hier wieder am Grunde des Gegensatzes: Vertrauens- und in diesem Falle Machtfragen bzgl. Deutungshoheit.

Nochmal zum Beispiel Bibel und LOTR: was ist denn DIE Intention des Textes? "Nur zu unterhalten und Kurzweil zu bereiten" ist eine Antwort, aber eine vielleicht ziemlich verflachende, wenn man die Absicht des Autoren bedenkt, oder? Auf der anderen Seite: was hindert z.B. mich daran, die Bibel rein zwecks des Amusements zu lesen? Hier driften Interprations-Fragen auf das heftig umstrittende Terrain der Profanisierung und Sakalisierung. Was die einen als heilig würdigen, ist für andere Kokolores. -- Übrigens: ich pflege keine eindeutige Lesart von LOTR. Ich bin nicht mal sicher, ob ich ein eindeutiges Geschmacksurteil zu LOTR habe, denn es kommt eben auf den Kontext an, in dem ich dieses Buch bewerten soll. Als Werk des 20. Jhd ist mir LOTR wertvoll und wichtig. Als Keimtext der Fantasy gesehen aber sind meine Urteile schon abfälliger (Gerd kann da sicherlich stöhnen, angesichts meiner manchmal in der Vergangenheit zu ungestümen Miéville-Fanboyparteilichkeit. Das ich da aber Partei beziehe und nicht etwa objektive Wahrheitsaussagen treffe, ist mir aber bewußt und entsprechend beäuge ich mich da selbst zuweilen skeptisch und halte meine Aussagen für nicht ganz koscher).

Ich bewundere jeden, der sich bei all diesen Fragen sicherer ist als ich. Meine Verfassung zu all diesen Großraumphantastik-Problemen pulst allerweil zwischen gallopierender Paranoia und zähneknirschender Skepsis. In diesem Sinne bitte ich, meine Gedankenspielereien NICHT als ideologische Anwürfe zu verstehen.

Grüße
Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 20 August 2007 - 12:03.

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#124 simifilm

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Geschrieben 20 August 2007 - 12:03

@Simi:
Puh, es beruhigt mich, daß ich ab und zu doch noch was korrektes zusammenbringe. Ich finde diese ganze "richtig und falsch"-Leseweisen-Entscheiderei in Bezug auf Nicht-Sachmedien sehr problematisch. Romane, Spielfilme, Comics usw zu unterstellen, daß es sie betreffend EINE richtige Lesart gibt, finde ich als ziemlich irrational und emotional lesender Mensch schlicht fatal.

Ich bin nicht sicher, ob das jetzt auf mich gemünzt ist, aber sage nicht, dass es EINE richtige Leseweise, aber es gibt sicher falsche Leseweise. Wenn ich "Schneewittchen" lese und das als Geschichte eines jungen Mannes verstehe, dessen Vater, der König, ermordet wurde, habe ich sicher was falsch verstanden.

Wo schreibe ich, daß Cazottes Novelle keine metaphorische Lesart nahelegt. Ich schreibe lediglich, daß die eine mögliche metaphorische Lesart (Mädchenhandel) nicht nahegelegt wird.

Soll das heissen, dass die spezifische Leseart "Mädchenhandel" nicht nahegelegt wird, dass aber sonstige metaphorische Lesearten durchaus möglich sind?

Cazotte schreibt in seinem Nachwort zur zweiten (oder dritten Version?) der Novelle selbst, daß sie in zweifacher Hinsicht allegorisch lesbar ist.

Wie gesagt: Ich kenne die Erzählung nicht. Es gibt allerdings durchaus erkennbare Abstufungen: Manche Texte müssen offensichtlich metaphorisch gelesen werden, andere erlauben es, wieder andere muss man schon ordentlich gegen den Strich lesen, um sie als Metaphern zu verstehen.


Grenzverschiebungen liegen sicherlich vor. Nur befinden sich für mich eben alle Fiktionen jenseits der Realitätsgrenze. Ein Text ist real, im Sinne von Buchstabenanordnung. Seine Inhalte und (möglichen) Verhältnisse zur tatsächlichen Wirklichkeit aber sind immer fiktiv. Das Dublin von Joyce, das Berlin von Döblin oder das Wien von Doderer hat es nie wirklich gegeben; diese "Spiegelwelt"-Städte sind fiktiv, sind Phantasien. Auch die Waschmaschine von der eine Waschmaschinengebrauchsanleitung spricht, ist "eigentlich" fiktiv, auch wenn wir als Leser von Waschmaschinengebrauchsanweisung den Text der Weisung (hoffentlich auf nützliche Art) auf die reale Waschmaschine beziehen.

Wie schon mehrfach ausgeführt: Ich halte es nicht für sinnvoll, das alles in einen Topf zu werfen, weil Du damit zweifellos bestehende Unterschiede - sowohl in den Texten als auch in ihrer Rezeption durch den leser -, unter den Teppich kehrst. Und wenn Du sagst, alles ist das Gleiche, nur um dann später wieder mit Kategorien phantastisch-realistisch und phantastisch-phantastisch zu kommen (wie Du es früher schon gemacht hast), dann sehe ich den Vorteil erst recht. Dann hast Du einfach die Termologie komplizierter gestaltet, ohne etwas Neues damit auszusagen.

Dann sie Sache mit GOtt, Gandalf und Ion Tichy. Das ist eben so eine Frage der Konvention was als "wahr" gilt und was nicht. In dem Sinne, daß man sich diese Wesen vorstellt, sich von ihnen faszinieren läßt, mit ihnen fibbert, sie sympathisch oder unsympatisch findet usw, können sie für Leser eben durchaus "real" sein. Imho ist eben das Sprachvermögen zu grob, um die diskreten Schritte des Spektrums zwischen "wahr" und "als ob" genau auseinanderzuhalten.

Eigentlich nicht.

Wiegesagt: denkt dabei nicht nur an Logik und rationalen Verstand, sondern eben auch an Gefühl und Faszination. Die Bedeutung, der Grad an "Wahrhaftigkeit" und Orientierungswürdigkeit für Einzelne wird eben zu einem Gutteil von den Einzelnen in einen Text, eine Medienbotschaft hineingelegt. -- Nehmen wir z.B. Gandalfs weise Worte dazu, daß der Einzelne sich nicht anmaßen sollte über Leben und Tod zu entscheiden. Da ist es völlig egal, ob so eine moralische Maxime von einer religiös-fiktiven Instanz oder von einer literarisch-fiktiven Instanz geäußert wird. Wer Gandalfs Aussage befolgenswert findet, wird sich an ihr als etwas für ihn, den Leser, Wahres orientieren. Beides, Gandalfworte und GOttes-Worte sind nun mal nicht mehr als Buchstaben auf einer Buchseite.

Das ist aber mit Verlaub überhaupt nicht das Gleiche, wie wenn ich sage, dass Gandalf für mich so real existiert wie Gott für einen Gläubigen existiert.

Ich stimme Dir, Simi, sehr innig zu, daß das Problem damit anfängt, was man "für bare Münze" nimmt. Hier muß/kann ich als "Phantasten-Bright" wieder persönlicher werden: die Bibel ist für mich in gleicher Weise ein fiktiver Text wie LOTR. Viele Christen (Monotheisten und andere Religiöse), die nicht den Gefahren des Fundamentalismus verfallen sind, sehen das meinem Vermuten nach ganz ähnlich, auch wenn das ausdrückliche Feststellen dieser Ähnlichkeit für sie ein ungleich größeres Tabu darstellen dürfte. Und fundamentalistische Christen zweifeln nun mal eher an den Erkenntnissen z.B. der Geologie und Biologie, als an der Bibel. Für diese sind Geologie und Biologie Fiktionen, Lügengebilde, die der Wahrheit des Wortes GOttes zuwiderlaufen. Siehe die Streitigkeiten zwischen den absoluten teleologischen Offenbahrungswahrheiten und den pragmatischen, vorläufigen Wissenschaftserkenntnisssen.

Darum habe ich ja auf den pragmatischen Rahmen hingewiesen. Du kannst die Bibel durchaus als Fiktion lesen; in den Augen des Gläubigen tust Du Ihr damit Gewalt an, aber es ist Dir überlassen. Für den Kontext Christentum eröffnet die Bibel einen anderen pragmatischen Rahmen. Dieser pragmatische Rahmen unterscheidet sich aber fundamental von dem, der im allgemeinen mit 'normaler' Literatur einhergeht. Wenn ich LOTR als religiösen Text muss ich mich ziemlich rücksichtslos über einige pragmatische Regeln und über den literarischen Kontext hinwegsetzen, sprich: Du musst dem Text eine zünftige Fehllektüre angedeihen lassen.

Nochmal zum Beispiel Bibel und LOTR: was ist denn DIE Intention des Textes? "Nur zu unterhalten und Kurzweil zu bereiten" ist eine Antwort, aber eine vielleicht ziemlich verflachende, wenn man die Absicht des Autoren bedenkt, oder? Auf der anderen Seite: was hindert z.B. mich daran, die Bibel rein zwecks des Amusements zu lesen? Hier driften Interprations-Fragen auf das heftig umstrittende Terrain der Profanisierung und Sakalisierung. Was die einen als heilig würdigen, ist für andere banal.

Das ist unbestritten. Aber während bei der Bibel - je nach Kontext - eben beide Lesearten möglich sind (was nicht immer so war), ist dies bei LOTR eben nicht der Fall.

-- Übriegens: ich pflege keine eindeutige Lesart von LOTR. Ich bin nicht mal sicher, ob ich ein eindeutiges Geschmacksurteil zu LOTR habe, denn es kommt eben auf den Kontext an, in dem ich dieses Buch bewerten soll. Als Werk des 20. Jhd ist mir LOTR wertvoll und wichtig. Als Keimtext der Fantasy gesehen aber sind meine Urteile schon abfälliger (Gerd kann da sicherlich stöhnen, angesichts meiner manchmal in der Vergangenheit zu ungestümen Miéville-Fanboyparteilichkeit. Das ich da aber Partei beziehe und nicht etwa objektive Wahrheitsaussage treffe, ist mir aber bewußt und entsprechend beäuge ich mich da selbst zuweilen skeptisch.)

Also ich persönlich fand das Buch damals eher langweilig, ist aber auch schon ne Weile here. Aber das ändert eigentlich nichts daran, dass es sich hierbei um Fantasy und nicht um einen religiösen Text handelt.

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Geschrieben 20 August 2007 - 12:07

Es ist ja leider nicht so, dass ein Uniabschluss vor Dummheit und begrifflicher Schlamperei schützt; insofern darfst Du gerne kräftig eigene Behauptungen aufstellen. Für mich ist auch nicht relevant, ob Dein Ansatz 'korrekt' ist. Ich frage mich nur, warum Du den ohnehin schon umstrittenen Phantastikbegriff in ein komplett neues Feld einführen musst und ob Dir nicht viel mehr gedient wäre, wenn Du einen eindeutigeren und weniger umkämpften Terminus wählen würdest, bei dem zumindest ansatzweise die Chance besteht, dass ein Aussenstehender ohne grosse Erklärungen versteht, was Du meinst.

Das beruhigt mich vor Wahrheitsspannungen erregt Zitternden sehr und ich danke für diesen Deinen Absatz. Darf ich so dreist sein und fragen, welche Begriffe da pragmatischer und nützlicher sind? Ich steh ja oftmals peinlich deppert auf der Leitung, grad weil ich so ein undisziplinierter Querbeet-Daherplapperer bin. Ich bin sicherlich zu früh im Leben auf Kritiken zu formalen Systemen (Sprache, Mathemathik usw.) gestoßen. Ich vertraue z.B. Sprache nur sehr wenig, auch wenn ich mich manchmal dazu hinreissen lasse, zu glauben, daß Eindeutigkeit möglich ist. Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 20 August 2007 - 12:10.

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Geschrieben 20 August 2007 - 12:18

Zu Simis "Schneewittchen"-Beispiel: lol. Genau!

Zu Cazotte und Mädchenhandel: ich bin, soweit mir bekannt, bisher der erste, der es für möglich hält, daß Cazotte hier u.a. vielleicht über sexuelle Ausbeutung und Mädchenhandel schreibt. Er tut das freilich nicht direkt. Die Geschichte der historischen Forschung zu diesen Grauseligkeiten ist verhältnismäßig jung und entsprechend unsicher, und ich bekomme selbst Hirnsausen dabei, weil hier empörende Tabus beruhrt werden. Ich bewege mich da auf dem bröckeligen Grad zwischen Herauslesen und Hineinlegen. Angesichts der Unerträglichkeit des Themas Mädchenhandel und sexuelle Ausbeutung kann ich das auch nur zu gut verstehen, daß man diese Möglichkeit nicht zur Sprache bringen möchte.

Also: Mädchenhandel ect. wird nicht ausdrücklich nahegelegt. Dass aber Cazottes Novelle eine metaphorische Verhandlung des Ringens zwischen Verstand und Verlangen, zwischen Aufklärungswahrheiten und Kirchenwahrheiten ist, ist alles andere als weit hergeholt. Siehe Nachwort des Autoren und Sekundärliterur zu ihm.

Das ist aber mit Verlaub überhaupt nicht das Gleiche, wie wenn ich sage, dass Gandalf für mich so real existiert wie Gott für einen Gläubigen existiert.

Ich beziehe da eben freimütig Stellung. GOtt und Gandalf sind für mich beide fiktive Protagonisten.

Ich halte es nicht für sinnvoll, das alles in einen Topf zu werfen...

Imho SIND all diese Dinge eben in einem Topf. Wobei es eben (siehe historisch-pragmatische Sichtweise) darauf ankommt, ob sich die verschiedenen Topfinhalte beim Umrühren vermischen (meine Unverschämtheit), oder ob sie sich gemäß ihrer Beschaffenheit mehr oder weniger klar wie Öl und Wasser in Schichten abgrenzen. Die Ideenwelt begreife ich dabei eher wie Wetterforscher. Durch Deutungshoheitsspannungen werden Hochdruck- und Tiefdruckgebiete erzeugt und entsprechend gibt es Stimmungswetterwinde. Wenn zwei den Finger hochhalten, kommen sie im Gegensatz zum tatsächlichen Wetter in Sachen Ideenwetterlage eben nicht unbedingt zum selben Schluß, woher der Wind weht.

Der Bibel Gewalt antun: Ich persönlich finde dies ungleich harmloser (ist ja nur ein Text, eine großphantastische Fabulation), als wenn in der tatsächlich stattfindenden Wirklichkeit anderer Lebenden Leiber aufgrund von Offenbahrungswahrheiten kaupttgehaun werden. Die fundamentalistische Bibelauslegung konkurriert ja nicht nur mit anderen narrativen Fiktionen (z.B. Romanen), sondern fatalerweise eben auch mit den Erkenntissen zur tatsächlichen Beschaffenheit zur Welt. Wahrheiten der Lebensorientierung, der Autosuggestion sind aber was anderes, als die Versuche, die Beschaffenhaft der materiellen Welt ergründen zu wollen. Wenn die Bibel den Hasen als Wiederkäuer bezeichnet, ist das noch ein harmloser Fall. Wenn es um Zweck und Absicht der (Heils-)Geschichte geht, wirds aber, leider!, wirklich brutal.

Für den Kontext Christentum eröffnet die Bibel einen anderen pragmatischen Rahmen. Dieser pragmatische Rahmen unterscheidet sich aber fundamental von dem, der im allgemeinen mit 'normaler' Literatur einhergeht.

Darf ich das so verstehen, daß die Bibel eben keine "normale" Literatur ist. Eben diesen "absoluten" Sonderstatus zweifle ich z.B. entschieden an. Das für mich schöne an modernen Fiktionen wie LOTR ist ja, daß sie spirituelle Erfahrungen ermöglichen, ohne daß man gleich in religiöse, ideologische oder esoterische Dogmatiken verfallen muß. Gerade die "schwebene" Charakteristik von Tolikiens moralischen Meditationen z.B. über die Natur des Bösen (Boethius versus Manichäismus) machen für mich Tolkien-Skeptiker LOTR zu einer lohnenden und prinzipiell empfehlenswerten Lektüre.

Die Frage, ob LOTR nun Fantasy oder religiöser Text ist, sehe ich nicht in Zusammenhang von Textgattungsbestimmung (denn das ist mit Verlaub etwas vergleichsweise Spielerisches), sondern eben mehr unter dem Gesichtspunkt, was Leser mit dem Text anfangen (und das kann sehr ernste Folgen haben; siehe Simis Hinweis auf Fehllektüren und Psychose). Die Frage was für wen Fantasy und was religiöser Text ist, kehre ich da zugegebenerwiese absichtlich untern Teppich. Siehe persönliche Lebensorientierung und Plausibilität durch Faszination. Entsprechend damit zusammenhängender "Sense of Wonder" kann imho durch alles mögliche ausgelöst werden.

Grüße
Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 20 August 2007 - 12:52.

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Geschrieben 20 August 2007 - 13:25

Ich beziehe da eben freimütig Stellung. GOtt und Gandalf sind für mich beide fiktive Protagonisten.

Ja eben: für Dich.

Der Bibel Gewalt antun:

Stopp: Ich habe geschrieben, dass Du LOTR Gewalt antust.

Ich persönlich finde dies ungleich harmloser (ist ja nur ein Text, eine großphantastische Fabulation), als wenn in der tatsächlich stattfindenden Wirklichkeit anderer Lebenden Leiber aufgrund von Offenbahrungswahrheiten kaupttgehaun werden.

Bitte beim Thema bleiben und nicht Vergleiche heranziehen, die nichts damit zu tun haben, weil sie auf einer anderen Ebene sind. Ja: Folter ist schlimmer als Filme von Oliver Stone, das macht dessen Filme aber dennoch nicht gut und tut nichts zur Sache.

Die fundamentalistische Bibelauslegung konkurriert ja nicht nur mit anderen narrativen Fiktionen (z.B. Romanen), sondern fatalerweise eben auch mit den Erkenntissen zur tatsächlichen Beschaffenheit zur Welt. Wahrheiten der Lebensorientierung, der Autosuggestion sind aber was anderes, als die Versuche, die Beschaffenhaft der materiellen Welt ergründen zu wollen. Wenn die Bibel den Hasen als Wiederkäuer bezeichnet, ist das noch ein harmloser Fall. Wenn es um Zweck und Absicht der (Heils-)Geschichte geht, wirds aber, leider!, wirklich brutal.

Dass Du mit der Bibel nichts anfangen kannst, ändert nichts daran, dass die Bibel für den Gläubigen einen anderen Status hat als LOTR für den Fantasy-Fan. Im Gegenteil. Eigentlich unterstreichst Du das damit.

Darf ich das so verstehen, daß die Bibel eben keine "normale" Literatur ist.

Für den Gläubigen nicht, nein.

Eben diesen "absoluten" Sonderstatus zweifle ich z.B. entschieden an.

Das ist in dem Fall aber nicht relevant. Es geht überhaupt nicht darum, was Du oder ich glauben, sondern darum, dass ein explizit literarischer Text einen anderen Status hat als ein religiöser Text für einen Gläubigen.

Die Frage, ob LOTR nun Fantasy oder religiöser Text ist, sehe ich nicht in Zusammenhang von Textgattungsbestimmung (denn das ist mit Verlaub etwas vergleichsweise Spielerisches), sondern eben mehr unter dem Gesichtspunkt, was Leser mit dem Text anfangen (und das kann sehr ernste Folgen haben; siehe Simis Hinweis auf Fehllektüren und Psychose).

Aber Gattungsfragen sind nichts anderes als die Frage danach, was "Leser mit dem Text anfangen". Eine Gattung ist eben eine pragmatische Kategorie, die auch beinhaltet, wie bestimmte Leute zu bestimmten Zeiten mit bestimmten Texten umgehen. Es macht einen grundlegenden Unterschied, ob ich das kommunistische Manifest als politischen oder als poetischen Text lese. Ebenso bei religiösen Texten; die Frage, wie ich mit denen umgehe, ist nichts anderes als eine Frage der Gattungsbestimmung. Das sind alles Fragen des Kontextes: Ein Ausserirdischer, der nichts von der menschlichen Kultur weiss, ist kaum in der Lage Sachliteratur von Fiktion zu unterscheiden, weil ihm das nötige Bezugssystem fehlt. Jeder Text entwickelt seine Bedeutung innerhalb eines kulturellen Systems und kann nichts losgelöst von diesem verstanden werden. Und bei gewissen Texten kann es durchaus unterschiedliche, mitunter konkurrierende Bezugssysteme geben. Während bei der Bibel aber ein Bezugsysstem die Religion ist und deren Inhalt innerhalb dieses Systems für wahr macht, fehlt für Fantasy ein solches Bezugssystem.

Die Frage was für wen Fantasy und was religiöser Text ist, kehre ich da zugegebenerwiese absichtlich untern Teppich.

Womit Du aber eben einen entscheidenden Unterschied ignorierst. Für den Gläubigen macht die Bibel wahre Aussagen über die Welt, das ist Teil der Gattung religiös-kanonischer Text. Die Gattung Fantasy erhebt keinerlei Anspruch, wahre Aussagen über die Welt zu machen.

Bearbeitet von simifilm, 20 August 2007 - 13:29.

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Geschrieben 20 August 2007 - 13:39

@Simi: Wenn ich Dich richtig verstehe, dann meinst Du, daß man z.B. die Fundamental-Religiösen in Ruhe lassen sollte. Immerhin sind es ja tragischerweise Fundamentalisten, für die ihr heiliger Text (ob Bibel oder Kommunistisches Manifest) hierarchisch absolut über allen anderen "über die Welt redenden Texten" steht.Du und ich gehen soweit ich das nachvollziehen kann davon aus, daß der heutige "nüchternere" Mainstream in Sachen Gattungsfragen eben historisch-pragmatisch verfährt. Ich betone dabei vielleicht vehemmenter als Du, daß die ehemalig absolut-hierarchischen Ansprüche der Religiösen eine Sache von vorvorgestern sind. Entsprechend wäre ich ja auch dafür, daß man Theologie als eigenes Fach an den Unis auflöst und woanders unterbringt (vergleichende Anthropologie, Philosophie und Literaturwissenschaft beispielsweise).Kann sein, daß ich da einen deutlicheren Tick ins "naturalistisch Fundamentalistische" an den Tag lege. Aber glaub mir: die wirklich fundamentalischtischen Naturalisten sind mir persönlich nicht weniger unheimlich als entsprechende Religiöse vom anderen Ende des Spektrums. Was die individuelle Lebensorientierung betrifft sind Menschen meiner Meinung nach eben alle auf Vertrauen und Glauben angewiesen. Solche Disziplinen wie wissenschaftlich vorgehenden wollende "Glücksforschung" zum Beispiel stecken ja noch in den Kinderschuhen. Und die "kalten, naturalistischen" Wissenschaften haben zu Dingen wie z.B. Vergebung und Reue wenig beizutragen. Oder irre ich da.Die Extreme sind es, die mich mit Sorge erfüllen. Diesbezüglich bin ich ein Extremist eigener Güte und einen besseren Begriff als "Phantast" hab ich bisher noch nicht dafür gefunden. Von nichts bin ich weniger überzeugt, als im Besitz einer objektiven Wahrheit zu sein.GrüßeAlex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 20 August 2007 - 13:44.

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Geschrieben 20 August 2007 - 13:52

Nochmal zu Gattungsfragen:

Aber Gattungsfragen sind nichts anderes als die Frage danach, was "Leser mit dem Text anfangen".

Ich sehe da eben einen Unterschied zwischen welchen Orientierungsgewinn ein Leser persönlich aus einem Text zieht, und was man für die (womöglich einzig) richtige Herangehensweise in Sachen Gattungsfragen hält. Wenn ich mich nur auf dem Gebiet der Genre-Phantastik-Fans umgucke, dann erschrecke ich immer wieder, wie groß das Bedürfnis nach Katalog-Kriterien für klare und unverrückbare Genre-Zuordnungen ist. Und was die Gegensätze zwischen hierarchischer und pragmatischer Gattungseinteilung angeht: bist Du denn der Meinung, daß beide Seiten hier gleiche Rechte beanspruchen und letztendlich die Gewalt entscheiden sollte. Das ist ja leider schon zur genüge der Fall, was den größten Interpretationsraum betrifft, sprich: das gemeinsame Leben auf einer Kugeloberfläche. Wie also anfangen, hier die heißen Überzeugungen abzukühlen? Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 20 August 2007 - 13:53.

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Geschrieben 20 August 2007 - 15:26

@Simi: Wenn ich Dich richtig verstehe, dann meinst Du, daß man z.B. die Fundamental-Religiösen in Ruhe lassen sollte. Immerhin sind es ja tragischerweise Fundamentalisten, für die ihr heiliger Text (ob Bibel oder Kommunistisches Manifest) hierarchisch absolut über allen anderen "über die Welt redenden Texten" steht.

Es geht mir momentan überhaupt nicht um irgendwelche Fundamentalisten als solche. Es geht mir darum, dass für religiöse Texte eben ein Kontext existiert, in dem diese einen Wahrheitsanspruch haben. Das ist keine Wertung, sondern eine Feststellung. In einem theologischen Kontext ist die Bibel nicht Literatur wie LOTR, sondern das Wort Gottes. Ein entsprechender Kontext existiert für LOTR nicht, und deshalb ist es falsch zu behaupten, dass Gandalf für den Fantasy-Leser den gleichen Status hat wie Gott für den gläubigen Christen. Der Fantasy-Leser hat einen grundsätzlich anderen pragmatischen Zugang zu seiner Literatur als der Gläubige zur Bibel.

Du und ich gehen soweit ich das nachvollziehen kann davon aus, daß der heutige "nüchternere" Mainstream in Sachen Gattungsfragen eben historisch-pragmatisch verfährt. Ich betone dabei vielleicht vehemmenter als Du, daß die ehemalig absolut-hierarchischen Ansprüche der Religiösen eine Sache von vorvorgestern sind.

Damit nimmst Du aber eben schon wieder eine Wertung vor. Du sagst damit, dass ja nichts anderes, als dass dieser Zugang falsch ist. Der Witz eines historisch-pragmatischen Ansatzes ist aber gerade, dass man eben keine Wertung vornimmt, sondern schaut, wie und anhand welcher - mehr oder weniger ausformulierten - Kriterien die verschiedenen Gruppen den jeweiligen Text wahrnehmen und einordnen. Ob ich mit dieser Einordnung einverstanden bin, ist irrelevant, denn ich bin selbst auch nur wieder Teil eines bestimmten Kontextes.

Kann sein, daß ich da einen deutlicheren Tick ins "naturalistisch Fundamentalistische" an den Tag lege. Aber glaub mir: die wirklich fundamentalischtischen Naturalisten sind mir persönlich nicht weniger unheimlich als entsprechende Religiöse vom anderen Ende des Spektrums. Was die individuelle Lebensorientierung betrifft sind Menschen meiner Meinung nach eben alle auf Vertrauen und Glauben angewiesen. Solche Disziplinen wie wissenschaftlich vorgehenden wollende "Glücksforschung" zum Beispiel stecken ja noch in den Kinderschuhen. Und die "kalten, naturalistischen" Wissenschaften haben zu Dingen wie z.B. Vergebung und Reue wenig beizutragen. Oder irre ich da.

Da fand jetzt gerade wieder ein Sprung statt, den ich nicht ganz nachvollziehen kann ...

Ich sehe da eben einen Unterschied zwischen welchen Orientierungsgewinn ein Leser persönlich aus einem Text zieht, und was man für die (womöglich einzig) richtige Herangehensweise in Sachen Gattungsfragen hält.

Ich glaube, Du missverstehst mich. Es geht nich um die "einzig richtige Herangehensweise", es geht darum, dass Gattungen eben pragmatische Kategorien sind; das heisst, es geht nicht bloss um die Frage, ob das Ding nun 'Phantastik' heisst oder nicht, damit gehen auch Muster der Rezeption einher. Ob ich einen Text als Sachtext, als SF oder als historischen Roman lese, wird mein Verständnis dieses Textes massiv beeinflussen. Allerdings sind diese Leseweisen in den meisten Fällen durch die jeweilige Kultur gegeben resp. können rekonstruiert werden. Für LOTR gibt es keinen religiösen Kontext, für die Bibel schon, und insofern kann man sagen, dass es eine Fehllektüre wäre, LOTR als religiösen Text zu lesen. Natürlich: Wenn Du nicht Teil des religiösen Kontextes bist, wirst Du die Bibel auch nicht entsprechend lesen, das macht LOTR aber noch lange nicht zum religiösen Text. EDIT: Die Leseweisen sind natürlich nicht nur durch den Kontext, sondern auch durch den Text selbst gegeben, das heisst: es findet ein Wechselspiel zwischen den beiden statt. Ein typischer Genretext kann beim Leser ja gewisse Dinge voraussetzen; auf die baut er dann auf und kann sie auch weiterentwickeln. Damit wird wieder das Umfeld beeinflusst, die Änderungen können in neue Texte einfliessen usw. Und da kann es dann wie bei der Bibel zum Fall kommen, dass Du ab einem gewissen Zeitpunkt - vereinfacht gesagt -, zwei Gattungstraditionen hast: Die eine betrachtet den Text als Wort Gottes und somit als Wahrheit, die andere sieht in ihm letztlich nur literarische Fiktion (im Falle der griechischen Sagen findet ein kompletter Wechsel statt: früher waren das Geschichten mit wahrem Gehalt, heute nicht mehr).

Und was die Gegensätze zwischen hierarchischer und pragmatischer Gattungseinteilung angeht: bist Du denn der Meinung, daß beide Seiten hier gleiche Rechte beanspruchen und letztendlich die Gewalt entscheiden sollte.

Wenn Du mich als Wissenschaftler fragst, muss ich antworten: Entschieden wird hier gar nix. Ich stelle nur fest, dass unterschiedliche Gemeinschaften unterschiedliche Gattungskonzeptionen haben. Als Privatperson sage ich: Soll jemand an die Bibel glauben, ist mir egal, solange er mich damit nicht belästigt.

Bearbeitet von simifilm, 20 August 2007 - 16:11.

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Geschrieben 20 August 2007 - 17:27

Nachtrag zu einer untergegangenen Frage:

Darf ich so dreist sein und fragen, welche Begriffe da pragmatischer und nützlicher sind? Ich steh ja oftmals peinlich deppert auf der Leitung, grad weil ich so ein undisziplinierter Querbeet-Daherplapperer bin. Ich bin sicherlich zu früh im Leben auf Kritiken zu formalen Systemen (Sprache, Mathemathik usw.) gestoßen. Ich vertraue z.B. Sprache nur sehr wenig, auch wenn ich mich manchmal dazu hinreissen lasse, zu glauben, daß Eindeutigkeit möglich ist.

Einen fertige Terminologie kann ich Dir nicht liefern, aber um was es bei Dir ja geht, ist letztlich nicht Anderes als Konstruktivismus, die Welt, wie wir sie erleben, ist eine Konstruktion. Da gibt es diverse Ansätze von der analytischen Philosophie eines Nelson Goodman, über den wissenschaftstheoretischen Ansatz Thomas Kuhns, Watzlawicks psychologischen Ansatz, Luhmanns Systemtheorie bis zur foucaultschen Diskursanalyse und Baudrillards Schwurbologie. Was Dir da am besten behagt, weiss ich nicht; aber 'Phantastik' scheint mir eigentlich in jedem Fall die verwirrendste Termologie von allen. Ich persönlich mag Goodman, und Kuhns "The Structure of Scientific Revolutions" ist eines jener Bücher, die mich wirklich massiv geprägt haben, aber das ist Geschmackssache.

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Geschrieben 20 August 2007 - 17:45

Vielen Dank Simi.Ich geb zu, mir gehen seit einigen Jahren persönliche Echtweltkontakte und Gespräche zu solchen großen Themen ab. Daher bin ich immer "dichterischer" in meiner Audrucksweise geworden, sprich: verschwurbelter :huh:Grad vor etwa 6 Wochen habe ich Watzlawicks "Bausteine ideologischer *Wirklichkeiten*" (in "Die erfundene Wirklichkeit", Piper-TB 1985) wieder mal gelesen, und auch mit Kuhn hab ich mich schon vor Jahren mal beschäftigt. Alles halt als "einsamer" Dillettant. Du siehst, ich hab solche meine Poeten- und Künschtlär-Wildheit korrigierenden und relativierenden Ping-Pongs wie hier im Forum bitter nötig. Andererseits kann ich mich als *Edel-Spinner* nun mal mit meiner ganzen Person in einen Diskurs werfen und muß nicht zwischen Privat- und Geisteswissenschaftlerhaltung differenzieren. Trotzdem: sehr gerne hätte ich das ganze Rüstzeug gerne richtig gelernt, so mit Seminaren und Profs.Dass Du, Simi, so ausführlich auf meinen Schwubel reagierst kann ich mir eigentlich nur auf zweierlei Art erklären: entweder nimmst Du die Aufgabe eines Diskurs-Wachmeisters wahr (was eine gemeine Unterstellung wäre und als Möglichkeit von mir nur in meinen schlimmsten Stimmungen in Betracht gezogen wird), oder Dir macht es doch trotz aller Verwirrung und Mühsahl *irgendwie* Spaß. Ich selbst äußere mich nur dann kritisch, mahnend und verbessernd, wenn ich eine gewisses Mindestmaß an Sympathie für die Teilnehmer eines Diskurses aufbringen kann. Ich bin mal so frech, übertrage das auf Dich und Danke für Deine Mühe und das damit also verbundene *Kompliment*.So. Ich jetzt versprech ich, erst wieder mit eigener Schwurbelkreativität hier weiterzuposten, wenn ich von meinem derzeitigen "Der Lauf der Welt!!!"Sorge-Trip runter bin.GrüßeAlex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 20 August 2007 - 17:56.

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#133 simifilm

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Geschrieben 21 August 2007 - 08:51

Dass Du, Simi, so ausführlich auf meinen Schwubel reagierst kann ich mir eigentlich nur auf zweierlei Art erklären: entweder nimmst Du die Aufgabe eines Diskurs-Wachmeisters wahr (was eine gemeine Unterstellung wäre und als Möglichkeit von mir nur in meinen schlimmsten Stimmungen in Betracht gezogen wird), oder Dir macht es doch trotz aller Verwirrung und Mühsahl *irgendwie* Spaß. Ich selbst äußere mich nur dann kritisch, mahnend und verbessernd, wenn ich eine gewisses Mindestmaß an Sympathie für die Teilnehmer eines Diskurses aufbringen kann. Ich bin mal so frech, übertrage das auf Dich und Danke für Deine Mühe und das damit also verbundene *Kompliment*.

Ach, was soll man darauf antworten ... Sagen wir, es ist eine Mischung aus Freude am Widerspruch, einem aufklärerischem Impetus, Besserwisserei und Interesse, ob meine eigenen Konzepte der Kritik standhalten, die mich hier so viel schreiben lassen ...

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#134 Theophagos

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Geschrieben 21 August 2007 - 14:22

Ich habe zwei Scripte der Vorlesung: "Phantastische Literatur: Theorien und Texte" (sollte von Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans/Uni Bochum sein) gefunden. Einführung in die Phantatik Phantatik & Todorov Vielleicht interessiert es. Theophagos
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#135 simifilm

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Geschrieben 21 August 2007 - 14:36

Ich habe zwei Scripte der Vorlesung: "Phantastische Literatur: Theorien und Texte" (sollte von Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans/Uni Bochum sein) gefunden. Einführung in die Phantatik Phantatik & Todorov Vielleicht interessiert es. Theophagos

Danke. Mal schauen, ob da neue Überlegungen drin sind, seit ihrem Aufsatz von 1995.

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#136 Konrad

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Geschrieben 21 August 2007 - 16:05

Ich habe zwei Scripte der Vorlesung: "Phantastische Literatur: Theorien und Texte" (sollte von Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans/Uni Bochum sein) gefunden.

Das Skript ist komplett online: http://www.ruhr-uni-...n/ss2007.html#1 Konrad

#137 simifilm

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Geschrieben 21 August 2007 - 16:10

Das Skript ist komplett online: http://www.ruhr-uni-...n/ss2007.html#1 Konrad

Bis auf Nr. 10, da scheint ein falscher Link zu stehen.

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#138 Theophagos

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Geschrieben 21 August 2007 - 16:22

Danke Konrad - danach hatte ich gesucht.@ Simifilm: Bei #10 bekomme ich "Lebendige Portraits" - das scheint zumindest auf den ersten Blick zu passen.BTW: Unterscheidet sich dein Text "Weisen der Weltdarstellung" in Hinblick auf Todorov eigentlich signifikant von der "Konstitution"?Theophagos
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#139 simifilm

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Geschrieben 21 August 2007 - 16:35

Danke Konrad - danach hatte ich gesucht. @ Simifilm: Bei #10 bekomme ich "Lebendige Portraits" - das scheint zumindest auf den ersten Blick zu passen.

Da kommt bei mir aber ein "Error 404". Datei nicht vorhanden.

BTW: Unterscheidet sich dein Text "Weisen der Weltdarstellung" in Hinblick auf Todorov eigentlich signifikant von der "Konstitution"?

Grundsätzlich nicht, nein. Ich habe den älteren Text natürlich nicht mehr so präsent, und es wäre interessant zu schauen, ob und an welchen Stellen es Verschiebungen gegeben hat, aber im Grossen und Ganzen entspricht Kapitel 2 meines Buches den "Weisen der Weltdarstellung". Das ist gewissermassen die Basis, wenn ich auch hoffe, dass der Text im Buch besser ist (sicher ist darin noch mehr Material verarbeitet). Allerdings - und das sage ich nicht nur, um Werbung für das Buch zu machen - ist das für sich genommen der uninteressanteste Teil der ganzen Abhandlung, denn hier geht es vor allem um Begriffsklärung; interessanter ist, was ich dann nachher mit den Begriffen anstelle. :(

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#140 Konrad

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Geschrieben 21 August 2007 - 16:35

Es gibt noch eine ganz gute Internetquelle für die gängigen Theorien: Prof. Dr. Bernhard Rank, Pädag. Uni Heidelberg Konrad PS: Übersicht über die zusammenfassenden Seminarpapiere (WS 02/03) Bei den "Merkmalen des wilden Denkens" mußte ich an Alex denken. :(

Bearbeitet von Konrad, 21 August 2007 - 16:48.


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Geschrieben 21 August 2007 - 17:04

Es gibt noch eine ganz gute Internetquelle für die gängigen Theorien: Prof. Dr. Bernhard Rank, Pädag. Uni Heidelberg Konrad PS: Übersicht über die zusammenfassenden Seminarpapiere (WS 02/03) Bei den "Merkmalen des wilden Denkens" mußte ich an Alex denken. :(

Das wilde Denken ist dann doch ein bissel älter als molo. ;) Nur als Anmerkung: Der Schwerpunkt bei Rank liegt klar auf Kinder- und Jugendliteratur.

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#142 molosovsky

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Geschrieben 21 August 2007 - 17:15

Ach was. Ich trau mich nur peinlich und schamlos persönlich sein, das einzige Talent, von dem ich mir sicher bin, das ichs hab. Das ist alles. (Keine Spitze gegen irgendwen intendiert).Unbescheidene Weicheierei kann man das auch nennen. Kontrolliertes Auszucken oder devianter Skeptizismus. In meinem geistigen Beißwerkzeugen nagt schon lange die Paradoxtose.Aber die Nobilitierung "Wildes Denken" hat mir für diese Einstellung schon immer gut gefallen.Für mich, der ich heute 2000-tägiges Molochronik-Jubiläum feiere kommt dieser Link zu Frau Prof. Dr. Monika wie ein Geschenk!EDITnachtrag zu Konrads Heidelberg-Links:Ha, kenn ich, das ist noch die alte Fassung von 2003 im Archivwinkerl des Netzels. *LeiderLeider* sehen die dort Phantastik wieder eher im Verbund mit Jugendbuchforschung, deshalb betreut von der Pädagohischen Hochschule (und ich glaub, Jugendbuchforschung Frankfurt arbeitet da auch mit).Seit 2006 werden diese Seiten überarbeitet und bieten leider nüscht.GrüßeAlex / molo, trotzdem versöhnt mit der Welt.

Bearbeitet von molosovsky, 21 August 2007 - 17:24.

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#143 Konrad

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Geschrieben 21 August 2007 - 17:35

Aber die Nobilitierung "Wildes Denken" hat mir für diese Einstellung schon immer gut gefallen. Für mich, der ich heute 2000-tägiges Molochronik-Jubiläum feiere kommt dieser Link zu Frau Prof. Dr. Monika wie ein Geschenk!

Na dann Prosit! auf die nächsten 2000 Tage.

EDITnachtrag zu Konrads Heidelberg-Links: Ha, kenn ich, das ist noch die alte Fassung von 2003 im Archivwinkerl des Netzels. *LeiderLeider* sehen die dort Phantastik wieder eher im Verbund mit Jugendbuchforschung, deshalb betreut von der Pädagohischen Hochschule (und ich glaub, Jugendbuchforschung Frankfurt arbeitet da auch mit). Seit 2006 werden diese Seiten überarbeitet und bieten leider nüscht.

Ich habe die Seiten hauptsächlich wegen der ganz guten Erklärungen der gängigen Theorien verlinkt. Die Beschreibungen zu Todorov und Durst z.B. sind nicht spezifisch auf die Jugendbuchliteratur bezogen. Aber wer nicht will, der hat schon...:( Gruß, Konrad

#144 molosovsky

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Geschrieben 21 August 2007 - 17:41

Damit ich nicht wieder loslege Missverständliches in die Welt zu setzten:Jupp, die Theorie-Zuammenfassungen bei Heidelberg sind gut und nützlich, Konrad.GrüßeAlex / molo

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#145 Konrad

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Geschrieben 21 August 2007 - 21:55

Bis auf Nr. 10, da scheint ein falscher Link zu stehen.

Ich habe im Büro auch festgestellt, daß der Link unter Explorer nicht funktioniert. Zu Hause habe ich es unter Mozilla versucht und siehe da, es geht. Das Problem ist offenbar der Umlaut "ä". Mit einer expliziten %-Kodierung müßte das jetzt auch mit dem Mikroschrott funktionieren: Skript Nr. 10 Konrad

#146 simifilm

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Geschrieben 21 August 2007 - 22:03

Ich habe im Büro auch festgestellt, daß der Link unter Explorer nicht funktioniert. Zu Hause habe ich es unter Mozilla versucht und siehe da, es geht. Das Problem ist offenbar der Umlaut "ä". Mit einer expliziten %-Kodierung müßte das jetzt auch mit dem Mikroschrott funktionieren: Skript Nr. 10 Konrad

Danke, habe mittlerweile aber auch den Firefox probiert. Bei mir macht zu meinem grossen Erstaunen Safari Probleme ...

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#147 simifilm

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Geschrieben 21 August 2007 - 22:56

So, habe die ersten beiden Scripte von Schmitz-Emans mal halbgründlich durchgelesen (soweit ich sehe, geht's hinten dann nicht mehr zentral um Definitionen). Ich gehe mit dem meisten, was sie sagt - gerade auch die Kritik an Todorov -, grundsätzlich einig.

Eine Passage, die mir besonders gut gefällt:

Wer einen Text unter dem Aspekt der „Phantastik“ betrachtet, muß diesen Text primär als Evokation einer imaginären Wirklichkeit, seine Sätze als Aussagen über ein jeweils fiktives „Etwas“ lesen - um sich dann zu fragen, wie diese imaginäre Wirklichkeit funktioniert, dieses „Etwas“ beschaffen ist. Es bedarf dieses imaginären Gegenstandsraumes, um über „Phantastik“
überhaupt etwas zu sagen - woraus man den Schluß ziehen könnte, daß im Sinne Todorovs nicht eigentlich die Texte „phantastisch“ sein können, sondern eher die „Welten“, welche sie evozieren.

Die Betonung, dass es hier um die Beschaffenheit der fiktionalen Welt geht (und weniger um einen Typus von Texten), deckt sich wunderbar mit meiner Einschätzung, dass Phantastik, SF etc. besser nicht als Gattungen, sondern als fiktionale Modi, also als bestimmte Typen fiktionaler Welten, verstanden werden sollten.

Ihre Kritik an Wünsch ist zwar in gewissem Sinne schon berechtigt, gleichzeitig aber irgendwo auch zu spitzfindig. Wünsch operiert zwar mit Konzept des kulturellen Wissens, die Vorstellung davon, was Realität ist, ist demnach historisch und kulturell verschieden. Schmitz-Emans kritisiert nun, dass dieses Konzept - das Wünsch 'Realitätskompatibilität' nennt - heute nichts mehr bringt, weil es zumindest in unserer Kultur keine feste Vorstellung von Realität mehr gibt. Das stimmt zwar, scheint mir aber irgendwo auch an den Texten vorbeizuzielen.

Ok, es gibt die Realität nicht, es gibt diverse mehr oder weniger stark konkurrierende Weltmodelle, so viel ist klar. Dennoch gibt es aber Texte und Filme, die beim Zuschauer den Eindruck erwecken (wollen), dass sie die real existierende Welt beschreiben. Sie haben einen realistischen Impetus, sind auf einen Realitätseffekt hin angelegt. Ich glaube, diese Feststellung ist soweit unbestritten.

Was macht nun diesen Realitätseffekt aus? Es ist ein Zusammenspiel gewisser formaler Faktoren - wie wird erzählt - und inhaltlicher Faktoren - was wird erzählt. Und wenn ich mich hier jetzt vorerst auf die Ebene des Inhalts beschränke, dann kann man sicher feststellen, dass der Realitätsbegriff in sogenannt realistischen Erzählungen nicht überall gleich ist, dass man aber wohl doch ein gewisses Spektrum ausmachen kann, was in einer bestimmten Kultur zu einer bestimmten Zeit als realistisch dargestellt wird. Es gibt da schon Konventionen; die mögen nicht für alle gleich sein, können von Buch zu Buch variieren und müssen auch nicht deckungsleich mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft sein. Ich würde aber schon behaupten, dass es gewissermassen ein bestimmtes konventionelles Realismusspektrum gibt. Eindeutig fixieren lässt sich das nicht, aber es gibt zweifellos Dinge, die darin nicht enthalten sind (fliegende Schweine, Vampire, die Quadratur des Kreises, das Schlaraffenland), und solche, die darin enthalten sind (Schweine, die sich im Schlamm wälzen, Menschen sterben, Herztransplantationen, Frankreich).

Hoffe, das war einigermassen verständlich.

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Geschrieben 21 August 2007 - 23:34

Für mich schon. Ich vergesse vor lauter Hudeln immer, strenger zwischen Genre/Gattung und Modi/"Vortrag" zu unterscheiden. Realitätseffekt und Authentizität sind ja so Zauberworte, die imho mit Relevanz zusammenhängen ... und sei es, daß schnell von einem aufs andere ZU heftig rückgeschlossen wird und die Phantastik beim Reise zum Kritiker-Jerusalem ohne Stuhl dasteht. Sozusagen das Gegenteil der "Sense of Wonder"-Affinität ... "Sense of Banality", wo Bücher dann um so mehr als wichtig und doll gelobt werden, desto alltagsverhafteter, undramatischer und "langweiliger" sie sind. Der (Möchtegern)Autor in mir findet aber gerade diese Spannung sehr reizvoll, und ich hab immer ein besonders aufmerksam dankbares Auge für gut gemachte "Authentizitierungseffekte" in den Genre-Phantastischen Garnen. EDITnachtrag speziell auf Simis Frage:

Was macht nun diesen Realitätseffekt aus? Es ist ein Zusammenspiel gewisser formaler Faktoren - wie wird erzählt - und inhaltlicher Faktoren - was wird erzählt.

Soweit komm ich auch ohne Probleme, finde aber unbedingt noch wichtig, daß es ja diese verschiedenen eher emotionellen Taxierungen gibt, die vom Leser mehr oder weniger bewußt vorgenommen werden. Nicht jeder mag z.B. zu viele undurchschaubare, kauzig, "unsympathische" Protagonisten, und umgekehrt kann nicht jeder mit Strahlehelden und klar verteilten Rollen. Im Grunde geht diese Spannung weiter bis zu der Frage, was eine "realitische" Handlung ist. So etwas Wirres und Avantgardistisches wie es von Döblin, Joyce, Pynchon und ähnlichen Kapazundern der Monderne und Postmoderne geschrieben wurde macht auf manche einen realistischeren Effekt, als, sag ich mal Karl May, Rosemund Pilcher oder Martin Mosebach :( Muß morgen früh raus, auf Penck aufpassen Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 21 August 2007 - 23:46.

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Geschrieben 22 August 2007 - 06:50

Realitätseffekt und Authentizität sind ja so Zauberworte, die imho mit Relevanz zusammenhängen ... und sei es, daß schnell von einem aufs andere ZU heftig rückgeschlossen wird und die Phantastik beim Reise zum Kritiker-Jerusalem ohne Stuhl dasteht. Sozusagen das Gegenteil der "Sense of Wonder"-Affinität ... "Sense of Banality", wo Bücher dann um so mehr als wichtig und doll gelobt werden, desto alltagsverhafteter, undramatischer und "langweiliger" sie sind.

Das verstehe ich nun nicht wirklich ...

Der (Möchtegern)Autor in mir findet aber gerade diese Spannung sehr reizvoll, und ich hab immer ein besonders aufmerksam dankbares Auge für gut gemachte "Authentizitierungseffekte" in den Genre-Phantastischen Garnen.

Weiss jetzt mal wieder nicht, welche Phantastik gemeint ist. Aber worin ich mit Todorov, Wünsch und Schmitz-Emans einig gehe ist, dass Phantastik - Sinne eines Bruchs mit der Realität - nur vor einem - scheinbar - realistischen Hintergrund möglich ist. Es muss also eine Welt dargestellt werden, die der unseren zu entsprechen scheint, damit überhaupt ein Konflikt inszeniert werden kann.

Soweit komm ich auch ohne Probleme, finde aber unbedingt noch wichtig, daß es ja diese verschiedenen eher emotionellen Taxierungen gibt, die vom Leser mehr oder weniger bewußt vorgenommen werden. Nicht jeder mag z.B. zu viele undurchschaubare, kauzig, "unsympathische" Protagonisten, und umgekehrt kann nicht jeder mit Strahlehelden und klar verteilten Rollen. Im Grunde geht diese Spannung weiter bis zu der Frage, was eine "realitische" Handlung ist. So etwas Wirres und Avantgardistisches wie es von Döblin, Joyce, Pynchon und ähnlichen Kapazundern der Monderne und Postmoderne geschrieben wurde macht auf manche einen realistischeren Effekt, als, sag ich mal Karl May, Rosemund Pilcher oder Martin Mosebach :(

Natürlich lassen sich keine allgemeinen Aussagen, wie der individuelle Leser reagieren wird. Und es steht jedem frei, einen Text gegen den Strich zu lesen. Aber ich würde doch behaupten, dass sich in den meisten Fällen rekonstruieren lässt, welche Wirkung ein Text idealerweise erzeugen soll. Das ist das, was bei der Todorov 'impliziter Leser' heisst, also gewissermassen der Idealleser, wie ihn der Text entwirft. Es stimmt natürlich zweifellos, dass moderne und postmoderne Autoren den Anspruch erhaben, 'realistischer' zu schreiben, als ihre Vorgänger, weil sie eben gerade die Fragmentierung und Nicht-Geschlossenheit der Welt betonen. In einer solchen Welt ist aber kein phantastischer Bruch im Sinne Ts möglich, weil ja von Anfang an keine Einheit gegeben ist. Damit sind wir von Anfang an in anderen Gefilden.

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Geschrieben 22 August 2007 - 08:06

Realitätseffekt wird ja erreicht, indem Text diesen durch Sprache beim Leser hervorruft. Wenn zwei grüngeschuppte Toster sich in der Umlaufbahn des Uranos über Damenbinden unterhalten, kann man sich das zwar vorstellen, aber (so ziemlich jeder) wird sich darüber im Klaren sein, daß es sich dabei um keine realistische Szene handelt. Aus eigener Anschauung kann man sich aber Toaster, etwas Grüngeschuppes, sowie das, worüber sich unterhalten wird vorstellen. Wie†™s in der Gegend der Umlaufbahn des Uranos aussieht, läßt sich der Kulturellen Enzyklopädie entnehmen. Ein ideologiekritischer Leser wird nun sagen: das mag dadistische oder klamaukig sein, ist aber nicht relevant, weil nicht zeitkritisch usw. Authentisch ist es schon gar nicht, weil Toaster sich nicht über Damenbinden unterhalten (zumindest nicht grüngeschuppte Toaster), sondern über Tostbrote und Krümel zwischen den Heizstäbchen :) Wieder ernsthafter mit Filmbeispielen: Wenn man einen alten, humorigen Western wie "40 Wagen Westwärts" mit sowas wie "Deadwood" vergleicht, dann ist für heutige Zeitgenossen zweiteres einfach authentischer, wirkt deshalb realistischer. (Ich muß gleich aus dem Haus).

Es stimmt natürlich zweifellos, dass moderne und postmoderne Autoren den Anspruch erhaben, 'realistischer' zu schreiben, als ihre Vorgänger, weil sie eben gerade die Fragmentierung und Nicht-Geschlossenheit der Welt betonen. In einer solchen Welt ist aber kein phantastischer Bruch im Sinne Ts möglich, weil ja von Anfang an keine Einheit gegeben ist. Damit sind wir von Anfang an in anderen Gefilden.

In diesen anderen Gefilden bin ich tendentiell meistens. Schon diese "geschlossene Welt" finde ich ja quatschig. Ein Text ist was endliches, geschlossenes (Ausnahme Endlosserie), auch das Leben ist endlich, aber DIE WELT und Wirklichkeit ists nicht. Bei diesem ganzen "Einheit und Geschlossenheit der Welt"-Denken wähne ich mit Verlaub eben vormodernes, womöglich religiös inspiriertes Offenbahrungswahrheits- oder z.B. platonisches Kosmosdenken. Für uns Menschen ist die Welt (ob Fiktion oder Wirklichkeit) eben immer offen und Stückwerk. Aber wir driften hier wirklich in die Bereiche Philosophie und Erkenntnistheorie. Das tut aber jede Phantastiktheorie imho automatisch. Also: Texte sind endliche Sprach/Schriftobjekte. Sie können geschlossene Welten vortäuschen (eher vormoderne Weltbilder), oder offene Welten (eher moderne, postmoderne). ALLE Erzählungen zehren von der echten Welt, ob Krimi, Milieuroman, oder Phantastik. Die Frage ist nur, ob eben die Flüchtigkeit, Gefährdetheit der Wirklichkeitserfahrung, bzw. Relativität verschiedener Wirklichkeitserfahrungen thematisiert wird, und wenn ja wie: mittels realistischer oder phantastischer Modi. Ganz nebenbei: Ein Ork der sich in einen Elf verliebt wäre z.B. ein Bruch von üblichen Fantasy-Realitätskonventionen, den selbst oberflächliche Kenner sofort bemerken würden. Muß los. Alex / molo

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