Am Ende der Leitung
#1
Geschrieben 03 Oktober 2008 - 11:58
Das hätte sich George Orwell nicht träumen lassen!
60 Jahre sind seit der Veröffentlichung von "1984" vergangen. Neue Schlagworte beherrschen die Diskussion der letzten Jahre: Vorratsdatenspeicherung, RFID, Bundestrojaner. Es war Zeit, (wieder einmal) den aktuellen Stand zum Thema Datenschutz und Überwachung zu betrachten und zu sehen, was Autoren heute zu diesem Themenumfeld sagen können, wollen und müssen.
Wo geht die Reise hin? In eine Zukunft, in der jeder alles über seine Mitmenschen weiß oder zumindest herausfinden kann, entweder weil jeder sowieso alles offenlegt, oder auch weil sich niemand den Überwachungsmechanismen entziehen kann? In eine Zukunft, in der jeder seine Privatsphäre ängstlich hütet, oder in eine Zukunft, in der es keine Privatsphäre mehr gibt? Was fangen Politik und Wirtschaft mit den neuen technischen Möglichkeiten an, und wie wird die Gesellschaft aussehen, in der wir dann alle leben dürfen - oder auch müssen?
Die Preisträger
Florian Bayer - EWE 1. Preis (500 Euro)
Reinhold Schrappeneder - Abteilung ÜBLDA 2. Preis (400 Euro)
Uwe Protsch - Null Punkte 3. Preis (300 Euro)
Die Anthologie:
ISBN 978-3-940445-35-3
Neben den drei Preisträgern sind folgende Autoren und Autorinnen mit ihren hervorragenden Beiträgen in der Anthologie vertreten:
Matthias Beirau - Der Besucher
Muna Bering - Ohne Blutvergiessen
Holger Dauer - Der kurze Sommer der Phantasie
Sascha Dickel - Panoptikum
Arno Endler - Meine Farbe ist Schwarz
Sarah Fiona Gahlen - Das Geheimnis
Reinhard Griebner - Dunkelmänner
Ulf Großmann - Verfahren
Katja Häuser - Kontrollierte Ahnungslosigkeit
Jürgen Hutschalik - Fünf
Mary Jirsak - Alles richtig
Carolin Keupp - Freie Meinungsäußerung
Michaela Kuich - Frau Mairand
Stephan Lack - Frittierte Belugas mit Ohren
Britta Martens - Sozialstaat 2200
Wendelin August Mayer - Digitale Blumen
Jochen Micknat - Pavels Hund
Markus Pausch - Sie sind nicht allein
Tobias Peterka - Tiamat 58A
Björn Schubert - Der Protokolleur
Achim Stößer - Der Imperativ von Brokkoli
Mirko Swatoch - Lauschangriff
Patricia Weidinger - Spiels noch einmal Sam
Felix Woitkowski - InEnerxy
Link: http://sf.quintessenz.at/
#2
Geschrieben 26 November 2008 - 00:39
Martin Stricker
Mitglied im Science-Fiction-Club Deutschland e. V. (SFCD)
Listen mit deutschsprachiger Science-Fiction
Science-Fiction-Rezensionen
#3
Geschrieben 29 November 2008 - 19:49
#4
Geschrieben 21 Dezember 2008 - 17:43
Bestes Beispiel dafür sind die drei Siegerstorys. Die habe ich mir zuerst vorgenommen, in der Hoffnung, gleich beim ersten Tauchgang fündig zu werden und mit einigen Perlen belohnt zu werden. Nichts da, jedenfalls nicht aus meiner eingeschränkten Sicht als SF-Leser.
Platz 3 belegt »Null Punkte« von Uwe Protsch: In dieser hypothetischen Zukunft werden alle Datenspuren eines Bürgers gesichtet, gewichtet und, wenn zu schwer (weil verdächtig) befunden, mit Punkten bewertet, welche die Menschen in vier Klassen unterteilt - in die »Akut Gefährlichen«, in die »Gefährder«, in die »Prüffälle« und, in unteren Bereich, in die »Unverdächtigen«. Weil sich jedoch Bürger mit null Punkten innerhalb eines bestimmten Zeitraums besonders verdächtig machen, werden die speziell unter die Lupe genommen - mit fatalen Folgen. Soweit so gut, eine hübsche Extrapolation heutiger Methoden. Etwas trocken, Handlung und Dialoge in Berichtsform, stilsicher, das Ende mit erhobenem Zeigefinger und voraussehbar, der Unterhaltungswert mässig, das Gedankenspiel immerhin interessant. Also durchaus lesenswert, ohne wirkliche Ansprüche ausser jenem, perfekt zum Thema zu passen.
Den zweiten Platz nimmt »Abteilung ÜBLDA« von Reinhold Schrappeneder ein: In dieser Erzählung nehmen Neuzugänge der Abteilung zur »Überwachung, Beeinflussung und Liquidierung dissidenter Autoren« an einem Fallbeispiel teil, das sie auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereiten soll. Die Geschichte, die darin (in der Geschichte) erzählt wird, ist kafkaesk verschachtelt und demonstrativ banal und ausufernd, »des Lesers Geduld soll (lässt der Autor seinen fiktiven Sprecher sagen) strapaziert werden durch langatmige Schilderungen, traktiert werden durch blumige Ausschmückungen †¦ ellenlange, unübersichtliche Schachtelsätze (einer umfasst 20 Zeilen!). Hier macht der Literat in Literatur. Wem†™s schmeckt, Mahlzeit!
Die Siegerstory schlieβlich, »EWE« von Florian Bayer: In diesem System der ganzheitlichen Überwachung (»Everybody watchs Everybody«) wird jedem Bürger ab 17 (bis zu seinem Tode) ein anonymer »Watcher« (verpflichtet bis 70 oder bis zur Ausübungsunfähigkeit) zugeteilt, der ihn, egal an welchem Ort und in welcher Situation, für 6 Stunden pro Tag zu überwachen und über seine Tätigkeiten zu rapportieren hat. Unter diesem Damoklesschwert herrschen Recht und Ordnung; Zitat: »Jede Form des Verbrechens war zurückgegangen, die Anzahl der geplanten und durchgeführten Terrorakte lag bei Null, Morde gab es keine mehr, ebenso wenig organisiertes Verbrechen. Die einzigen Delikte, von denen man hin und wieder hörte (!), waren spontane Körperverletzungen, impulsive Gewaltausbrüche und im allgemeinen Verbrechen, die der hin und wieder hervorkommenden triebgesteuerten Natur (†¦!) des Menschen geschuldet sind.«
Unser gesetzestreuer Protagonist - ein Journalist - wird verbotenerweise von seinem »Watcher« kontaktiert; dieser, durch seine Stellung selbst nicht überwacht und damit ausserhalb, bzw. über dem Gesetz stehend (?!), will, dass die Wahrheit über das System an die Öffentlichkeit kommt. Und worin besteht diese Wahrheit?
Die Rapporte, die jeder Bürger per Rohrpost (!) aus seiner Wohnung abschickt, werden in einer Sammelstelle automatisch, und ohne jemals gesichtet worden zu sein, in einer Verbrennungsanlage entsorgt (wie die Sache ausgeht, sei nicht verraten). Das System, so wird erklärt, beruhe auf reiner Abschreckung.
Nein, diese Erklärung reicht mir nicht. Das ist Unsinn. Wenn gewisse Übertretungen,Vergehen, Verbrechen nicht entdeckt, nicht gemeldet und daher auch nicht geahndet werden, fühlt sich der Täter alsbald zu weiteren Straftaten ermutigt. Sehr rasch spricht sich herum, dass die Überwachung ohne Konsequenzen bleibt. Ganz abgesehen von der anachronistischen, nur dem Effekt geschuldeten Rohrpostübermittlung ist schon die Idee, jede Person an jedem Ort (also auch im Badezimmer, bzw. auf der Toilette) per Kamera zu überwachen und selbst sein Liebesleben voyeuristisch vor dem »Watcher« auszubreiten, absurd. Das geht in einer Satire, aber nicht in einer durchaus ernst gemeinten Story wie dieser. Sorry.
Bei dieser Erzählung, muss ich leider anmerken, häufen sich, neben einigen Setzfehlern, die Interpunktionsfehler, ausserdem ist der Satz auf Seite 229 streckenweise so falsch und sinnentstellend, dass man die Akteure durcheinander bringt.
Trotz dieser ersten Enttäuschungen werde ich mir weitere Storys zu Gemüte führen, hoffentlich mit mehr Erfolg - wie »Panoptikum« von Sascha Dickel beweist, dem einzigen mir bekannten Autor in dieser Anthologie, der bereits in den VISIONEN 4 mit seiner Erzählung »Bio-Nostalgie« (1. Preis beim Telepolis-Wettbewerb) aufgefallen ist. In seiner neuen Story führt er die grassierende Sucht nach Selbstdarstellung im Netz und in den Medien, nach Veröffentlichung und Voyeurismus zu ihrem Extrem: dem Verlust jeder Privatsphäre. Glaubhaft und visionär! In meinen Augen ein viel besserer Kandidat für†™s Siegerpodest.
Mal sehen, was die Anthologie noch bereit hält.
NOVA - Das Deutsche Magazin für Science Fiction & Spekulation
VILLA FANTASTICA - Bibliothek für fantastische Literatur
#5
Geschrieben 25 Dezember 2008 - 17:54
Ein Mann, seines Zeichens Schriftsteller, ständig auf der Flucht vor den ausserirdischen Usurpatoren, den »Broccoli«, die jede Fiction (also auch seine Bücher) unter Strafe stellen, springt via Teleporter kreuz und quer durch die Welt - und zuletzt sogar in die Vergangenheit.
Der Autor spielt virtuos (aber auch etwas enervierend) auf der Klaviatur fremder Sprachen, exotischer Begriffe und protzt mit Fachwissen aller Art, ohne dass einem der Protagonist und die missliche Lage der Dinge wirklich nahe kommen. So verschenkt er grosses Potential an einem Experiment, das nur halb gelungen ist. Und das Korrektorat verschenkt Platz, weil jeder Absatz mit einer Leerzeile versehen ist; offenbar ein Übertragungsfehler von der Datei auf das PDF-Format.
Die Story hat mit dem vorgegebenen Thema der Anthologie nur sehr bedingt zu tun. Nebenbei bemerkt, der Titel kommt mir so bekannt vor. Hab ich ihn schon mal irgendwo gelesen, ist die Story gar ein Nachdruck? - Oder hab ich's nur geträumt?
Mehr zu den anderen Storys bei Gelegenheit...
NOVA - Das Deutsche Magazin für Science Fiction & Spekulation
VILLA FANTASTICA - Bibliothek für fantastische Literatur
#6
Geschrieben 29 Dezember 2008 - 16:53
Von den 27 Texten sind 3 Lyrik, 3 bis 4 keine SF(Bering [?], Micknat, Hutschalik und Mayer), da genausogut im Heute und Jetzt angesiedelt - wobei diese sich durch gediegenen Stil, resp. Erzählweise auszeichnen; von den restlichen 20 Storys sind, in positivem Sinn und aus der Sicht eines SF-Lesers, wirklich erwähnenswert: die eingangs genannte Story von Sascha Dickel, sowie Der kurze Sommer der Phantasie von Holger Dauer und Der Besucher von Matthias Beirau. Das ist eindeutig zu wenig!
Fast alle anderen Storys - ausgenommen (mit Einschränkungen) die von Protsch, Jirsak, Stöβer und Bayer - sind einfach nur schwach oder, schlimmer, ungenügend bis ärgerlich. Hier vier Beispiele für letzte Kategorie:
Verfahren von Ulf Groβmann: Stilistisch völlig ungenügend; »Anfängergeschreibsel« (wie a3kHH sich süffig ausdrückt). Monströse Wortgebilde: »Schnellaufwärtstransporter, Vollwertmahlzeittablette, Trockenspringbrunnen, Irisrechtlegitimation, Hausautoparkdecks, usw. usw.« Dazu eine platte Story. Das ist nicht wert, veröffentlicht zu werden. Wie zum Hohn weist der Verfasser auf »zahlreiche Veröffentlichungen« hin †¦ und darauf, dass er »Redakteur bei der Zeitschrift für Kunst und Literatur Ostragehege« sei (†¦)
Kontrollierte Ahnungslosigkeit von Katja Häuser: Stilistisch sehr schwach, um nicht zu sagen »primitiv«. Die Autorin meint wohl, wenn sie möglichst viele Versatzstücke der SF - oder was danach klingt oder was sie irgendwo aufgeschnappt hat - einfliessen lässt, sei das schon richtige Science Fiction: z.B. »Quantengenerator«; ja ja, die Quanten müssen für alles herhalten. Dazu versucht sie, in einer ernst gemeinten Story lustig zu sein, siehe Dialog mit dem Haushaltsroboter: »Ich warne dich! Wenn du wieder Stunden da drin bleibst, lasse ich dir deine Fortbewegungsrollen abmontieren, ist das klar?« - »Ja, Sir! Ihr Befehl, Sir!« Das ist einfach nur albern - und schlecht.
Spiel†™s noch einmal, Sam von Patricia Weidinger: Zusammenhanglos mit Handlungsbruch, platt, amateurhaft.
Sozialstaat von Britta Martens: Anglizismen en masse - »Ready-Snack, Relax-Wiese, Entertainment-Center, Hover-Boards, Solar-Bikes, Robot-Hovers, Fun-under-10-Area, Voice-Orders, Flying-Kiosk, Work-Search-Index, Voicer, usw.usw.« Allein das macht die Zukunft nicht glaubwürdiger. Warum schreibt die Autorin nicht gleich auf Englisch? Dazu noch stilistisch dürftig: »Vielleicht konnte der Junge ja seiner Verwirrung entgegensteuern« oder »Er genoss das verworrene Geräusch aus (†¦) und dem Rauschen der Wellen, das Menschen schon seit Jahrhunderten erzeugten, sobald sie sich an den Strand begaben.«
Nicht eben ärgerlich, aber eines Kommentars würdig, wären da noch:
Frittierte Belugas mit Ohren von Stephan Lack: Der ausgewiesene und erfolgreiche junge Dramatiker versucht sich hier an einem Lustspiel. Schuster bleib bei deinen Leisten.
InEnerxy von Felix Woitkowski: Unglaubwürdiges Szenario - »Und alles Geld, das ich (in wenigen Jahren im Knast) verdienen konnte, ging (der hohen Energiepreise wegen) für die Busfahrt drauf« und »Wenn bald der Strom, den es brauchte, um einen PC hochzufahren, schon mehr kostet, als ich auf absehbare Zeit verdiente †¦« Ausserdem ist eine lückenlose (aller Menschen) Informationssammlung durch einen Konzern schlichtweg undurchführbar, schon gar nicht, wenn man Aussendienstmitarbeiter auf jeden einzelnen ansetzen muss.
Fazit: Einer der schlechtesten KG-Bände, die ich kenne. Kein Lesefutter für SF-Liebhaber. Wenn die 27 Beiträge schon mehrheitlich so dürftig sind, wie schlimm müssen erst die restlichen 240 Einsendungen sein, sofern sie nicht aus formalen Gründen wie verfehlter Thematik ausgeschieden sind? Arme Juroren, armer Franzl!
Immerhin erfüllt die Anthologie den nützlichen Zweck, Otto Normalverbraucher - so man ihn denn erreicht - vor Augen zu führen, dass Science Fiction was anderes sein kann als Weltraumgeballere, blutrünstige Aliens und exotische Planeten. Das ist doch auch was wert!
NOVA - Das Deutsche Magazin für Science Fiction & Spekulation
VILLA FANTASTICA - Bibliothek für fantastische Literatur
#7
Geschrieben 29 Dezember 2008 - 17:36
Gerade hier auf SF-Netzwerk gibt es unter Autorenwerkstatt einen wahnsinnig spannenden Bereich, der für jeden (selbst arrivierten) Autor mehr als hilfreich ist. Eine weitere Möglichkeit, eigene Werke zu verbessern, ist Kurzgeschichten.de. Ganz abgesehen von Schriftsteller-Workshops wie Wolfenbüttel oder der von Uschi Zietsch. Im Vergleich zu der Zeit, in der ich aufgewachsen bin, gibt es keine Entschuldigung für einen Schriftsteller, handwerklich schlechte Geschichten zu veröffentlichen.»Anfängergeschreibsel« (wie a3kHH sich süffig ausdrückt)
Und selbst wenn nicht jeder an die literarische Qualität von Nova oder der Visionen herankommt, kann man heutzutage zumindestens gute Stories erwarten, eigentlich sogar durch Fans & Kollegen gegengecheckt. Ich tue dies jedenfalls. Und werde eigentlich selten enttäuscht.
#8
Geschrieben 29 Dezember 2008 - 20:10
Ohne hier eine Diskussion auslösen zu wollen und ganz losgelöst von Helmuths Kritik an "Am Ende der Leitung": Der zitierte Satz ist vollkommener Blödsinn. Autoren sind nur für die Qualität ihrer Geschichten verantwortlich, nie aber (natürlich außer Selbstverlag und DKZV, dann übernehmen sie aber Aufgaben eines Verlegers) für die Veröffentlichung einer schlechten Geschichte. Daran sind immer Herausgeber und Verleger schuld (Ja, wirklich!) und leider gibt es keine Herausgeberwerkstätten oder Seminare "Wie werde ich eine guter Herausgeber?" Einem Autor den schwarzen Peter zuzuschieben, weil eine schlechte Geschichte von ihm veröffentlicht wurde. geht völlig an der Sache vorbei. Ihn anzukreiden, dass er ein schlechtes Machwerk abgeliefert hat, ist vollkommen ok. Gruß, FelixIm Vergleich zu der Zeit, in der ich aufgewachsen bin, gibt es keine Entschuldigung für einen Schriftsteller, handwerklich schlechte Geschichten zu veröffentlichen.
Bearbeitet von Felix, 29 Dezember 2008 - 20:10.
#9
Geschrieben 30 Dezember 2008 - 04:44
Na, das ist wohl nur die halbe Wahrheit. Letztendlich steht der Autor für seine Geschichte und dann muss er auch mit der Konsequenz leben, wenn etwas schlechtes von ihm gedruckt wird. Ich gebe dir Recht insofern, er teilt sich die Schuld mit Verleger und Herausgeber, mehr nicht. Zu behaupten, an der Veröffentlichung sei der Autor nicht beteiligt, scheint mir doch ein wenig kurzgeschossen.Autoren sind nur für die Qualität ihrer Geschichten verantwortlich, nie aber (natürlich außer Selbstverlag und DKZV, dann übernehmen sie aber Aufgaben eines Verlegers) für die Veröffentlichung einer schlechten Geschichte.
http://defms.blogspo...blick-2023.html
#10
Geschrieben 30 Dezember 2008 - 11:49
NOVA - Das Deutsche Magazin für Science Fiction & Spekulation
VILLA FANTASTICA - Bibliothek für fantastische Literatur
#11
Geschrieben 30 Dezember 2008 - 12:01
??? Echt jetzt ? Habe ich so noch nicht gesehen, für mich war immer genau und eben nur der Autor derjenige welcher. Da muß ich drüber nachdenken.Autoren sind nur für die Qualität ihrer Geschichten verantwortlich, nie aber (natürlich außer Selbstverlag und DKZV, dann übernehmen sie aber Aufgaben eines Verlegers) für die Veröffentlichung einer schlechten Geschichte. Daran sind immer Herausgeber und Verleger schuld (Ja, wirklich!) und leider gibt es keine Herausgeberwerkstätten oder Seminare "Wie werde ich eine guter Herausgeber?"
#12
Geschrieben 03 Januar 2009 - 16:28
Ich schwanke zwischen "Nicht geschimpft ist wie wie gelobt" und "Da ist der Kelch wohl noch mal an mir vorbei gegangen".Von den 27 Texten sind 3 Lyrik, 3 bis 4 keine SF(Bering [?], Micknat, Hutschalik und Mayer), da genausogut im Heute und Jetzt angesiedelt - wobei diese sich durch gediegenen Stil, resp. Erzählweise auszeichnen; von den restlichen 20 Storys sind, in positivem Sinn und aus der Sicht eines SF-Lesers, wirklich erwähnenswert: die eingangs genannte Story von Sascha Dickel, sowie Der kurze Sommer der Phantasie von Holger Dauer und Der Besucher von Matthias Beirau. Das ist eindeutig zu wenig!
Der Verriss ist schon heftig. Ich sag trotzdem Danke für die positive Erwähnung. Immerhin, ich kann die eine oder andere Kritik gut nachvollziehen.
Man sollte aber bedenken, dass das Projekt hauptsächlich vom politischen Gedanken getragen wurde und die Science Fiction nur das tragende Medium darstellte. Das macht es aus Sicht des (Science Fiction -) Lesers nicht besser, aber vielleicht manches verständlicher. Vermutlich wird eine Reihe der Autoren bisher keinen oder nur geringen Kontakt zur Science Fiction gehabt haben. Nicht weiter verwunderlich, wenn dies der Qualität nicht unbedingt zuträglich war.
Als Mitautor der Anthologie steht es mir nicht zu, über die Qualität der anderen Autoren zu urteilen, allerdings steht es für mich auch außer Frage, dass der Autor stets selbst für die Qualität seiner Texte verantwortlich ist. Spätestens beim zweiten oder dritten Lesen fällt doch jedem selbst auf, ob die eigene Geschichte zur Veröffentlichung taugt oder nicht.
Den Anspruch an Verleger und Lektorat sollte man bei solch einem nicht-kommerziellen Projekt ebenfalls nicht zu hoch legen, allenfalls das großen persönliche Engagement loben. Trotzdem war - zumindest mein Kontakt - stets freundlich und professionell.
Für mich persönlich war die Teilnahme ein interessantes Erlebnis, dass ich bei Gelegenheit gerne wiederholen werde.
#13
Geschrieben 03 Januar 2009 - 16:49
Und? Wenn man das eine will, das andere aber nicht beherrscht, wird man das eine nicht erreichen.Man sollte aber bedenken, dass das Projekt hauptsächlich vom politischen Gedanken getragen wurde und die Science Fiction nur das tragende Medium darstellte.
Aber nur, wenn man die entsprechenden Kriterien hat, kennt und akzeptiert, die dafür notwendig sind. Dem ist leider im Regelfalle nicht so.Als Mitautor der Anthologie steht es mir nicht zu, über die Qualität der anderen Autoren zu urteilen, allerdings steht es für mich auch außer Frage, dass der Autor stets selbst für die Qualität seiner Texte verantwortlich ist. Spätestens beim zweiten oder dritten Lesen fällt doch jedem selbst auf, ob die eigene Geschichte zur Veröffentlichung taugt oder nicht.
Das Buch wird doch verkauft und nicht verschenkt, oder? Wer ernsthaft von Anderen erwartet, dass sie ihr Geld dafür ausgeben, muss sich gefallen lassen, an dem gleichen Anspruch gemessen zu werden wie ein "kommerzielles" Produkt. Und Engagement ist nett, aber für eine Bewertung irrelevant: Es zählt immer nur, "was hinten dabei herauskommt". Gut gewollt ist nicht gut gemacht.Den Anspruch an Verleger und Lektorat sollte man bei solch einem nicht-kommerziellen Projekt ebenfalls nicht zu hoch legen, allenfalls das großen persönliche Engagement loben.
Bearbeitet von Diboo, 03 Januar 2009 - 16:50.
"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)
"Anyone who doesn't fight for his own self-interest has volunteered to fight for someone else's."
(The Cynic's book of wisdom)
Mein Blog
#14
Geschrieben 05 Januar 2009 - 23:19
Ich denke das Ziel war primär auf die Situation der Bürgerrechte in der heutigen informationstechnogischen Gesellschaft und auf die Arbeit des Vereins aufmerksam zu machen.Und? Wenn man das eine will, das andere aber nicht beherrscht, wird man das eine nicht erreichen.
Ob das Ziel im Sinne des Vereins erreicht wurde, vermag ich nicht zu sagen, allerdings ist/war das Medienecho nach meinem Dafürhalten doch recht beachtlich.
Die Kritik richtete sich gegen "handwerklich schlechte Geschichten". Dieser schließe ich mich an. Nicht mehr.Aber nur, wenn man die entsprechenden Kriterien hat, kennt und akzeptiert, die dafür notwendig sind. Dem ist leider im Regelfalle nicht so.
Ich sehe trotzdem einen Unterschied zwischen einem kommerziellen (-> kommerz-orientierten) Buchprojekt und das aus einer Reihe von Gründen:Das Buch wird doch verkauft und nicht verschenkt, oder? Wer ernsthaft von Anderen erwartet, dass sie ihr Geld dafür ausgeben, muss sich gefallen lassen, an dem gleichen Anspruch gemessen zu werden wie ein "kommerzielles" Produkt. Und Engagement ist nett, aber für eine Bewertung irrelevant: Es zählt immer nur, "was hinten dabei herauskommt". Gut gewollt ist nicht gut gemacht.
Die Anthologie ist im Rahmen eines Wettbewerbes entstanden, insofern sind Herausgeber und Lektor an das Material gebunden, das eingesendet wird.
Sie dient der Publicity des Vereins, um einen Anreiz an junge Autoren zur Teilnahme zu bieten, generell als Kampagne des Vereins .. und mir fällt bestimmt noch einiges mehr ein, wenn ich noch ne Weile nachdenke. Gegen den kommerziellen Gedanken spricht übrigens auch der äußerst faire Preis für Autorenexemplare. Allerdings würde es mich auch freuen, wenn der Verein damit Geld für weitere Projekte verdient, denn genau dafür habe ich meinen Text zur Verfügung gestellt.
Mir ging es auch nicht darum, der - sicherlich berechtigten und fundierten - Kritik zu widersprechen. Ich wollte nur zu bedenken geben, dass die Messlatte vielleicht ein wenig anders anzulegen ist. Wenn beispielsweise Lyrik in der Ausschreibung ausdrücklich als erwünscht erwähnt wird, muss sich diese auch in der Anthologie wiederfinden, selbst wenn sie nur sehr schwer der SF zugerechnet werden kann. All das macht die Sache für Herausgeber und Lektor nicht einfacher.
Aus Sicht der SF ist der Band bestimmt weniger spannend als aus politischer.
P.S.:
Was mir allerdings Bauchschmerzen verursacht, ist die Aussage, dass "nur zählt, was hinten dabei herauskommt". Manchmal kann auch er Weg das Ziel sein und rechtfertigt diese Aussage eigentlich den Einsatz aller Mittel ? Immerhin hat mich das letzte Nacht zu einer KG inspiriert, die ich in den nächsten Tagen Wochen mal niederschreiben werde.
P.P.S:
Der Hauptgrund für meinen Beitrag war tatsächlich das Dankeschön für die positive Erwähnung meines Textes. denn darüber habe ich mich wirklich gefreut.
#15
Geschrieben 06 Januar 2009 - 04:03
Die 267 Einsendungen gingen in den Wettbewerb, Ablehnungen aus formalen Gründen waren da nicht mitgezählt. Insgesamt waren es knapp 300 Einsendungen. Es war alles dabei, vom politischen Traktat bis zum Aufsatz einer Schülerin. Die Qualität der Einsendungen hatte ein sehr breites Spektrum, es hätten aber durchaus noch weitere, andere Stories ins Buch kommen können - das lag dann an der Auswahl durch die Jury. Wie das Buch aus reiner SF-Sicht zu bewerten ist, kann ich nicht sagen, ich bin einfach zu nah am Buch, um hier neutral urteilen zu können. Ziel war es, die Themen Bürgerrechte, Überwachung und Datenschutz über SF zu transportieren, und diesen Zweck erfüllt das Buch. Mir wäre übrigens zumindest eine Story mit Weltraumgeballere, blutrünstigen Aliens oder exotischen Planeten durchaus recht gewesen, aber es wurden kaum welche eingesandt. Eine Story im Dialekt oder zumindest mit starkem Lokalkolorit gab es nicht. Ich persönlich habe als Projektleiter jedenfalls sehr viel dabei gelernt - dafür, daß es das erste Buch war, das ich herausgegeben habe, ist das Projekt aus meiner Sicht gut gelaufen: Der Zeitplan hat gehalten, das Buch ist erschienen und hat ein durchaus beachtliches Medienecho für die Themen unseres Vereins gebracht. Die Erstauflage ist bereits seit längerem vergriffen. Nicht zuletzt haben sich 300 Menschen aktiv mit dem Thema auseinandergesetzt, indem sie eine Story dazu verfaßt haben.Fazit: Einer der schlechtesten KG-Bände, die ich kenne. Kein Lesefutter für SF-Liebhaber. Wenn die 27 Beiträge schon mehrheitlich so dürftig sind, wie schlimm müssen erst die restlichen 240 Einsendungen sein, sofern sie nicht aus formalen Gründen wie verfehlter Thematik ausgeschieden sind? Arme Juroren, armer Franzl! Immerhin erfüllt die Anthologie den nützlichen Zweck, Otto Normalverbraucher - so man ihn denn erreicht - vor Augen zu führen, dass Science Fiction was anderes sein kann als Weltraumgeballere, blutrünstige Aliens und exotische Planeten. Das ist doch auch was wert!
#16
Geschrieben 09 Januar 2009 - 10:06
#17
Geschrieben 09 Januar 2009 - 10:28
Das sind für mich als potenziellen Käufer völlig irrelevante Überlegungen. Was interessiert mich, wie und woher die Herausgeber ihr Material akquirieren bzw. welche Hoffnung irgendein Verein in das Projekt setzt. Von dem fairen Preis für Autorenexemplare merke ich übrigens auch nichts. Ich sehe nur: Da will jemand 15 meiner hart erarbeiteten Euronen für eine mitteldicke SF-Anthologie haben, die Texte von mir überwiegend unbekannten Hobby-Autoren vereint. Für das Geld bekomme ich bei Heyne fast zwei dicke Brandhorst-Ziegelsteine, bei denen ich ein hohes schriftstellerisches Niveau erwarten kann. Nach den Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren mit derart "gut gemeinten" Anthos gemacht habe, (und nach dem Feedback von anderen versierten Lesern, auf deren Meinung ich sehr viel gebe) werde ich mir "Am Ende der Leitung" nicht auch noch antun. Gruß Ralf PS:Ich sehe trotzdem einen Unterschied zwischen einem kommerziellen (-> kommerz-orientierten) Buchprojekt und das aus einer Reihe von Gründen: Die Anthologie ist im Rahmen eines Wettbewerbes entstanden, insofern sind Herausgeber und Lektor an das Material gebunden, das eingesendet wird. Sie dient der Publicity des Vereins, um einen Anreiz an junge Autoren zur Teilnahme zu bieten, generell als Kampagne des Vereins .. und mir fällt bestimmt noch einiges mehr ein, wenn ich noch ne Weile nachdenke. Gegen den kommerziellen Gedanken spricht übrigens auch der äußerst faire Preis für Autorenexemplare.
Aber das Geld ist trotzdem weg. Mal was Grundsätzliches: Diese seltsame Trennung in Leser und Kritiker hat mich schon öfter verwundert. 1. Ich kenne niemanden hier, der für seine Rezensionen Geld erhält. Also weiß ich nicht, wen man hier ernsthaft als Kritiker bezeichnen kann. 2. Professionelle Literaturkritiker zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie die meisten Bücher eben nur an-, aber keinesfalls durchlesen. Dann kämen sie nämlich nicht mehr zum Kritikenschreiben. Und nur dafür (=fürs Schreiben) zahlen die Zeitungen Honorar. Nicht fürs Lesen. 3. Wer hier im Thread seine Meinung zu den einzelnen Geschichten äußert, hat sie auch gelesen. Und ist damit ein Leser. Und gleichzeitig ein Kritiker. Das schließt sich nämlich nicht zwingend aus. 4. Kunden, die ihre Meinung äußern, sollte man als Produzent ernst nehmen.Wenn es nicht gefällt, einfach nicht weiterlesen. Das ist natürlich ein Luxus, den sich ein Kritiker nicht leisten kann, alle anderen aber schon.
Bearbeitet von ShockWaveRider, 09 Januar 2009 - 10:41.
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ShockWaveRiders Kritiken aus München
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Denn er tut sich verbitten
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