Im Wurdack Verlag ist dieser Tage der sechste Band der Phantastik-Reihe Pandaimonion mit dem schönen Titel „Tod“ erschienen. Die Reihe ist ein echter Renner: Außer dem zweiten Band (warum eigentlich? Ich fand den klasse) und natürlich dem aktuellen sind alle weiteren Bücher inzwischen ausverkauft.
Pandaimonion VI - Tod
Band 6 der Phantastik-Reihe
herausgegeben von Ernst Wurdack
Paperback
8,95 Euro
ISBN 3-938065-17-6
Der Tod - geheimnisvoll kommt er daher, gierig streckt er seine Finger nach dem Leben aus. Ob verführerische Femme fatale oder sensenschwingender Kapuzenmann: Er hat viele Gesichter, fasziniert und ängstigt gleichermaßen. Eines Tages lernt ihn jeder von uns kennen. Und wenn er kommt, dann ist nichts mehr so, wie es war.
Doch ist er wirklich so unerbittlich und endgültig, wie die meisten von uns glauben? Nicht unbedingt, das zeigen die 27 phantastischen Geschichten in diesem Band, in denen sich alles nur um ihn dreht.
Spannend, humorvoll oder unheimlich schildern sie verschiedene Aspekte seines Wesens, lassen ihn als Künstler, Reiter, Barkeeper oder Geschäftsmann in Erscheinung treten. Interessante Einblicke in sein Reich werden gewährt und wir erfahren, was mit jenen geschieht, die versuchen, ihm ein Schnippchen zu schlagen.
Die Autoren:
Anja Labussek, Olaf Trint, Melanie Metzenthin, Sabine Y. Wolperth, Marion Feiler, Volker Ilse, Claudia Hornung, Marie Andrevsky, Gerda Mucker-Frimmel, Birgit Erwin, Manfred Lafrentz, M. H. Heyen, Wulf Dorn, Thomas Wawerka, Nadine Muriel, Niels-Arne Münch, Michael Erle, Matthäus Krol, Andreas Flögel, Andrea Tillmanns, Luzius Lenherr, Armin Rößler, Bernhard Weißbecker, Desirée Hoese, Rena Belzner, Thomas Kohlschmidt, Ute Walenski und Heidrun Jänchen.
Wie aufmerksame Leser feststellen, bin ich auch mit einer Story vertreten. Aus „Die Einladung“, so der Titel, gibt es deshalb jetzt eine kurze Leseprobe:
Die Gräfin sprach nicht mit mir und sie schaute sich auch nicht nach mir um. Sie ritt - zielstrebig, wie mir schien - durch die Landschaft. Dann hielt sie endlich doch an. Ich schloss die wenigen Meter auf und brachte mein Tier neben ihrem zum Stehen. Jetzt sah sie zu mir herüber und ich meinte fast, dass ihre Züge nun sanfter wirkten. Mit dem Verlassen des Hauses schien eine Last von ihr abgefallen zu sein. So kam es mir jedenfalls vor.
„Es ist herrlich“, sagte sie. Das war der euphorischste Satz, den ich bisher aus ihrem Mund vernommen hatte.
„Das ist es, Gräfin“, bestätigte ich.
Sie schaute zu Boden. „Nennt mich Anne, bitte“, überraschte sie mich. Das machte mich einige Sekunden sprachlos. Dann sagte ich: „Acton.“ Sie nickte, sprach mich aber nie mit meinem Vornamen an.
„Ich will Euch etwas zeigen“, sagte sie nach einer Pause, in der wir beide keine Worte gefunden hatten.
„Gern“, erklärte ich.
Wieder ritt sie voran und ich folgte ihr. Es ging über einige Hügel und Wiesen, bis wir uns einem Hain näherten, der sich schon aus der Ferne von den anderen Wäldchen zu unterscheiden schien. Ich kniff die Augen angestrengt zusammen, konnte aber nicht sagen, wie ich auf diesen Gedanken gekommen war. Möglicherweise standen die Bäume hier einfach ein wenig dichter, vielleicht lag es auch am intensiveren Grün ihrer Blätter. Eventuell bildete ich mir das alles aber auch nur ein.
Die Gräfin - Anne - hielt kurz vor dem Hain erneut an.
„Seid Ihr stark?“, fragte sie rätselhaft. Was sollte nun das bedeuten?
Ich nickte.
Die Bäume standen hier wirklich sehr dicht, doch ein schmaler Pfad führte zwischen ihnen hindurch, so dass wir auf unseren Pferden in den Hain hineinreiten konnten. Ich hatte meine Augen nur auf die junge Frau vor mir gerichtet. Was würde mich hier erwarten? Ich schrak zusammen, als ein Ast sanft meinen Oberarm streifte. Kopfschüttelnd rief ich mich selbst innerlich zur Ordnung.
Wir erreichten eine Lichtung, die fast genau in der Mitte des Hains lag. Obwohl es Mittag war und der Himmel wolkenlos, konnten die Strahlen der Sonne die hohen, stark belaubten Bäume kaum durchdringen. Das Zwielicht ließ mich frösteln. Es war kalt hier, ich fror.
Die Gräfin zügelte ihr Pferd mitten auf der Lichtung. Sie starrte geradeaus, direkt in die Bäume hinein. Ich blickte ebenfalls hin, konnte dort aber nichts Außergewöhnliches sehen. Einen Moment lang dachte ich allerdings, einen ungewöhnlich hohen Ton vernommen zu haben - ein Klang, als habe jemand kurz die Saite einer Harfe angezupft, dann aber doch beschlossen, das Instrument besser nicht zu spielen. Ich lauschte einer Einbildung nach, wie ich mir bald sagen musste, denn es war nichts dergleichen mehr zu hören.
„Seht Ihr sie?“, fragte die Gräfin da.
Ich schaute angestrengt hin, konnte aber immer noch nichts entdecken.
„Was meint Ihr?“, fragte ich verwundert.
Sie nahm mich überhaupt nicht mehr wahr, als sie leise vor sich hin murmelte: „Wie glücklich sie sind. Sie tanzen, sie spielen, sie singen. So frei. So frei. Und so glücklich.“
Ich hatte nicht die geringste Idee, von was sie redete. Ich konnte es mir in diesem Augenblick nur so erklären, dass das Schicksal dieser armen Frau einen bösen Streich spielte, indem es ihr etwas vorgaukelte, das sie gerne gesehen oder vielleicht selbst erlebt hätte. Ich starrte in die Bäume, ich sah sie an - jetzt erkannte ich, dass endlich ein zaghaftes Lächeln auf ihren Lippen lag. Nun, sie mochte sich einbilden, was sie wollte. Wenn es ihr dadurch besser ging, sollte mir das auch recht sein.
„Gehen wir“, sagte sie plötzlich und wendete ihr Pferd. Ich ritt ihr wieder hinterher, zurück zum Anwesen des Grafen. Sie erklärte mir nicht, ob sie enttäuscht darüber war, dass ich ihre vermeintliche Entdeckung nicht hatte teilen können.
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