In meiner liberalen Welt haben die Dinge alle genau den Wert, den jedes Individuum ihm individuell zuweist.
Ein solcher Satz kann einem aber auch ganz gemein auf die eigenen Zehen fallen.
Wer die meiste Knete kriegt, entscheidet sich bei den großen Bestseller-Verlagen sowieso nicht beim Text, sondern in der Werbe-Abteilung. Die gucken sich was aus, was sie mit entsprechendem Gedröhne zum Welt-Erfolg aufblasen können, und das tun sie dann auch, ohne Rücksicht auf Verluste.
Für diese Leute ist dein Text völlig irrelevant, deine Meinung interessiert nicht, dein Roman ist nichts als Rohmasse, in der sie ein gewisses Potential vermuten. Damit arbeiten sie. Sie kneten sie nach Belieben, formen und verändern sie. Die Namen, die du deinen Figuren gibst, der Titel deines Romans - nichts ist tabu. Und du hast das alles widerspruchslos hinzunehmen, denn erstens zahlen sie dir einen schönen großen Vorschuß, den dein Roman erstmal wieder reinbringen muß (samt Zinsen, versteht sich), ehe sie dir auch nur einen Penny Tantiemen zahlen. Zweitens bist du sofort weg vom Fenster, wenn du Sperenzchen machst. Widerstand wird nicht geduldet.
Mißerfolg ebenso wenig. Wenn Testleser und Test-Rezensenten "deinen" Roman trotz allem nicht entsprechend loben, lassen sie dich und dein Werk fallen wie eine heiße Kartoffel. Und nur wenn du viel Glück hast, verzichten sie darauf, deinen schönen Vorschuß in ein Darlehen mit Zins und Zinseszins umzufunktionieren. Im schlimmsten Fall zahlst du bis an dein Lebensende.
Wenn du sowas willst, mußt du als erstes lernen, in Englisch zu schreiben oder dir einen entsprechend guten Übersetzer suchen. Mit deutschen Texten kommst du in den internationalen Markt gar nicht erst rein.
Wem das zu zynisch klingt: willkommen in der Realität.
Das Verwertungsrecht ist eine Keule aus Schaumgummi. Selbst wer sich nach einer Abschätzung der Wühltische in den diversen Supermärkten mit absoluter Sicherheit ausrechnen kann, daß man ihn bei der Abrechnung der Tantiemen betrügt, muß das vor Gericht erstmal beweisen. Dazu braucht er konkrete Zahlen: Höhe der Druckauflage, Höhe der verkauften Auflage. Jeder Standard-Vertrag enthält irgendwo den Passus, daß der Verlag berechtigt ist, den nach einer gewissen Frist nicht verkauften Teil der Auflage zu verramschen. Der Verlag ist nicht verpflichtet, dem Autor Tantiemen für die Ramschware zu zahlen oder auch nur eine entsprechende Abrechnung vorzulegen. Der Autor kann Akteneinsicht verlangen, was ihm aber in der Praxis auch nichts nützt. Selbst wenn er entsprechende Kenntnisse in Buchhaltung hat, kann er nicht beweisen, daß die Zahlen, die man ihm vorsetzt, gefälscht sind. Immerhin kann man bei Büchern und Heften theoretisch noch über die Druckereien und deren Papierbedarf Rückschlüsse ziehen.
Bei e-books, noch dazu, wenn sie als e-mails verschickt werden, hört jede Kontrolle auf.
Dabei könnten sie enorm nützlich sein - wenn bloß nicht so viele Leute immer nur an sich und ihr Geld denken würden - Geld, Geld und nochmals Geld. Über die e-books könnten wir komplexes Wissen, komplexe Ideen praktisch zum Nulltarif global verbreiten. So manches geschwurbelt-wissenschaftliches Geschwätz würde sich unter den Augen einer globalen Öffentlichkeit als das entpuppen, was es in Wirklichkeit ist:
Egomanisches, wichtigtuerisches Affengeschnatter.
(Wohlgemerkt: Die Verlage, von denen ich hier rede, sind groß, global und arrogant. Das Buch an sich interessiert sie nicht. Ausdrücklich nicht gemeint sind die idealistischen Kleinverleger - zu denen ich ja auch gehöre...)