Jetzt habe ich mir das Buch auch noch einmal vorgenommen. Ich war verwundert, wie viele Fans anlässlich des Dahinscheidens der Autorin ausgerechnet diesen Roman als einen von Ursulas besten erwähnten. In meiner Erinnerung war das Buch relativ blass geblieben. Ich fand z.B. "Die Geißel des Himmels" wesentlich innovativer und interessanter. Andererseits: Ich konnte mich kaum noch an Details aus dem "Wort-Welt-Wald" erinnern. Da ich außerdem eine Lesekrise überwinden muss, dachte ich mir, eine Wiederholungslektüre würde gleich mehrere Fliegen auf einen Streich erschlagen, zumal hier auch gerade ein Lesezirkel stattfindet.
Ich habe jetzt die ersten vier Kapitel gelesen, also ziemlich genau die Hälfte. Im ersten Kapitel wird aus der Sicht des Fieslings Davidson das Setting gesetzt und der Konflikt begründet. Davidson ist ein sturer Offizier, der Gehorsam, Erfüllung seiner Mission und Verteidigung seiner Spezies und deren Interessen über alles stellt. Seine Mission lautet: möglichst viel Holz für die Erde ernten. Das kann er s.M.n. nur erreichen, wenn er die als rückständig und harmlos geltenden Eingeborenen ausbeutet. Auch als Hausangestellte. Doch nach einer Auseinandersetzung mit dem Eingeborenen Selver (dessen Name ihm natürlich nicht geläufig ist) rotten die Ureinwohner erst sich zusammen und dann die Menschensiedlung aus. Davidson entkommt nur knapp, obwohl ihn die Aufständischen schon überwältigt hatten und kurz davor standen, ihn zu töten.
Davidson ist ein Unsympath erster Güte. Es ist aber bemerkenswert und beängstigend, wie leicht LeGuin uns das eingeschränkte Weltbild und die rassistischen Gedanken dieses Typen vermittelt und wie leicht der Leser das nachvollziehen (wenngleich nicht billigen) kann. Außerdem wird klar, dass uns vieles, eigentlich alles von der Kultur der Ashtheans entgeht durch den verengten Blickwinkel dieses vernagelten Typen.
Im Subtext gibt es kritische Anklänge an Wildwest-Themen (die Eroberung und Ausbeutung neuer Lebensräume, die Verdrängung der Ureinwohner und ihrer Kultur, die mutigen Pionier-Männer, die die Wildnis zügeln und zivilisieren, bevor die Frauen nachziehen etc.). Auch wenn ich die vom Text vermittelten Werte und Ansichten LeGuins von ganzem Herzen teile - als Thema für einen SF-Roman finde ich es etwas platt. Zumindest im Vergleich zu anderen, wirklich herausragenden Romanen der Grand Dame.
tbc
Gruß
Ralf
Bearbeitet von ShockWaveRider, 21 Dezember 2018 - 14:17.