Dadaistin, on 26 Feb 2021 - 21:49, said:
Im Ernst: Wenn ein Genre gerade in Mode ist, aus welchen Gründen auch immer, wird es immer suboptimale Vertreter und Wellenmitschwimmer geben, aber das ändert weder etwas am Genre selbst, noch an seinen guten Vertretern und Werken.
Da irgendwelche Regeln aufstellen oder erdichten zu wollen, was denn nun "gute" und was "Kommerz-" Dystopie sein soll, halte ich für ebenso amüsant und entbehrlich wie ein "oh nein, der Mainstream hat ein Genre entdeckt, dass ich mag und jetzt wird es verwässert!" Wehklagen.
Das ist wie raunzenden Metal-Fans am Rande eines Festivals zuzuhören, die abwechseln diskutieren, was denn nun "TRUE" sei und was nicht, ehe sie zwei Bier später in einem
Genau. Auch gut zu beobachten in Autorenforen.
"Mainstream ist doof und primitiv." gemischt mit dem Seufzer, weshalb nicht die "wirklich guten" Bücher gekauft werden, also die eigenen oder die guter Freunde.
Dann folgt Phase 2, wenn es nämlich wirklich jemandem aus dem Forum gelingt, in die Bestsellerliste zu kommen und jahrelang voll im Trend zu schwimmen. Dann freut man sich nämlich nicht darüber, dass jetzt alle das gute Zeugs hören und offenbar bekehrt wurden, sondern man beschimpft es als kommerzialisiert und verraten.
Man muss sich halt entscheiden, ob man in Ruhe hinter der Dornenhecke vor der Welt verborgen mit ein paar Insidern schlummern möchte, oder ob der Prinz Dornröschchen knutscht und dann alle mit auf das schöne Schloss dürfen.
Wie war das: Alles, was man später als im Alter von 35 kennenlernt, ist Teufelszeug?
Uwe Post, on 27 Feb 2021 - 10:10, said:
Gerade die SF sollte mit "wir" nicht nur "ich und meine Blase" sondern "wir Terraner" denken.
Mir wird gerade klar, weshalb im deutschsprachigen Raum das Wort "Bubble" verwendet wird.
Besonders innerhalb des nicht gerade jugendlichen SF-Fandoms klingt "Ich und meine Blase" ganz wunderbar. 
Übrigens habe ich das Zitat ganz anders verstanden: Nämlich so, dass es gar nicht mehr um das Entwerfen einer realistischen Dystopie geht, um eine Warnung an die Gesellschaft, sondern dass die Dystopie nur eine Kulisse ist, in der Gegenwartsängste mit einem stur nach Lehrbuch konstruierten Plot (Action, Romance, Krimi oder alles kombiniert) gefällig als Unterhaltung inszeniert werden, um sich gut zu verkaufen (Autoren leben ja längst nicht mehr nur von netten Mäzenen).
Dieser Aussage stimme ich zu. Die wirklich interessanten Dystopien und Zukunftsvisionen mit neuen Blickwinkeln finden sich momentan verstärkt (nicht ausschließlich) in der Gegenwartsroman und werden von Menschen geschrieben, die bislang keine SF-Autoren waren oder nicht stark als solche aufgefallen sind (Oder jahrelang ihre Herkunft aus dem Rollenspieluniversum verborgen haben). Tom Hillenbrand, Kathleen Weise, Marc-Uwe Kling, Hans Rath, Ulrike Poznanski ... fallen mir spontan ein.
Das bereichert ungemein, finde ich.
Wo dagegen das Label "Dystopie" draufklebt, erwarte ich mittlerweile Zombies, verzweifelte Teenagerinnen, Gangs in zerfetzten Lederklamotten, etc.
Wobei meistens die Vorreiterinnen gar nicht schlecht sind ("Tribute von Panem", "Euer schönes Leben kotzt mich an" - das gibt es bald sogar als Neuauflage) und mich persönlich vor allem die späteren Romane langweilen, denen der Esprit fehlt (Möglicherweise, weil die Autorinnen harte Abgabetermine hatten, um den Trend nicht zu verpassen, da reift ein Roman nicht unbedingt gut.)