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Lesezirkel: "In andere Welten" [Anthologie]


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462 Antworten in diesem Thema

#271 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 07:26

Lieber Maximilian,

 

ich bin Psychologischer Psychotherapeut. Ich liebe diesen Beruf, weil ich vielen Menschen helfen kann und eine Menge authentische, herzerwärmende Begegnungen erleben darf.

Ja, das Zurasen auf die Deadlineklippen, vor denen uns oft nur eine Runde Bingecoding retten konnte, kenne ich auch. Das wahrhaft wilde Getümmel in den Spieleschmieden ist mir jedoch erspart geblieben.

Dein Entwurf für Etomi gefällt mir. Ich finde ihn minimalistisch, gut abgestimmt, stil- und stimmungsvoll, im besten Sinne handgemacht und ungerade. Deine Reflektion gefällt mir auch gut. Sie geht über das unmittelbar Sichtbare hinaus. So sollte es sein. Ob er für den Roman taugt, kann ich nicht sagen, weil ich den Text nicht kenne. Was ich aber sagen kann, ist, dass Dein Entwurf mir besser gefällt als das verwendete Cover, gleich, ob Erwachen oder Aufbruch. Warum nur immer dieser Collagenstil? Diese Technik hat einen bestimmten Sinn und sollte nicht wahllos angewendet werden. Die nachträgliche Angleichung der Farbwerte und Senkung der Kuppel ändern daran ja nicht so viel. Warum muss auch alles in demselben Bauhaus-Fonts geschrieben werden, der ja auch nicht sagenhaft originell ist?

 

Das Cover ist das erste, was die Menschen sehen. Das erste! Und es ist Teil eines Ganzen. Ich packe eine filigrane Glasfigur doch auch nicht in eine Käsedose. ;)



#272 Christian Hornstein

Christian Hornstein

    Giganaut

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 07:30

Interessant. Wo findest Du Humor in der Geschichte?

 

 

Hm. Das habe ich nicht beabsichtigt. Für mich war die Geschichte todernst.

 
Oha! Dann haben wir es mit unfreiwilliger Komik zu tun. Ein paar Beispiele:

 

Ein Vollautomat röhrte …

Von röhren spricht man, wenn jemand einen Laut von sich gibt, der an den Schrei eines brünstigen Hirsches erinnert. Die Erzählerinstanz verwendet das Verb zusätzlich im übertragenen Sinne, da Maschinen ja nicht wirklich schreien. Der Satz bedeutet also: Stelle Dir einen Kaffeeautomaten vor, der schreit wie ein brünstiger Hirsch. Für mich ist das eine tendenziell witzige Vorstellung.

 

Neben ihren äußeren Qualitäten …

Der sachliche Inhalt wäre „ihr gutes Aussehen“. Die Formulierung „äußere Qualitäten“ stellt eine Abstraktion und Distanzierung dar, die im Kontext unangemessen ist, weshalb diese übertrieben vornehm oder wissenschaftlich wirkt, was wiederum scherzhaft erscheint.

 

Leider ist dieser Bursche ausgebüxt …

Gemeint ist, dass der Außerirdische entflohen ist. Die fremde Kreatur wird jedoch als Bursche bezeichnet, womit hier die Bedeutung gemeint ist: ein Junge oder Mann, von dem man Missetaten erwartet. Es handelt sich aber nicht um einen Menschen. Die Vermenschlichung wirkt komisch. Dann sagt der Polizist auch noch ausgebüxt. Dieses Verb ist ein umgangssprachlicher und ausgewiesen scherzhafter Begriff.

 

Sie haben sie zum Fressen gern – im wahrsten Sinne des Wortes …

Es geht darum, dass der Bjakuda gerne Katzen frisst. Diesen Sachverhalt durch diese Redensart auszudrücken hat eindeutig scherzhaften Charakter.

 

Beatrice blinzelte und schrumpfte im Sessel …

Gemeint ist, dass die Frau in sich zusammensackt. Die Darstellung übertreibt und wenn man sich vorstellt, wie die Frau tatsächlich schrumpft und im großen Sessel verschwindet, hat das schon etwas Komisches.

 

Ach, Sie schauen Krimis?

Das ist eine spöttische, eindeutig witzig gemeinte Bemerkung.

 

Er reichte ihr schwungvoll seine Visitenkarte.

Das Schwungvolle wirkt übertrieben, denn es geht über eine rasche, flinke Bewegung hinaus und wird oft mit Enthusiasmus assoziiert, was im Kontext ironisch wirkt. Der Polizist macht sich über die Drohung der Frau lustig.

 

… und warf Alec einen Ausdruck an den Kopf, der den Tatbestand der Beamtenbeleidigung erfüllte.

Auch hier wird die Qualität des Ausdrucks abstrahierend und distanzierend umschrieben, was erneut scherzhaft wirkt.

 

… deren Nase zum Dosenöffnen getaugt hätte.

Man stelle sich vor, wie jemand mit seiner Hakennase eine Dose öffnet. Wer das nicht witzig findet …

 

Mein Kater hieß Eddie. Nach Poe.

Einem Haustier einen menschlichen Namen zu geben, gilt schon oft als lustig. Wenn es dann aber noch der Vorname eines berühmten Schriftstellers sein soll, der auch noch zum vertraulichen Eddie verniedlicht wurde, ja dann ist wohl zumindest ein Schmunzeln fällig.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 22 Dezember 2023 - 07:30.


#273 J. A. Hagen

J. A. Hagen

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 07:40

Hallo Christian,

 

danke, dass Du Dir die Zeit für eine ausführliche Erklärung genommen hast. Ich werde in Zukunft näher hinschauen bei den Ausdrücken, die ich verwende.

 

Das Schwungvolle wirkt übertrieben, denn es geht über eine rasche, flinke Bewegung hinaus und wird oft mit Enthusiasmus assoziiert, was im Kontext ironisch wirkt. Der Polizist macht sich über die Drohung der Frau lustig.

 

In dem Fall war es beabsichtigt.

 

Bei Vollautomaten habe ich nach einem Verb gesucht, welches das Geräusch annähernd beschreibt. "Brummen" wäre im Rückblick vermutlich besser gewesen. Zuerst kommt der helle, sirrende Ton der Kaffeemühle und dann das Dröhnen, sobald das Wasser durchläuft.


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#274 Helge

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 08:30

Ich fand es ganz und gar nicht schlimm, dass die Story mit einem humorigen Unterton daherkam; wirkliche Ernsthaftigkeit hätte zu der skurrilen Handlung überhaupt nicht gepasst.



#275 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 09:43

Ich fand es ganz und gar nicht schlimm, dass die Story mit einem humorigen Unterton daherkam; wirkliche Ernsthaftigkeit hätte zu der skurrilen Handlung überhaupt nicht gepasst.

 

 

Das denke ich auch. Ich bin nur eben "Team Ich will dieses Thema nicht", ansonsten fand ich die Geschichte gut. Und auch gut geschrieben.


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#276 Jol Rosenberg

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 10:32

Dem kann ich mich anschließen: Den Erzählton fand ich sehr gelungen. Gerade diese Art von Sprach-Humor ist eigentlich voll meins. Dass der Sprachwitz unintendiert war, gibt mir ja echt ... keine Ahnung, da fehlt mir ein Wort. Irgendwas Erstauntes einsetzen, bitte.

 

@Max: Ich glaube nicht, dass ein Verlag es witzig findet, wenn man nicht nur alle vorgeschlagenen Cover ablehnt, sondern dann auch noch meint, sie sollen die Person, die das Cover erstellt, ändern. Bislang hielt ich das nicht für eine zur Verfügung stehende Option.
Dass du meine Texte schätzt, freut mich natürlich sehr. Am Stil feile ich sehr, der ist mir wichtig.


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#277 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 10:34

Das Objekt

von Jonathan J. Anders

 

Manchmal glaube ich, dass die Bewohner der Schriftstellerszene in einen McDonald's gehen, dort einen Cheeseburger bestellen und sich dann wortgewaltig-inbrünstig darüber echauffieren, dass sie einen tatsächlich Cheeseburger bekamen und nicht etwa ein Filet Mignon mit Rotwein. Denn genau das ist Jonathan J. Anders' Objekt: Ein Cheeseburger. Schriftstellerischer Fast-Food mit hohem Verbrennungswert und wenig literarisch-kulinarischer Tiefe. Nichts Neues, nichts von Bedeutung, aber wenn man sich darauf einlässt, schmeckt er auch. Ein außerirdisches Objekt verschluckt eine Astronautin und beginnt mit ihrer Hilfe, Kontakt mit der Besatzung aufzunehmen. Während es zur typisch kryptischen Außerirdischen-Menschen-Kommunikation kommt (die eh selten interessant ausfällt, weil von Menschen geschrieben), mündet der zweite Erzählstrang zum guten alten Kräftemessen zwischen Amis und Chinesen - wobei ziemlich schnell deutlich wird, wer die Guten und wer die Bösen sind. Noch bevor die Geschichte aber eintönig werden kann, ist sie auch schon vorbei - mit einem netten Twist.

 

"Das Objekt" ist keine Geschichte, über die ich viel nachdenken werde oder kann, aber das will sie auch nicht sein. Für mich war sie ein zu Buchstaben zerdrückter Military-Sci-Fi, der ziemlich gleich klargemacht hat, was er ist und danach hielt, was er versprach. Genau das, was ich auch von guten Warhammer 40.000-, Battletech- oder Perry Rhodan-Romanen erwarte. Fast-Food eben.

 

 

Tatsächlich würde ich eine Anthologie mit lauter Cheeseburgern nicht kaufen. Und ich finde, es gibt viel, viel zu viele Cheeseburger in der SF-Szene. Viele davon voller zu bitterer Gewürzgurken oder es fehlt der Ketchup.

 

Nun habe ich das Bild bestimmt überstrapaziert. :-)

 

 

However, ich bin wirklich dankbar dafür, dass diese Anthologie eben NICHT nur Cheeseburger enthält und die Masse an Fast Food hielt sich auch wirklich in Grenzen, es ist eine richtig gute Anthologie!

 

Mir ist tatsächlich fast nie nach Cheeseburgern und eigentlich weiß ich auch, was ich kaufen und lesen muss, um Fast Food zu vermeiden.


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#278 J. A. Hagen

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 13:02

Manchmal glaube ich, dass die Bewohner der Schriftstellerszene in einen McDonald's gehen, dort einen Cheeseburger bestellen und sich dann wortgewaltig-inbrünstig darüber echauffieren, dass sie einen tatsächlich Cheeseburger bekamen und nicht etwa ein Filet Mignon mit Rotwein. Denn genau das ist Jonathan J. Anders' Objekt: Ein Cheeseburger. Schriftstellerischer Fast-Food mit hohem Verbrennungswert und wenig literarisch-kulinarischer Tiefe.

 

Das ist die Art Text mit Augenzwinkern, die ich schätze – vor allem bei einem Sachtext.

 

Maximilian,
ich hoffe, es gelingt Dir, einmal eine Kurzgeschichte in diesem Tonfall zu schreiben. Sie hätte allein deswegen einen hohen Unterhaltungswert.


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#279 Jol Rosenberg

Jol Rosenberg

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 13:23

Ich mag auch keine Cheeseburger. Schon gar nicht in Textform. Klischeehafterweise ist SF natürlich reine Cheeseburgeritis.


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#280 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 14:23

Das denke ich auch. Ich bin nur eben "Team Ich will dieses Thema nicht", ansonsten fand ich die Geschichte gut. Und auch gut geschrieben.

 

Welches Thema? Außerirdische in einem Men in Black-artigen Setting? Joa, das ist halt eine schwierige Gratwanderung. Ich finde aber, dass sie in dieser Geschichte auf bitterböse Art gelang.

 

 

 

Tatsächlich würde ich eine Anthologie mit lauter Cheeseburgern nicht kaufen. Und ich finde, es gibt viel, viel zu viele Cheeseburger in der SF-Szene. Viele davon voller zu bitterer Gewürzgurken oder es fehlt der Ketchup.

 

Nun habe ich das Bild bestimmt überstrapaziert. :-)

 

 

However, ich bin wirklich dankbar dafür, dass diese Anthologie eben NICHT nur Cheeseburger enthält und die Masse an Fast Food hielt sich auch wirklich in Grenzen, es ist eine richtig gute Anthologie!

 

Mir ist tatsächlich fast nie nach Cheeseburgern und eigentlich weiß ich auch, was ich kaufen und lesen muss, um Fast Food zu vermeiden.

 

Aber nein, überhaupt nicht. Du hast es witzig weitergetragen.

 

Und ja, ich stimme dir absolut zu: Nur Fast-Food verdirbt schließlich den Magen. Ich habe auch noch nie von einer Anthologie gehört, die voller Military-Sci-Fi ist (gibt da aber sicher in den USA tonnenweise davon), und würde sie auch nicht kaufen. Wäre mir schlicht die Zeit nicht wert. Ich muss leider zugeben, dass ich "Das Objekt" nicht gut genug fand, um es noch groß beleuchten zu können oder wollen. Im Vergleich zu den Geschichten, die noch folgten, war es bestenfalls literarisches Füllmaterial ... mit leider wenig, das ich jetzt daraus lernen oder interpretieren könnte. Heißt nicht, dass ich sie als schlecht empfunden hatte, aber ich hatte sie in gefühlt zehn Minuten durchgelesen und dann nicht einen Gedanken mehr daran verloren. Mir kam jetzt auch nicht das Gefühl, dass sie mehr von mir wollte.

 

"Das Objekt" ist halt das, was ich u.a. schon öfters von David Weber, Michael Stackpole oder Dan Abnett gelesen habe und da solche Themen ziemlich beliebt zu sein scheinen (ernsthaft, der durchschnittliche Warhammer 40K-"Space Marines zerballern böse Aliens"-Groschenroman verkauft sich teilweise so oft, dass er in Deutschland als absoluter Bestseller gelten würde), lasse ich ihr ihren Appeal und ihren Reiz. Da gab es mal einen lustigen Satz in einem Fanzine: "Dan Abnett wurde prominent, weil er ein Buch schrieb, in dem ein Typ 400 Seiten lang alles erschießt, was ihm vor die Laserpistole läuft."  :bighlaugh:


"Part Five: Boobytrap the stalemate button!"


#281 Jol Rosenberg

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 14:43

 

 

Welches Thema? Außerirdische in einem Men in Black-artigen Setting? Joa, das ist halt eine schwierige Gratwanderung. Ich finde aber, dass sie in dieser Geschichte auf bitterböse Art gelang.

 

Nee. Ein Mann nutzt Trick x oder Y um möglichst viele Frauen flachzulegen. (Das fand ich doch ziemlich eindeutig in Yvonnes Posts. Und mir geht es ähnlich, ich mag sowas auch nicht mehr lesen.)


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#282 Helge

Helge

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 14:57

Ich mag auch keine Cheeseburger. Schon gar nicht in Textform. Klischeehafterweise ist SF natürlich reine Cheeseburgeritis.

Da sind wir uns doch mal wieder einig; bei mir muss es literarisch auch entweder ein Nobelrestaurant sein oder möglichst exotische Spezialitäten. Es ist in der Fantastik aber wirklich nicht ganz einfach, die Leckerbissen zwischen all dem Fast Food zu finden. (Btw. Wenn es ums Essen geht, mag ich gelegentlich durchaus Cheeseburger. :devil:)


Bearbeitet von Helge, 22 Dezember 2023 - 14:58.


#283 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 15:10

Das ist die Art Text mit Augenzwinkern, die ich schätze – vor allem bei einem Sachtext.

 

Maximilian,
ich hoffe, es gelingt Dir, einmal eine Kurzgeschichte in diesem Tonfall zu schreiben. Sie hätte allein deswegen einen hohen Unterhaltungswert.

 

Joa, und da ist tatsächlich mein größtes Problem (falls dich das überhaupt interessiert, ich dränge mich nur sehr ungern anderen auf): Was Kurzgeschichten angeht, laufe ich seit etwa einem Jahr mit einem riesigen Fragezeichen über dem Kopf herum. Ich weiß gar nicht mehr, was ich kann und was nicht, wo ich gut bin und wo nicht ... oder ob ich es nicht einfach gleich sein lassen und wieder komplett ins Design zurückgehen sollte. Zuerst dachte ich noch, wenn ich viele verschiedene Genres durchprobiere oder mir Testleser mit maximal unterschiedlichen Backgrounds suche, dass ich vielleicht auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner komme, aber damals war ich noch so jung und naiv  :wink2:

 

Den einzigen konkreten Anhaltspunkt, den ich in den letzten paar Monaten hatte, war die BuCon, wo mich sogar noch zwei, drei Stunden nach der Lesung Leute aufgesucht haben und fragten, ob ich vielleicht einen Roman mit demselben Humor geschrieben hätte. Aber das ist alles, der Rest ein Irren im Nebel.

 

Dein Tipp, die Inquits zu reduzieren, ist daher einer der stärksten, die ich in den letzten Monaten bekam. Ich glaube, jeder Schriftsteller hat so ein paar Quirks, die er, sie es gar nicht mehr bemerkt und immer wieder mal ausgebügelt werden müssen.


"Part Five: Boobytrap the stalemate button!"


#284 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 15:18

Nee. Ein Mann nutzt Trick x oder Y um möglichst viele Frauen flachzulegen. (Das fand ich doch ziemlich eindeutig in Yvonnes Posts. Und mir geht es ähnlich, ich mag sowas auch nicht mehr lesen.)

 

Ich habe mir die vorangegangenen Rezensionen noch nicht durchgelesen, um mich nicht beeinflussen zu lassen. Ich kenne mich: Bei sowas bin ich anfällig, also lief bisher mit zugehaltenen Ohren und einem lauten "Lalala! Ich hör' euch nicht!" durch diese Teile des Threads.

 

Na ja, das Thema ist halt Barney Stinson: Jede Woche eine neue Masche für den Unterhaltungswert. Ich verstehe aber, wenn man dem nicht so viel abgewinnen kann. Das seit ist seit Jahrzehnten der Comedy "Monster of the Week". Allerdings wurde Barney Stinson in "How I Met Your Mother" als ein cooler Typ dargestellt, den man so ein bisschen für seine miesen Touren feiern sollte. J.A. Hagen zeigt hingegen deutlich, dass Alec und sein Helfer unglaublich bösartige, amoralische Persönlichkeiten und die wahren Antagonisten der Geschichte sind.


Bearbeitet von Maxmilian Wust, 22 Dezember 2023 - 15:30.

"Part Five: Boobytrap the stalemate button!"


#285 J. A. Hagen

J. A. Hagen

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 15:25

Ich weiß gar nicht mehr, was ich kann und was nicht, wo ich gut bin und wo nicht ... oder ob ich es nicht einfach gleich sein lassen und wieder komplett ins Design zurückgehen sollte.

 

Willkommen im Club. Ich kenne solche Phasen. Du solltest trotzdem dranbleiben.
Es gibt übrigens im Forum eine Schreibwerkstatt, falls Dich das interessiert.

 

https://scifinet.org...chreibwerkstatt

 

So, und jetzt gehe ich über die Feiertage in die internetfreie Zeit. Frohes Fest Euch allen!


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#286 Jol Rosenberg

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Geschrieben 22 Dezember 2023 - 15:33

Die Schreibwerkstatt läuft über Yvonne und Uwe Post. Ich hab gar keine Ahnung, wie die von außen aussieht.

 

Ansonsten kenn ich das Problem auch: Die Güte eigener Texte kann ich ganz schwer einschätzen.


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#287 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 23 Dezember 2023 - 06:27

Der Reiter

von Helge Lange

 

Der Reiter erzählt von der postkataklysmischen Variante des Topos eines auserwählten Schläfers, der erwacht und zum Retter wird. Es ist eine gut erzählte, runde Geschichte mit Einsprengsel berühmter Konzepte (z.B. Uplift/Brin, K-Objekte/Bewusstseinsspuren nach Carrington/Tiptree/Bradburry), mit ein paar unkonventionellen Ideen, eleganten Formulierungen und einem eigenen ansprechenden, wenn auch zuweilen etwas umständlichen Schreibstil (z.B. „Das brachte ihn zu der Erkenntnis dessen“ statt „Er erkannte“). Deshalb fällt es leicht über einige offene Fragen und Ungereimtheiten hinweg zu sehen:

 

Spoiler


Bearbeitet von Christian Hornstein, 23 Dezember 2023 - 07:02.


#288 Christian Hornstein

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Geschrieben 23 Dezember 2023 - 06:43

@Yvonne

 

Helge Lange: Der Reiter

 

...

Dann leistet die Story in einem Subplot etwas, das ich extrem selten in deutschsprachiger SF lese - es gibt eine sehr subtile, anti-rassistische oder mindestens anti-speziezistische Farbe, die seitens Yeldak sehr schön gelebt wird. (Ja, mir ist klar, es gibt solche Tropen bei uns, aber meistens sind sie doch sehr plakativ oder gehen irgendwie daneben). Das ist fast schon auf Expanse-Niveau, weil es sehr verfremdet geschieht und auf die in diesen Welten lebenden unterschiedlichen Menschen angepasst ist, und irgendwie auch noch das Pferd gedanklich mitnimmt. Und das, obwohl Yeldak sich selbst reflektiert und merkt, dass er nicht immer frei von Vorurteilen gewesen ist, nicht immer alle als Menschen angesehen hat. Er macht also während seiner Reise auf dem Pferd eine Entwicklung durch, überdenkt seine Glaubenssätze.

 

 

 

Gut, dann kehre ich noch mal zu Der Reiter zurück.

 

Der Reiter denkt an einer Stelle:

(Zitat:) "Er hatte die Leute in der Siedlung nicht als Menschen angesehen, sondern schien mit Menschen nur solche wie ihn zu meinen, die ursprüngliche Art"

 

Wir erfahren ja, dass es unterschiedliche Menschensorten (ich drücke das jetzt banaler aus als der Text) gibt. Ich lese das als verfremdeten Rassismus oder mindestens Speziesismus. Ähnlich wie bei The Expanse (dort gibt es Vorurteile zwischen Menschen terranischer, marsianischer Herkunft und Menschen vom Gürtel) ist es so verfremdet, dass sich niemand in unserer Alltagsrealität angesprochen fühlen muss. (Anders als bei einem Text in der letzten NOVA; da wurde einfach der Rassismus gegen asiatisch gelesene Menschen in neuen Kontext gesetzt, was nicht sehr gut gelungen ist aus meiner Sicht.) 

Der Reiter hat anfänglich auch die Sicht, dass seine eigene Art ihm wichtig ist, er die anderen nicht unbedingt als menschlich ansieht. 

 

Später aber, als er den Ort betritt, der nur für Menschen ist, sagt er:

"Ich will, dass auch das Pferd hier eintreten darf", sprach er die unsichtbare Stimme an. "Ach, was soll's, ich will, dass jeder hier rein darf."

Er hält auch im weiteren Dialog an seiner Stellung fest, obwohl er Gegenargumente erhält (Energie reicht nicht für Umstellung usw.).

 

Bzgl. der gelungenen Entwicklung des Reiters und der Verfremdung eines schwierigen Themas (was sehr gelungen ist, finde ich), hatten wir ja schon festgestellt, dass dem Autor das quasi "aus Versehen" passiert ist bzw. er das gar nicht wusste. Ich muss wohl abwarten, ob das außer mir noch jemand anderes entdeckt, es ist ja noch mit mehr Publikumsverkehr in diesem Lesezirkel zu rechnen.

 

Ich habe übrigens nicht wirklich gelesen, dass irgendwas nicht real war. Er vollbringt seinen Auftrag und wird neu geboren, erinnert sich aber vorerst nicht, aber seine Begleitung erinnert sich und es wird angedeutet, dass er zu gegebener Zeit noch davon erfahren wird. Ich finde die Story sehr stark. 

 

Wir erfahren ja, dass es unterschiedliche Menschensorten gibt.

Das ist nicht so. Im Text auf Seite 80 heißt es: „Er versuchte sich zu erinnern, ob er in der Stadt irgendeinen solchen Menschen gesehen hatte, doch da waren nur jene anderen gewesen, die vielleicht parallelen Evolutionslinien entstammten und wahrscheinlich menschlichem Zutun, so wie ein sprechendes Pferd.“ Auf derselben Seite sagt Vollmond auch, dass es auf der Erde keine Menschen mehr gibt.

 

 

Und das, obwohl Yeldak sich selbst reflektiert und merkt, dass er nicht immer frei von Vorurteilen gewesen ist, nicht immer alle als Menschen angesehen hat. Er macht also während seiner Reise auf dem Pferd eine Entwicklung durch, überdenkt seine Glaubenssätze.

Helge hat die Katze ja schon aus dem Sack gelassen. Die interessante Charakterentwicklung, die Du im Text siehst, beruht auf einem Missverständnis und ist dort nicht realisiert worden. Du machst sie fest an dem Zitat auf Seite 80:

Er hatte die Leute in der Siedlung nicht als Menschen angesehen, sondern schien mit Menschen nur solche wie ihn zu meinen, die ursprüngliche Art.

Mit „er“ ist aber Vollmond gemeint, nicht Yeldak.

Davor steht nämlich: „Das brachte ihn zu der Erkenntnis dessen, was Vollmond gerade gesagt hatte.“

Und Vollmond hatte gesagt:

„Du hast gestern erlebt, dass es nicht nur unter Menschen Arschlöcher gibt.“

Vollmond verweist auf die Ereignisse auf Seite 78 mit befellten, tierähnlichen Wesen.

Das ist doch spannend, wie durch einfache Missverständnisse weitreichende Interpretationen entstehen können. :)

 

Ich habe übrigens nicht wirklich gelesen, dass irgendwas nicht real war.

Auf Seite 85 ab „Irgendwann sagten sie ihm …“ wird klar, dass ein Teil von Yeldaks Wahrnehmung nicht der Realität entspricht. Es wird schon auf Seite 79 (Yeldak ist sich seines realen Körpers nicht bewusst, auch nicht seiner Waffe) und 81 (kurzer Dialog über Realität) angedeutet.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 23 Dezember 2023 - 06:59.


#289 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 23 Dezember 2023 - 06:57

@Jol

 

Helge Lange: Der Reiter

 

Wow, das habe ich wirklich genossen. Wie dieser Typ auf dem sprechenden Pferd durch die Wüste eiert, man schon ahnt, das kann nicht real sein. Besonders die Dialoge mit dem Pferd fand ich köstlich. Leider ebbt der Genuss im Laufe des Textes sehr ab, weil die Hauptfigur einfach nicht an Tiefe gewinnt. Die Szene in dem Dorf, das dann plötzlich zur Stadt wird, ist unnachvollziehbar und peinlich für mich. Und ab da ging es rapide bergab: Das riesige Haus ist noch atmosphärisch geschrieben, aber was die Person nun eigentlich dort soll und wieso sie dann die Ebenen wechselt, erschließt sich mir trotz Infodumps genausowenig wie warum dann die obligate (siehe oben) schöne blonde Frau erscheinen und den Mann versorgen muss (klar, anderes haben Frauen ja bekanntlich nicht zu tun).  Das, was ich verstanden habe (das ist nicht real), wird noch erklärt, was ich nicht verstehe, bleibt trotz Erklärung generisch. Schade. Wirklich schade. Da hätte mehr draus gemacht werden können. Und wieso muss der Bot dran glauben? Wir wissen es nicht.

...

Edit: Nun habe ich mal gelesen, was die anderen geschrieben haben. Spannend, Yvonne, dass du im Reiter noch einen Subplot entdeckst, der mir entgangen ist. Welcher mag das wohl sein? Und wie interpretierst du das Ende? Bei dem Text haben wir ja offenbar diametral entgegengesetzte Lesarten.

 

 

...

Was mich interessieren würde, wenn jemand sich darüber austauschen mag: Wie versteht ihr denn die Auflösung von "Der Reiter"? Also warum diese Simulation? Nur weil der Prota unglücklich war?

 

Das riesige Haus ist noch atmosphärisch geschrieben, aber was die Person nun eigentlich dort soll und wieso sie dann die Ebenen wechselt, erschließt sich mir trotz Infodumps genausowenig wie warum dann die obligate (siehe oben) schöne blonde Frau erscheinen und den Mann versorgen muss (klar, anderes haben Frauen ja bekanntlich nicht zu tun).

Ich weiß jetzt nicht genau, was Du mit Ebenen meinst. Die Frau könnte als eine potentielle zukünftige Partnerin gedacht sein. Schließlich wird Yeldak offenbar als Held verehrt und man hat ihm aus Dankbarkeit einen menschlichen Körper geschenkt. Weitere Wohltaten wären deshalb nicht überraschend. Ich stimme Dir jedoch zu, dass die attraktive Blondine als Entität, die einen in die neue Welt / Existenz einführt, als Klischee gelten kann.

 

Szene in dem Dorf, das dann plötzlich zur Stadt wird, ist unnachvollziehbar und peinlich für mich.

Helge hat sich sicher etwas dabei gedacht. Da ich die ganze Reise für unplausibel halte und auch keine Funktion dieser Reise entdecke, die nicht hätte anders und/oder besser implementiert werden können, müsste uns da Helge aufklären.

 

Wie dieser Typ auf dem sprechenden Pferd durch die Wüste eiert, man schon ahnt, das kann nicht real sein.
Wie versteht ihr denn die Auflösung von "Der Reiter"? Also warum diese Simulation? Nur weil der Prota unglücklich war?

Es ist nicht klar abgegrenzt, was real ist und was nicht. Wenn man sich eng an den Text hält und der Erinnerung auf Seite 85 folgt, dann sind lediglich Yeldaks Annahme und Selbstwahrnehmung, er habe einen menschlichen Körper, illusionär. Welchen Zweck diese Illusion genau hat, wird nicht explizit dargelegt. Die Fantasie der Leseri ist hier also relativ frei. Naheliegend ist natürlich, dass es um psychische Entlastung ging. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 23 Dezember 2023 - 06:57.


#290 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 23 Dezember 2023 - 07:08

Helge Lange: Der Reiter

...

Bei einigen Anmerkungen verstehe ich jedoch den Zweck nicht. So weist Vollmond Yeldak darauf hin, dass jener am rechten Unterarm eine Energiewaffe hat. Für die weitere Handlung ist das jedoch nicht wichtig.

...

 

Ich glaube, dieses Detail hat aus Autorensicht nur die Funktion, Yeldaks Erinnerungslücke und seine illusionäre Verkennung anzudeuten.
 


Der Reiter - Helge Lange
... Warum sollten Maschinen den Menschen wieder erschaffen wollen? Das wird mit keiner Silbe erklärt. Solche Dinge vermiesen mir dann die ganze Story. 

 

Wie Helge schon sagte, sind es ja die Uplift-Wesen, die das wollen. Aber ja, diese Frage habe ich mir auch gestellt. Helge meint ja:

Dass es ein Verlust ist, wenn eine Art (oder auch nur eine Haustierrasse) ausstirbt, sehen wir doch heute auch so - dafür habe ich keinen Erklärungsbedarf gesehen.

 

Mag sein, aber es würde ja nicht grundsätzlich jede Art wiedererschaffen, nur weil man es könnte. Das wäre auch unsinnig, denn es hat oft gute Gründe, warum in der Evolution Arten verloren gehen. Weitere Gründe, weshalb die Uplifts lieber die Finger von den Menschen lassen wollen könnten, habe ich ja weiter oben erwähnt. Davon auszugehen, dass alle auf uns folgenden Wesen selbstverständlich daran interessiert wären, uns wieder zu erschaffen, eine Spezies, die den Planeten samt allem was darauf kreucht und fleucht (beinahe?) in den Abgrund geschoben hat, hielte ich für anthropozentrischen Artenchauvinismus. Wir sind ja trotz unserer sozialen Ader, trotz all unserer Potentiale und Wundertaten leider auch das feindseligste, grausamste und gefährlichste Geschöpf auf dem Planeten.
 


Bearbeitet von Christian Hornstein, 23 Dezember 2023 - 07:31.


#291 Christian Hornstein

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Geschrieben 23 Dezember 2023 - 07:38

Die Anspruchsvollen
von Moritz Boltz

Eine in Szeneschnipsel nicht linear erzählte Geschichte einer tragischen Vater-Tochter-Beziehung, die mit Dialogen ein dysfunktionales Verhaltens- und Denkmuster darlegt und den SF-Kontext, soweit ich die Geschichte richtig verstanden habe, nicht gebraucht hätte.



#292 Christian Hornstein

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Geschrieben 23 Dezember 2023 - 08:57

Zu "Die Anspruchsvollen" fiel mir noch ein: Der Beginn des Dialoges klingt, als würde der Vater ein Gedicht rezitieren und ich frage mich, was das soll. Hat jemand hier eine Idee?

 
Ja, der Eindruck von Gedicht kommt vor allem dadurch, dass das Wort "fast" ganz ans Ende gesetzt wird:

Denkst du an mich oder das Plakat in deinem alten Zimmer, das glänzt, wie ein Spiegel fast?

 

Wenn man es vor das "wie" setzt, wirkt es schon anders.

Denkst du an mich oder das Plakat in deinem alten Zimmer, das glänzt, fast wie ein Spiegel?

 

Ich glaube der Effekt war ungewollt. Streng genommen steht das Relativpronomen in diesem Fall ungünstig, denn Plakat und Zimmer stimmen in Anzahl und Genus überein, so könnte sich "das" formal auf "Zimmer" beziehen, was wohl nicht gemeint ist. Der Autor wollte aber hier vielleicht eine lange attributive Konstruktion umgehen der Art:

Denkst du an mich oder das fast wie ein Spiegel glänzende Plakat in deinem alten Zimmer?

 

Ich hätte vielleicht folgende Variante gewählt:

Denkst du an mich? Oder an das glänzende, fast spiegelnde Plakat in deinem alten Zimmer?

 

Die zwei Partizipien werden kompakter zum attributiven Adjektiv, das leichte Stolpern wird vermieden, das dadurch entstand, dass sich beide Optionen ein "an" teilen mussten, und die Alternativen werden deutlicher herausgearbeitet.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 23 Dezember 2023 - 11:05.


#293 Jol Rosenberg

Jol Rosenberg

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Geschrieben 23 Dezember 2023 - 10:28

Christian, vielen Dank für deine ausführlichen Anmerkungen. Daraus kann ich auch gut lesen, wie du den Reiter interpretiert hast. Du gehst von einem Roboterwesen in einer realen Welt aus, das diese und die eigene Natur teilweise verkennt. Interessant. Ich ging von einem wirklichen Menschen aus, der aber nicht mehr körperlich anwesend ist und darüber nicht wirklich Bescheid weiß. Ich ging von einer Simulation aus. Das liegt schon sehr nah beieinander, aber das Ende wirkt dann natürlich sehr verschieden. Wenn du davon ausgehst, dass der Prota einen zwar physischen, aber nicht menschlichen Körper hat, dann er gibt das Ende Sinn. Ich habe meine Interpretation nicht zu einem sinnvollen Ende verhelfen können.

 

Interessant auch, dass Yvonne den Text so grandios findet, weil sie ihn an einer Stelle missversteht. Jedenfalls aus unserer beider Sicht.

 

Bei "Die Anspruchsvollen" finde ich interessant, dass du meinst, es brauche die SF-Komponente nicht. Funktioniert das für dich auch ohne die Simulation? Wenn man die Frage als zentral sieht, ob Kinder für die Versorgung ihrer sehr destruktiven Eltern aufkommen sollten und psychisch weiter für sie da sein sollten, dann hast du wohl recht.


Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/

 

Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen

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#294 Christian Hornstein

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Geschrieben 23 Dezember 2023 - 11:03

Ja, ich habe den Text von "Der Reiter" so interpretiert, dass es sich um ein klassisches Mind-Upload-Paradigma handeln soll: Der Geist des Menschen wurde real "gespeichert" und in einen Maschinenkörper geladen.

 

Ich habe das Narrativ zu "Die Anspruchsvollen" so interpretiert, dass der Vater irgendwann zu einer Gefahr geworden und interniert worden ist, vielleicht auf einer Art forensischen Station. Dort ermöglicht man es den Menschen, in einer ihren Bedürfnissen entsprechenden Scheinwelt (die Simulation) zu leben, was eine Auffassung von Fürsorge sein kann, oder hingegen von Abschiebung, oder …

Zum Schluss scheint der Vater auf einer normalen Pflegestation zu sein. Ob er auch da Zugang zu einer Simulation hat ist unklar. Die erwachsene Eva besitzt die Vollmacht, Entscheidungen für ihren Vater zu treffen, die in diesem Setting relevant sind. Ob sie diese Vollmacht abgeben könnte oder sollte, das wird nirgends ernsthaft angesprochen, weshalb ich dieses Thema in dem Text nicht als behandelt ansehe. Eva entscheidet sich ihren Vater aufzuwecken. Was das genau bedeutet, wird nicht expliziert. So bleibt der Fantasie der Leseri überlassen, welchen Schluss diese Geschichte hat. Das Wecken könnte bedeuten, dass eine letzte Gelegenheit zur Versöhnung wahrgenommen wird, oder dass der Vater aus seiner Simulation gerissen und ihm aus Rache die harte Realität zugemutet wird, oder …

Für die Schilderung der hier zwischen Tochter und Vater vorliegenden Dynamik und der entsprechenden Konflikte, hätten wir keine SF-Elemente gebraucht. Sollte dies doch der Fall sein, könnte uns der Autor einen Hinweis geben.



#295 Jol Rosenberg

Jol Rosenberg

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Geschrieben 23 Dezember 2023 - 15:34

Ah okay. Ich nahm an, er werde aus Geldmangel verlegt. Immer wieder spannend, wie verschieden Leute Texte lesen. Die zentrale Frage ist für mich die, ob so eine Simulation eine Gnade wäre oder eben nicht, und die finde ich dann schon eine Frage, die die SF braucht.


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#296 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 23 Dezember 2023 - 18:37

Ja, diese Frage kann in der SF am besten behandelt werden. In "Die Anspruchsvollen" wird aus meiner Sicht aber auch diese Frage nicht ernsthaft behandelt.



#297 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 25 Dezember 2023 - 10:49

Die Reisenden
von Sophie Fendel

Im Zentrum dieser klassischen Erstkontakt-Geschichte steht lange eine konflikthafte, aber wenig zugkräftige Mutter-Tochter-Beziehung, die auch wenig mit dem Erstkontakt selbst zu tun hat. Die meisten Figuren bleiben blass, zum einen, weil es für eine Kurzgeschichte recht viele sind, nämlich acht Stück, die zudem wenig plastisch wirken, zum anderen, weil ihre Rolle für die Handlung wenig einflussreich ist und weil sie wenig Unterhaltungswert bieten. Der gut lesbare Sprachfluss bleibt von so einigen stilistischen Schnitzern ungetrübt. 

Spoiler
Die Kommunikation zwischen Besatzung und Fremden und die Entscheidungsfindung an Bord hätten mehr Plausibilisierung vertragen können und der Anthropozentrismus wäre mit weniger bekannten Exoperspektiven überraschender und eindrucksvoller in Frage gestellt worden, vielleicht sogar mit einer Prise Humor.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 25 Dezember 2023 - 10:50.


#298 Rezensionsnerdista

Rezensionsnerdista

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Geschrieben 25 Dezember 2023 - 15:21

 

 

Interessant auch, dass Yvonne den Text so grandios findet, weil sie ihn an einer Stelle missversteht. Jedenfalls aus unserer beider Sicht.

 

 

 

Was zu beweisen wäre :-)

 

Eigentlich dachte ich, die Perspektive wäre klar die des Reiters. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass die plötzlich zum Pferd springt, ich war schließlich nicht in einem Text von Aiki Mira, da gehört es ja schon zu their Markenzeichen, Head Hopping zu betreiben.

 

However, ich finde den Text auch immer noch gut, falls es wirklich das Pferd war - trotzdem ist es ja der Reiter, der später verlangt, alle mögen Zugang haben, nicht nur Menschen wie er.

 

Was aber viele andere Aspekte betrifft, gebe ich zu, Hinweise übersehen zu haben. Die machen den Text für mich aber eher noch interessanter und besser als sowieso schon.


Podcast: Literatunnat

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  • • (Film) gerade gesehen: The Whale, Everything everywhere at once, Zurück in die Zukunft III

#299 Helge

Helge

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Geschrieben 25 Dezember 2023 - 15:54

Nun muss ich mich doch nochmal selbst äußern - ich bin echt verblüfft, wieviel man an der Story missverstehen kann.

Also erstmal: Ja, die Perspektive ist immer ganz klar beim Reiter, nie beim Pferd. (Hier kann ich jetzt selbst nicht mehr nachvollziehen, wer da was auf welche Weise falsch verstanden hat.)

Die Handlung ist so, wie Christian sie ganz richtig verstanden hat: Der Protagonist war nach seinem Tod in der marsianischen Station gespeichert, wurde viel später zur Erde transferiert und bekam einen Roboterkörper, und weil er mit dem nicht leben wollte, hat man ihm die Erinnerung an und die Erkenntnis seines Roboterkörpers genommen, damit er seine wichtige Aufgabe erfüllt.

@Jol: Mit der erwähnten Stadt war natürlich nicht das Dorf, sondern die Stadt mit dem Raumhafen gemeint, aus der der Reiter und das Pferd nun mal gekommen waren und wohin sie ja auch wieder zurück wollten. Dass man in dem Dorf keinen neuen Roboter hätte bekommen können, war ja ohnehin klar.


Bearbeitet von Helge, 25 Dezember 2023 - 15:59.


#300 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

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Geschrieben 25 Dezember 2023 - 21:03

Ich hoffe, ihr hattet alle ein frohes Fest!

 

 

Von meiner Seite aus weiter im Text:

 

 

Der Reiter

von Helge Lang

 

Und gleich die nächste Perle. "Der Reiter" erinnerte mich zuerst stark an "Der Dunkle Turm" oder noch viel mehr an "Blame!": Ein Wanderer, der mit Menschen spricht, die sich nach ihrem Tod auf Maschinen / Tiere hochgeladen haben, sucht nach Genen, um die Menschheit zu retten – statt Killy und Cibo sind es nun Reiter und Pferd. Das Seltsamste daran aber ist: Ich glaube, Helge Lang hat "Blame!" nie gelesen und die Parallelen sind tatsächlich reiner Zufall.

 

Die Geschichte ist interessant, tiefgängig und angenehm kurzweilig. Absolut asymptomatisch geschrieben (was aus meiner Sicht von Fertigkeit zeugt), wird es eigentlich nie langweilig und wechselt gut durchdacht zwischen Szenen, Action, erzählerischen Erinnerungen, um am Ende noch ein Schiff des Theseus draufzusetzen. Ich hatte auch das Gefühl, zusammen mit dem Reiter am Ende einer beschwerlichen Reise zu sein und habe die Implikationen in den Details genossen.

 

Zudem: Die Idee, was in einem Upload-Universum geschieht, wenn es zu einer Apokalypse / einem Massensterben kommt, ist noch angenehm frisch und eigentlich einen eigenen Roman wert. Das einzige, mir bekannte Medium, dass sich damit mal auseinander gesetzt hat, ist das Videospiel Soma.

 

 

Der sensible Planet

von Christian Hornstein

 

Seit ich für Anthologien schreibe, lese ich in der Science-fiction nur sehr selten Geschichten, die sich von der szenischen Erzählweise wegtrauen. Umso mehr gefällt es mir, dass es mal jemand versucht und dann eigentlich auch noch ganz gut. Das Ende ging mir leider etwas zu schnell, die Lösung fiel zu leicht. Da hätte vielleicht die Detailgenauigkeit einer Szene geholfen. Ebenso finde ich das Thema am Ende unglaublich interessant und hätte mir da gerne noch so 20 Seiten dran gewünscht:

 

Spoiler

 

Der Stil ist samtig, die Geschichte leichtgängig. Ich musste jetzt erneut kein einziges Mal absetzen und habe nie leergelesen.


Bearbeitet von Maxmilian Wust, 26 Dezember 2023 - 02:07.

"Part Five: Boobytrap the stalemate button!"



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