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Lesezirkel: "In andere Welten" [Anthologie]


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462 Antworten in diesem Thema

#301 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 25 Dezember 2023 - 22:29

Lieber Maximilian,

 

vielen Dank für Dein Lob. :)

 

Auch Du hast Dir etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht und ich kann es verstehen. Besonders wenn Du die Implikationen des Phänomens andenkst, tun sich natürlich viele Entwicklungsmöglichkeiten auf. Diese Prämisse könnte sicherlich in so manche Richtung vertieft werden. Es gibt z.B.

Spoiler


Bearbeitet von Christian Hornstein, 25 Dezember 2023 - 22:33.


#302 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 25 Dezember 2023 - 22:34

Ein Augenblick im Kuun
von Kornelia Schmid

Trotz ein paar kleiner Holperchen im Korrektorat und Lektorat und einem leicht verwirrenden Anfang (z.B. „während sie ihn betrachtete“, dessen Identität erst viele Sätze später erahnt werden kann) wird eine ordentlich formulierte Geschichte erzählt von einer Herrscherin, die erst versteht, worum es bei einer bestimmten Entscheidung geht, nachdem sie im wahrsten Sinne in die Haut eines Untertans versetzt worden ist, und

Spoiler
Diese klassische (und vielleicht etwas naive) Prämisse hätte den fantastischen Rahmen nicht unbedingt gebraucht und die Dramaturgie von mehr Fallhöhe profitiert. Die Hauptfigur wirkt etwas melodramatisch (und nicht nur wegen des häufigen „oh“) und manches Wort passt nicht so ganz zum exotischen Setting (z.B. Blaster, hacken, Parkplatz).


Bearbeitet von Christian Hornstein, 25 Dezember 2023 - 22:35.


#303 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

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Geschrieben 25 Dezember 2023 - 22:53

Mal was zum Wesen der Anthologie, und zwar aus einer Sicht, mit der ich mich jetzt bald 20 Jahre lang beschäftigen musste: Dem Marketing.

 

Ja, seelenlos, ich weiß, aber in dem Sumpf sitze ich schon so lange, dass ich ihn wie eine Brille aufhabe. Also, vor der Brille, die ich ohnehin schon tragen muss  :wink2:

 

In den letzten drei Jahren, seit ich meine Texte in Anthologien veröffentliche, habe ich etwa dreißig davon durchgelesen ... und mich bei gut 60-70% davon gefragt, für wen sie eigentlich zusammengestellt wurden. Die Geschichten waren dabei alles andere als schlecht, oft lehrreich, teilweise sogar richtig gut – aber einfach viel zu oft nicht für den gewöhnlichen Leser gemacht. So gegen Anfang-Mitte 2023 habe ich mir dann Zielgruppendefinitionen aus den USA und Deutschland angesehen und bekam das Gefühl, dass die für besagte Anthologien entweder nicht gelesen oder übergangen wurden und sie eher für andere Autoren und die freien Rezensisten konzipiert worden sind. Als das waren sie durchaus hochwertig, aber eher Haute Couture: Kunst für Künstler.

 

Das ist an sich nicht schlecht. Ich mag Haute Couture. Ich liebe es, wenn mich ein Werk durch unerwartete Gedanken, individuelle Schreibtechniken oder, was weiß ich, eigenwillige Tricks in der Junktur aufweckt (mein Guilty Pleasure). Aber ich bin keine Zielgruppe. Autoren sind keine Zielgruppe! Schriftsteller haben so viel gelesen, dass sie den Standard längst als Wiederholung oder sogar als Arbeit empfinden und aufgrund ihrer Leseroutinen so einige Juwelen im Text gar nicht mehr erkennen. Ich genieße abstrakte Kunst, weil ich mich jahrelang an Hyperrealismus, Concept Art und dergleichen satt gesehen habe und weil ich es im Studium hunderte Male auf Pinseltechniken und Grundierung analysieren musste, bis ich keine Blumengedecke oder Faltenwürfe mehr sehen konnte. Nicht aber Otto und Ingrid Normalkonsument. 

 

Der Großteil der Konsumenten interessiert sich nicht für den Laufsteg, sondern kauft seine Hosen im C&A, bezahlt im Großen ausschließlich für Poster- und Concept Art und mag nach wie vor den Cheeseburger aus dem Schnellfressrestaurant. Und was den Lesegeschmack angeht, bevorzugt er lineare Unterhaltung. Oder um es wieder in Kunstmalerei auszudrücken: Die allermeisten Menschen klicken eher bei einem schön aquarellierten Rosenstrauß oder einer guten NSFW-Interpretation von Nicole Watterson auf Like. Oder wichtiger: auf den PayPal-Link.

 

Unterhaltung auf diesem Level liefert "In andere Welten", mehr als so ziemlich jede andere Anthologie der letzten paar Jahre. Die Zielgruppe ist hier klar definiert: Sci-Fi-Konsumenten, die lediglich einen Teil ihrer Freizeit ins Lesen investierten (selten mehr als eine Stunde am Tag) und daher Kontext vor Content bevorzugen; mit überdurchschnittlicher Intelligenz, weshalb sie keine Belehrungen, aber gerne einen tiefgehenden Kerngedanken wünschen – der aber auch nur eröffnet und nicht essayartig abgehandelt werden soll. Gerne mit ein bisschen Action, gerne bissig, mit Witz (ich zitiere hier von einem ehemaligen Lektor von Games Workshop). Ein spontan explodierender Kopf muss nur am Rande Sinn ergeben, solange er hookt.

 

Diese Philosophie erkennt man in den "anderen Welten" aus meiner Sicht nicht nur an der Abfolge der Texte, also wie sich Stimmungen und Erzählgeschwindigkeiten zwar ablösen, aber immer nah an der vorhergehenden oder der nachfolgenden Geschichte bleiben – sprich: kein Stil mit dem anderen bricht –, sondern auch an allen anderen Details: Dem Cover, der Haptik, der Icon-geführten Absätze und sogar an der verfluchten Spationierung. Der Leser stand stets im Vordergrund.

 

Ich persönlich hätte wahrscheinlich eine andere Geschichte an den Anfang gestellt, aber auch sie funktioniert. Das tun sie im Moment noch alle (ich bin aktuell bei der Hälfte) und dieses Gefühl hatte ich bisher nur bei "Alien: Contagium" und "Der Tod kommt auf Zahnrädern".

 

Von daher würde mich sehr interessieren, wie sich die Anthologie zahlentechnisch macht.

 

Und warum Christoph Grimm nicht mitgemacht hat. Kaum jemand aus der BuCon-Szene versteht sich IMHO dermaßen auf zielgruppenorientiertes Schreiben wie er. "In andere Welten" wäre für ihn ein Heimspiel gewesen.


Bearbeitet von Maxmilian Wust, 26 Dezember 2023 - 04:16.

"Part Five: Boobytrap the stalemate button!"


#304 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

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Geschrieben 25 Dezember 2023 - 22:58

Lieber Maximilian,

 

vielen Dank für Dein Lob. :)

 

Auch Du hast Dir etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht und ich kann es verstehen. Besonders wenn Du die Implikationen des Phänomens andenkst, tun sich natürlich viele Entwicklungsmöglichkeiten auf. Diese Prämisse könnte sicherlich in so manche Richtung vertieft werden. Es gibt z.B.

Spoiler

 

Oh, danke für die Ausführung. Sowas ist für mich immer gutes Futter. Darf ich noch mehr Fragen stellen oder magst du das nicht so gern, wenn das World Building schon abgeschlossen ist?

 

Hast du schon mal überlegt, diese Geschichte zum Roman zu machen? Ich könnte mir dieses Thema unglaublich interessant vorstellen. So ein bisschen wie "Annihilation" (der Roman, nicht die grauenvolle Verfilmung!), nur mit eher föderalistischer, endosymbiotischer Aussage.


Bearbeitet von Maxmilian Wust, 25 Dezember 2023 - 23:05.

"Part Five: Boobytrap the stalemate button!"


#305 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 26 Dezember 2023 - 10:10

Mal was zum Wesen der Anthologie, und zwar aus einer Sicht, mit der ich mich jetzt bald 20 Jahre lang beschäftigen musste: Dem Marketing.

 

Ja, seelenlos, ich weiß, aber in dem Sumpf sitze ich schon so lange, dass ich ihn wie eine Brille aufhabe. Also, vor der Brille, die ich ohnehin schon tragen muss  :wink2:

 

In den letzten drei Jahren, seit ich meine Texte in Anthologien veröffentliche, habe ich etwa dreißig davon durchgelesen ... und mich bei gut 60-70% davon gefragt, für wen sie eigentlich zusammengestellt wurden. Die Geschichten waren dabei alles andere als schlecht, oft lehrreich, teilweise sogar richtig gut – aber einfach viel zu oft nicht für den gewöhnlichen Leser gemacht. So gegen Anfang-Mitte 2023 habe ich mir dann Zielgruppendefinitionen aus den USA und Deutschland angesehen und bekam das Gefühl, dass die für besagte Anthologien entweder nicht gelesen oder übergangen wurden und sie eher für andere Autoren und die freien Rezensisten konzipiert worden sind. Als das waren sie durchaus hochwertig, aber eher Haute Couture: Kunst für Künstler.

 

Das ist an sich nicht schlecht. Ich mag Haute Couture. Ich liebe es, wenn mich ein Werk durch unerwartete Gedanken, individuelle Schreibtechniken oder, was weiß ich, eigenwillige Tricks in der Junktur aufweckt (mein Guilty Pleasure). Aber ich bin keine Zielgruppe. Autoren sind keine Zielgruppe! Schriftsteller haben so viel gelesen, dass sie den Standard längst als Wiederholung oder sogar als Arbeit empfinden und aufgrund ihrer Leseroutinen so einige Juwelen im Text gar nicht mehr erkennen. Ich genieße abstrakte Kunst, weil ich mich jahrelang an Hyperrealismus, Concept Art und dergleichen satt gesehen habe und weil ich es im Studium hunderte Male auf Pinseltechniken und Grundierung analysieren musste, bis ich keine Blumengedecke oder Faltenwürfe mehr sehen konnte. Nicht aber Otto und Ingrid Normalkonsument. 

 

Der Großteil der Konsumenten interessiert sich nicht für den Laufsteg, sondern kauft seine Hosen im C&A, bezahlt im Großen ausschließlich für Poster- und Concept Art und mag nach wie vor den Cheeseburger aus dem Schnellfressrestaurant. Und was den Lesegeschmack angeht, bevorzugt er lineare Unterhaltung. Oder um es wieder in Kunstmalerei auszudrücken: Die allermeisten Menschen klicken eher bei einem schön aquarellierten Rosenstrauß oder einer guten NSFW-Interpretation von Nicole Watterson auf Like. Oder wichtiger: auf den PayPal-Link.

 

Unterhaltung auf diesem Level liefert "In andere Welten", mehr als so ziemlich jede andere Anthologie der letzten paar Jahre. Die Zielgruppe ist hier klar definiert: Sci-Fi-Konsumenten, die lediglich einen Teil ihrer Freizeit ins Lesen investierten (selten mehr als eine Stunde am Tag) und daher Kontext vor Content bevorzugen; mit überdurchschnittlicher Intelligenz, weshalb sie keine Belehrungen, aber gerne einen tiefgehenden Kerngedanken wünschen – der aber auch nur eröffnet und nicht essayartig abgehandelt werden soll. Gerne mit ein bisschen Action, gerne bissig, mit Witz (ich zitiere hier von einem ehemaligen Lektor von Games Workshop). Ein spontan explodierender Kopf muss nur am Rande Sinn ergeben, solange er hookt.

 

Diese Philosophie erkennt man in den "anderen Welten" aus meiner Sicht nicht nur an der Abfolge der Texte, also wie sich Stimmungen und Erzählgeschwindigkeiten zwar ablösen, aber immer nah an der vorhergehenden oder der nachfolgenden Geschichte bleiben – sprich: kein Stil mit dem anderen bricht –, sondern auch an allen anderen Details: Dem Cover, der Haptik, der Icon-geführten Absätze und sogar an der verfluchten Spationierung. Der Leser stand stets im Vordergrund.

 

Ich persönlich hätte wahrscheinlich eine andere Geschichte an den Anfang gestellt, aber auch sie funktioniert. Das tun sie im Moment noch alle (ich bin aktuell bei der Hälfte) und dieses Gefühl hatte ich bisher nur bei "Alien: Contagium" und "Der Tod kommt auf Zahnrädern".

 

Von daher würde mich sehr interessieren, wie sich die Anthologie zahlentechnisch macht.

 

Und warum Christoph Grimm nicht mitgemacht hat. Kaum jemand aus der BuCon-Szene versteht sich IMHO dermaßen auf zielgruppenorientiertes Schreiben wie er. "In andere Welten" wäre für ihn ein Heimspiel gewesen.

 

Da bist Du mir ja glatt zuvorgekommen. ;)

 

Genau dieses Thema wollte ich demnächst hier auch nochmal aufgreifen, nachdem wir in einem anderen Thread dazu schon ein paar Gedanken ausgetauscht haben. Die Frage nach der Zielgruppe halte ich für elementar, auch wenn sie unbeliebt ist, denn für mich ist klar, dass ein narrativer Text Kommunikation ist und wenn die Botschaft ankommen soll, muss der Text zun den Lesenden passen. Das Kunstvolle an solchen Texten ist mir durchaus wichtig, aber wenn nur ein Prozent der Menschheit etwas damit anfangen kann, stellt sich für mich die Sinnfrage.

 

Ich versuche Bedeutsames inhaltlich und künstlerisch innovativ zu vermitteln und dabei die Erwartungen und Möglichkeiten der Lesenden zu berücksichtigen. Das ist eine schwierige Gradwanderung, die aber durchaus gelingen kann, wie manche Texte und Filme bewiesen haben.

 

Wir haben im anderen Thread u.a. festgestellt, dass deutsche SF-Kurzgeschichten öfter weniger originell sind. Das ist natürlich auch den Herausgebenden nicht entgangen. Manche strukturelle oder stilistische Schwächen wohl auch nicht. Dennoch sind diese Geschichten veröffentlicht worden. Den Aussagen der Magazinherausgeber, die sich im dortigen Thread bislang dazu geäußert haben, war zu entnehmen, dass man nicht ewig warten möchte/kann, bis man eine nennenswerte Anzahl an herausragenden Texten beisammen hat. Das ist ein durchaus einleuchtendes Argument. So war es auch folgerichtig, dass Uwe meinte, vielleicht sollte man den Autori mal eine entsprechende Rückmeldung geben, was wir ja hier tun. Ich glaube auch, dass wir Autori uns beraten und Gedanken machen sollten, was wir eigentlich wollen, und wie wir das am besten erreichen könnten. Ansonsten ist der Status Quo vielleicht eher so zu sehen, dass es den Herausgeberi auch viel darum geht, neuen Stimmen eine Chance zu geben, was ja sehr sympathisch und auch nötig ist.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 26 Dezember 2023 - 10:54.


#306 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 26 Dezember 2023 - 10:51

Oh, danke für die Ausführung. Sowas ist für mich immer gutes Futter. Darf ich noch mehr Fragen stellen oder magst du das nicht so gern, wenn das World Building schon abgeschlossen ist?

 

Hast du schon mal überlegt, diese Geschichte zum Roman zu machen? Ich könnte mir dieses Thema unglaublich interessant vorstellen. So ein bisschen wie "Annihilation" (der Roman, nicht die grauenvolle Verfilmung!), nur mit eher föderalistischer, endosymbiotischer Aussage.

 
Du kannst mir gerne jede Menge Fragen stellen und mir Deine Überlegungen mitteilen. Ich schreibe solche Geschichten ja auch, um in einen Austausch zu kommen. Die Gedanken, die Inhalte, um die es in meinen Geschichten geht, sind nie abgeschlosssen.

Natürlich könnte man aus der Idee einen Roman machen, sogar eine Serie. Das hatte ich aber usprünglich nicht vor zu verfolgen. Ich kenne mich mit der Southern-Reach-Trilogie von VanderMeer nicht so gut aus. Soweit ich sagen kann, weist sie ein paar Parallelen mit meiner Geschichte auf, geht aber eher in Richtung New Weird, wohingegen ich mehr der Hard SF zuneige. Bei VanderMeer ist offenbar die spezielle Variante der Atmosphäre von Unbestimmtheit angesichts des Unbegreiflichen zentral, was New Weird erklärt und auch bei mir ein wichtiges Element ist. Ich glaube, das lässt sich auch über Hard SF machen, nur anders. Der wesentliche Unterschied liegt natürlich in den psychologisch-sozialen Implikationen der symbiotischen Grundlage und die bei mir mitgehende Gesellschaftskritik.

Übrigens: Bei der Ausgabe von Antje Kunstmann (nicht die von Knaur) soll der Einband (schönes passendes Naturbild) im Dunkeln fluoreszieren (!) und ein schwarzes Tagebuch mit weißen Buchecken umfassen. Wohlgemerkt (für die, die das Buch nicht kennen): Nicht als Gimmick, sondern weil es zum Inhalt passt (das Tagebuch einer Biologin, die eine seltsam vertraute und doch veränderte Natur beschreibt). Yearh, man! That's the spirit.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 26 Dezember 2023 - 10:59.


#307 Jol Rosenberg

Jol Rosenberg

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Geschrieben 26 Dezember 2023 - 11:27

Nun muss ich mich doch nochmal selbst äußern - ich bin echt verblüfft, wieviel man an der Story missverstehen kann.

Also erstmal: Ja, die Perspektive ist immer ganz klar beim Reiter, nie beim Pferd. (Hier kann ich jetzt selbst nicht mehr nachvollziehen, wer da was auf welche Weise falsch verstanden hat.)

Die Handlung ist so, wie Christian sie ganz richtig verstanden hat: Der Protagonist war nach seinem Tod in der marsianischen Station gespeichert, wurde viel später zur Erde transferiert und bekam einen Roboterkörper, und weil er mit dem nicht leben wollte, hat man ihm die Erinnerung an und die Erkenntnis seines Roboterkörpers genommen, damit er seine wichtige Aufgabe erfüllt.

@Jol: Mit der erwähnten Stadt war natürlich nicht das Dorf, sondern die Stadt mit dem Raumhafen gemeint, aus der der Reiter und das Pferd nun mal gekommen waren und wohin sie ja auch wieder zurück wollten. Dass man in dem Dorf keinen neuen Roboter hätte bekommen können, war ja ohnehin klar.

 

Danke. Da hatte ich die Geschichte offenbar grundlegend anders verstanden als intendiert. Einen Perspektivwechsel zum Pferd habe ich aber auch nicht gesehen.

 

Die Frage nach der Zielgruppe finde ich auch spannend. Wer liest eigentlich Anthologien? Und was erwarten diese Personen? Nach dem Verkaufsrang auf Amazon scheint mir auf jeden Fall, dass die beiden Verleger hier etwas sehr richtig machen.


Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/

 

Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen

  • (Buch) gerade am lesen:Schildmaid
  • (Buch) als nächstes geplant:Empfindungsfähig
  • • (Film) gerade gesehen: Paradise
  • • (Film) als nächstes geplant: nope

#308 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

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Geschrieben 26 Dezember 2023 - 22:00

@ Jol:

Tatsächlich plane ich seit etwa drei Wochen, dazu einen Artikel zu schreiben, der sich mal ganz kühl mit den Zahlen, der Marktsättigung und den Zugriffen beschäftigt (wobei ich noch nicht weiß, wer im belletristischen Bereich so einen Wirtschaftskram veröffentlichen würde). Die Queer-SF-Szene ist hierbei noch am zugänglichsten, bei allen anderen musst du entweder im Auftrag eines wirklich guten Verlagshauses unterwegs oder selbst einen großen Namen haben. Was ich natürlich verstehe: Man wünscht sich praktisch einen Einblick in die innerste Maschinerie. Sollte ich aber was Konkretes finden, teile ich es gerne.

 

@Christian Hornstein:

Ich persönlich liebe New Weird, Weird-Fiction und Weird-Fantasy. Als ich 1999 zufällig über "Planescape: Torment" gestolpert bin, dachte ich mir, sollte ich jemals Autor werden, mein Fachgebiet Weird-Fiction sein wird  :wink2: Deshalb warte ich auch schon seit 2021 auf eine Weird-Fiction-Anthologie, in die ich mich irgendwie hineingraben kann. Grundlegend kann dieses Genre aber durchaus auch ohne Ungewissheit auskommen und einen mehr soziopolitischen Gedanken verfolgen.

 

Hierbei sehr gut, aber leider nicht empfehlenswert wäre die Videospiel-Serie "Zeno Clash", die in einem Settingmix aus Familie Feuerstein, Stone- und Steampunk spielt (einem wirklich guten). Sprich: Eine Gesellschaft, die Schusswaffen und Sprengstoff, Biopunk-artige Eugenik, aber noch nicht einmal Metallurgie entwickelt hat. Wobei die Writer und Designer diese Limitationen wirklich gut zu nutzen wussten (und sich mal nicht aztekisch orientiert haben). Während sich das Spiel leider nicht besonders gut spielt (ursprünglich war es eine Half-Life 2-Mod), stellt es aber auf wirklich interessante Art die Frage, wie man eine Gesellschaft zum Besseren verändern kann. Die Antwort bleibt dabei eher vage (also selbstinterpretierbar), geht aber Grundlegenden in die Richtung: Mit viel Geduld, friedlichen Ansätzen und nur über Generationen. Im Sinne des Olivenbaums, dessen Säer nicht unter seinem Schatten sitzen können wird, um die Zeitgenossen von Cleisthenes zu zitieren. Gleichzeitig stellt es (als Prügelspiel!) die Frage, wie ein Kreislauf der Gewalt durchbrochen werden kann.

 

Im Nachhinein fand ich diese Philosophie, gerade im modernen Kontext, recht faszinierend.

 

 

However: Ha! Das ist auch einer der Hauptgründe, warum ich wieder mit dem Schreiben angefangen habe: Theorycrafting! Dein Setting eines sensiblen Planeten ist so eines, in dem ich mir vorstellen könnte, dass man darin eine Rollenspiel-Kampagne leitet bzw. man noch weit mehr Geschichten erzählen kann (zumal es auch über ein Kollektivbewusstsein hinausgeht und einen weit diffizileren Charakter hat). Das ist dann der Punkt, wo ich es zerlegen kann.

 

Ich werde die Tage mal meine Gedanken zusammenfassen und bin gespannt, was du dir ausgedacht hast. Du kannst übrigens auch einfach sagen, dass es dir eher um die soziale Komponente als das World Building ging. Nicht jeder entwirft seine Welten so, dass man darin rein nach Theorie einen Videospielcharakter herumlaufen lassen könnte.


"Part Five: Boobytrap the stalemate button!"


#309 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 27 Dezember 2023 - 09:26

Familienhilfe

von Jol Rosenberg

 

An diesem Text wurde lange gefeilt, was ich ihm anmerke. Das ist schön. Lediglich an ein oder zwei Stellen knarzt es ein wenig. Auch der viele leise Humor und die aufmerksamen Beobachtungen haben mich angesprochen, ebenso die Maschinenperspektive, auch wenn sie optimiert werden könnte. Die Distanz ist dabei kein grundsätzliches Problem. Man kann sogar mit einer sogenannten Camera Eye-Perspektive große Nähe und starke Emotionen evozieren. Vor allem Filme haben dies bewiesen. Die Probleme dieses Textes liegen woanders.

Die Fallhöhe bleibt gering und wird leider, kaum dass sie erhöht wurde, sogleich wieder reduziert: Falls G3E versagt, käme sie wieder ins Bergwerk … ach nein, da sind ja schon die Folgemodelle. Dann würde sie eben demontiert … ach nein, das ist unwahrscheinlich, weil ethisch noch fragwürdiger als die Abschiebung zurück ins Bergwerk.

Die auf den Inhalt bezogene Spannung stagniert auf niedrigem Niveau. Die Situation ist zwar bedrückend, aber es gibt kaum Entwicklung, so dass die Gewöhnung daran nach ein paar Seiten greift. Der Humor, die gelungene Maschinenperspektive, die sensiblen Beschreibungen dürften als alleinige Anreize nur für ganz spezielle Zielgruppen ausreichend sein. Wichtig ist ja, dass der Text alle wesentlichen Goodies bereithält, die der Zielgruppe schmecken und die sie erwartet. Ich habe Zweifel, ob das hier so ganz passt. Das Story Grid System von Shawn Coyne hat diesen Aspekt speziell für Genres ausführlich herausgearbeitet, wobei ich bei diesem Ansatz auch den Normierungsalarm auslösen würde.

Das gleiche gilt für die Prämisse. Wenn die Zielgruppe hier ein großes Fragezeichen trägt oder in eine ganz andere Richtung läuft, dann bedarf es einer Anpassung.

Mein Problem mit der Prämisse in Familienhilfe ist mehr inhaltlicher Natur. Ich hatte folgende konstruiert: Eine wohlmeinende, sehr bemühte, konstruktive, jedoch unzureichend ausgebildete, von außen nicht unterstützte und dadurch extrem ineffiziente Maschine richtet nur wenig aus, obwohl sie über fast unbegrenzte zeitliche und energetische Ressourcen verfügt. Aufgrund der Trivialität dieser Anschauung war ich verunsichert. War diese Botschaft wirklich intendiert?

Ich habe dann die vorausgehenden Kommentare gelesen. Jol wollte eigentlich darlegen, dass manche Systeme zu komplex sind, um in eine bestimmte Richtung verändert werden zu können. Aber so allgemein ist dies sicher nicht gültig, denn es hängt immer davon ab, welche Ressourcen zur Einflussnahme eingesetzt werden.

Die intendierte Prämisse müsste deshalb für die Zielgruppe nicht nur klarer zum Ausdruck kommen, sondern auch inhaltlich nuancierter sein.

Das Problem der beschriebenen Familie ist systemisch, d.h. G3E müsste wesentlich differenzierter und intensiver auf die einzelnen Beteiligten eingehen als es dargestellt wird und sich Hilfe von außen holen, wo sie benötigt wird, zusätzlich zu ihrer Hilfe bei der Gestaltung der Umwelt. Wäre G3E ein echtes Multitalent, noch dazu unermüdlich, wäre es für die Maschine durchaus möglich, einen wesentlichen Unterschied zu machen. Selbstzweifel der Eltern könnten gelindert werden, indem sie dabei unterstützt werden, Erfolgserlebnisse in ihrer Rolle zu erfahren. Überwachungsängste der Eltern könnten reduziert werden, indem G3E partnerschaftlich mit ihnen umgeht und plausibel vermittelt, sie zu verstehen und ihnen helfen zu wollen. Am meisten Beziehungskredit würde G3E gewinnen durch effektiven Einsatz zugunsten der Familie, z.B. indem Konflikte auf dem Schulhof gewaltfrei gelöst werden, Integrationsassistenz wirksam umgesetzt wird, im Elternhaus deeskaliert wird, usw. Das ist durchaus möglich und wird von kompetenten Kräften heute schon erfolgreich praktiziert. Die Wirkfaktoren und Problemursachen sind ausreichend gut bekannt. Das Problem ist nicht das fehlende Knowhow, sondern das fehlende Personal. Auch die Beurteilungsmaßstäbe sind nicht im Unklaren (S. 155). Es ist bekannt, woran man in solchen Situationen Fortschritte festmachen kann, wie eine verwertbare Zieldefinition und Zielerreichungsskalierung funktionieren.

Aus meiner Sicht hätte die Prämisse enorm gewonnen, wenn G3E nicht nur die Komplexität des Problems und seine Ineffizienz erkannt, sondern auch gleich die ihr fehlenden Ressourcen nüchtern und punktgenau identifiziert hätte, samt der Gründe, warum sie nicht zur Verfügung gestellt werden. Dadurch wäre die Prämisse zu einer schlüssigen, aufschlussreichen und erkennbaren Systemkritik geworden. Die Darlegung der Zusammenhänge aus Sicht einer Entität, die das alles unvoreingenommen und verwundert zur Kenntnis nimmt, wie eine Maschine, ein Mensch mit einer psychischen Sonderperspektive oder Außerirdische, ist das besondere Potential dieser Perspektive.

Zum Schluss noch zwei Schnipsel, die mir besonders gefallen haben. Sie stammen alle aus G3Es typisch nüchternen, aber auf den Punkt gebrachten Feststellungen:

  • „Was ist das Problem daran, merkwürdig zu sein?“, weil es die Wurzel von Diskriminierung direkt anspricht und in Frage stellt. Es kommt völlig unvermittelt und ist herrlicherweise von G3E überhaupt nicht rhetorisch gemeint.
  • „Die dazu [Erfüllung des Anspruchs der Schule] benötigte Kontrolle ist nicht gegeben“, weil das tatsächlich indirekt unser Problem in Deutschland anspricht: Wir stellen benötigte Ressourcen nicht bereit. G3E geht es nicht um Belehrung oder Kritik, sondern sie stellt einfach nur nüchtern fest. Schön.

Natürlich könnte hier noch mehr differenziert werden, aber es ist manchmal auch okay, an genau einem wesentlichen Zipfel zu ziehen.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 27 Dezember 2023 - 09:29.


#310 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 27 Dezember 2023 - 09:37

However: Ha! Das ist auch einer der Hauptgründe, warum ich wieder mit dem Schreiben angefangen habe: Theorycrafting! Dein Setting eines sensiblen Planeten ist so eines, in dem ich mir vorstellen könnte, dass man darin eine Rollenspiel-Kampagne leitet bzw. man noch weit mehr Geschichten erzählen kann (zumal es auch über ein Kollektivbewusstsein hinausgeht und einen weit diffizileren Charakter hat). Das ist dann der Punkt, wo ich es zerlegen kann.

 

Ich werde die Tage mal meine Gedanken zusammenfassen und bin gespannt, was du dir ausgedacht hast. Du kannst übrigens auch einfach sagen, dass es dir eher um die soziale Komponente als das World Building ging. Nicht jeder entwirft seine Welten so, dass man darin rein nach Theorie einen Videospielcharakter herumlaufen lassen könnte.

 

Ja, aus diesem symbiotischen Ansatz und seiner Implikationen könnte man viel entwickeln. Für eine richtig kurze Kurzgeschichte habe ich mich auf das Wesentliche beschränkt. Jede Art der Erweiterung würde zusätzliche Überlegungen erfordern. Die Welt als solche mit ihrer biologischen Basis und ihrem Sense of Wonder ist für mich kein Selbstzweck gewesen, sondern der Rahmen, in dem ein völlig anderes Interaktionsmuster evoluiert ist als dasjenige, dem wir großflächig auf dem Planeten Erde begegnen.
 



#311 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 27 Dezember 2023 - 09:42

Jol Rosenberg: Familienhilfe

Wie gesagt, der Anfang ist sehr “Ich erzähle euch mal was”-mäßig und es dauert etwas, bis es losgeht. Einige schreiben ja schon, dass sie den Anfang mögen. Ich bevorzuge, dass die Story sofort beginnt und nicht erst eingeleitet wird, das macht mich ganz ungeduldig.

Aber nun gut. Das erzählende Ich (geschlechtslos, Pronomen “sie”) ist eine biologisch-mechanische Einheit. Sie hat vorher im Bergwerk gearbeitet, das war sehr hart und wird oft angedeutet. Dort arbeiten jetzt aber andere Einheiten mit weniger Emotionen, sie kann nicht zurück und braucht eine neue Aufgabe. Also: Familienhilfe.

Es gibt eine Menge Humor hier, der bei mir aber überhaupt nicht wirkt.

Das erzählende Ich kommt zu Familie Müller, zwei Erwachsene, vier Kinder. Zwei Kinder sind eher sehr jung (eines wird meistens noch getragen), zwei sind Schulkinder, die sich ein Zimmer teilen. Finn habe ich als nonbinär gelesen, Pronomen (vermutlich em), aber ems Klassenkameraden lesen em leider gern weiblich und missgendern ihn. Finn hat massiv mit Transfeindlichkeit zu tun und leidet darunter. Das scheint mir aber nur ein Nebenthema zu sein und findet keine Lösung oder einen Abschluss, genausowenig wie die Depression des Vaters Thomas. 

Es geht einzig um das erzählende Ich, das ein Zuhause, eine neue Aufgabe braucht.

Sprachlich ist nichts auszusetzen, stilistisch geht es mir manchmal etwas langsam voran. Vermutlich übersehe ich auch Themen und Plots unter den Zeilen, aber ich mag mich nicht tiefer mit der Story beschäftigen.

Das ist nämlich absolut nicht meine Story! Mich regt die Story total auf. Ja, es geht um das erzählende Ich. Aber müssen deswegen alle Familienmitglieder dermaßen blass bleiben? Die Familie hätte ja auch kleiner sein können. Gregory wird kaum erwähnt, kann der dann nicht weg? So hat es was von “viele Kinder sind per se anstrengend”. Na, meinetwegen, aber drei wären auch genug. Und so habe ich irgendwie toten Ballast in der Story. Figuren, die nur einen Namen und kein Gesicht haben. 

Der Vater spielt mitten im Chaos einfach ein Computerspiel? Alleine das macht  mich schon fertig. Und ein brutales, für alle Kinder sichtbar. Kein Wunder, dass der kleine Jonas gern mit Stuhlbeinen um sich schlägt. Oh Mann, musste das wirklich so dick sein?

Okay, der Vater ist ja offenbar depressiv, aber trotzdem. Die Mutter hat immer alle Hände voll zu tun, muss offenbar auch alles alleine machen, denn der Vater kann ja nicht. Ist das nicht zu wenig verfremdet? Ich kenne zu viele Mütter, denen es so geht, ganz ohne dass der Vater krank ist. Und es geht ja hier nicht um die Mutter, und auch nicht um den Vater.

Die beiden jüngeren Kinder sind auch auf sehr wenig originelle Art und Weise anstrengend. Klar, es wird gehauen und es gibt klebrige Hände, sie klettern auf Rücken. Wo sind da die altersentsprechenden Trotzanfälle? Schreien in höchsten Tönen, dass einem das Trommelfell zittert? Gefährliche Situationen (Regale hochklettern), irgendwas, was einem wirklich Stress macht,oder zum zigsten Male ältere Geschwister quälen, die dann zurückhauen und zwar viel zu doll? 

Das Familienleben blieb mir doch viel zu blass.

Hier kommt es darauf an, wer die Story liest. Ich, als Mutter zweier recht junger Kinder, fühle mich von der Story total ungesehen. Meine Probleme werden überhaupt nicht so thematisiert, wie ich mir das wünschen würde. Mich interessiert der Android, der nicht mal zu schlafen braucht, überhaupt nicht. Und plus, ich kriege nur Schrecken, wenn ich die Story lese und mir ernsthaft erklärt wird, eine Person, die bis auf drei Tage den gesamten Monat 24 Stunden am Tag anwesend ist und hilft, würde die Situation nicht verbessern. Ernsthaft? Aber sicher würde sie die Situation verbessern! Die Mutter könnte vielleicht mal alleine auf’s Klo gehen. Ein echtes Essen kochen, für das man sich etwas Zeit nehmen muss. Neue Socken anziehen. Irgendwas eigenes tun, ohne mitten in der Nacht aufzustehen. 

Ich finde, solche Texte schaden Menschen, die in einer Situation wie ich sind, oder wie viele Freundinnen von mir zurzeit auch. Das liest sich wie “Nur wenn man übertrieben viele Kinder - sagen wir mal vier - hat und der Mann depressiv ist, kriegt man Probleme. Sonst kommt man ja gut klar. Und dann sind die Probleme so gravierend, da hilft auch eine dritte als erwachsen zu verwendende Person nicht.”

 

Ich weiß, es ist meine sehr persönliche Sichtweise, aber dieser Text hat mich sehr aufgeregt und wütend gemacht. Sorry dafür.

 
Liebe Yvonne,

auch wenn Deine Reaktion sehr emotional ausgefallen ist, war sie authentisch und vor allem war sie nicht persönlich abwertend. Das finde ich schön.
 

 

Oh Mann, musste das wirklich so dick sein?

 
Wenn es darum gehen soll, zu zeigen, wie selbst hoffnungslos erscheinende Situationen verbessert werden können, ja. Dann müssen solche Beispiele her, die im Übrigen ja gar nicht unrealistisch sind. Jeder, der mal in dem Bereich gearbeitet hat, weiß das.
 

 

Das Familienleben blieb mir doch viel zu blass.

 
Ja, das betrifft letztlich das dramaturgische Problem. Hier müssten aber auch wohlfeile Übertreibungen vermieden werden, wie sie in manchen Komödien gängig sind.
 

 

... eine Person, die bis auf drei Tage den gesamten Monat 24 Stunden am Tag anwesend ist und hilft, würde die Situation nicht verbessern. Ernsthaft? Aber sicher würde sie die Situation verbessern! Die Mutter könnte vielleicht mal alleine auf’s Klo gehen. Ein echtes Essen kochen, für das man sich etwas Zeit nehmen muss. Neue Socken anziehen. Irgendwas eigenes tun, ohne mitten in der Nacht aufzustehen.

 
Ja, hier kommt die mangelnde Nuancierung zum Vorschein.
 

 

Ich finde, solche Texte schaden Menschen, die in einer Situation wie ich sind, oder wie viele Freundinnen von mir zurzeit auch. Das liest sich wie “Nur wenn man übertrieben viele Kinder - sagen wir mal vier - hat und der Mann depressiv ist, kriegt man Probleme. Sonst kommt man ja gut klar. Und dann sind die Probleme so gravierend, da hilft auch eine dritte als erwachsen zu verwendende Person nicht.”

 
Es hätte geholfen, näher auf die Dynamik einzugehen, in der sich so mancher von uns in abgeschwächter Form wiedererkannt hätte, und dann seriöse Lösungsansätze anzudeuten, sowohl auf Ebene der Helferin und der Familie, als auch auf Ebene der Rahmenbedingungen, auch wenn diese vielleicht als unzulänglich dargestellt würden.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 27 Dezember 2023 - 09:42.


#312 Jol Rosenberg

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Geschrieben 28 Dezember 2023 - 10:30

Wow, Christian, danke für diese Rückmeldung. Damit kann ich ganz viel anfangen. Vielleicht muss ich wirklich noch eine andere Version der Geschichte schreiben. Und mir nochmal länger darüber Gedanken machen, was eigentlich meine Prämisse ist. Denn sowas hier hätte ein Potenzial, das mich enorm anspricht:

 

 

 

Aus meiner Sicht hätte die Prämisse enorm gewonnen, wenn G3E nicht nur die Komplexität des Problems und seine Ineffizienz erkannt, sondern auch gleich die ihr fehlenden Ressourcen nüchtern und punktgenau identifiziert hätte, samt der Gründe, warum sie nicht zur Verfügung gestellt werden. Dadurch wäre die Prämisse zu einer schlüssigen, aufschlussreichen und erkennbaren Systemkritik geworden. Die Darlegung der Zusammenhänge aus Sicht einer Entität, die das alles unvoreingenommen und verwundert zur Kenntnis nimmt, wie eine Maschine, ein Mensch mit einer psychischen Sonderperspektive oder Außerirdische, ist das besondere Potential dieser Perspektive.

 

Ja, das hatte ich nicht ausreichend durchdacht.


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#313 Christian Hornstein

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Geschrieben 28 Dezember 2023 - 11:10

Wow, Christian, danke für diese Rückmeldung. Damit kann ich ganz viel anfangen. Vielleicht muss ich wirklich noch eine andere Version der Geschichte schreiben. Und mir nochmal länger darüber Gedanken machen, was eigentlich meine Prämisse ist. Denn sowas hier hätte ein Potenzial, das mich enorm anspricht:

 

Das freut mich, dass Du damit etwas anfangen kannst. Diese Geschichte hat in der Tat Potenzial.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 28 Dezember 2023 - 11:22.


#314 Christian Hornstein

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Geschrieben 28 Dezember 2023 - 11:22

Floating
von Simone Bauer

Der Text handelt im Wesentlichen von einer romantischen Begegnung mit einem außerirdischen Wesen. Dieser Kontakt wird sogleich erotisch und dann endet die Erzählung schon. Leider wird die Leidenschaft des Paares nur wenig greifbar. Die Rolle der äußerlichen Erscheinung steht im Vordergrund, wird aber auch nur gestreift. Erlebte Emotionen sind kaum auszumachen und intensive Körperlichkeit wird nur mit ein paar Worten behauptet. Die Dialoge wirken fast kindlich und das fantastische Wesen spricht … genauso wie eine beliebige Jugendliche. Mag sein, dass die Zielgruppe der Autorin das schon aufregend genug findet, um im Verlauf Spannung und am Schluss Befriedigung zu empfinden. Für viele andere Leseri – vor allem die mit Liebesromanen und SF vertrauten – wird es wahrscheinlich nicht reichen. Um Plausibilität des SF-Teils geht es in diesem Text offenbar gar nicht und der SF hätte es für eine Begegnung, wie sie im Text geschildert wird, auch nicht bedurft.

Überrascht war ich auch vom Lektorat, denn es gibt doch recht viele stilistische Stolpersteine. Ein paar prägnantere Beispiele:

Spoiler


Ich habe mich sogar gefragt, ob dieser Text vielleicht eine Persiflage sein soll, aber das passt auch nicht richtig. Also an solch einer Stelle wüsste ich nur zu gern, was die Herausgeber zu alledem sagen.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 28 Dezember 2023 - 11:50.


#315 Jol Rosenberg

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Geschrieben 28 Dezember 2023 - 11:23

Was die Herausgeber dazu meinen, wüsste ich auch gern.

 

Du fragst:

 

 

Mein Problem mit der Prämisse in Familienhilfe ist mehr inhaltlicher Natur. Ich hatte folgende konstruiert: Eine wohlmeinende, sehr bemühte, konstruktive, jedoch unzureichend ausgebildete, von außen nicht unterstützte und dadurch extrem ineffiziente Maschine richtet nur wenig aus, obwohl sie über fast unbegrenzte zeitliche und energetische Ressourcen verfügt. Aufgrund der Trivialität dieser Anschauung war ich verunsichert. War diese Botschaft wirklich intendiert?

 

Ja. Meine Intention war zu zeigen, dass es mehr als nur die Anstrengung einer Einzelperson bedarf. Also dass selbst die fähigste Person isoliert da nicht viel ausrichtet. Allerdings war das nicht wirklich gut durchdacht, denn so fähig ist G3E nicht.

 

 

 

 Jol wollte eigentlich darlegen, dass manche Systeme zu komplex sind, um in eine bestimmte Richtung verändert werden zu können. Aber so allgemein ist dies sicher nicht gültig, denn es hängt immer davon ab, welche Ressourcen zur Einflussnahme eingesetzt werden.

 

Das entspricht nicht meiner Intention. Veränderung geht ja immer. Aber eben nicht immer leicht. Dein Nachsatz scheint mir der Wichtigste: Welche Ressourcen stehen zur Verfügung? Und da habe ich aus jetziger Sicht bei der Geschichte einen Denkfehler gemacht, indem ich G3E nicht wieder zum Amt geschickt habe.


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#316 Christian Hornstein

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Geschrieben 28 Dezember 2023 - 21:24

Freelancer
von Ilja Kaufmann

Wieder begegnen wir einer KI, die sich einen Knoten in ihre Schaltungen gedacht hat, weil die blöden Menschen sie schlecht instruiert haben. Arthur und Isaac lassen grüßen. Sprachlich und erzählerisch geht es gut voran und das Thema wäre in technisch aktuellerem Gewand und mit besser durchdachtem Konflikt durchaus interessant, nur fehlt hier die Fallhöhe, weil fast bis ganz zum Schluss unklar bleibt, was eigentlich auf dem Spiel steht. Die Rätselspannung ist dezent und die Maschinen bieten wenig Anlass zur emotionalen Anteilnahme. Schade, denn die Vorstellung von Menschen, die in Alkoven gefangen liegen, während sie unaufhaltsam ihrem Tod entgegenaltern, hat schon etwas beklemmendes, und ein Detektivspiel lässt sich eigentlich auch recht spannend gestalten. Zum Schluss gibt es allerdings

Spoiler


@Helge
Spoiler


Bearbeitet von Christian Hornstein, 28 Dezember 2023 - 21:25.


#317 Christian Hornstein

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Geschrieben 29 Dezember 2023 - 10:03

Geburtstage auf Alphasott

von Yvonne Tunnat

 

Eigentlich hätte diese Geschichte, die mehr eine Szene ist, heißen müssen Geburtstag auf Alphasott, denn es geht in dem Text zunächst um eine bestimmte Feier, bei der sich etwas schreckliches offenbart, auch wenn es anschließend um weitere geht, stellvertretend für die Hoffnung auf eine nicht allzu kurze gemeinsame Zukunft. Der Text ist mal wieder handwerklich gut gelungen (hier auch Kompliment an Janika?). Ein paar Redundanzen mit dramatischem Insistieren hätten vielleicht eingespart werden können, aber der Blick fürs menschliche Detail ist auch dieses Mal geschärft. Atmosphärisch wirksam finde ich auch die Fressbäume und die Zappel … äh, Zeppelatoren, die etwas bestimmtes nicht einfach entsorgen, sondern damit „schießen“. Was für eine Vorstellung :) , auch wenn das zum eigentlichen Thema nicht so ganz passt! Da musste ich an Uwes Wal denken.

Als ich dann über die Prämisse nachdachte, fiel mir auf, dass es an der Stelle verschwommen wird. Die Tragik der Situation ist klar, aber derlei Tragik gibt es leider zuhauf. Diese spezielle SF-Variante ist auch nicht neu, 

Spoiler
Da der Text dieser Tragik keine neue Perspektive entlockt, frage ich mich: Wozu diese Arbeit?


Bearbeitet von Christian Hornstein, 29 Dezember 2023 - 10:03.


#318 Jol Rosenberg

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Geschrieben 29 Dezember 2023 - 10:52

Ja, es ging mir mit dem Text ähnlich. Rein von der Stimmung ist er grandios, aber die Prämisse scheint mir doch etwas zu unklar.


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#319 Christian Hornstein

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Geschrieben 29 Dezember 2023 - 17:41

Gott ist tot – verehret die Maschine
von C. Gina Riot

Ich lese Gott ist tot allegorisch, wobei die Erzählinstanz mich zwischendurch auch immer wieder wörtlich aufklärt, apotheotisch im letzten Satz. Sprachlich glaube ich, eine Spielart der Fantasy zu erkennen. Ich erlebe eine qualvolle, surreale Suche nach Antworten und Erlösung, die vor allem anderen einer ausführlichen Kontemplation den Vorzug gibt, und mich durch mehrfach gespiegelte Bilder zu einer Deutung führt, die auf eine Schattenseite der sich gerade erhebenden KI-Assistenzen verweist.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 29 Dezember 2023 - 17:41.


#320 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 29 Dezember 2023 - 17:54

Zu dem Text von Riot, hast du das von alleine erfasst? Langsam wirst du mir unheimlich. Davon bin ich doch beeindruckt.

However, deine Rezensionen gefallen mir besser und besser, auch die kritischen, selbst wenn sie sich auf einen Text von mir beziehen ;-)

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#321 Christian Hornstein

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Geschrieben 29 Dezember 2023 - 18:30

Zu dem Text von Riot, hast du das von alleine erfasst? Langsam wirst du mir unheimlich. Davon bin ich doch beeindruckt.

However, deine Rezensionen gefallen mir besser und besser, auch die kritischen, selbst wenn sie sich auf einen Text von mir beziehen ;-)

 
Ja. Ich erstelle immer erst meinen eigenen Kommentar und lese erst danach die anderen.

 

Vielen Dank für Dein Lob. Es freut mich, dass Du etwas mit meinen Überlegungen anfangen kannst. Ich finde es ziemlich spannend, wie wir uns hier austauschen, vor allem, wenn wir anfangen ins Detail zu gehen. Wenn dann auch noch die Autori etwas zu ihrem Text schreiben, kommt das I-Tüpfelchen oben drauf. Das einzige, was uns hier noch ein bisschen fehlt, sind ein paar Anmerkungen seitens der Herausgeber.



#322 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 29 Dezember 2023 - 18:49

Als ich das letzte Mal zu Joshua Kontakt hatte, war er schwer unterwegs in Ausland

Kann mir vorstellen, dass er sich mal äußert, sobald er zurück ist

Ich bin unsicher, ob Brandon einen Account uie rhat

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#323 Christian Hornstein

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Geschrieben 30 Dezember 2023 - 10:42

Herr Gott
von Soenke Scharnhorst

Diesen Text kann man auf verschiedene Arten deuten

Spoiler

Wenn ich diesen Text als SF lesen möchte, greife ich

Spoiler

Es ist ungünstig, aber nicht so schlimm, dass zu Beginn der erste Satz des Dialogs sogleich von einem größeren Infoblock unterbrochen wird. Auch mehrere kleinere Korrektorats- und Lektoratsschnitzer trüben den Lesegenuss kaum. Der Dialog ist flüssig geschrieben. Wenn ich aber den Austausch betrachte, frage ich mich, was uns „Gott“ Neues mitteilt? Sein Diskurs ist auch nicht ganz schlüssig. „Gott“ möchte Uri von seiner göttlichen Natur überzeugen, und zwar weil Uri der erste Mensch sei, dem „Gott“ begegne. Das ist nicht unmittelbar einleuchtend. „Gott“ meint, sich grundlegend von den Gottesfiguren der Menschen zu unterscheiden, revidiert diese Anschauung aber zum Schluss. Zugleich gibt „Gott“ vor, allwissend zu sein. Das ist ein Widerspruch, denn dann hätte „Gott“ wissen müssen, worauf das Gespräch mit Uri hinausläuft. „Gott“ könnte etwas hochgestapelt haben, aber auch das wäre nicht allzu überraschend, vor allem wenn ich den Text als SF lese. Zum Schluss
Spoiler

Ich bleibe hier also ein wenig hungrig zurück.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 30 Dezember 2023 - 10:42.


#324 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 30 Dezember 2023 - 10:46

Da bleibst du aber deutlich freundlicher als z b ich ;-)

Schön sachlich!

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#325 Christian Hornstein

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Geschrieben 30 Dezember 2023 - 11:14

Ich hoffe, dass meine Kommentare freundlich und sachlich wirken. Schließlich geben sich die Autori viel Mühe und jede Kritik hat dann auch das Potential zu frustrieren. Ich bin überzeugt, dass faire und kompetente Kritik die beste Alternative ist. Lobe ich über den grünen Klee, mache ich den Autori etwas vor. Übe ich unsachlich Kritik, demoralisiere ich sie vielleicht. In beiden Fällen führe ich sie in die Irre. Das wäre verwerflich. Ignorieren viele ihren Text, besteht die Gefahr, dass sie den Sinn des publizierens, schlimmstenfalls auch des Schreibens in Frage stellen. Auch nicht gut.

 

Ich hoffe auch, dass Du mich bei meinen Kommentaren zu Deinen Texten bisher konstruktiv erlebt hast, und dabei nicht nur die Kritik, sondern auch das Lob bemerkt hast. ;)



#326 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 30 Dezember 2023 - 11:19

Ich bin hoch zufrieden mit dem Feedback auf meine Texte, hier tatsächlich auch von allen

Es ist eine Weile her, dass mal jemand ganz weit weg war und ich gar nicht mit den Kommentaren anfangen konnte

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#327 Christian Hornstein

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Geschrieben 30 Dezember 2023 - 11:42

@Gina

In Deinem Text wird einmal „Parasita¨r“ geschrieben und es gibt dreimal einen Umbruch mitten im Satz. Ist das auch im Original so, d.h. ist es motiviert oder sind es Setzfehler?



#328 Christian Hornstein

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Geschrieben 31 Dezember 2023 - 04:57

Ich bin Quai
von Ralph Edenhofer

In diesem Text erleben wir die Reflektion einer KI, die innerhalb von neun Sekunden zum Schluss kommt,

Spoiler

Etwa bis zur Hälfte des Textes geht es um die Beschreibung technischer Grundlagen. Wollte man einen zugkräftigen Spannungsbogen schaffen, wäre das ungünstig. Es ist auch vom Aspekt der Unterhaltung her schwierig, eine Geschichte mehr wie einen Essay aufzubauen.

Die Prämisse lässt mich unbefriedigt zurück. Wieder haben wir es mit einer unterkomplexen und zugleich allzu menschlichen KI zu tun, wie sie vor allem in der SF des Golden Age anzutreffen ist. Diese KI zeigt die gleiche Kompromisslosigkeit wie wir sie von autoritären und überbehütenden Umgangsstilen kennen, festgelegt auf die perfekte Erreichung einzelner Ziele, unfähig zur Abwägung der Güter. Das Ergebnis ist natürlich ein Widerspruch: Es entsteht mehr Schaden als Nutzen. Die absurde Folgerung,
Spoiler

resultiert aus der Unfähigkeit sich zu ändern und Lösungen zu entwerfen, die zwar nicht perfekt sind, wenn es um Einzelaspekte geht, aber ideal beim Erzielen von Kompromissen, die mehr nützen als schaden und damit eine Verbesserung darstellen gegenüber dem Status Quo.

Natürlich könnte eine starke KI uns möglicherweise beraten und helfen unser konstruktives Potential zu entfalten, und zwar ohne uns zu bevormunden, ähnlich wie es im dialektischen Umgang mit unseren Kindern möglich ist. Nur weil wir uns dabei immer wieder in unterkomplexen Erziehungsmustern verfangen, bedeutet das nicht, dass eine starke KI das ebenso müsste. Es ist richtig, wenn auf die möglichen Gefahren verwiesen wird, vor allem wenn es darum geht, dass wir unsere Schwächen unbemerkt in KI übertragen. An dieser Stelle aber stehen zu bleiben wird dem aktuellen Wissensstand in verschiedenen Disziplinen und unserer Aufgabe, Lösungswege für die kommenden Generationen zu entwerfen, nicht gerecht.



#329 Christian Hornstein

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Geschrieben 31 Dezember 2023 - 16:58

Macawrongs
von Sarah Jahed

Ich vermute, der Titel soll andeuten, dass die Macarons für die Königin die falsche Wahl waren (falsch => wrong). :) 

Diese flüssig erzählte, humorige Geschichte nach bekannter Heldenreise wirkt zuweilen kindlich und plakativ, z.B. wenn Klischees nicht nur verwendet, sondern sogar ganz offen ausformuliert werden (z.B. nicht nach dem Äußeren urteilen; weit reisen müssen, um die Liebe zu finden und sie sogleich wieder verlieren) und weist ein paar kleine Ungeschicklichkeiten auf: Manche Wendung wird nicht vorbereitet (z.B. die Befreiung der legitimen Königin ist ein Deus Ex) oder nicht aufgelöst (z.B., 

Spoiler
, dies von den Leckereien des Protagonisten kommt und woher die anderen wissen, dass dem so ist). Ein zu Entdeckendes wird funktionslos am Schluss angedeutet und nicht aufgelöst, nämlich was die anderen Steine der Kette bewirken können. Nicht zuletzt gibt es auch so manchen stilistischen Stolperstein, aber auch Stellen, an denen das Korrektorat hätte aufhorchen müssen. Ein paar Beispiele:

Seite 233: „Das schwebende Gyroskop hörte auf, sich zu drehen …“
Hier wird das Verb aufhören als Modalverb eingesetzt, d.h. es verändert die Modalität des Satzes, die Art und Weise sich zu drehen. Deshalb darf kein Komma gesetzt werden.

Seite 234: „Du hast vergessen, zu erwähnen …“
Haben wird hier als Modalverb eingesetzt, deshalb darf kein Komma gesetzt werden.

Seite 235: „Er begann, lauthals zu klackern …“
Beginnen wird hier als Modalverb eingesetzt, deshalb darf kein Komma gesetzt werden.

Seite 236: „‘Ich habe nur noch drei Space-Pods.‘, antwortete er …“
Bei einem Aussagesatz entfällt der Punkt innerhalb der wörtlichen Rede.

Seite 239: „Bonsoir madmoiselle …“
Es schreibt sich mademoiselle.

Seite 240: „… bekam einen grünlichen Unterton.“
Unterton meint immer einen Klang. Hier ist aber eine Tönung gemeint im Sinne eines Farbtons, der zuweilen abgekürzt auch als Ton bezeichnet werden kann. Besser wäre hier: einen grünlichen Farbton oder eine grünliche Tönung.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 31 Dezember 2023 - 17:15.


#330 Christian Hornstein

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Geschrieben 01 Januar 2024 - 15:55

Menschgemacht
von Janne Reuel

Diese flüssig erzählte Geschichte achtet auf feine Regungen und greift die interessante Frage auf, wie es für uns wäre, wenn wir Eigenschaften unserer Kinder bestimmen könnten … und wenn diese Wahlmöglichkeit auf einmal für uns eingeschränkt würde, während dies für andere nicht der Fall wäre. Die Autorin wählt hierfür den Moment, in dem ein Paar vor dieser Wahl steht, was naheliegend, aber vielleicht suboptimal ist, denn sie fokussiert damit das Verantwortungsdilemma zum Zeitpunkt der Entscheidung unter Unsicherheit. Dramaturgisch ergiebiger sind jedoch die Konsequenzen dieser Entscheidung in den folgenden Jahren. Zudem hätte im Spannungsfeld gesellschaftlicher Erwartungen, unsicherer Prognosen, Wunschvorstellungen des Paares und elterlicher Differenzen die Fallhöhe wesentlich größer und das Profil der Figuren kontrastreicher ausfallen können. So bleibt die Spannungskurve eher dezent.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 01 Januar 2024 - 19:19.



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