Jol Rosenberg: Familienhilfe
Wie gesagt, der Anfang ist sehr “Ich erzähle euch mal was”-mäßig und es dauert etwas, bis es losgeht. Einige schreiben ja schon, dass sie den Anfang mögen. Ich bevorzuge, dass die Story sofort beginnt und nicht erst eingeleitet wird, das macht mich ganz ungeduldig.
Aber nun gut. Das erzählende Ich (geschlechtslos, Pronomen “sie”) ist eine biologisch-mechanische Einheit. Sie hat vorher im Bergwerk gearbeitet, das war sehr hart und wird oft angedeutet. Dort arbeiten jetzt aber andere Einheiten mit weniger Emotionen, sie kann nicht zurück und braucht eine neue Aufgabe. Also: Familienhilfe.
Es gibt eine Menge Humor hier, der bei mir aber überhaupt nicht wirkt.
Das erzählende Ich kommt zu Familie Müller, zwei Erwachsene, vier Kinder. Zwei Kinder sind eher sehr jung (eines wird meistens noch getragen), zwei sind Schulkinder, die sich ein Zimmer teilen. Finn habe ich als nonbinär gelesen, Pronomen (vermutlich em), aber ems Klassenkameraden lesen em leider gern weiblich und missgendern ihn. Finn hat massiv mit Transfeindlichkeit zu tun und leidet darunter. Das scheint mir aber nur ein Nebenthema zu sein und findet keine Lösung oder einen Abschluss, genausowenig wie die Depression des Vaters Thomas.
Es geht einzig um das erzählende Ich, das ein Zuhause, eine neue Aufgabe braucht.
Sprachlich ist nichts auszusetzen, stilistisch geht es mir manchmal etwas langsam voran. Vermutlich übersehe ich auch Themen und Plots unter den Zeilen, aber ich mag mich nicht tiefer mit der Story beschäftigen.
Das ist nämlich absolut nicht meine Story! Mich regt die Story total auf. Ja, es geht um das erzählende Ich. Aber müssen deswegen alle Familienmitglieder dermaßen blass bleiben? Die Familie hätte ja auch kleiner sein können. Gregory wird kaum erwähnt, kann der dann nicht weg? So hat es was von “viele Kinder sind per se anstrengend”. Na, meinetwegen, aber drei wären auch genug. Und so habe ich irgendwie toten Ballast in der Story. Figuren, die nur einen Namen und kein Gesicht haben.
Der Vater spielt mitten im Chaos einfach ein Computerspiel? Alleine das macht mich schon fertig. Und ein brutales, für alle Kinder sichtbar. Kein Wunder, dass der kleine Jonas gern mit Stuhlbeinen um sich schlägt. Oh Mann, musste das wirklich so dick sein?
Okay, der Vater ist ja offenbar depressiv, aber trotzdem. Die Mutter hat immer alle Hände voll zu tun, muss offenbar auch alles alleine machen, denn der Vater kann ja nicht. Ist das nicht zu wenig verfremdet? Ich kenne zu viele Mütter, denen es so geht, ganz ohne dass der Vater krank ist. Und es geht ja hier nicht um die Mutter, und auch nicht um den Vater.
Die beiden jüngeren Kinder sind auch auf sehr wenig originelle Art und Weise anstrengend. Klar, es wird gehauen und es gibt klebrige Hände, sie klettern auf Rücken. Wo sind da die altersentsprechenden Trotzanfälle? Schreien in höchsten Tönen, dass einem das Trommelfell zittert? Gefährliche Situationen (Regale hochklettern), irgendwas, was einem wirklich Stress macht,oder zum zigsten Male ältere Geschwister quälen, die dann zurückhauen und zwar viel zu doll?
Das Familienleben blieb mir doch viel zu blass.
Hier kommt es darauf an, wer die Story liest. Ich, als Mutter zweier recht junger Kinder, fühle mich von der Story total ungesehen. Meine Probleme werden überhaupt nicht so thematisiert, wie ich mir das wünschen würde. Mich interessiert der Android, der nicht mal zu schlafen braucht, überhaupt nicht. Und plus, ich kriege nur Schrecken, wenn ich die Story lese und mir ernsthaft erklärt wird, eine Person, die bis auf drei Tage den gesamten Monat 24 Stunden am Tag anwesend ist und hilft, würde die Situation nicht verbessern. Ernsthaft? Aber sicher würde sie die Situation verbessern! Die Mutter könnte vielleicht mal alleine auf’s Klo gehen. Ein echtes Essen kochen, für das man sich etwas Zeit nehmen muss. Neue Socken anziehen. Irgendwas eigenes tun, ohne mitten in der Nacht aufzustehen.
Ich finde, solche Texte schaden Menschen, die in einer Situation wie ich sind, oder wie viele Freundinnen von mir zurzeit auch. Das liest sich wie “Nur wenn man übertrieben viele Kinder - sagen wir mal vier - hat und der Mann depressiv ist, kriegt man Probleme. Sonst kommt man ja gut klar. Und dann sind die Probleme so gravierend, da hilft auch eine dritte als erwachsen zu verwendende Person nicht.”
Ich weiß, es ist meine sehr persönliche Sichtweise, aber dieser Text hat mich sehr aufgeregt und wütend gemacht. Sorry dafür.