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Anthologie: Ferne Horizonte - Entfernte Verwandte (Hirnkost)


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193 Antworten in diesem Thema

#91 ChristophGrimm

ChristophGrimm

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Geschrieben 20 Juli 2023 - 15:28

Michael Tinnefeld: Heimweh

 

Die zweite Geschichte kann mich leider auch nicht ĂŒberzeugen, da sie im Wesentlichen dieselben Probleme wie die von Schattschneider hat: Ein FĂŒllhorn an Ideen, merklich gut ĂŒberlegtes Setting, aber sehr dröge und emotional recht distanziert erzĂ€hlt. Mir gefĂ€llt die Idee, dass eine VerĂ€nderung im Gehirn fĂŒr nachhaltiges Denken sorgt. (Ich akzeptiere das als phantastisches Element - oder fußt das auf einer zumindest denkbaren Grundlage?) 

Die Situation, dass ein AbgestĂŒrzter/Gestrandeter/GedĂ€chtnisbeeintrĂ€chtigter von einer Person gerettet wird, zu der dann eine Beziehung aufgebaut wird, ist Ă€hnlich abgegriffen, wie "Der GĂ€rtner war's", "Die Aliens sind in Wahrheit Menschen" oder "Die KI weiß nicht, dass sie eine KI ist". (Wie man diese Schablone zumindest fesselnd erzĂ€hlen kann, hat Marion Zimmer Bradley in "Die WĂ€lder von Albion" vor gut 35 Jahren unter Beweis gestellt).

 

Kurz: Nette Ideen, bescheidener Plot/Ausarbeitung.


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#92 ChristophGrimm

ChristophGrimm

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Geschrieben 21 Juli 2023 - 13:17

 

(...)

 

Ostrop Ank Weg Sterne
AnfĂ€nglich erinnert mich der Text auf angenehme Weise an "Blumen fĂŒr Algernon", weil das erzĂ€hlende Ich hier ebenfalls eine Entwicklung von sehr einfacher Sprache hin zu immer gewĂ€hlterer Sprache erhĂ€lt, je mehr Enhancements es gibt.
 
Ab jetzt mal spoilernd: Kann es sein, dass der Text Kritik am Kolonialismus ĂŒbt? Mich erinnerte das an EuropĂ€er, die frĂŒher mal losmarschiert sind und auf anderen Kontinenten Kulturen vorgefunden haben, die sie einfach als "primitiv" abgestempelt haben und ihnen ihre eigene Kultur ĂŒbergekrempelt haben, von wegen, Christentum und Spanisch und Englische Sprache sind das einzig Wahre.
Hier lĂ€uft das mit Enhancements. Dann sprechen sie alle irgendwann die gleiche Sprache. 
Oder habe ich das komplett missverstanden?
Falls ja, ich fand das gut und ausreichend subtil.
 
(...)

 

 

"An'k Weg Sterne" (Barbara Ostrop)

 

Hier bin ich sehr bei Yvonne. Der Einstieg hat mich ebenfalls an "Blumen fĂŒr Algernon" erinnert. Falls das bewusst geschah, ist es eine schöne Hommage. Falls nicht, passt es trotzdem. Die Geschichte geht bereits mit dem vierten oder fĂŒnften Absatz (zweite Seite der Geschichte) schnell eigene Wege.

Ja, ich glaube, die Geschichte ĂŒbt Kritik am Kolonialismus. Bezeichnend ist die "Rechtfertigung" (bei gleichzeitig deutlicher GeringschĂ€tzung bis hin zur Beleidigung) der Besucher, die mich anwidert, und sich Ă€hnlich den Aussagen des British Empire und den amerikanischen Siedlern liest. Das Schlimme ist ja: Es wurde oft in der Überzeugung gehandelt, etwas Gutes zu tun.

Nebenbei: Wir haben auch nur die Aussage des Besuchers, dass An'k und die weiteren Bewohner bedroht sind, sollten sie nicht fortgehen. Ob es aber tatsĂ€chlich so ist, sei dahingestellt - es ist zumindest eine denkbare Leerstelle, diese Aussage als LĂŒge zum eigenen Vorteil zu interpretieren.

 

Ostrops ErzĂ€hlung ist strukturell gelungen, die Autorin weiß mit Sprache zu begeistern. Trotz der KĂŒrze gelingt ihr, was den ersten beiden Geschichten nicht gelang: Ich werde emotional gepackt. Lesenswert. 


Bearbeitet von ChristophGrimm, 21 Juli 2023 - 14:51.

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#93 Future Remains

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Geschrieben 21 Juli 2023 - 16:12

"An'k Weg Sterne" (Barbara Ostrop)

 

Hier bin ich sehr bei Yvonne. Der Einstieg hat mich ebenfalls an "Blumen fĂŒr Algernon" erinnert. Falls das bewusst geschah, ist es eine schöne Hommage. Falls nicht, passt es trotzdem. Die Geschichte geht bereits mit dem vierten oder fĂŒnften Absatz (zweite Seite der Geschichte) schnell eigene Wege.

Ja, ich glaube, die Geschichte ĂŒbt Kritik am Kolonialismus. Bezeichnend ist die "Rechtfertigung" (bei gleichzeitig deutlicher GeringschĂ€tzung bis hin zur Beleidigung) der Besucher, die mich anwidert, und sich Ă€hnlich den Aussagen des British Empire und den amerikanischen Siedlern liest. Das Schlimme ist ja: Es wurde oft in der Überzeugung gehandelt, etwas Gutes zu tun.

Nebenbei: Wir haben auch nur die Aussage des Besuchers, dass An'k und die weiteren Bewohner bedroht sind, sollten sie nicht fortgehen. Ob es aber tatsĂ€chlich so ist, sei dahingestellt - es ist zumindest eine denkbare Leerstelle, diese Aussage als LĂŒge zum eigenen Vorteil zu interpretieren.

 

Ostrops ErzĂ€hlung ist strukturell gelungen, die Autorin weiß mit Sprache zu begeistern. Trotz der KĂŒrze gelingt ihr, was den ersten beiden Geschichten nicht gelang: Ich werde emotional gepackt. Lesenswert. 

Ja, da bin ich ganz bei Dir und Yvonne, auch wenn ich den kolonialen Bezug nicht zu stark interpretieren wĂŒrde. Die Übergriffligkeit der herrschenden Spezies erinnert jedoch deutlich an die Denkmuster der Conquistadores in Lateinamerika, das fĂ€llt mir schon auf.

Das sprachliche Talent Barbara Ostrops hat mich am meisten begeistert. Und: Ihr gelingt, was den beiden vorhergehenden Geschichten nicht gelingen will: Die Geschichtsschreibung der fernen Zukunft ist geschickt in die Handlung eingewoben. Eine wohl durchdachte Story, die ich zu den 7 von mir als sehr gelungen empfundenen Storys der Anthologie zĂ€hle. (Meine eigene Story habe ich natĂŒrlich nicht bewertet).

 

"Heimweh", also die Story davor, verbleibt dagegen holzschnittartig gestrickt und hastig erzÀhlt, als sei der Plot nicht so wichtig wie die dazu erfundenen EintrÀge in ein fiktives zukunftiges Geschichtsbuch. Schade drum! Da hÀtte man mehr draus machen können.



#94 ChristophGrimm

ChristophGrimm

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Geschrieben 22 Juli 2023 - 02:45

Zu Christian J. Meier: Vaams Gehirn

Ein ganzes StĂŒck ratlos, aber nicht enttĂ€uscht bin ich von dieser in zwei Kapiteln erzĂ€hlten Geschichte.

Ratlos bin ich aus mehreren GrĂŒnden. Des ersten Kapitels hĂ€tte es meiner Meinung nach nicht bedurft, um das zweite Kapitel zu erzĂ€hlen.

Ratlos, weil mir nicht ganz klar ist, was der Autor sagen möchte, wenn er einer Figur den Namen eines der grĂ¶ĂŸten Philosophen der westlichen Welt gibt: Rousseau. Erinnert sei in dem Kontext daran: Jean-Jacques Rousseau sieht den Menschen im Naturzustand als gut an, aber die Gesellschaft mit ihren ZwĂ€ngen entfremdet ihn von seinem Naturell. – Sind es hier die unter der Erde lebenden Wissenschaftler, die mit einer neuen, kĂŒnstlichen weil biotechnologisch getriggerten Evolution den Naturzustand nach ihren Vorstellungen designen? Ja, könnte passen, das wĂŒrde mir gefallen. Ich bin aber nicht sicher, ob das als Sub-Story so intendiert war. Ein entsprechendes Signal des Autoren hĂ€tte hier deutlicher ausfallen können.

Ratlos, weil ich Facetten zweier SF-Roman-Giganten in der Story zu erkennen glaube, aber nicht glauben will, dass diese Anleihen gewollt waren: einerseits „Solaris“ von Stanislaw Lem, in dem ein von Meer bedeckter Planet das eigentliche Lebewesen darstellt; andererseits die „Foundation“-Trilogie von Isaac Asimov mit ihren Psychohistorikern, denen es möglich ist, das Massenverhalten von Menschen vorherzusagen und so den Aufbau einer neuen, interstellaren Gesellschaft voranzutreiben. Das wĂ€re dann Survival of the Cleverst.

Doch so clever sind die Wissenschaftler in der Story nicht. Der von ihnen intendierte Superorganismus – um es etwas locker zu formulieren – dreht durch und bringt Zerstörung und Selbstzerstörung mit sich. Die Hauptfigur Vaam sitzt im U-Boot als Betrachter dieses Schauspiels in der ersten Reihe. Warum die Story „Vaams Gehirn“ heißt, entschloss sich mir nicht. Vielleicht habe ich aber auch die entsprechende Stelle ĂŒberlesen, in der der Superorganismus Vaams ĂŒberragendem Wissen zugeschrieben wird.

However, die Geschichte hatte Drive, viele Ideen, besonders in Hinblick auf die Möglichkeiten der Biotechnologie der Zukunft. Ich werde sie nicht in schlechter Erinnerung behalten.

Ich glaube, zu dieser Geschichte sage ich besser wenig.
Danke fĂŒr deine Analyse und die interessanten Informationen, aber fĂŒr mich war das einfach mal gar nichts. Ich finde auch nicht, dass sie Drive hat: Seite 70 (zweite Seite Kapitel 2) ist eine Konzeptionsausbreitung zwischen Handlungsfetzen. Das erste Kapitel ist unnötig, da es nichts fĂŒr das zweite Kapitel beitrĂ€gt, was nicht NebensĂ€tze hĂ€tten regeln können.
Aber ich gestehe, das meine EinschĂ€tzung sehr subjektiv ist. Meier beherrscht sein Handwerk und hatte sicher seine GrĂŒnde, die Geschichte derart zu gestalten. Mir erschließen sie sich nur nicht.

Bearbeitet von ChristophGrimm, 22 Juli 2023 - 02:49.

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#95 ChristophGrimm

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Geschrieben 22 Juli 2023 - 03:13

„Museum fĂŒr Menschen“ (Frank Neugebauer)

Gerade nach meinem Kommentar zur letzten Geschichte: Die von Frank Neugebauer ist Geschmackssache - und mir hat sie gemundet :). SchrĂ€g, launig erzĂ€hlt, gut gesetzte Kritik, ein konsequentes und böses Ende. Als „Speculative Fiction“ taugt sie keinen Meter, aber als fantasievolles Statement mit Biss unterhĂ€lt sie prĂ€chtig. Gerne gelesen.
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#96 Future Remains

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Geschrieben 22 Juli 2023 - 16:41

„Museum fĂŒr Menschen“ (Frank Neugebauer)

Gerade nach meinem Kommentar zur letzten Geschichte: Die von Frank Neugebauer ist Geschmackssache - und mir hat sie gemundet :). SchrĂ€g, launig erzĂ€hlt, gut gesetzte Kritik, ein konsequentes und böses Ende. Als „Speculative Fiction“ taugt sie keinen Meter, aber als fantasievolles Statement mit Biss unterhĂ€lt sie prĂ€chtig. Gerne gelesen.

Da folge ich Dir gerne in deiner EinschĂ€tzung. Im Kanon der Anthologie erscheint das "Museum fĂŒr Menschen"  mir gar ein Außenseiter zu sein, vielleicht weil so schrĂ€g und mit einem -  ÀÀh rabenschwarzen Schluss. Ist nicht mein Darling im Buch, aber  weil schön und sprudelnd erzĂ€hlt, doch ansprechend fĂŒr mich.

 

... Als nĂ€chstes mĂŒsstest Du, da Du der Reihe nach liest, auf "Die lange Wacht" treffen. Da bin ich auf deine Meinung gespannt. Einen besseren Cliff-Hanger fĂŒr den Samstagabend kann ich mir gar nicht wĂŒnschen. :)



#97 ChristophGrimm

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Geschrieben 22 Juli 2023 - 21:26

(...)  ÀÀh rabenschwarzen Schluss. (...)

 

 

So naheliegend ... und trotzdem fÀllt es mir erst jetzt auf *patsch*

 

 

... Als nĂ€chstes mĂŒsstest Du, da Du der Reihe nach liest, auf "Die lange Wacht" treffen. Da bin ich auf deine Meinung gespannt. Einen besseren Cliff-Hanger fĂŒr den Samstagabend kann ich mir gar nicht wĂŒnschen. :)

 

 

Dann lasse ich mal keine Denver-/Dallas-Sommerpause-Warterei zu, sondern widme mich gleich dieser Geschichte.

 

"Die lange Wacht" (Anne Grießer)

 

Der namenlose Protagonist "verstirbt" an den Folgen einer radioaktiven Verstrahlung, ist jedoch als "unsterbliches" körperloses Geistwesen an jenen Ort gebunden, an dem radioaktive AbfĂ€lle gelagert werden. Der Protagonist beobachtet in seiner Einsamkeit die folgenden Zeitalter. Er hat die Vermutung, dass der radioaktive MĂŒll ihn als Geistwesen am "Leben" hĂ€lt - und empfindet es als seine Bestimmung, die Menschen von dem MĂŒll fernzuhalten.

 

Die Geschichte hat mich in ihrer ErzĂ€hlweise an den Handlungsstrang des Perry-Rhodan-Charakters Ernst Ellert erinnert (https://www.perryped...in_die_Ewigkeit). Ebenso wie bei Ellert frage ich mich unweigerlich, wie ein "menschlicher" Geist es schafft, absurd lange Zeitabschnitte zu ĂŒberleben und dabei eine mentale StabilitĂ€t zu bewahren ... aber vielleicht mĂŒsste es einfach ausprobiert werden ;). Ich akzeptiere einfach mal, dass die Geschichte anders nicht funktionieren wĂŒrde.

 

Tja, was lĂ€sst sich zu der Geschichte sagen? Sprachlich versiert, handwerklich top. Anne Grießer ist mir nicht bekannt, aber sollte mir der Blick in die Vita verraten, dass diese Autorin schon lange schreibt, wĂŒrde es mich nicht ĂŒberraschen. An dieser Geschichte gibt es objektiv nicht das Geringste zu beanstanden.

Der Plot und die PrĂ€misse sind natĂŒrlich bitter. Die Gegenwart betrachtend, erscheint es gar nicht so unwahrscheinlich, dass die konservativen KrĂ€fte in Deutschland - (politische Orakelei: Von einer CDU-gefĂŒhrten, kommenden Legislaturperiode gehe ich aus) - und dem Rest der Welt eine VerlĂ€ngerung der Atomkraft in ErwĂ€gung ziehen wĂŒrden. Vermutlich wĂ€re der Protest aus der Bevölkerung auch gar nicht so groß, wie es wĂŒnschenswert wĂ€re. Welche Schuld wir auf uns geladen haben bzw. werden, legt diese Geschichte eindringlich dar.

Der Schluss hat mich nicht ĂŒberrascht. Er ist nur konsequent. Seine Wirkung verfehlt er dennoch nicht.


Bearbeitet von ChristophGrimm, 22 Juli 2023 - 21:31.

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#98 Fermentarius

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Geschrieben 23 Juli 2023 - 06:22


Tja, was lĂ€sst sich zu der Geschichte sagen? Sprachlich versiert, handwerklich top. Anne Grießer ist mir nicht bekannt, aber sollte mir der Blick in die Vita verraten, dass diese Autorin schon lange schreibt, wĂŒrde es mich nicht ĂŒberraschen. An dieser Geschichte gibt es objektiv nicht das Geringste zu beanstanden.

Volle Zustimmung. Eine Handlung existiert kaum, die Geschichte ist ein Gleichnis auf die ewigen Gefahren des AtommĂŒlls. Ich nehme mal an, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang mit den PlĂ€nen gibt, im Bayerischen Wald an der Grenze zu Tschechien ein Endlager zu errichten. Die Anlage der Geschichte erinnert mich ein bisschen an Kurt Vonneguts Roman GalapĂĄgos, wo ein unsterblicher Geist ĂŒber eine Million Jahre das Schicksal der Menschheit beobachtet, die - bis auf eine kleine Gruppe auf auf der fiktiven Galapagosinsel Santa Rosalia - komplett unfruchtbar wird und ausstirbt. Die letzten Überlebenden verlieren ihre jetzt ĂŒberflĂŒssige Intelligenz und leben als eine Art neue Seehunde auf Santa Rosalia.



#99 Future Remains

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Geschrieben 23 Juli 2023 - 13:56

 

Dann lasse ich mal keine Denver-/Dallas-Sommerpause-Warterei zu, sondern widme mich gleich dieser Geschichte.

 

"Die lange Wacht" (Anne Grießer)

 

Der namenlose Protagonist "verstirbt" an den Folgen einer radioaktiven Verstrahlung, ist jedoch als "unsterbliches" körperloses Geistwesen an jenen Ort gebunden, an dem radioaktive AbfĂ€lle gelagert werden. Der Protagonist beobachtet in seiner Einsamkeit die folgenden Zeitalter. Er hat die Vermutung, dass der radioaktive MĂŒll ihn als Geistwesen am "Leben" hĂ€lt - und empfindet es als seine Bestimmung, die Menschen von dem MĂŒll fernzuhalten.

 

Die Geschichte hat mich in ihrer ErzĂ€hlweise an den Handlungsstrang des Perry-Rhodan-Charakters Ernst Ellert erinnert (https://www.perryped...in_die_Ewigkeit). Ebenso wie bei Ellert frage ich mich unweigerlich, wie ein "menschlicher" Geist es schafft, absurd lange Zeitabschnitte zu ĂŒberleben und dabei eine mentale StabilitĂ€t zu bewahren ... aber vielleicht mĂŒsste es einfach ausprobiert werden ;). Ich akzeptiere einfach mal, dass die Geschichte anders nicht funktionieren wĂŒrde.

 

Tja, was lĂ€sst sich zu der Geschichte sagen? Sprachlich versiert, handwerklich top. Anne Grießer ist mir nicht bekannt, aber sollte mir der Blick in die Vita verraten, dass diese Autorin schon lange schreibt, wĂŒrde es mich nicht ĂŒberraschen. An dieser Geschichte gibt es objektiv nicht das Geringste zu beanstanden.

Der Plot und die PrĂ€misse sind natĂŒrlich bitter. Die Gegenwart betrachtend, erscheint es gar nicht so unwahrscheinlich, dass die konservativen KrĂ€fte in Deutschland - (politische Orakelei: Von einer CDU-gefĂŒhrten, kommenden Legislaturperiode gehe ich aus) - und dem Rest der Welt eine VerlĂ€ngerung der Atomkraft in ErwĂ€gung ziehen wĂŒrden. Vermutlich wĂ€re der Protest aus der Bevölkerung auch gar nicht so groß, wie es wĂŒnschenswert wĂ€re. Welche Schuld wir auf uns geladen haben bzw. werden, legt diese Geschichte eindringlich dar.

Der Schluss hat mich nicht ĂŒberrascht. Er ist nur konsequent. Seine Wirkung verfehlt er dennoch nicht.

Anne Grießer kannte ich bisher auch nicht. Sie schreibt Krimis (meide ich eher) und historische Romane (lang nicht mehr goutiert). Vielleicht ist sie deshalb - zumindest aus meiner Warte - die Überraschung der Anthologie. Kommt einfach aus dem Nichts und legt so eine gruselige Dystopie hin. WĂ€re mal eine Idee, ein SF-Magazin oder eine Anthologie nur mit AutorInnen zu machen, die bisher rein gar nichts mit SciFi zu tun hatten.

Dass das Thema Atomkraft gar nicht aktueller sein kann in Deutschland, kommt noch als zufĂ€llige Punktlandung hinzu. Als ich dann den Schluss der Story las, musste ich unwillkĂŒrlich an ein Filmzitat von Al Pacino aus der Der Pate III denken: "Gerade als ich dachte, ich bin raus, ziehen die mich wieder rein." Bitter, bitter!



#100 Future Remains

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Geschrieben 23 Juli 2023 - 13:59

Volle Zustimmung. Eine Handlung existiert kaum, die Geschichte ist ein Gleichnis auf die ewigen Gefahren des AtommĂŒlls. Ich nehme mal an, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang mit den PlĂ€nen gibt, im Bayerischen Wald an der Grenze zu Tschechien ein Endlager zu errichten. Die Anlage der Geschichte erinnert mich ein bisschen an Kurt Vonneguts Roman GalapĂĄgos, wo ein unsterblicher Geist ĂŒber eine Million Jahre das Schicksal der Menschheit beobachtet, die - bis auf eine kleine Gruppe auf auf der fiktiven Galapagosinsel Santa Rosalia - komplett unfruchtbar wird und ausstirbt. Die letzten Überlebenden verlieren ihre jetzt ĂŒberflĂŒssige Intelligenz und leben als eine Art neue Seehunde auf Santa Rosalia.

An Handlung hat es mir nicht gemangelt. Aber andererseits stimmt es schon und ist unvermeidlich, dass die szenische Handlung a bisserl auf der Strecke bleibt, wenn man als Autorin Jahrmillionen in 15 Seiten ĂŒberbrĂŒcken muss. - Den Roman von Vonnegut kenne ich gar nicht. Danke fĂŒr den Tipp!



#101 ChristophGrimm

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Geschrieben 26 Juli 2023 - 07:16

„Der Sinn des Überlebens“ (Ute Wehrle)

Einer der GrĂŒnde, warum ich ungern zu jeder Geschichte einer Anthologie etwas sagen möchte, ist ein Beitrag wie dieser hier.
Blöd gefragt: Habe ich hier etwas verpasst? Oder dreht sich das Ganze wirklich nur um einen Haufen recht robuster Roboter nach dem Ende der Menschheit, von denen sich einer nach dem Sinn des Lebens fragt? Die Grundaussage - „Die Menschen waren nicht ganz helle, als sie ihren Lebensraum zerstörten“ - ist zwar zutreffend, aber eben auch plump verwendet. Der R2-Ă€hnliche Roboter mit seiner Memo am Schluss hat meine Mundwinkel auch nur minimal zucken lassen.
FĂŒr mich die bislang schwĂ€chste Geschichte.
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#102 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 26 Juli 2023 - 07:27

Ähm, das war zwar fĂŒr mich nicht die schwĂ€chste Story (ich habe mal in meinen Notizen gewĂŒhlt), aber begeistert war ich auch nicht. Das hatte ich mir notiert:

Wehrle - Der Sinn des Überlebens

Mit den Robotern bin ich nicht warm geworden. Der clevere R2-D2 am Ende ist ganz schick. Ich fand die Geschichte ein bisschen langweilig.

Bei der Illustration ist mir der sehr weibliche Popo aufgefallen, stand das wirklich so im Text?


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#103 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 26 Juli 2023 - 09:47

Hallo zusammen, Ich warte jetzt erst mal mit weiteren Notizen auf diesem Kanal ab, bis sich mindestens noch eine Seele eingefunden hat, die mitdiskutieren möchte.

 

In der Zwischenzeit bin ich mit dem zweiten Block (Roboter) durch, im dritten Block die Storys von HJ. Kugler und U. Hermann, im vierten Block die Storys von HJ. Kugler (und die gefiel mir meilenwert besser als die erste) und von Christian Endres und im fĂŒnften Block die von Nicole Rensmann. Zu allen gibt es Notizen mit Anmerkungen, darunter einen diplomatischen Verriss. Alles dann zu gegebener Zeit.

 

Dieter, wann kommen eigentlich deine diplomatischen Verrisse? Mich wĂŒrde interessieren, was du zu der Story von Rensmann denkst, weil die ja sehr mĂ€rchenhaft war. Ich glaube, die könnte polarisieren :-)


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#104 Fermentarius

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Geschrieben 26 Juli 2023 - 11:39

Ute Wehrle - Der Sinn des Überlebens

Ich habe mit der Geschichte auch meine Schwierigkeiten. ZunĂ€chst stimmt die PrĂ€misse nicht. KIs sind keineswegs flexibler und anpassungsfĂ€higer als biologische Intelligenzen - im Gegenteil. Selbst die besten KI-Modelle brauchen geradezu irrsinnig große TrainingsdatensĂ€tze, wenn sie einigermaßen sinnvoll reagieren sollen. Deshalb gibt es noch keine KI, die das autonome Fahren beherrscht, obwohl Tesla und andere Autohersteller ihren KIs Millionen von Trainingskilometern spendiert haben. Ein Mensch braucht nur einen Bruchteil davon an Fahrstunden, um seinen FĂŒhrerschein zu machen.

Mit der internen Logik der Geschichte hapert es auch gewaltig. Und wenn KIs besonders anpassungsfĂ€hig sind, warum sind die Roboter in der Geschichte noch nach Zehntausenden von Jahren in ihren Rollenklischees gefangen? Wenn sie flexibel auf Umweltanforderungen reagieren, sollten sie das lĂ€ngst abgelegt haben. Und warum fĂŒhren sie ihre Dialoge so, als hĂ€tten sie sich gerade erst kennengelernt? Man könnte natĂŒrlich eine Art Groteske ĂŒber Roboter schreiben, die nach hunderttausend Jahren immer noch in Rollen gefangen sind und ihre inhaltsleeren Dialoge in einer ewigen Schleife abspulen. Aber das ist wohl nicht gemeint.

Ich vermag auch nicht so recht einzusehen, wieso geniale Roboter, die sich in kĂŒrzester Zeit gegen Lava-Asche wappnen, im Wasser sofort umkommen. Ein bisschen stört mich auch, dass Roboter und Menschen komplett klischeehaft gezeichnet sind. Keiner bricht auch nur einen Moment aus der vorgegebenen Rolle aus. Und die Schlussfolgerung der ĂŒberlegenen Intelligenz am Schluss ist doch arg banal.

Immerhin ist die Geschichte flĂŒssig geschrieben, so dass man zwar stĂ€ndig mit logischen Stolpersteinen zu kĂ€mpfen hat, aber sonst gut durchkommt.



#105 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 26 Juli 2023 - 11:46

 Man könnte natĂŒrlich eine Art Groteske ĂŒber Roboter schreiben, die nach hunderttausend Jahren immer noch in Rollen gefangen sind und ihre inhaltsleeren Dialoge in einer ewigen Schleife abspulen. 

 

Das wĂ€re in der Tat eine witzige Idee, mĂŒsste jemand mit viel Humor angehen  :bighlaugh:


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#106 Future Remains

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Geschrieben 26 Juli 2023 - 19:32

Dieter, wann kommen eigentlich deine diplomatischen Verrisse? Mich wĂŒrde interessieren, was du zu der Story von Rensmann denkst, weil die ja sehr mĂ€rchenhaft war. Ich glaube, die könnte polarisieren :-)

Hallo Yvonne, noch nicht im Urlaub? - Zu Rensmann hatte ich mir nicht viele Notizen gemacht:

 

Ganz schön als MĂ€rchen, und man sollte nicht zu viel reininterpretieren. Die Geschichte der NĂ€nnie (!) von den zwei Königskindern, die sich finden sollten, es aber nicht schaffen, setzt sich bei einem der Kinder, denen sie die Story erzĂ€hlt, fort. FlĂŒssig geschrieben. Ausgang ist offen, aber unerklĂ€rt wird postuliert, dass die letzten zwei Kinder, Omega und Jul, auch die letzte Chance sind, die Gene der Menschen weiterzureichen. Treffen sie sich nicht, gibt’s halt keine Nachkommen. - Ja gut, ist also ein MĂ€rchen. DafĂŒr ist es gut. - Ich hĂ€tte diese Textgattung an sich nicht in der Anthologie erwartet. Dann hĂ€tte es auch eine breitere Öffnung haben können unter Einschluss von Sagen/Sagas und vielleicht auch von Gedichten. Warum also gerade MĂ€rchen, frage ich mich.

 

Der angekĂŒndigte diplomatische Verriss - zumindest der Versuch - galt meinen AusfĂŒhrungen zu HJ Kuglers "Die Heimkehrer". Aber a propos: Ist schon jemand aufgefallen, dass wir hier noch nicht ĂŒber Aiki Miras Beitrag gesprochen haben?



#107 Future Remains

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Geschrieben 26 Juli 2023 - 19:46

Ute Wehrle - Der Sinn des Überlebens

Ich habe mit der Geschichte auch meine Schwierigkeiten. ZunĂ€chst stimmt die PrĂ€misse nicht. KIs sind keineswegs flexibler und anpassungsfĂ€higer als biologische Intelligenzen - im Gegenteil. Selbst die besten KI-Modelle brauchen geradezu irrsinnig große TrainingsdatensĂ€tze, wenn sie einigermaßen sinnvoll reagieren sollen. Deshalb gibt es noch keine KI, die das autonome Fahren beherrscht, obwohl Tesla und andere Autohersteller ihren KIs Millionen von Trainingskilometern spendiert haben. Ein Mensch braucht nur einen Bruchteil davon an Fahrstunden, um seinen FĂŒhrerschein zu machen.

Mit der internen Logik der Geschichte hapert es auch gewaltig. Und wenn KIs besonders anpassungsfĂ€hig sind, warum sind die Roboter in der Geschichte noch nach Zehntausenden von Jahren in ihren Rollenklischees gefangen? Wenn sie flexibel auf Umweltanforderungen reagieren, sollten sie das lĂ€ngst abgelegt haben. Und warum fĂŒhren sie ihre Dialoge so, als hĂ€tten sie sich gerade erst kennengelernt? Man könnte natĂŒrlich eine Art Groteske ĂŒber Roboter schreiben, die nach hunderttausend Jahren immer noch in Rollen gefangen sind und ihre inhaltsleeren Dialoge in einer ewigen Schleife abspulen. Aber das ist wohl nicht gemeint.

Ich vermag auch nicht so recht einzusehen, wieso geniale Roboter, die sich in kĂŒrzester Zeit gegen Lava-Asche wappnen, im Wasser sofort umkommen. Ein bisschen stört mich auch, dass Roboter und Menschen komplett klischeehaft gezeichnet sind. Keiner bricht auch nur einen Moment aus der vorgegebenen Rolle aus. Und die Schlussfolgerung der ĂŒberlegenen Intelligenz am Schluss ist doch arg banal.

Immerhin ist die Geschichte flĂŒssig geschrieben, so dass man zwar stĂ€ndig mit logischen Stolpersteinen zu kĂ€mpfen hat, aber sonst gut durchkommt.

Ja, richtig, Ute Wehrles Beitrag. Mich hat die - durchaus flĂŒssig geschriebene - Story verwirrt, weil sie von Robotern, Androiden und KĂŒnstlicher Intelligenz spricht und diese Begriffe meist als Synonyme verwendet, die sie aus meiner Sicht nicht zwingend sind. Auch oder besonders dann nicht, wenn die den Roboterwesen zugewiesen Aufgaben lediglich Sex mit Menschen oder Putzen sind. Das war mir auch zu klischeehaft gedacht. Und diese mit menschlichen Macken versehene Gurkentruppe, die durch einen Urwald stapft, wirkt von Anfang an alles andere als ĂŒberlegen und intelligent.  Der Schluss der Story erlĂ€utert diesen Sachverhalt zumindest, ... allerdings ohne bei mir einen Aha-Effekt auszulösen. Es blieb die Botschaft hĂ€ngen: Die nach uns kommen, sind genauso doof wie wir.



#108 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 26 Juli 2023 - 20:03

AmĂŒsante Botschaft! Als wĂŒrden die Ärzte SF machen. Also, die Band.

Ich habe nicht ĂŒber Aikis Geschichte gesprochen, weil ich nach zweimal lesen noch immer ratlos bin ...

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#109 Future Remains

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Geschrieben 26 Juli 2023 - 20:15

AmĂŒsante Botschaft! Als wĂŒrden die Ärzte SF machen. Also, die Band.

Ich habe nicht ĂŒber Aikis Geschichte gesprochen, weil ich nach zweimal lesen noch immer ratlos bin ...

:D Die Ärzte machen SF - Das bringt es auf den Punkt.  Bei Aiki sehe ich mich ĂŒbrigens auch als Rudi Ratlos. Womit wir bei Lindenberg wĂ€ren.



#110 Fermentarius

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Geschrieben 27 Juli 2023 - 07:33

:D Die Ärzte machen SF - Das bringt es auf den Punkt.  Bei Aiki sehe ich mich ĂŒbrigens auch als Rudi Ratlos. Womit wir bei Lindenberg wĂ€ren.

Aiki Miras Text kam mir auch ziemlich sybillinisch vor. Ich gebe mal wieder, was ich verstanden habe:

 

Achtung: Der ganze Beitrag ist ein einziger Spoiler. Wer den Text lieber selbst entschlĂŒsseln möchte, sollte

 jetzt nicht weiterlesen.

 

Thema ist Geburt und Wiedergeburt im einem symbolischen Sinn.

Hintergrund, wie er in der Geschichte enthĂŒllt wird:

Die Menschen haben die Erde unbewohnbar gemacht, ob nur fĂŒr Menschen oder fĂŒr alles höhere Leben, bleibt unklar. Die ĂŒberlebenden Menschen sind zum Mond geflĂŒchtet. Auf der Erde bleiben KIs zurĂŒck, die auch die letzten Reste der Menschen und sogar ihre DNA ausrotten wollen. Ein (mindestens) tausendjĂ€hriger Krieg folgt. Die Menschen auf dem lebensfeindlichen Mond gehen eine Art Symbiose mit Maschinen ein. Ab einem Alter von sieben Jahren leben sie als "weicher Kern" in einem Panzer aus Metall und verschmelzen langsam damit. Ihre Lebensdauer betrĂ€gt nur etwa 25 Jahre, dann erhĂ€lt der sehr viel langlebigere Panzer einen neuen Kern.

Die Symbionten fliegen unter anderem auch Angriffe auf die KIs der Erde. Diese KIs haben sich weiterentwickelt und sind zu Hybriden aus Maschinen und Tieren geworden. Die kĂŒnstlich in Laboren hergestellten Tiere sind SchimĂ€ren (Mischwesen). Nur ein biologisch abbaubarer Chip in ihrem Hirn hĂ€lt noch Verbindung zu anderen KIs, alles ĂŒbrige ist biologisch.

Handlung:

Einer Gemeinschaft solcher SchimĂ€renwesen der Hass auf die Menschen abhandengekommen. Sie versuchen zwei misstrauische, in ihre Panzer gehĂŒllte Kriegerinnen vom Mond zu ĂŒberzeugen, bei und mit ihnen in Frieden zu leben. Allerdings mĂŒssten die Kriegerinnen dafĂŒr ihre Panzer ablegen, so dass nur der weiche Kern ĂŒbrigbleibt, eben der biologische Mensch. Auf der lebensfreundlichen Erde braucht ein Mensch keinen Panzer. Eine der Kriegerinnen ist bereits zu sehr mit ihrem Panzer verschmolzen und stirbt. Die andere tut sich schwer mit der Entscheidung und wartet bis zum allerletzten Moment.

Die SchimÀrenwesen legen dann den Menschen in der Maschine frei und "warten auf den ersten Schrei".

 

FĂŒr seine wenigen Seiten ist der Text ziemlich ĂŒberladen. Darunter leidet sowohl die PlausibilitĂ€t als auch die Genauigkeit der Beschreibung. Es bleibt völlig unklar, wie die Menschen auf dem Mond ĂŒberleben. Verbinden sie sich alle mit Maschinen, oder nur einige? Nur Krieger, oder auch Arbeiter? Gibt es ein Habitat? Wer zieht die Kinder auf? So wie beschrieben kann es eigentlich nicht funktionieren.

Ähnlich unplausibel ist die Entwicklung auf der Erde. Wenn ich die DNA von Krokodil und Hirsch vereine, bekomme ich nicht etwa ein Krokodil mit Geweih. Ich bekomme ĂŒberhaupt nichts. Die DNA ist einfach zu verschieden. SchimĂ€renwesen sind nicht in der Wirklichkeit lebensfĂ€hig. Die Idee von den KIs, die mit Tieren aller Art in einem Körper koexistieren und eine philosophisch-friedliche Gemeinschaft bilden, ist schon sehr weit hergeholt.

Die Dialoge der Kriegerinnen wirken nicht wirklich militĂ€risch. Außerdem sind sie offenbar ohne jede AufklĂ€rung und ohne jedes bestimmte Ziel in die ErdatmosphĂ€re geschickt worden. Der WortfĂŒhrer der SchimĂ€ren spricht dagegen wie der Guru einer esoterischen Sekte.

 

Das ganze ist flĂŒssig und farbig geschrieben, mit vielen Metaphern, von denen einige allerdings verrutscht sind ("Ein blasser Mond schimmert durch wie durch Glas im Dunst eines rosa Himmels").

Insgesamt habe ich den Eindruck, das sich Aiki Mira an dem Text etwas verhoben hat.



#111 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 27 Juli 2023 - 07:42

Ich mag die Beschreibung, dass "Metaphern verrutschen" können, darf ich das fĂŒr meine Rezensionen klauen, wenn ich mal eine verrutschte Metapher finde?

 

Wie du den Hintergrund zusammenfasst, so habe ich das auch verstanden. Bei der Handlung ist glaube ich einiges ĂŒber meinen Kopf gegangen, weshalb ich kaum dazu gekommen bin, etwas unplausibel zu finden, zu verwirrt und verloren war ich noch im Text. 

 

Nachdem ich nun einiges von Mira gelesen habe (alles?), glaube ich, auf PlausibilitĂ€t kommt es them selten an. Auch in anderer Prosa gibt es oft Dinge, die man nicht im Biologie- oder Physikunterricht als Beispiel hernehmen wĂŒrde. Damit habe ich an sich keine Probleme. Es ist schon sehr phantastisch aufgebaut. (Anders wĂ€re es, wenn Morris oder Peterson in ihren Hard SF BĂŒchern plötzlich etwas einbauen, das so nicht funktionieren kann, andere Prosa, anderer Anspruch.)

 

Ich hatte nur einfach massive Schwierigkeiten beim VerstĂ€ndnis hier. Danke also fĂŒr deine Zusammenfassung, so ergibt die Handlung in meinem Kopf nachtrĂ€glich sogar Sinn. Ich lese es womöglich eines Tages noch mal, bin mir aber sehr sicher, dass ich Miras Text in der letzten NOVA bevorzuge, den habe ich beim ersten Mal lesen schon verstanden. :-)

(Den aus der letzten Exodus auch, aber den in der NOVA mag ich lieber.)


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#112 Fermentarius

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Geschrieben 27 Juli 2023 - 08:08

Ich mag die Beschreibung, dass "Metaphern verrutschen" können, darf ich das fĂŒr meine Rezensionen klauen, wenn ich mal eine verrutschte Metapher finde?

 

Wie du den Hintergrund zusammenfasst, so habe ich das auch verstanden. Bei der Handlung ist glaube ich einiges ĂŒber meinen Kopf gegangen, weshalb ich kaum dazu gekommen bin, etwas unplausibel zu finden, zu verwirrt und verloren war ich noch im Text. 

 

Nachdem ich nun einiges von Mira gelesen habe (alles?), glaube ich, auf PlausibilitĂ€t kommt es them selten an. Auch in anderer Prosa gibt es oft Dinge, die man nicht im Biologie- oder Physikunterricht als Beispiel hernehmen wĂŒrde. Damit habe ich an sich keine Probleme. Es ist schon sehr phantastisch aufgebaut. (Anders wĂ€re es, wenn Morris oder Peterson in ihren Hard SF BĂŒchern plötzlich etwas einbauen, das so nicht funktionieren kann, andere Prosa, anderer Anspruch.)

 

Ich hatte nur einfach massive Schwierigkeiten beim VerstĂ€ndnis hier. Danke also fĂŒr deine Zusammenfassung, so ergibt die Handlung in meinem Kopf nachtrĂ€glich sogar Sinn. Ich lese es womöglich eines Tages noch mal, bin mir aber sehr sicher, dass ich Miras Text in der letzten NOVA bevorzuge, den habe ich beim ersten Mal lesen schon verstanden. :-)

(Den aus der letzten Exodus auch, aber den in der NOVA mag ich lieber.)

Hallo Yvonne, klar darfst du von verrutschten Metaphern reden, wenn das passt. Darauf habe ich kein Copyright. Und zum Thema PlausibilitĂ€t: Ich bin einfach von ganzem Herzen Naturwissenschaftler und bei mir lĂ€uft im Hintergrund immer ein Check mit (geht das ĂŒberhaupt?), wenn ich eine Geschichte lese. Wenn Dinge offensichtlich nicht funktionieren wie beschrieben, dann stolpere ich darĂŒber. In einem literarischen Kontext, wenn also bestimmte unmögliche Dinge helfen sollen, die PrĂ€misse  zu beweisen oder als Hilfsmittel dienen, um die Geschichte voranzutreiben, habe ich damit keine Probleme. Der Protagonist in Bölls "Ansichten eines Clowns" kann beispielsweise durchs Telefon riechen. Das ist natĂŒrlich unmöglich, aber Böll benutzt diese FĂ€higkeit, um die GesprĂ€chspartner, die in der Geschichte nicht persönlich auftauchen, besser zu charakterisieren.

Bei der Geschichte von Aiki Mira beruht der zentrale Konflikt auf einer unplausiblen Entwicklung. Sie könnte allegorisch oder metaphorisch zu verstehen sein, aber an diesem Punkt muss ich passen, weil ich das nicht mehr auflösen kann.



#113 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 27 Juli 2023 - 08:53

Ich verstehe, das könnte sogar mit ein Grund sein, warum ich nicht mitkam.

 

Böll ist ein gutes Beispiel. 

Es gibt ja auch den magischen Realismus, beispielsweise bei Allende, da bin ich auch mitgegangen ohne Probleme. Aber das ist vielleicht auch etwas anderes, das war dann klar phantastisch. Wie auch die Geister in der letzte Sessellift. (John Irving). Da steht die Phantastik nicht im Vordergrund, scheint aber durch.

 

Vielleicht weil ich eher aus der Horror-Ecke komme und erst seit drei Jahren in großem Stil SF lese, kann ich die Wissenschaftlerin in mir zum Schweigen bringen. :-)


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#114 Future Remains

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Geschrieben 27 Juli 2023 - 21:09

So sei es nun:

 

Aiki Mira: Zwischen der Musik (Auch diesen Beitrag bitte nur lesen, wenn Ihr euch schon selbst ein Bild von ihrer Geschichte gemacht habt):

 

Rasanter Einstieg, der gefiel mir. Kampfabstieg zweier fliegende KI-Kampfeinheiten (L3 und A9) auf die Erde. Es sind Drohnen, unter deren Panzern ein weicher Kern steckt. Reste menschlichen Ursprungs. Sie werden aber von der feindlichen Luftabwehr nicht abgeschossen, sondern in Gewahrsam genommen. Eine aus mehreren Tierteilen bestehende Kreatur empfĂ€ngt sie, versucht sie zu ĂŒberzeugen, dass sie ihre Kampfpanzer ablegen und wie die jetzigen Bewohner der Erde leben sollen.

Beide Spezies, wenn man die so nennen kann, sind Nachfahren der Menschen, die den Planeten vergeigt haben. A9 versucht L3 von dem Angebot abzuhalten, was aber nicht gelingt. A9 stirbt tragisch, weil es nicht loslassen kann von der eigens erklÀrten IdentitÀt. L3 wird aus dem Panzer geholt; und das Ganze wird fast wie eine Geburt von Aiki geschildert.

 

Die Story musste auch ich zweimal lesen, um sie irgendwie zu verstehen. Typisch Aiki Mira! Eine an sich originelle Geschichte mit viel Tempo zu Beginn. Nur die zusammengestĂŒckelten Tierwesen – da geht es mir mit meinem Hintergrund aus Biologie und Biotechnologie so wie Thomas GrĂŒter, ergeben fĂŒr mich keinen Sinn. So eine ZusammenstĂŒckelung von ExtremitĂ€ten ist niemals das Ergebnis einer Durchmischung von DNA. Das Ganze erinnerte mich an die Kreaturen aus Wells' „Die Insel des Dr. Moreau“.

 

Abgesehen von dieser konkreten Betrachtung der Shortstory gehen mir noch weitere Gedanken durch den Kopf:

 

Ich weiß, dass Aiki ein Faible fĂŒr Geschichten hat, die eben nicht dem Mainstream huldigen; die Leseerwartungen an Handlungsstruktur und Spannungsbogen bewusst unterlaufen. Kurz gesagt: Aiki bĂŒrstet ihre Geschichten mit absichtsvoller Lust gegen den Strich. Sie will ihre Lesenden zum Nachdenken bewegen, ja geradezu zwingen. - Nicht in allen Storys, die ich bisher von ihr kenne, aber doch in schöner RegelmĂ€ĂŸigkeit wiederkehrend! Wie oft habe ich jetzt schon gehört/gelesen, dass man ihre Geschichten eigentlich zweimal lesen muss, um sie zu verstehen? Davon war schon im Diskurs ĂŒber „Neongrau“ die Rede, und ich habe es auch bei der Diskussion im Zirkel ĂŒber ihre Story „Hier leben nur die Enkel von Elon Musk“ (EXODUS 46) registriert.

 

Ok (Durchatmen!) 
. Zweimal lesen. – Wer, bitte sehr, tut das?? Wie viele tun das? Ich stehe auf dem Standpunkt, dass ich als Autor von Geschichten eine Aufgabe gegenĂŒber dem Leser/der Leserin habe: Ihn/Sie bei der Geschichte zu halten. Indem ich es nicht langweilig werden lasse. Indem ich es nicht durch die Bank schwer mache, der Story zu folgen. Indem ich dem Lesenden Lesesspaß bereite. Das schließt nicht aus, innovative ErzĂ€hlstrukturen zu verwenden. Aber: Wenn ich es unterlasse, meine Leserinnen und Leser mitzunehmen, und meinen Lesenden gar MĂŒhen auferlege, die diese am Ende nicht erfĂŒllen wollen („Ich lesÂŽ das doch nicht zweimal“) oder können („Ich hab’s auch nach dem zweiten Lesen nicht verstanden“), reichen auch die abgefahrensten Sprachfiguren nicht mehr, um die eigene Story zu retten.

 

Das wollte ich mal loswerden.



#115 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 28 Juli 2023 - 05:29

Zweimal lesen finde ich okay, wenn die Story fĂŒr ist. Ich habe deine auch zweimal gelesen. Und viele andere auch.

Mit dieser Story hatte ich aber auch nach dem zweiten Mal Schwierigkeiten ...

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#116 FranzH

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Geschrieben 28 Juli 2023 - 08:10

 

Ok (Durchatmen!) 
. Zweimal lesen. – Wer, bitte sehr, tut das?? Wie viele tun das? Ich stehe auf dem Standpunkt, dass ich als Autor von Geschichten eine Aufgabe gegenĂŒber dem Leser/der Leserin habe: Ihn/Sie bei der Geschichte zu halten. Indem ich es nicht langweilig werden lasse. Indem ich es nicht durch die Bank schwer mache, der Story zu folgen. Indem ich dem Lesenden Lesesspaß bereite. Das schließt nicht aus, innovative ErzĂ€hlstrukturen zu verwenden. Aber: Wenn ich es unterlasse, meine Leserinnen und Leser mitzunehmen, und meinen Lesenden gar MĂŒhen auferlege, die diese am Ende nicht erfĂŒllen wollen („Ich lesÂŽ das doch nicht zweimal“) oder können („Ich hab’s auch nach dem zweiten Lesen nicht verstanden“), reichen auch die abgefahrensten Sprachfiguren nicht mehr, um die eigene Story zu retten.

 

Das wollte ich mal loswerden.

 

Ich stimme dir im Prinzip zu. Trotzdem möchte ich als Leser auch manchmal gefordert werden, es muss sich mir nicht immer alles sofort erschließen.
Dies hĂ€ngt durchaus von meiner "Tagesform" ab und bei eine Anthologie kann ich auch zur nĂ€chsten Geschichte weiterblĂ€ttern und spĂ€ter wieder zurĂŒckkehren. NatĂŒrlich werde ich gerne unterhalten, aber manchmal darf es auch etwas anstrengender sein. Nicht alle Tiptree Geschichten erschließen sich einem sofort und auch nicht alle SĂ€tze von Dietmar Dath, trotzdem können sie sich lohnen.

Bei Aiki habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich noch einmal lesen "lohnt" in dem Sinne, dass ich ZusammenhĂ€nge und Schichten erkenne, die ich vorher nicht gesehen habe. Ich sage es mal so: Wenn also in einer Anthologie eine Geschichte drin ist, die sich mir nicht gleich erschließt, dann  lese ich sie vielleicht sofort noch einmal oder erst spĂ€ter, je nach Tagesform, Lust und Laune. Beim Sport strenge ich mich auch gerne an, warum sollte dies beim Lesen nicht auch ab und zu nötig sein?

 

P.S. Manchmal geht das natĂŒrlich trotzdem schief und ich gebe eine Geschichte auf. Das hatte ich auch schon (Ich sage jetzt  nicht, bei welchen Geschichten, es war aber keine von Aiki MIra dabei.)



#117 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 28 Juli 2023 - 08:23

Ich bin da sehr nah bei Franz. Digital Detox (auch von Mira, aus 2022) hatte ich beim ersten Lesen nicht verstanden, der springende Punkt ist aber: Ich fand sie trotzdem beim ersten Lesen gut! Sie hat mich erreicht, inhaltlich und sprachlich. Dann habe ich auch Lust, eine Story noch mal zu lesen.

Nicht noch mal lesen ich jene Storys, die ich beim ersten Mal nicht verstehe und die mich total kalt lassen. 

 

Ich habe kĂŒrzlich Nur du und ich von Regine Bott ein zweites Mal gelesen, beim ersten Mal ist die Story total an mir vorbeigegangen. Beim zweiten Mal fand ich sie dann total gut. Da war ich beim ersten Mal einfach zu ungeduldig.

 

Tiptree ist ein sehr gutes Beispiel, da gibt es noch immer Storys, die ich zufĂ€llig gleich beim ersten Mal verstanden hatte (wie Her smoke rises up forever) und andere, die ich erst gerafft habe, als ich zig Rezensionen gelesen habe und immer noch welche, die ich immer noch nicht verstanden habe. 

 

 

Also, ja, ich habe mir eigentlich vorgenommen, weniger Kurzgeschichten 2023 zu lesen und die guten dafĂŒr mehrmals. Die richtig guten feiere ich dann auch so richtig, ggf. auch mit Einladung zum Podcast mit Vorlesen etc. und dann wird auch ausfĂŒhrlich drĂŒber gesprochen oder eine Rezension einer Einzelkurzgeschichte veröffentlicht. Ich feiere die Perlen jetzt sehr laut und ignoriere eben dafĂŒr viele andere. 


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#118 Future Remains

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Geschrieben 28 Juli 2023 - 10:23

Tja, so geht jeder anders mit den gelesenen Geschichten um. Wobei ich bei euch bin: Wenn die Geschichte einen erst gar nicht berĂŒhrt, wird man sie wahrscheinlich nicht ein zweites Mal lesen. Gute Sachen hingegen lese ich nach Monaten oder gar Jahren gern ein zweites Mal. Auch Romane und Zyklen.

 

Und natĂŒrlich meine ich mit Leichtmachen fĂŒr den Leser nicht, dass das Niveau niedrig liegen soll. Ich will nur keine Leser mittendrin verlieren. Es ist zuweilen eine Gratwanderung, der ich mir beim Schreiben bewusst sein muss.



#119 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 28 Juli 2023 - 10:46

Das muss ich Miras Prosa aber lassen, verloren hat die Prosa mich bisher noch nie mittendrin. Also, so, dass ich abgebrochen hÀtte.

 

Viele, viele andere Kurzgeschichten habe ich aber schon abgebrochen, seit ich das konsequent mache.


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#120 Future Remains

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    Yoginaut

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Geschrieben 03 August 2023 - 21:06

Ich wĂŒrde gerne mit der letzten Story aus dem Block `Roboter sind auch nur MenschenÂŽ weitermachen:

 

Christian Manske: Wimpernschlag der Ewigkeit

 

Ein KI-Wesen bei der KI-Psychologin. Das Wesen namens Graham – spĂ€ter: Adam – muss sich der Option stellen, die quasi eingefrorenen und somit weggesperrten letzten Menschen wieder auf die Erde loszulassen und nebenbei die Tatsache verarbeiten, dass sein `Vater‘, also Erbauer, selbst ein Mensch gewesen ist. Der hatte die Hoffnung gehegt, Graham/Adam wĂŒrde einen Weg finden, die Menschheit zu retten. Soll er es tun? Ob die Menschheit dies verdiene, beantwortete der Vater laut Erinnerung Adams nicht.

 

Die Psychologin rĂ€t ihm nachgerade dazu. Es gebe auch gute Eigenschaften des Menschen, wie GĂŒte und Liebe und Hoffnung 


 

Na ja, die Sitzung bei der Psychologin hĂ€tte ich persönlich nicht bezahlt. Denn sie interpretiert und insinuiert fĂŒr Adam Dinge, statt ihn selbst sein Inneres erforschen zu lassen. Das ist aus meiner Sicht keine Psychologie mehr, sondern eine Wunschvorstellung, wie eine psychotherapeutische Session ablaufen könnte. (Wobei die verschiedenen Richtungen in der psychologischen Psychotherapie natĂŒrlich auch verschiedene Maßnahmen zur Bearbeitung von inneren, krankmachenden Blockaden vorschlagen. Den Klienten die Denkarbeit vorschnell abnehmen wĂŒrde aber meines Wissens kein Vertreter jedweder Richtung.)

 

Die in der Story in den Mittelpunkt gestellte Fragestellung ist gelungen. Aber die AusfĂŒhrung lĂ€sst mich unbefriedigt zurĂŒck. Von daher sehe ich die Story – trotz der flĂŒssig erzĂ€hlten, von bewussten Schnitten kontrastierten Handlung – in der Gesamtschau aller BeitrĂ€ge der Anthologie leider nur im Mittelfeld.




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