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Greg Egan – Quarantäne (1993), orig. Quarantine (1992)

Viele Welten Quantenmechanik Bewusstsein Konzerne Ethik

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3 Antworten in diesem Thema

#1 head_in_the_clouds

head_in_the_clouds

    Yoginaut

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Geschrieben 29 Dezember 2023 - 10:50

Quarantine (1992) also appeared as: Quarantäne [German] (1993 , Heyne ebook 2016)

 

Im Jahr 2034 legt sich eine riesige Barriere um unser Sonnensystem, und die Sterne erlöschen. Ein Mädchen verschwindet trotz vermeintlich schwerer Hirnschädigung aus einem Pflegeheim. Privatdetektiv Stavrianos soll sie finden – und entdeckt einen unglaublichen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen.

 

Der Roman spielt mit der Möglichkeit das Bewusstsein letztendlich ein quantenmechanisches Phänomen ist und das den Protagonisten durch ein Gehirnimplantat in die Lage versetzt aus möglichen quantenmechanisch überlagerten Realitäten eine auszuwählen um sein (zum Ende hin altruistisches) Ziel zu erreichen.

 

Wegen des Dekohärenz Problems bin ich zwar nicht überzeugt das Bewusstsein auf quantenmechanischer Ebene zu finden ist (inzwischen werden neben dem Gehirn der biologische Körper und die Evolution/Sozialisation als weitere mögliche Voraussetzungen für menschliches Bewusstsein diskutiert) , dennoch ist das Werk eine wichtige konzeptionelle Weiterführung des Cyberpunks und deren Human/Computer Interfaces - unter Einbeziehung der „Viele Welten“ - Theorie von Hugh Everett.

 

Der Romane wird in der ISFDB unter der sogenannten „Subjective Cosmology“ Serie summiert. Egan selbst sagt das diese nicht als Serie geschrieben wurden und er diese Bezeichnung nicht auf die Werke angewendet sehen will. siehe auch zur Schaffensphase des Romans: Greg Egan – radikale Hard SF mit menschlichem Einschlag (II): Identität , Bewusstsein und Bioethik

 

Da die deutsche Printausgabe selten und damit gebraucht teuer zu erstehen ist , hier der Hinweis das der Heyne Verlag den Roman seit 2016 als kindle ebook wieder im Angebot hat.

 

 

Meine komplette Blog-Serie in scifinet.org:

Greg Egan – radikale Hard SF mit menschlichem Einschlag (I)

Greg Egan – radikale Hard SF mit menschlichem Einschlag (II): Identität , Bewusstsein und Bioethik


Bearbeitet von head_in_the_clouds, 29 Dezember 2023 - 11:06.

"Why should one be afraid of something merely because it is strange?"

  • (Buch) gerade am lesen:Morphotrophic - Greg Egan

#2 Wurzelbrumf

Wurzelbrumf

    Ufonaut

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Geschrieben 29 Dezember 2023 - 17:28

Egan wurde/wird viel zu wenig übersetzt.

Ich habe alle seine deutschen Werke gelesen und die interessanten Ideen sehr genossen.



#3 Rezensionsnerdista

Rezensionsnerdista

    Yvonne

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Geschrieben 29 Dezember 2023 - 19:35

Ich lese gerade seine neue Story Sammlung

Podcast: Literatunnat

  • (Buch) gerade am lesen:meistens viele
  • • (Film) gerade gesehen: The Whale, Everything everywhere at once, Zurück in die Zukunft III

#4 Michael Böhnhardt

Michael Böhnhardt

    Giganaut

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Geschrieben 11 Januar 2024 - 20:43

Ich habe das Buch geradezu verschlungen.

 

Worum geht es? 2034 umschließt eine riesige Barriere das Sonnensystem und bringt so die Sterne zum Erlöschen. Das führt auf der Erde zum Aufblühen der obskursten Glaubenssysteme. Am Schlimmsten führt sich wohl die Endzeitsekte Kinder des Chaos auf, die mit weltweiten Terroranschlägen die Apokalypse feiert. Eines ihrer Opfer ist die Ehefrau des Polizisten Nick Stavrianos, der daraufhin seinen Job kündigt und sich fortan als Privatdetektiv verdingt. 2068 erhält er von einem anonymen Auftraggeber im Schlaf(!) den Auftrag, Laura Andrews zu finden, eine junge Frau, die mit einem schweren Hirnschaden geboren wurde und fast ihr ganzes Leben in einem geschlossenen Heim verbracht hat. Die Spur führt nach Neu-Hongkong, wo Nick dummerweise durch ein Loyalitätsmodul in seinem Gehirn umprogrammiert wird. Bald schon muss er feststellen, dass er einem Geheimnis auf der Spur ist, bei dem es um das Schicksal der Menschheit, ja des gesamten Universums geht ...

Der Roman beginnt in schönster Cyberpunk-Manier: Das Gehirn des Detektivs ist mit praktischen Zusatzmodulen aufgerüstet, Hacker, vor denen keine Information sicher ist, durchforsten das Netz, die verstorbene Ehefrau treibt sich noch immer als elektronische Vision im Kopf des Detektivs herum, elektronisch manipulierte Stechmücken dringen als Sonden in auszuspähende Gebäude ein, usw. usw. Doch bald begibt sich der Roman zunehmend abstraktere Gefilde: philosophisch-logische Gedankenspiele, wie man festverdrahtete Zwangsloyalität überwinden kann, und schließlich die Frage nach der Rolle des Beobachters in der Quantenmechanik. Ich hätte nicht gedacht, dass man diese abgehobene Theorie in die Handlung eines Romans übertragen kann. Aber Egan kann das. Unbedingt lesenswert.

Eine bestimmte Formulierung im Roman hat mich übrigens fast zwangsläufig wieder auf die Frage geführt, ob es sich beim Konzept des Beobachters und der Überlegung, was eine Messung nun genau ist, um die gleiche Problematik handelt wie das ursprüngliche Subjekt-Objekt-Dilemma der Philosophie.

Im Roman heißt es:
 

».. Wir sind nicht das Bewusstsein, das sich anschickt, das Universum zu verstehen – wir sind das Bewusstsein, das das Universum um die meisten seiner Möglichkeiten beraubte, weil es verstehen wollte.«

Ungläubig starre ich sie an. »Was soll das heißen? Dass das erste Lebewesen mit diesem besonderen Talent… das eigentliche Universum hat kollabieren lassen?«

Sie zuckt mit den Achseln. »Vielleicht ist es gar nicht auf der Erde passiert, auch wenn es keinen Beweis gibt, dass es nicht so war. Irgendwo muss es angefangen haben. Es muss auch nicht das ganze Universum betreffen – ein mehr zufälliger Blick über den Sternenhimmel war wohl noch keine Messung im eigentlichen Sinn. Doch hat sich die Zahl der möglichen Zustände dadurch sicherlich verringert – indem zunächst der Eigenzustand von Erde und Sonne festgelegt wurde, sozusagen für den Anfang. Sie gehörten nicht länger jener Mischung aus allen möglichen Zuständen an, die die Materie des Sonnensystem einnehmen könnte. Nicht zu vergessen die hellsten Fixsterne, die von diesem Wesen mit bloßem Auge zu erkennen waren. Denken Sie an die vielen Möglichkeiten, die nie wiederkehren, an die Sterne und Welten, die für immer zu existieren aufhörten, als dieses Urwesen seine Augen öffnete.«

 

In Schopenhauers "Welt als Wille und Vorstellung" steht etwas Ähnliches:
 

Denn »kein Objekt ohne Subjekt« ist der Satz, welcher auf immer allen Materialismus unmöglich macht. Sonnen und Planeten, ohne ein Auge, das sie sieht, und einen Verstand, der sie erkennt, lassen sich zwar mit Worten sagen; aber diese Worte sind für die Vorstellung ein Sideroxylon. Nun leitet aber dennoch andererseits das Gesetz der Kausalität und die ihm nachgehende Betrachtung und Forschung der Natur uns nothwendig zu der sichern Annahme, daß, in der Zeit, jeder höher organisirte Zustand der Materie erst auf einen roheren gefolgt ist: daß nämlich Thiere früher als Menschen, Fische früher als Landthiere, Pflanzen auch früher als diese, das Unorganische vor allem Organischen dagewesen ist; daß folglich die ursprüngliche Masse eine lange Reihe von Veränderungen durchzugehn gehabt, bevor das erste Auge sich öffnen konnte. Und dennoch bleibt immer von diesem ersten Auge, das sich öffnete, und habe es einem Insekt angehört, das Daseyn jener ganzen Welt abhängig, als von dem nothwendig Vermittelnden der Erkenntniß, für die und in der sie allein ist und ohne die sie nicht ein Mal zu denken ist: denn sie ist schlechthin Vorstellung, und bedarf als solche des erkennenden Subjekts, als Trägers ihres Daseyns: ja, jene lange Zeitreihe selbst, von unzähligen Veränderungen gefüllt, durch welche die Materie sich steigerte von Form zu Form, bis endlich das erste erkennende Thier ward, diese ganze Zeit selbst ist ja allein denkbar in der Identität eines Bewußtseyns, dessen Folge von Vorstellungen, dessen Form des Erkennens sie ist und außer der sie durchaus alle Bedeutung verliert und gar nichts ist. So sehn wir einerseits nothwendig das Daseyn der ganzen Welt abhängig vom ersten erkennenden Wesen, ein so unvollkommenes dieses immer auch seyn mag; andererseits eben so nothwendig dieses erste erkennende Thier völlig abhängig von einer langen ihm vorhergegangenen Kette von Ursachen und Wirkungen, in die es selbst als ein kleines Glied eintritt. Diese zwei widersprechenden Ansichten, auf jede von welchen wir in der That mit gleicher Nothwendigkeit geführt werden, könnte man allerdings wieder eine Antinomie in unserm Erkenntnißvermögen nennen ...

 


Bei der ersten Lesart zerstört der sich öffnende erkennende Blick alle anderen Möglichkeiten, bei der anderen erschafft er im Prinzip erst die Welt; aber wenn man genauer darüber nachdenkt, sagen beide schon irgendwie dasselbe: Aus einem unfassbar komplexen Etwas (dem Ding an sich) filtert das erkennende Bewusstsein das heraus, das es registrieren und verarbeiten kann. Das hieße aber: Weder wird etwas erschaffen noch werden Möglichkeiten zerstört, alles andere bleibt einfach im Unerkennbaren (Ungemessenen) verborgen.





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