Hallo zusammen,
letztes Jahr hatte ich in diesem Forum angekündigt, einen Science-Fiction-Roman zu schreiben. Seit einigen Wochen ist die Rohfassung fertig, Umfang rund 112.500 Wörter. Das Manuskript liegt beim Lektor.
Es ist mir eine Freude, euch den Einstieg ins Buch vorzustellen. Euer Feedback ist willkommen.
--- Beginn Leseprobe
Ohrenbetäubend laut schrillte der hohe Ton durch die unterirdischen Wohnquartiere der Marskolonie in Hebes Chasma. Es folgten fünf Sekunden Pause, dann abermals der Alarm. Apoll presste sich die Hände auf die Ohren. Immer wieder erklang das durchdringende Geräusch. »Nicht die nächste Strafwoche. Ich habe es satt.« Apolls Messager an seinem Handgelenk zeigte 3:37 AM. Er rieb sich mit den schwieligen Händen die Müdigkeit aus den Augen. »Nur drei Stunden Schlaf, verdammt.«
Er sprang von der abgenutzten Pritsche, die er sich mit einem Kollegen aus der Bergbaumine teilte und zog seine Stiefel an. Wie fast alles in der Marskolonie waren sie mit rotem Staub bedeckt. Er schüttelte sich, um die Müdigkeit loszuwerden, und rannte zur Tür des Schlafsaals. Hunderte mehrstöckige Feldbetten reihten sich in dem großen Raum aneinander. Am Ausgang des Saals drängten sich viele Männer. Die meisten waren ähnlich muskulös, schmutzig und verschwitzt wie Apoll. Viele hielten sich die Ohren zu, um sie vor dem Signalton zu schützen. Apolls Freund Merkur eilte heran.
»Welcher Idiot ist diesmal schuld?«, rief Merkur. »Ich jedenfalls nicht«, fügte er mit mürrischem Gesichtsausdruck hinzu. Zusammen mit Tausenden anderer Männer bahnten sich Apoll und Merkur ihren Weg aus den Schlafsälen durch den schwach beleuchteten Gang zur Hauptröhre. Dort standen Wächter und brüllten. »Schneller, beeilt euch, schneller, schneller, los!« Mit Stöcken schlugen sie auf die Männer ein.
In der Hauptröhre warfen sich Apoll und Merkur mit den Anderen auf das Transportband aus schwarzem Gummi, das sich mit hohem Tempo am Boden der Röhre bewegte. Aus allen zehn Wohnquartieren der Kolonie stürzten sich Männer auf das Band. Sie stießen gegen andere, rempelten einander beiseite, traten und schlugen um sich und schrien: »Macht Platz!«, »Zur Seite!«, »Rückt endlich zusammen!« Apoll stöhnte vor Schmerz auf, als ein Mann mit voller Wucht auf seinen Beinen landete. Er und Merkur kauerten sich zusammen ein. Das band lief mit einer Geschwindigkeit wie ein schneller Dauerlauf. Das Aufspringen glich einer Mutprobe. Apoll hatte etliche Male blaue Flecken, Prellungen und Schürfwunden davon erlitten. Aber niemand wollte zu spät in die Arena kommen. Das würde alles nur schlimmer machen. Die fünf Strafen reichten. Sie hatten ab dem Moment, als der Alarm das erste Mal erklungen war, genau eine Stunde Zeit, bis der Countdown ablief.
Nach wenigen Minuten Fahrt auf dem Band rutschten Apoll und Merkur ruckartig nach vorn und prallten gegen die anderen Männer. Das Band senkte sich spürbar nach unten und führte in einem dunklen Schlund. Während Apoll nach den Beinen über sich griff, um Halt zu bekommen, sah er, wie ein Mann vom Band herunterflog und an die Wand der Röhre krachte. »Hoffentlich überlebt er den Abgang«, rief Merkur durch das brummende Geräusch des Transportbands. Apoll sah seinen Freund an, den er in dem schwachen rötlichen Licht kaum erkennen konnte, und nickte. Alle fünf Sekunden ertönte der Signalton durch die Röhre. Apoll kniff die Augen vor Schmerz zusammen.
Nach 25 Minuten endete die Tortur. Die Röhre mündete in eine große Halle mit drei hohen Toren an der gegenüberliegenden Stirnseite. Im Notfall würden diese Tore luftdicht verschlossen, um das Innere der Marskolonie vor einem Druckverlust zu schützen. Das Förderband verschwand in der Mitte der Transferhalle einfach im Boden. Apoll und Merkur rollten sich seitlich herunter und schlitterten durch den Staub. Alle rappelten sich so schnell wie möglich auf, um von dem Transportband wegzukommen. Ein Schrei drang durch die Halle. Apoll und Merkur blickten zurück. Zwei Männer rissen einen jungen Kerl von der Stelle fort, an der das schwarze Gummiband vom Boden der Halle verschluckt wurde. Panisch blickte er auf seinen rechten Arm, der in einem unnatürlichen Winkel zur Seite stand. »Oh nein, der ist mit seinem Arm in die Umlenkrolle geraten«, sagte Merkur mit einem Kopfschütteln. »Immerhin ist der Arm noch dran.« Unterhalb der Walzen verrotteten in der Dunkelheit abgetrennte Finger und Hände von Männern, die den richtigen Zeitpunkt zum Abrollen verpasst hatten. Da es in der ganzen Marssiedlung furchtbar stank, fiel der Geruch des verwesenden Fleischs nicht weiter auf.
Durch die offenen Tore der Transferhalle fielen erste Lichtstrahlen der aufgehenden Sonne. Jedes Mal war Apoll aufs Neue beeindruckt, wenn er durch eines der Tore trat. Wie hatten ihre Vorgänger diese Atmosphärenhülle bauen können? Sie bestand aus einem riesigen, transparenten Dach, das im Osten und Westen von hohen Wänden aus demselben durchsichtigen Material begrenzt war. Im Süden hinter der Transferhalle ragte der felsige Steilhang des Tafelbergs empor. Durch diesen Berg waren sie gerade mit dem Förderband rund 2.000 Meter in die Tiefe hinabgerast. Das nördliche Ende des Daches ließ sich mit dem bloßen Auge kaum ausmachen, denn es zog sich in schier endloser Länge über einen flach ansteigenden Hang hin, auf dem Vieh weidete und Gemüse und Getreide wuchsen. Vor diesem Anstieg lag ein weiteres Wunderwerk der ehemaligen Ingenieurinnen und Ingenieure: Ein großer See breitete sich in halbrunder Form unterhalb des Hangs aus. Das trübe Wasser schimmerte rötlich. Seine Oberfläche war glatt wie ein Spiegel, denn in der Halle rührte sich kein Wind und Fische lebten nicht in dem Gewässer. An seinem Ufer erhob sich die Arena mit ihren 100.000 Sitzplätzen.
---- Ende Leseprobe.
Wer mehr vom Texteinstieg lesen möchte, findet die vollständigen Szenen 1 und 2 hier: https://www.materter...pace/leseprobe/ - auch als Hörprobe und Youtube-Video. Ich bin sehr gespannt, ob diese audiovisuellen Angebote auch Interessenten anlocken...
Herzliche Grüße und danke für euer Interesse
Ingo