So, mit einiger Verspätung kippe ich mal meine Eindrücke hier rein.
Es gab insgesamt drei Gründe, weshalb ich gerade jetzt diese Ausgabe gelesen habe. Zum einen möchte ich meinen NOVA-Rückstand peu à peu aufarbeiten (Zielvorgabe: eine Ausgabe pro Quartal, bislang habe ich das erfüllt!). Des weiteren hat Yvonne ja einen Lesezirkel für alle für den DSFP 2025 nominierten Stories ins Leben gerufen, und Ulf Fildebrandts Beitrag aus NOVA 34 stand auf der Liste. Und zum dritten passte das Magazin einfach gut in die Lesechallenge, die auf dem Schwesterforum läuft.
Mein Fazit: Insgesamt habe ich „NOVA 34“ gern gelesen. Es gab schon bessere Anthos, es gab wohl auch schon bessere NOVAe, aber von beiden eben auch schon deutlich schwächere.
So richtig herausragend fand ich keine der Stories. Rundum gelungen fand ich die Beiträge von Krieg, Fildebrandt, Rehak und Schmitt. Ordentlich bis solide waren die Stories von Hobusch, Lauenrodt und Boltz. Alle Stories zeigten zumindest gutes Handwerk insofern, als die Texte sprachlich gut lesbar waren. Den Sekundärteil fand ich durchwachsen; Nachrufe erreichen mich so gut wie immer, der KI-Artikel zeigte gute Ansätze, mit dem Rest konnte ich nur wenig anfangen. Aber ich lese NOVA hauptsächlich wegen der Stories.
Bei amazon würde ich gerade soeben noch 4 von 5 Sternchen geben.
In Schulnoten schwanke ich zwischen 2- und 3+.
Meine Notizen und Gedanken zu den einzelnen Beiträgen findet ihr unter der Unterschrift.
Saluta nova
Ralf
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Dominik Irtenkauf: Editorial
Inhalt: DI stellt sich als neuer NOVAsekundär-Redakteur vor und formuliert einige tiefe Gedanken zum Wesen und den Möglichkeiten der Science Fiction.
Fazit:: Herzlich willkommen im Team, lieber Dominik!
Lisa Jenny Krieg: Stoff der Erinnerung
Inhalt: Post Doomsday. Zehra stößt beim Graben auf eine alte Nähmschine und entdeckt, dass sie die unbewussten Gedankenbilder, die die „Auftraggeber“ mit sich rumtragen, exakt nähen kann. Meist Bilder einer schöneren Vergangenheit. Aber will wirklich jeder daran erinnert werden?
Fazit:: „Es muss doch mal gut sein.“ Ja, aber das funktioniert nur, wenn man sich der Vergangenheit stellt und sie aufarbeitet. Starke Idee, Zehra lebendig und vielschichtig geschildert, starke Atmosphäre des Verlusts und der Hoffnungslosigkeit. Rundum gelungen!
Norbert Stöbe: Im Vault
Inhalt: Es geht darum, ob und wann KI ein Bewusstsein hat, ob ihr dann Persönlichkeitsrechte zustehen und wie ein KI-Gefängnis beschaffen sein muss.
Fazit:: Aber an Details erinnere ich mich kaum noch. Nur, dass mir zu viel Infodump da war.
Nicole Hobusch: Iva
Inhalt: Postapokalypse. Zwei Söldny wagen den Schritt ins radioaktiv kontaminierte „Draußen“. Bekommt ihnen nicht gut.
Fazit:: Ich habe meine Probleme mit Postapokalypse-Stories. „Iva“ vermittelt immerhin die Atmosphäre totaler Zerstörung und totaler Verlorenheit sehr eindrücklich.
Ulf Fildebrandt: Die Tür in den Sommer
Inhalt: Tom ist unheilbar krank. Damit er wesentlich im Groben das Wachstum seiner Tochter Anja mitbekommt, lässt er sich einfrieren und jedes Jahr für einen Tag auftauen. Aber kann man so eine echte Beziehung aufbauen? Und was passiert, wenn die Tochter den Vater im Altern überholt?
Fazit:: Berührende Geschichte über die Auswirkung von unterschiedlichen Zeitgeschwindigkeiten auf zwischenmenschliche Beziehungen. Das Ende erscheint unwahrscheinlich, aber es passt. Und darauf kommt es an. Zu Recht nominiert!
Horst-Dieter Radke: Engelsrache
Inhalt: Genetisch modifizierte, geflügelte Menschen werden als Sklaven an reiche und mächtige Männer verkauft zu deren Vergnügen. Doch es gibt praktische Probleme.
Fazit:: Interessante, obwohl bekannte Idee, aber für meinen Geschmack nicht genug daraus gemacht.
V. A. Kramer: Population: One
Inhalt: Astronomen bemerken Veränderungen auf dem Großen Roten Fleck des Jupiter. Und das Wesen unter dem GRF gebiert ein Junges, welches sofort den Saturn beglückt und alles vorbereitet, damit sein Nachkomme die inneren Planeten verwandeln kann.
Fazit:: Ja, ganz netter Ansatz mit Fremdartigkeit und der Inkompatibilität der Größenordnungen. (Sind wir uns bewusst, wie viele Darmbakterien wir töten, wenn wir Alkohol oder andere Giftstoffe zu uns nehmen?) Aber es bleibt doch an der Oberfläche.
Janika Rehak: Iggy B. Wellington
Inhalt: Daniel arbeitet in einem Labor. Eines Tages entdeckt er, dass er sich mit einer Biene, genauer gesagt: einer Drohne, unterhalten kann. Die Drohne spürt die Anziehung zwischen Daniel und Lin. Leider stirbt er nach 50 Tagen. Dafür hat er Daniel zu einem Lebensziel verholfen.
Fazit:: Die Grundidee ist haarsträubend, aber die Story ist humorvoll und unterhaltsam geschrieben mit viel Augenzwinkern und Verständnis für das Menschlich-Allzumenschliche.
J. A. Hagen: Angriff auf Grünland
Inhalt: Zwischen dem reaktionären, dieselfreundlichen Teutonien und dem umweltbewussten Grünland kommt es zu Grenzkonflikten, die die Herrschenden zu ihren Gunsten auszunutzen verstehen.
Fazit:: Zu glossenhaft und zu dick aufgetragen.
Frank Lauenroth: Kadaver
Inhalt: Die außerirdischen VEX haben den Menschen die Farben genommen; die Erde erscheint nur noch in Grautönen. Da wird Beth beauftragt, einen sog. Kadaver, d.i. ein Raumschiffwrack der VEX, zu untersuchen. Sie nimmt ihre Tochter Maddy mit, weil sie keine Betreuung findet. Doch Maddy entdeckt eine lebendige Pfütze, die sie Ruby tauft und mit der sie sich über Gedankenbilder verständigen kann.
Fazit:: Ja, ganz nette Ideen, wobei mir nicht klar ist, wie das mit dem Farbentzug technisch funktionieren soll. Egal. Maddys Beziehung zu Ruby ist sehr schön ausgearbeitet, der Sprung in den Kaninchenbau, ähm, die Pfütze bleibt hingegen dramatisch unklar, weil die beiden ja sofort wieder rauskommen. Insgesamt eine solide Abenteuergeschichte mit mehr oder minder bekannten Versatzstücken.
Kleines Detail: Ich glaube nicht, dass andere Sinne abstumpfen, wenn das Farbsehen verschwindet. Bei Blinden bzw. Sehbehinderten bemerkt man eher das Gegenteil.
Carsten Schmitt: Das Lethte-Quantum
Inhalt: Daniel hat sich für Unsterblichkeit entschieden. Sein Bewusstseinsinhalt wird alle 10 Jahre auf einen Klonkörper übertragen. Für eine kurze Zeit leben sowohl der alte als auch der junge Daniel gleichzeitig und versuchen, sich an die Augenfarbe ihrer großen Jugendliebe zu erinnern. Aber bei jeder Bewusstseinübertragung gibt es etwas Schwund, und seien es weniger als 0,02%.
Fazit:: Die Beziehung der beiden Daniels, die Staffelübergabe, der Abschied – wow, sehr berührend. Ich kann mich an keinen Text erinnern, der dieses Procedere einmal behandelt hätte. Starke Story!
Moritz Boltz: Die Vermessung des Raums
Inhalt: Papa nimmt Sohnemann mit auf eine Expedition in den Asteroidengürtel. Doch sie havarieren. Und versuchen, einander so gut es geht zu stützen, während die Luft immer knapper wird.
Fazit:: Die Prämisse (Papa nimmt Sohn mit auf lange Weltraummission) erscheint etwas an den Haaren herbeigezogen. Dafür wird die Beziehung der beiden zueinander und wie sie miteinander umgehen in Angesicht des Unausweichlichen emotional und eindrücklich beschrieben. Und endlich mal ein Lovecraft-Bezug, der mich nicht stört.
Rajiv Moté: Die Luft fängt uns auf
Inhalt: Eine Mutter wundert sich über die Fähigkeiten ihres Kindes und der Kinder anderer Mütter, mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen.
Fazit:: Auf jeden Fall gut erzählt mit der nötigen Beiläufigkeit. Ansonsten: Evolution arbeitet nicht so schnell. Vielleicht eher eine Allegorie auf Generationskonflikte?
Christian J. Meier: Tanz mit dem Oktopus im Reiche der Intelligenz
Inhalt: Meier geht auf unterschiedliche Arten von menschlicher und tierischer Intelligenz ein, die sich im Ergebnis einer Problemlösung trotzdem gleichen können. Und er warnt vor der Anthropomorphisierung von künstlicher Intelligenz.
Fazit:: Die Go-Geschichte kannte ich noch nicht, aber wir beobachten mittlerweile Ähnliches im Schach. Interessanter Essay mit vielen für mich neuen Informationen!
Sarah Luttner: Im Interview mit Thorsten Küper
Inhalt: Thorsten braucht die Pointe, bevor er anfängt eine Story zu schreiben. Er möchte nicht auf Nominierungslisten landen, aber irgendwie doch. Und bei Gestaltung seiner Talkien-Shows greift er auf Vorschläger seiner Community zurück.
Fazit:: Nettes Interview mit einem unserer besten short-story-Autoren.
Dominik Irtenkauf: Schrott – Motiv und Motivation in der SF-Literatur
Inhalt: DI weist auf die reale und literarisch immer wichtiger werdende Rolle von Schrott als Rohstoff hin.
Fazit:: Ja, vielleicht ein ganz interessanter Gedanke. Aber so richtig verstanden habe ich Dis Botschaft nicht.
Dominik Irtenkauf: Hans Frey (1949-2024) Ein Nachruf
Inhalt: DI schildert die lebenslange Faszination Hans Freys mit der SF und wie er deren Früchte in seinen letzten Jahren vor allen in Form von literaturhistorischen Standardwerken erntete.
Fazit:: Erhellender und wertschätzender Nachruf. Danke Dominik!
Michael K. Iwoleit: Christopher Priest (1943-2024) Ein Nachruf
Inhalt: MKI geht nur kurz auf die persönliche Bekanntschaft zu Priest ein. Viel lieber hebt er seine literarischen Verdienste und seine Bedeutung für die Entwicklung vor allem der britischen SF hervor.
Fazit:: Und das macht er kenntnisreich und knackig. (Spielt Priests „The Prestige“ wirklich am Ende des 18. Jahrhunderts?)
Bearbeitet von ShockWaveRider, 01 September 2025 - 11:07.