Es ist schon ein großer Unterschied, ob sich eine Gruppe von Autoren in einer Form von Schreibwerkstatt gegenseitig auch mal deutlicheres Feedback gibt, oder ob mehrere Autoren genüsslich das Werk eines anderen gemeinsam zerreißen.
Es stimmt, in dem Moment, in dem sich ein Autor mit seinem Text an die Öffentlichkeit begibt, muss er damit rechnen, Feedback zu bekommen, das ihm nicht gefällt. Hässliches Feedback. Es ist dann nur schade, wenn es von Kollegen kommt.
Hört man denn auf, Konsument zu sein, wenn man selbst aktiv wird?
Und wir lesen beide offensichtlich beide etwas völlig anderes, wenn wir über Fancys Zusammenstellung lesen. Wie du da irgendwas Konstruktives sehen willst, weiß ich nicht. Du kannst vielleicht sagen, du siehst irgendeinen -ismus, den du dekonstruieren willst, um die Gesellschaft besser zu machen, und meinst gar nicht die Person, die das geschrieben hat, wenn du vor dich hinlästerst, als ob du als Autor nicht wüsstest, dass derjenige, der den Text geschrieben hat, gar nicht anders kann, als diese Kritik auf sich selbst zu beziehen.
Ob der Autor „gar nicht anders kann, als diese Kritik auf sich selbst zu beziehen“ ist eine Vermutung.
Wenn mir zurückgespiegelt wird, dass eine Textpassage oder eine Charakterisierung als (-Kritik einfügen-) gelesen wird - und es in einem Lesezirkel von mehreren Leser:innen ähnlich empfunden wird -, beziehe ich die Kritik stets auf den Text. Vermutlich, weil ich davon ausgehe, dass mich Menschen, die mich gar nicht oder nur durch ein bisschen Textaustausch kennen, gar nicht beurteilen können.
Wenn Yvonne „schon sehr oft ableistische oder altersfeindliche Tendenzen herausgelesen“ hat, dann lese ich (!) hier keine Unterstellung gegenüber dem Autor heraus, sondern nur, dass ihr die angesprochenen Punkte schon in anderen Texten (!) des Autors aufgefallen sind. (Nachzulesen in anderen EXODUS Threads).
Um mich on-topic zur Geschichte „Geisterbahn“ von Roland Grohs zu äußern: Handwerklich habe ich nichts zu beanstanden. Der Text verzichtet auf Längen und liest sich flüssig. Das Szenario, einen frisch operierten Patienten, der sich für ein Monster hält - sein Kopf wurde auf einen anderen Körper transplantiert - ungefragt zu anderen Patienten zu bringen, die es nach des Doktors Auffassung viel schlimmer erwischt hat, ist grotesk. Aber ich vermute in dieser Geschichte eine gewollte Überzeichnung.
Aussagen von Dr. Fratale:
„Haben Sie nicht Arme und Beine, sogar zehn Finger und Zehen? Sie sind kein Monster. Und wenn doch, dann gewiss nicht das schlimmste.“ (S. 26, r.)
„Würden Sie diese Körper behalten wollen? Also, ich nicht.“ (S. 26, r.)
„Die Würde eines Menschen sollte sich ausschließlich an seinen Bedürfnissen und seiner Börse orientieren (…)“ (S. 30, r.)
Ich lese den Text so, dass Grohs mit Dr. Fratale einen saneistischen Charakter erschaffen hat, dessen Verhalten und Aussagen die Leser:innen zu einer sofortigen Reaktion bringen sollen.
Die Darstellungen von Körpern, die von der Norm abweichen, soll wohl schockieren, werden von mir aber hauptsächlich als abwertend empfunden. Mir fehlt im Text die Differenzierung.
Nichts davon laste ich dem Autor Roland Grohs persönlich an.
Bearbeitet von ChristophGrimm, Gestern, 15:11.