Eine so aufregende Sylvesterparty, wie dieses Mal, habe ich schon lange nicht mehr erlebt!
Leicht verkatert und mit vom stundenlangen Tanzen malträtierten Muskeln, hier meine Bemerkungen zu den übrigen Visionen-Stories:
Bernhard Schneider:
Methusalem
Eine Story, die mich überrascht hat. Was anfangs wie eine SF-Geschichte im kleinbürgerlichen Milieu daher kommt, entwickelt sich zu einem harten, facettenreichen Text. In meiner Zeit als Storyredakteur für „phantastisch!“ habe ich viele Stories zu Gesicht bekommen, die es nicht schafften, das kleinbürgerliche Setting, in denen sie angesiedelt waren, zu brechen oder plausibel aufzulösen. In Methusalem wächst die Handlung nicht nur über das Kleinbürgertum und die Kleinfamilie hinaus, sie lässt sie wie eine Larve hinter sich; so wie der Protagonist die Sterblichkeit überwindet, überwindet er auch die Beengungen seines früheren Lebens. Obwohl dieser Prozess mit Grausamkeit und Kaltherzigkeit einhergeht, erscheint der Protagonisten trotzdem erhaben. Ihn in seiner Unsterblichkeit als ein verwandeltes, den Sterblichen als fremd erscheinendes Wesen darzustellen, ist Bernhard Schneider sehr gut gelungen!
Heidrun Jänchen:
Regenbogengrün
Sinnlich geschrieben, mit Figuren, die sich dem Leser durch ihr inneres Erleben erschließen. Dazu passend das Thema der Story: Wie Gefühle die ehrgeizigen Pläne der Wissenschaftler durchkreuzen können, weil sie von diesen in ihrem eingeschränkten Vorgehen nicht eingeplant wurden. Es geht auch um Fehlentscheidungen, die aufgrund eines wenig gefestigten Gefühlslebens getroffen werden. Konsequent auch das Ende, das nicht romantisierend daher kommt und die Gefühlswelt triumphieren lässt. Es ist ein bitteres, böses Ende, das der Geschichte nahhaltige Festigkeit verleiht.
Gefühle kommen in den SF-Stories generell oft zu kurz, Heidrun Jänchen schafft es, sie als Stilmittel gekonnt einzusetzen, bewahrt sich dabei eine wohltuende Nüchternheit, und umgeht so der Gefahr, schwülstig zu werden.
Karl Michael Armer:
Prokops Dämon
Die Form des Monologs zu wählen, ist ein Experiment. Karl Michael Armer beherrscht die Stilmittel professionell, und so gerät ihm der Monolog nicht langweilig. Sein Protagonist ist jedoch ein Typ, der (wie fast alle Menschen, die zum Monologisieren neigen) einem schnell auf die Nerven geht. Seinen Zuhörern ergeht es offenbar nicht anders, warum der Erzähler in seinen Monologen hin und wieder durch Abschalten des Programms unterbrochen wird. Ein witziger Einfall, der die oftmals als belehrend empfundenen Passagen erträglich macht und die Zuhörer, die nur äußerst selten zu Wort kommen, personifiziert. Wie all die anderen „Besucher“ Prokops, so würde auch ich mich für NEIN entscheiden, wenn ich nach einem Neustart des Programms gefragt würde.
Mit
Gert Prokop (1932-1994) und seinen futurologischen Kriminalgeschichten um Timothy Truckle hat diese Story offenbar nichts zu tun, wie ich zuerst dachte, als ich den Titel las.
Bearbeitet von Jan Gardemann, 01 Januar 2008 - 16:02.