Frank W. Haubold schrieb am 15 Jan 2007, 08:43:
Um eines klarzustellen, der Vorwurf der Kritikunfähigkeit ging nicht an Dich, sondern an Michael Iwoleit, der ihn sich m. E. auch redlich verdient hat.
Da Frank hier explizit mich nennt, finde ich, sollten die Mitleser dieses Threads auch erfahren,
wie der Vorworf der angeblichen Kritikunfähigkeit zustande gekommen ist. Als Nova 10 vorbereitet
wurde und wir um Statements für die Jubiläumsausgabe gebeten haben, erhielt ich von Frank eine
Zuschrift mit einer ausführlichen Kritik am gegenwärtigen Zustand des Magazins, wie er sie später
u.a. in diesem Forum wiederholt hat. Diese Kritik habe ich nicht ignoriert, sondern mit einer umfang-
reichen Stellungnahme beantwortet, in der u.a. erklärt wurde, warum Nova nicht immer pünktlich
erscheinen kann, warum Antworten auf Zuschriften oft auf sich warten lassen usw. So weit. so gut,
die Argumente waren ausgetauscht.
Was ich als Antwort auf meine Email bekam, für die ich mir immerhin etwas Zeit genommen habe,
war nur eine einzige pampige Bemerkung. Unter den ersten Absatz meiner Stellungnahme schrieb
er nur einen Satz, nämlich ungefähr: "Ab da hättest Du gar nicht mehr weiterschreiben brauchen."
Bin ich zu empfindlich, wenn ich das für großkotzig halte? Wozu habe ich mir dann überhaupt die
Mühe gemacht, zu antworten? Damit am anderen Ende jemand das Hirn auf Durchzug stellt, weil
man ihm nicht nach dem Mund redet?
Wenn einem unser Magazin nicht gefällt, wenn man die Stellungnahmen der Redaktion für verfehlt
hält und nicht nachvollziehen kann, wenn man meint, daß wir an unserer Aufgabe gescheitert sind
- meinetwegen, jedem steht sein Urteil zu. Aber die Entscheidungen, wie wir ein Magazin führen, in
das wir einen beträchtlichen Teil unserer knappen Freizeit investieren, treffen wir immer noch selbst.
Kritik ist eine Sache - die bekommen wir auch von Kollegen wie Uwe Post, mit dem wir deswegen
trotzdem keinen Krach haben -, aber wenn ein Kritiker mit der Peitsche knallt und so auftritt, als
seien wir seine Befehlsempfänger, ist das eine andere Sache. Das ist keine Arroganz von unserer
Seite, es gibt einfach Grenzen.
Ich will nicht leugnen, daß der Versuch, ein SF-Magazin ausschließlich für deutschsprachige SF-
Stories zu machen, immer etwas unbefriedigend sein wird. Das ist ein grundsätzliches Problem,
an dem die Nova-Redaktion, wie gut oder schlecht sie ihre Sache tun mag, nichts ändern kann.
Das will ich gern begründen:
- Es gibt keinen Markt für deutsche SF-Stories. Stories verkaufen sich auf dem deutschen SF-
Markt ohnehin schlecht (fragt euch doch mal, warum ein brillanter Mann wie Ted Chiang bisher
noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde), Stories von deutschen SF-Stories noch viel schlechter.
Helmuth Mommers mag, wenn er will, etwas über die Verkaufszahlen der Visionen-Bände ergänzen,
aber ich vermute, daß wir mit Nova nicht weit vom Optimum entfernt, was die Verkaufsmöglichkeiten
für deutsche SF-Storybände angeht. Folglich kann solch ein Magazin froh sein, wenn es seine
eigenen Produktionskosten einfährt. Folglich verdient seine Redaktion kein Geld damit, kann den
Autoren nichts zahlen und muß so ein Ding ausschließlich in der Freizeit machen. Folglich kann
man froh sein, wenn es ein derartiges Magazin überhaupt gibt. Das ist nicht selbstherrlich - das
ist einfach so.
- Es gibt nur eine Handvoll Spitzenautoren in der deutschen SF, die vom Namen und der Qualität
her ziehen, Hammerschmitt, Eschbach, Marrak, auch noch einige der älteren wie Jeschke, Herbert
W. Franke oder die Steinmüllers. Es ist immer noch zu wenig, um einen echten Markt für deutsche
SF zu schaffen. Einem hochbegabten Autor wie Marcus Hammerschmitt - den ich für den bei weitem
besten deutschen SF-Autor meiner Generation halte - blieb der große kommerzielle Erfolg bisher auch
versagt. Wenn selbst jemand von Marcus' Kaliber auf dem Markt Schwierigkeiten hat, woher soll's
dann kommen?
- So sehr ich's mir wünschen würde: Ein Magazin wie Nova, das im Jahr 300 bis 400 Seiten
deutsche SF-Stories bringt, läßt sich nicht ausschließlich mit Spitzenstories füllen. Gewisse
qualitative Kompromisse sind also unvermeidlich. Und wenn ich dazu einmal ein konkretes
Beispiel nennen darf (der betreffende Autor wird mir hoffentlich nicht böse sein): Niklas Peinecke
weiß sicher selbst, daß er sich noch steigern kann und muß, aber seine Story in Nova 9 schien
mir, trotz gewisser Schwächen, doch so interessant, daß man sie bringen kann. Ich fänd's
schade wenn nicht.
- Die deutsche SF scheint mir heute im Schnitt besser als Anfang der Achtzigerjahre, als es
einen kurzfristigen Boom deutscher SF gab. Wir haben einige Autoren, die ich zwar nicht
(oder noch nicht) in der absoluten Spitze einordnen würde, die aber zuverlässig solides Material
abliefern -Küper, Mommers, auch Frank, unter den Newcomern etwa Hebben und Post etc. -,
und wir haben für Nova immer wieder welche entdeckt, die bisher zwar wenig veröffentlicht
haben, aber darunter einfach interessante und eigenwillige Geschichten, etwa Kerber, Klöpping,
Wawerka, Schneiberg, Eckhardt etc. Ohne ein Medium wie Nova wären viele dieser Stories nie
erschienen. Wir freuen uns, daß es inzwischen weitere Projekte gibt, die die Veröffentliichungs-
basis für deutsche SF-Stories verbreitern - Helmuths Projekte, die Wurdack-Anthologien, Phantastisch!
etc. Shayol bringt in Kürze ein neues SF-Magazin auf den Markt, das in erster Linie Übersetzungen
anglomerikanischer Stories erhält - daß selbst das eingespielte und zu Recht gelobte Team von
Shayol nicht das Wagnis eingeht, ein Magazin für deutsche SF herauszugeben, zeigt doch schon,
wie schwierig die Sache ist.
- Summa sumarum: Unter den gegebenen Umständen ist ein Magazin für deutsche SF-
Stories eine Untergrundpublikation und hat die Probleme einer solchen. Wer meint, daß
es anders geht, ist herzlich eingeladen, es selbst zu versuchen. Ich bin mir ziemlich
sicher, er wird nach einigen Jahren praktischer Redaktionsarbeit zu demselben Schluß
kommen.
Und noch etwas: Dies war jetzt kein Statement der Nova-Redaktion, sondern meine
persönliche Meinung. Kollege Olaf Hilscher hat sich ja schon geäußert, die anderen
mögen es gern auch noch tun.
Gruß
MKI
PS Ich hoffe, kein Autor ist mir böse, daß ich ihn genannt oder nicht genannt habe - ich
finde es nur dünn, wenn man Argumente anführt, ohne sie mit Beispielen zu untermauern.
Daher: Butter bei de Fische.