Vielleicht habe ich das noch nicht klar genug gesagt: Ich betrachte 'Hochliteratur' nicht als wissenschaftlich sinnvollen Begriff. ...
Jetzt schon - schön.
...Also noch einmal: Definitionen hängen von der Perspektive ab, von der Frage, was ich untersuchen will. Wenn mich interessiert, welche Formen des Erzählens es in der erzählenden Literatur gibt, ist tatsächlich nicht relevant, "was die Leute sagen", wenn ich über Genres spreche, sehr wohl, weil Genres immer in Bezug zu einer bestimmten Gruppe von "Benutzern" stehen.
Ist das dann noch Literaturwissenschaft? Wenn jemand für ein Lexikon die verschiedenen Bedeutungen des Wortes "schizophren" recherchiert, kommt er auf eine medizinische und eine bildungssprachliche Bedeutung, die sich unterscheiden.
Er wird beide möglichst knapp und präzise darstellen, aber das ist nicht die Arbeit eines Psychologen. Ein Psychologe wird sich nicht für die bildungssprachliche Bedeutung interessieren, es sei denn, er interessiert sich für menschliche Missverständnisse.
Dass es genug Fachvokabular gibt, dass sich nicht danach richtet, was die "Leute sagen".
Ah.
...Erst einmal: Horror sehe ich nicht als Gegensatz zu SF.
...oder Krimi, oder Historischer Roman, oder...
Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, es mir nicht um Grenzfälle jirgendeiner Art ging.
Zweitens: Eine technisch-wissenschaftliche Neuerung ist in der Tat zentral, aber dass ich das Novum überhaupt als technisch-wissenschaftlich wahrnehme, ist das Resultat einer bestimmten Ästhetik. Vergleiche die beiden Sätze: "Er flog mit seinem Raumschiff im Bruchteil einer Sekunde durch die halbe Galaxie" und "Er flog mit seinem Hexenbesen im Bruchteil einer Sekunde durch die halbe Galaxie." In beiden Fällen wird ein Vorgang beschrieben, der gemäss heutigem Wissensstand nicht möglich ist - nämlich Fortbewegung mit Überlichtgeschwindigkeit. Den ersten wirst Du sofort als SF identifizieren, den zweiten als Märchen oder Fantasy. Warum? Weil sich die beiden Sätze unterschiedlicher "Sprach-Reservoirs" bedienen, weil ein Raumschiff eine technisch-wissenschaftliche Erklärung nahelegt, der Hexenbesen dagegen Magie.
Also, für mich ist das der Inhalt oder das Thema des Textes.
In der einen Geschichte kommt ein technisches Objekt vor, Raum
schiff,
in der anderen ein magisches,
Hexenbesen. Wenn das schon zum Stil der Geschichte gehört, und nicht zum
Inhalt, habe ich den Unterschied nicht verstanden. Stil, wie ich in verstehe, sind Äußerlichkeiten: einfache, aktive Sätze vs. verschwurbelte Satzschachtelkonstruktionen voller bizarrer Metaphern und abgefahrenen Zeugmata; eine Barockkirche sieht anders aus als eine gotische. Aber
in beiden hängen Kreuze und es gibt keine Gebetsnischen Richtung Mekka. Und es finden in beiden christliche Gottesdienste statt. Wenn in Deinem Beispiel jemand mit seinem Hexenraumschiff im Bruchteil einer Sekunde, etc., wäre das ein Grenzfall, wenn es eine Transvernutzik ist, kann man die Geschichte im Moment nicht zuordnen.
... Weil es sich in seinem Aussehen an technischen Geräten orientiert, wie wir sie kennen. Das kann ganz ohne Erklärung funktionieren.
So gesehen ist alles Stil. Ein Western ist kein Western, weil er in einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gegend spielt, ein Western ist ein Western, weil die Leute darin Cowboyhüte, Federn und andere Kleidung im Westernstil tragen.
Grundsätzlich gebe ich Dir recht, dass eine konkrete technische oder magische Pseudoerklärung nicht notwendig ist, aber das
Inventar eine Geschichte gehört für mich zum
Inhalt, und definiert hierbei das Genre - unbekannte technische Produkte wie Raum
schiffe, Zeit
maschinen oder
Laserschwerter erfüllen das Kriterium technisches Novum, magische Artefakte wie
Hexenschiff, Zeitreise
amulett oder
Zauberschwert nicht.
@Jakob:
Es geht mir nicht darum, jedweden Grenz- und Übergangsfall mit einer einzigen, in Stein gemeißelten Definition abzudecken, es geht mir darum, dass das, was Simifilm als spezielle Ästhetik SF bezeichnet, an der man sie erkennen könne, genau das ist, was ich mit Inhalten meine.
Wenn scheinbar gegenteilige Behaptungen in Wirklichkeit dasselbe aussagen, ist es vllt. schon von Vorteil, sich mal auf einheitliche Begrifflichkeiten zu einigen, oder?