Das ist mein 900. Blog-Eintrag - speziell in den letzten Wochen tröpfelt es ja mangels Zeit nur noch so vor sich hin ... Es wird wohl noch ein bisschen dauern, bis irgendwann die 1000 voll sind. Trotzdem muss auch zum kleinen Jubiläum etwas Besonderes her. Also gibt's heute einen Mini-Ausschnitt aus meinem kommenden Roman "Die Nadir-Variante", der (voraussichtlich und hoffentlich) im September im
Wurdack Verlag erscheinen wird. Noch ist die kleine Textstelle vollkommen unlektoriert - vielleicht macht sie das auch für den einen oder anderen interessant, der mal sehen will, was für einen Stuss der Autor eigentlich schreibt, bevor die Herrschaften vom Lektorat (bei meinen Romanen sind das bislang immer Dieter Schmitt und Ernst Wurdack gewesen und werden es auch dieses Mal sein; schönen Dank im Voraus) daraus einen lesbaren Text machen ... Und auch sonst kann sich natürlich noch einiges ändern.
Die Nadir-Variante spielt im Argona-Universum, allerdings zeitlich vor der schon erschienenen Trilogie "Entheete", "Andrade" und "Argona". Genug geredet, hier der kleine Auszug:
„Was †¦ was ist das?“
Ville Sterndaal bemerkte, dass er seine Stimme längst nicht so gut im Griff hatte, wie er sich das wünschte. Sie zitterte. In seinen Worten schwang die große Anspannung deutlich hörbar mit, unter der er stand.
Carndaen, der Stonn, blieb dagegen unterkühlt wie immer. „Es nennt sich das Konglomerat“, sagte er mit bemerkenswerter Ruhe.
„Das Konglomerat“, wiederholte Sterndaal leise und sprach jetzt mehr zu sich selbst als zu seinem Berater. „Das Konglomerat.“ Er stand so nahe vor dem Hologramm, dass er beinahe meinte, das fremde Wesen berühren zu können. Doch das war natürlich Unsinn. Er sah es lediglich, und er hörte es, wenn sich seine zahllosen Bestandteile hastig bewegten, was sie pausenlos taten. Aber er stand ihm nicht leibhaftig gegenüber. Noch nicht.
„Es ist unheimlich“, sagte Ville Sterndaal. Er war der Prijar, der Herrscher über Cheros, einen ganzen Planeten. Trotzdem fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut.
Ist das Furcht?, fragte er sich. Er wusste: Nur seinetwegen war das Konglomerat hierhergekommen.
„Es ist ein Abgesandter“, entgegnete Carndaen. „Wir sollten mit ihm reden.“
Sterndaal schüttelte den Kopf. „Nein. Noch nicht. Ich benötige mehr Zeit. Um †¦ um mich an den Anblick zu gewöhnen. Um ihn zu ertragen. Sonst kann ich für nichts garantieren.“
Carndaen nickte schwach. „Wie Ihr wollt, Prijar“, sagte er. „Hoffen wir, dass dieses Wesen keine Ungeduld fühlt.“
Ville Sterndaal starrte erst auf das Konglomerat, dann auf den Stonn. „Nein“, sagte er dann. „Das glaube ich nicht.“
Der Anblick war bizarr, und er erfüllte den Prijar mit einem tiefen Unbehagen. Das fremde Wesen, das auf ihn wartete und mit ihm sprechen wollte, mochte ungefähr so groß sein wie er selbst, also nicht ganz einen Meter achtzig. Doch damit hatten sich ihre Gemeinsamkeiten dann auch schon erschöpft. Ville Sterndaal war ein Mensch aus Fleisch und Blut, Kleidung umhüllte seinen Körper bis auf die wenigen Stellen, seine Hände und sein Gesicht, an denen die nackte Haut zu sehen war. Er ging aufrecht vor dem Hologramm hin und her, das er mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu musterte.
Das Konglomerat war anders.
Es mochte zwar ein stoffliches Etwas sein. Doch es besaß offensichtlich keine feste Körperstruktur. Alles an ihm befand sich permanent in Bewegung. Die Vergrößerung zeigte seine kaum fingernagelgroßen Bestandteile, die umeinander herum, übereinander hinweg und aneinander vorbei wuselten. Sie verschoben sich ständig in allen nur denkbaren Variationen, rasch und unaufhörlich. Das strahlte eine unnatürliche Hektik aus, die dem Prijar schon jetzt, nach nur wenigen Minuten, einen bohrenden Kopfschmerz bescherte.
Diese kleinen Teile des Konglomerats besaßen eine ovale Form, ihre Oberfläche wurde von millimeterkurzen Auswüchsen bedeckt, die kleine Beinchen oder sonstige Extremitäten sein mochten, Ville Sterndaal aber an Stacheln und in letzter Konsequenz an Waffen denken ließen. Ein einzelner Bestandteil machte den Vergleich mit Käfern möglich, die im Wald oder auf einer Wiese über Erde und Gras krabbelten. Doch der gesamte Anblick, den die vielen Teile in ihrer Kombination als das Konglomerat boten, war weitaus weniger harmlos: Die Gestalt, die dort drüben in dem Raum stand, allein, auf ihn wartend, veränderte sich mit jeder Sekunde. Schob sich zusammen, dehnte sich aus, bildete Arme oder Beine, ließ sie wieder verschwinden. Sie machte keinen einzigen Schritt nach vorn oder nach hinten. Und doch wirkte es auf den Prijar so, als tanze sie wie ein Derwisch durch den verlassenen Raum.
Das gibt es nicht, dachte Ville Sterndaal. Er fühlte sich vollkommen hilflos dieser absolut fremden Gestalt gegenüber und wich unwillkürlich vor ihr zurück. Als er es bemerkte, ärgerte er sich über sich selbst. Er griff nach der Lehne des Sessels, der für ihn hierhergebracht worden war. Der warme Stoff verlieh ihm Halt. Aber er konnte den Blick noch immer nicht von dem Hologramm losreißen.
Mit jeder Bewegung ertönte ein leises Klicken. Wieder und wieder. Es hörte sich an, als reibe Metall an Metall. Ein Klang, in dem für Sterndaal eine Drohung mitschwang.
„Ist es †¦ Sind das Roboter?“, fragte er.
Caerdaen zuckte mit den Schultern. „Die Daten lassen keine endgültigen Rückschlüsse zu. Dieses Konglomerat ist zu einem großen Teil künstlicher Natur, soweit wir das bislang feststellen konnten. Doch es scheint auch eine organische Komponente zu beinhalten.“ Er zögerte kaum merklich. „Es dürfte sinnvoll sein, bei der Bezeichnung
Lebewesen zu bleiben. Ich denke nicht, dass wir tatsächlich einem Roboter gegenüberstehen.“ Der Stonn sah Sterndaal ins Gesicht. „Wir sollten †¦“
„Nein.“ Er winkte ab und unterbrach Carndaen mitten im Satz. „Ich bin noch nicht so weit.“
In diesem Augenblick war es ihm herzlich gleichgültig, was der Stonn von ihm denken mochte. Sollte sein Berater ihn doch für einen Feigling halten - ihn kümmerte es nicht. Sterndaal ahnte, dass die direkte Begegnung mit dem Konglomerat, die ihm unweigerlich bevorstand, von großer Bedeutung sein würde. Nicht nur für ihn allein. Sondern für das ganze Cheros-System. Für alle Menschen, die in ihm lebten. Vielleicht sogar für die Skoipen †¦ Er wollte deshalb keine übereilten Entscheidungen treffen.
Ich darf keinen Fehler machen. Was vor langer Zeit geschehen, aber heute längst noch nicht vergessen war, durfte sich nicht wiederholen.
Der Prijar schloss die Augen und dachte nach. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass seine Finger noch immer die Lehne des Sessels umklammert hielten. Er machte einen weiteren Schritt und ließ sich in die weichen Polster sinken. Der glänzend rote Stoff verströmte einen schwachen Geruch nach Enidh, den Blumen, die in dem kleinen Garten wuchsen, der direkt an seine privaten Räume in Falkenhayn angrenzte und in den er sich so gerne zurückzog, wenn er einen klaren Kopf bekommen wollte.
Ist das Absicht?, fragte er sich.
Hat Carndaen das veranlasst? Oder war es einfach Zufall? Schlimmer noch: Spielten ihm womöglich sogar seine überreizten Nerven einen Streich, und er bildete sich den Geruch nur ein?
Ich weiß es nicht, dachte Ville Sterndaal und fühlte Müdigkeit.
Ich bin ein alter Mann und sollte das nicht mehr tun müssen.Er atmete den Enidh-Duft tief ein. Sah auf das Hologramm, verfolgte noch einmal die verwirrenden Bewegungen der vielen Bestandteile des Konglomerats und richtete seinen Blick dann auf den Stonn. Dieser ließ sich noch immer keine Unruhe anmerken, sondern hatte sich perfekt im Griff. Sterndaal hätte es sich gewünscht, Carndaen wenigstens in diesem Moment nervös zu sehen. Nur einmal. Aber natürlich wurde ihm dieser Wunsch nicht erfüllt. Auch in dieser Hinsicht war auf den Berater Verlass.
„Ich möchte den Mann sehen, der es hergebracht hat“, sagte der Prijar. „Diesen Kommandanten Fudgson. Ich muss erst mit ihm sprechen. Vorher kann ich nicht †¦ mit diesem Ding reden.“
Carndaen nickte. „Ich werde ihn holen.“
Er verließ den Raum, einen von nur zweien an Bord dieses kleinen Schiffs der cherosischen Wachflotte, der für derartige Zwecke zur Verfügung stand. Im anderen befand sich das Konglomerat. Und in den restlichen, in der Zentrale, den Kabinen oder auch im Maschinenraum, warteten die Soldaten darauf, dass der Prijar, ihr Herrscher, etwas über die Absichten des fremden Wesens in Erfahrung brachte.
Was ist es?, fragte sich Ville Sterndaal. War das Konglomerat ein Unterhändler? Überbrachte es eine Botschaft? Oder war es der Vorbote eines neuen Krieges? Sollte erneut Suflan zum Zankapfel werden?
Die Torshoi †¦Damals †¦ Aber heute mochte alles anders sein. Es waren mehrere Jahrhunderte vergangen. Auf Sterndaals Heimatwelt waren viele Menschen geboren worden und wieder gestorben, Generation um Generation. Genauso musste es auch bei den Fremden gewesen sein. Wer konnte schon sagen, was sie noch mit jenen verband, die in der tiefen Vergangenheit ins Cheros-System eingedrungen waren.
Vielleicht nichts, dachte der Prijar. Doch er befürchtete, dass er nicht so viel Glück haben würde.
Der Stonn kehrte zurück, und ein Mann folgte ihm, dem Sterndaal irgendwann einmal persönlich begegnet sein mochte. Er bemühte sich immer, die Beförderung der hohen Offiziere seiner Raumflotte selbst vorzunehmen. Da der Mann sein eigenes Kommando hatte, würde er, der Prijar, ihm das übertragen haben. Daran erinnern konnte er sich im Moment allerdings nicht.
„Das ist Smir Fudgson“, sagte Carndaen.
Der Kommandant des Schiffs, das auf die Fremden gestoßen war, blieb einige Schritte vor dem Sessel stehen, in dem Sterndaal saß. Der Stonn wich zur Wand des kleinen Raums zurück und lehnte sich mit dem Rücken dagegen.
„Erzählen Sie“, sagte Ville Sterndaal. „Erzählen Sie mir alles über Ihre Begegnung mit den Fremden, Fudgson.“
Der Mann nickte. Und er begann zu sprechen.