So, eine Frage aus aktuellem Anlass in die Runde. Ich fand Doomsday Book ja schon recht gut, die Farben der Zeit mindestens gleichwertig, ggf. sogar besser.
Jetzt habe ich Anfang Juni ihre prämierten Kurzgeschichten gelesen (ihr wisst schon, even the Queen und so etwas. Firewatch kannte ich vorher schon), auch sehr witzig und teilweise beeindruckend.
Daraufhin habe ich mich auf das 1400seitige Werk Blackout und All Clear gemacht (auf deutsch Schwarz/Weiß oder so?) und bin jetzt mit dem ersten Teil zu drei Vierteln durch. Zeitgleich höre ich Brandhorsts neuen Roman als Hörbuch, Oxygen. Und da fallen mir ein paar Dinge auf, die ich gern in den Raum werfen würde:
Willis hat eine gut durchdachte Welt, die aber eigentlich auf einer sehr einfachen Idee basiert: Historiker:innen reisen zwecks Recherche in die Vergangenheit, können dort nichts verändern, sollen eigentlich nur beobachten, sich als Zeitheimische ausgeben und einfachen Aufgaben nachgehen wie Reporter, Haushaltshilfte oder Verkäuferin. In diesem Roman bekommen eben drei Personen massive Probleme vor Ort und können aus bisher unbekannten Gründen nicht zurückreisen. Der Plot ist also eigentlich recht simpel und unterscheidet sich jetzt nur in den etlichen Details, aber nicht im Großen, von vielen anderen Zeitreise-Romanen.
Brandhorst hat eine eher unikate Idee (die Pflanzen hören auf, Sauerstoff zu produzieren und uns geht die Luft aus) und das scheint mir biologisch auch verdammt gut durchdacht und erklärt zu sein. Und was macht er daraus? Einen Action-Thriller mit blassen Figuren. Klar, flüssig und routiniert, aber es fühlt sich an, als würde da überhaupt kein Herzblut drinstecken. Dabei geht es um das Überleben des sauerstoffabhängigen Lebens auf der Erde, also etwas ziemlich dickes! Ich könnte euch sicherlich spontan ungefähr sagen, was die fünf Hauptfiguren antreibt, über Laura Lombardi vielleicht sogar drei Sätze, aber eigentlich sind das Leute, die würde ich auf der Straße nicht wiedererkennen, auch im Gespräch nicht.
Über die drei Leute in Willis' Roman hingegen könnte ich eine dreiseitige Abhandlung schreiben, was sie antreibt, was sie für ein Typ Mensch sind, ohne dass darüber groß etwas gesagt wurde, aber es kommt mir vor, als würde ich seit Wochen ihre Handlungen beobachten und sie sind mir ans Herz gewachsen, ich leide mit, ich bin extrem gespannt, wie es ausgeht. Um nichts in der Welt würde ich das Buch jetzt abbrechen, ich habe ja auch vor einigen Tagen schon den zweiten Teil gekauft, noch bevor ich mit dem ersten durch war.
Bei Brandhorst wäre es auch okay, wenn mir jemand das Ende zusammenfasst, die Details und auch das Schicksal der Figuren interessieren mich nicht. Es wäre nur irgendwie so unabgeschlossen, jetzt aufzuhören und es sind eh nur noch zwei Hörstunden (zum Glück!). Ich denke, mit Brandhorst bin ich dann auch erstmal durch, ich habe dann drei Romane gelesen (bzw. zwei davon gehört) und bin eher zu dem Schluss gekommen: Das ist nicht meins. Vielleicht war er früher mal besser, aber eigentlich ist mir das egal.
Nun meine Frage:
a) Wie macht Willis das nur?
b) Wer im deutschsprachigen SF-Raum kann mit Prosa wie der von Willis mithalten? In der Langform? Und ich glaube, eine derartige Nähe kriegt man mit Kurzprosa nicht hin.