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Steampunk: Der Tod kommt auf Zahnrädern

Anthologie Steampunk 2022 Science Fiction deutschsprachige SF

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293 Antworten in diesem Thema

#181 Jol Rosenberg

Jol Rosenberg

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Geschrieben 05 Dezember 2022 - 18:15

Ja, dem stimme ich zu. Ich mag aber darüber hinaus auch den Grundgedanken der Geschichte nicht, dieses "die Justiz in die eigene Hand nehmen". Aber das ist wohl ein Geschmacksding.


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#182 Uwe Post

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Geschrieben 06 Dezember 2022 - 11:28

Na ja, in einer Welt, in der kein Rechtsstaat existiert, ist es naheliegend, die Gerechtigkeit mit eigenen Händen herzustellen. Dass dies eine höchst "individuelle" Gerechtigkeit sein kann, ergibt sich daraus zwingend als moralisches Dilemma. In einer Kurzgeschichte kann man allerdings kaum erwarten, dass dies in erschöpfender Tiefe ausgearbeitet wird.


Bearbeitet von Uwe Post, 06 Dezember 2022 - 11:54.

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#183 FrankW

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Geschrieben 06 Dezember 2022 - 19:39

Die Zukunft

 

Ehrlich gesagt, kann ich mit dieser Story nichts anfangen. Wieso ist die Protagonistin beispielsweise Trinkerin? Wieso verschwindet ihre Assistentin einfach so, um sich viel später indirekt zu melden?

 

 

Von Käfern, Schaben und anderem Ungeziefer

 

Das ist Steampunk, wie er mir gefällt! Für mich die bisher beste Geschichte dieser Anthologie. Und das mit Abstand. Der Autor beweist, dass man auch als Kurzgeschichte eine richtige Geschichte erzählen kann, die Handlung und die Protagonisten sagen mir zu. Hier könnte ich mit gut eine Fortsetzung vorstellen. Die sprachlichen Schwächen, die hier manche erwähnt haben, sind mir beim Leser gar nicht aufgefallen.



#184 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 07 Dezember 2022 - 10:24

Falls nicht alle im ganzen Forum unterwegs sind, Chris Grimm hat soeben vier der in den Zahnrädern erschienen Kurzgeschichten unter seinen persönlichen Best-Of aufgelistet.


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#185 FrankW

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Geschrieben 07 Dezember 2022 - 10:59

  Mechanical Circus  

 

Bei dieser fällt mir wie bei der vorhergehenden Story (Von Käfern, Schaben und anderem Ungeziefer) auf, dass ich anscheinend weniger Wert auf sprachliche Feinheiten lege als viele andere hier. Während mir dort die von einigen anderen erwähnten "sprachlichen Schwächen" überhaupt nicht störend aufgefallen sind, entgeht mir hier der von anderen erwähnte atmosphärische Stil. Die Geschichte gibt mir inhaltlich nichts. Und was war das Ende? Selbstmord? Wahnhafter Realitätsverlust? Oder sogar ein wirklicher 'Weltenwechsel'?


Bearbeitet von FrankW, 07 Dezember 2022 - 10:59.


#186 Jol Rosenberg

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Geschrieben 07 Dezember 2022 - 20:40

Na ja, in einer Welt, in der kein Rechtsstaat existiert, ist es naheliegend, die Gerechtigkeit mit eigenen Händen herzustellen. Dass dies eine höchst "individuelle" Gerechtigkeit sein kann, ergibt sich daraus zwingend als moralisches Dilemma. In einer Kurzgeschichte kann man allerdings kaum erwarten, dass dies in erschöpfender Tiefe ausgearbeitet wird.

 

Woraus leitet du ab, dass in der Welt kein Rechtsstaat existiert? Auf die Idee bin ich nichtmal gekommen (wahrscheinlich weil Gewalt an Frauen in vielen sogenannten Rechtsstaaten an der Tagesordnung ist).


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#187 Uwe Post

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Geschrieben 08 Dezember 2022 - 11:52

Okay, ich ahnte schon, ich hätte es genauer formulieren sollen, obwohl doch klar sein dürfte, was ich bezogen auf die fragliche Geschichte meinte: Eine Welt, in der kein Rechtsstaat nach unserem modernen Verständnis existiert.


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#188 Jol Rosenberg

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Geschrieben 08 Dezember 2022 - 12:20

Hmm. Vielleicht stehe ich auf dem Schlauch. Aber ich verstehe immer noch nicht, woran du das festmachst (also im Text) und was genau du meinst. Die Mechanismen von Gewalt gegen Frauen und Femiziden haben meiner Meinung nach mit Rechtsstaatlichkeit, so wie ich sie verstehe, wenig zu tun. Für mich wird im Text Alkoholismus und Gewalt beschrieben, sowie eine Frau, die nicht geht, ohne dass die Gründe dafür benannt werden. Einen Hinweis auf die Staatsform kann ich nicht erinnern. Es gibt nicht einmal einen Anhaltspunkt dafür, dass sich durch den Tod des Mannes die Situation der geschlagenen Frau nennenswert verbessert hätte. Was liest du darin?


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#189 FrankW

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Geschrieben 08 Dezember 2022 - 12:47

Hayes, Töchter und Söhne

 

Der Beitrag konnte mich wieder überzeugen. Zuerst hatte ich gestutzt, als angeprangert wurde, dass 14-jährige in der Fabrik arbeiten. Das war zur Handlungszeit ja ganz normal. Aber dann setzt sich das Puzzle immer mehr zusammen und enthüllt die wahren Hintergründe. Eine runde Story.

 

 

Zero el Anarcho

 

Die Geschichte verstehe ich als Social-Media- und Fakenews-Parodie im Steampunk-Gewand. Trotzdem ist die Umsetzung mir etwas zu verwirren.

 

 

Lautes Sterben

 

Ein interessanter Steampunk-Krimi, aber irgendwie fehlt mir irgendwas. Da ich hier gelesen habe, dass es um die beiden Protagonisten schon andere Geschichten gibt. Vielleicht fehlen mir deshalb ein paar Hintergründe.

 

 

Sehnsucht

 

Die Idee ist vielleicht ganz interessant. Hier stört mich allerdings die sprachliche Umsetzung. Zum einen sind die langen Dialoge in auffallend kurzen Sätzen, zum anderen stört mich, dass der Protagonist immer als "Es" bezeichnet wird.



#190 Uwe Post

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Geschrieben 08 Dezember 2022 - 13:36

 

 

Die Mechanismen von Gewalt gegen Frauen und Femiziden haben meiner Meinung nach mit Rechtsstaatlichkeit, so wie ich sie verstehe, wenig zu tun.

In unserem Rechtsstaat steht Gewalt (nicht nur) gegen Frauen unter Strafe. In der Geschichte hingegen steht: "Frauen und Mädchen dieser Welt vor der Gewalt der Männer retten" und "Schwesternschaft ist die einzige Rettung für uns Frauen" (Seite 49). Zusammen mit der Darstellung typischer Elemente des Zeitalters der industriellen Revolution schlussfolgere ich, dass es in der beschriebenen Welt keine Rechtsstaatlichkeit gibt, die sich für das Thema "Gewalt gegen Frauen" sonderlich interessiert. Deshalb muss die Hauptfigur das ja in die eigenen Hände nehmen, also Selbstjustiz ausüben.


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#191 Jol Rosenberg

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Geschrieben 08 Dezember 2022 - 21:16

Danke, das kann ich nachvollziehen. Meine Interpretation dessen war, dass es einen Rechtsstaat gibt, die Prota diesem aber wenig zugesteht und darum meint, selbst handeln zu müssen. Ob das berechtigt ist oder nicht, bleibt für mich offen.


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#192 FrankW

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Geschrieben 08 Dezember 2022 - 21:38



 

Uwe Hermann: Wir von der kaiserlichen Reinigungskolonne

 

...

Der Text ist außerdem einer, bei dem das Fehlen von Frauen sehr auffällt. Die Reinigungskolonne besteht nur aus Männern, die Wachmänner sind ausschließlich Männer und dann gibt es noch die Wissenschaftler. Eine Frau taucht im Hintergrund auf, wie sie ein Kind schimpft – und dann, irgendwann im Gefängnis, gibt es plötzlich Wissenschaftlerinnen, allerdings sämtlich namenlos. Eine von ihnen hat eine leichte Statistinnenrolle.

Das weitgehende Fehlen von Frauen ist mir da nicht störend aufgefallen. Zur Handlungszeit um 1900 (auch wenn wir hier in einer Parallelwelt sind) waren Frauen in der Berufswelt ja Ausnahmeerscheinungen. Die Frauen waren meist zu Hause - und beschimpften die Kinder. ;-)



#193 FrankW

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Geschrieben 08 Dezember 2022 - 21:57

Morsche Haut

 

Nee, muss nicht sein. So viel Morbitismus ist nicht mein Fall.

 

 

Die Nacht des toten Gärtners

 

Die Story fängt als Cosy Crime an, wird dann aber etwas wirr. Der Arzt bietet der Frau an, Nachfolgerin des Gärtners zu werden, erweckt dann aber doch den Gärtner wieder zum Leben. Da fehlt mir das wirkliche Ende.

 

 

Wir von der kaiserlichen Reinigungskolonne

 

Die Geschichte gefällt mir an sich. Allerdings weist sie ein paar große Logiklücken auf:

 

Der Wissenschaftler liegt tot auf der Straße und wird von den Straßenkehrern entsorgt. Kurz darauf brennt deren Wohnhaus und sie sollen getötet werden. Es wird sogar gerufen: "Das ist auch einer von denen." Von welchen? Und wieso wird überhaupt Jagd auf sie gemacht? Hat jemand schon herausgefunden, dass sie die Leiche gefunden haben? Und wen stört das? Sie hätten doch sowieso niemandem etwas davon erzählt - und wären kurze Zeit darauf mit dem Rest der Stadt getötet worden.

 

Der Ich-Erzähler hat seit seiner Kindheit die Stadt nicht mehr im Hellen gesehen? Wurden sie denn außerhalb ihrer Dienstzeit in fensterlosen Häusern eingeschlossen?

 

Außerdem habe ich den starken Eindruck, dass der Autor Dampf mit Gas verwechselt.



#194 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 09 Dezember 2022 - 06:12

Cool, Frank, du warst ja schnell! Danke. Wenn deine Rezension woanders erscheint, setz gern den Link hier rein, ich verbreite das dann. Merci!


Podcast: Literatunnat

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#195 Uwe Post

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Geschrieben 09 Dezember 2022 - 08:25

 

Der Ich-Erzähler hat seit seiner Kindheit die Stadt nicht mehr im Hellen gesehen? Wurden sie denn außerhalb ihrer Dienstzeit in fensterlosen Häusern eingeschlossen?

Wegen der Abgaswolken ist es immer dunkel, deshalb "nicht im Hellen gesehen", so habe ich es verstanden.


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#196 Jol Rosenberg

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Geschrieben 09 Dezember 2022 - 09:53

Ja, es gab immer so ein Dämmerzwielicht, das war auch mein Verständnis.


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#197 FrankW

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Geschrieben 09 Dezember 2022 - 11:10

Wegen der Abgaswolken ist es immer dunkel, deshalb "nicht im Hellen gesehen", so habe ich es verstanden.

Als er aus seinem Versteck im Stollen wieder ans Tageslicht kommt, wird doch erwähnt, dass <Technik X> dafür sorgt, dass die Luft tagsüber immer klar ist. Hier ist die Textstelle:

 

Immer wieder bemerkte ich kastenförmige Gehäuse mit einem Trichter auf der Oberseite. Als ich mich einem näherte, spürte ich die Hitze, die von ihm ausging. Ein flimmernder Luftstrom stieg kontinuierlich in die Höhe. Jetzt begriff ich, warum die Luft so rein war. Diese Schornsteine waren Wärmestrahler, deren aufsteigende Hitze die Rückstände des Dampfes in der Höhe hielt. Am Abend wurden die Strahler abgeschaltet. Der Dreck sank zu Boden und wir von der kaiserlichen Reinigungskolonne mussten ihn beseitigen. Ich ballte die Fäuste. Oh ja, diese Stadt war ein Paradies, aber auf Kosten von uns Arbeitern.



#198 Jol Rosenberg

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Geschrieben 09 Dezember 2022 - 13:26

Stimmt, das haut nicht hin. Es sei denn, er ist von Kind auf immer nur nachts draußen gewesen.


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#199 FrankW

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Geschrieben 12 Dezember 2022 - 19:56

Meine Rezension ist jetzt fertig. Ihr findet sie hier: https://rezicenter.b...auf-zahnradern/
sowie in verschiedenen Foren und Shops.



#200 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 12 Dezember 2022 - 20:15

Sehr coole Rezension, danke dir sehr!

Wenn ich wieder am Laptop bin, bewerbe ich die auch. Gern wieder! (Wobei das Jahre dauern könnte ...)

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#201 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 16 Dezember 2022 - 06:14

Es gibt neue Rezensionen bei twitter von Ivan Ertlov. Ich verlinke mal:

 

Was er zu Sehnsucht und Morsche Haut gesagt hat

 

Hayes Töchter und Söhne

 

Die Nacht des toten Gärtners

 

Eher eine Konversation zu Von Käfern, Schaben und anderem Ungeziefer


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#202 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 18 Dezember 2022 - 18:34

Es gibt eine neue Rezension im Bücherhaus, Link :-)


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#203 ChristophGrimm

ChristophGrimm

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Geschrieben 28 Dezember 2022 - 16:18

Ein bisschen wie die „oid Fasnacht“, aber nun ist auch meine Rezension online.
@Yvonne : Ganz große Klasse. Selten hat mir eine Anthologie in ihrer Gesamtheit so gut gefallen.

http://christophgrim...-yvonne-tunnat/
- Onlinepause -

„Alien Contagium: Erstkontakt-Geschichten“: https://eridanusverlag.de | "En passant - Die Reisen des Sherlock Holmes": https://burgenweltverlag.de<p>Kostenloses SF/Fantasy-Literatur-Webzine: https://weltenportalmagazin.de
  • (Buch) gerade am lesen:„Psyche mit Zukunft“ (Anthologie), „Marple“ (Anthologie)
  • (Buch) als nächstes geplant:„Artefakt des Todes“ (C. Gina Riot), "Die dunkle Seite der Erde" (Achim Stößer), "Proxi" (Aiki Mira)

#204 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 11 Januar 2023 - 14:05

Wir haben eine Rezension im Fantasia (EDFC) von Franz Schröpf (kommt via Email als PDF):

 

Beim dritten Klingeln nahm er den Anruf entgegen.
„In fünf Minuten vor Ihrem Haus!“, sagte die Frau, die sich Mrs. Smith nannte. „Zu niemandem ein Wort. Keine Bodyguards.“
„Okay.“ Als er den Hörer wieder auflegte, merkte er, dass seine Hand zitterte. Jetzt, da es ernst wurde, spürte er ein nervöses Flattern im Magen. Aber seine Entscheidung war gefallen. Er würde die Sache durchziehen. Entweder brachte es ihn um oder es wurde seine zweite Chance.
(S. 9, „My Happiness“ von Angelika Brox)
 
Ein namenloser Protagonist leidet schon seit einiger Zeit an einer starken Tablettensucht, die ihn wohl bald das Leben kosten wird. Daher nimmt er ein ganz besonderes Angebot an: Er kleidet sich im Stil einer
vergangenen Epoche, besteigt ein Ei, das sich in merkwürdige Rotation versetzt, wird bewusstlos – und entsteigt dem Ei an einem Bahnhof des neunzehnten Jahrhundert.
 
Da er als einziges Eigentum seine Gitarre mitgenommen hat, versucht er sich als Straßenmusiker und hat bald mit „It’s Now or Never“ einen großen Erfolg. Und der Leser weiß jetzt endlich, wohin Elvis entschwunden ist, nämlich in die Vergangenheit.
 
„My Happiness“ ist eine amüsante Zeitreisegeschichte mit einer netten Pointe.
 
 
Die Maschine dampft aus zwei Öffnungen, links riecht es nach Kaffeebohnen, rechts leicht metallisch und ein wenig nach Chlor. Betrüblicherweise verdirbt der Chlorgeruch den nach frisch gebrühtem Kaffee.
Ich nehme mir eine Tasse, überlege, ob ich Milch hinzufüge, entscheide mich aber dagegen. Die Milchflasche hat kein Etikett.
Auch die Milch von veränderten Kühen ist tadellos und delikat, tönt mir die Werbung in den Ohren. Mag sein, aber ich finde diese Tiere mit fünf Beinen oder Hörnern an ungemütlichen Stellen trotzdem scheußlich. (S. 231, „Morsche Haut“ von Yvonne Tunnat)
 
Eine ältere Dame reist mit der Bahn, aber  offenbar in einer alternativen Vergangenheit, in der Vieles dem neunzehnten Jahrhundert ähnelt, Anderes aber technisch weit fortgeschritten ist. Ihr gegenüber sitzt eine Frau mittleren Alters mit einem zweijährigen Sohn, der ein Glas Senf isst und ein seltsames Rasseln von sich gibt.
 
Ich beobachte den Jungen, wie er seinen Mund weit öffnet, gelbverklebte kurze Zähne dabei preisgibt, sich dann andächtig einen Löffel Senf hineinschiebt, den Mund wieder schließt und schluckt. Dabei habe ich sein Zäpfchen gesehen. Es ist bereits vollständig grau, zerfasert, mit kleinen weißen Flecken übersät.
(S. 236, „Morsche Haut“ von Yvonne Tunnat)
 
Es ist offensichtlich, dass sich der Junge in einem schlechten körperlichen Zustand befindet.
 
Ich umklammere meine Kaffeetasse und stelle fest, dass sie längst leer ist. Auguste streichelt den Kopf des Kleinen, nur sanft, fast wie um zu vermeiden, ihm Haarbüschel auszureißen. Ich spüre diesen Geschmack im Mund, ganz hinten, als würde sich Galle verfestigen und meine Kehle hochkriechen, von innen an meine Lippen pochen. Ich weiß, er kann mir nichts tun, doch sein Anblick macht etwas mit mir.
(S. 236,„Morsche Haut“ von Yvonne Tunnat)
 
Bei dem Jungen handelt es sich um einen Steamie: Man hat ihm nach seinem verfrühten Tod ein mechanisches Herz eingesetzt. Er lebt zwar weiter, aber die Apparatur kann seinen Verfall nur um einige Jahre 
aufhalten. Die Erzählerin ist deshalb so betroffen, weil sie selbst ein Kind verloren hat, aber die Entscheidung, aus dem Toten einen Steamie zu machen, strikt abgelehnt hat.
 
„Morsche Haut“ besticht durch einen exzellenten Stil und eine bedrückende Atmosphäre: Sie ist ein kleines Meisterwerk der Science Fiction.
 
„Die Dampfmanufaktur hat schon wieder die Preise erhöht“, schimpfte ich. Ich trug einen Kanister mit Reinigungslösung auf dem Rücken, die ich auf das Kopfsteinpflaster sprühte. Gustav, der mit einer Walze aus langen Borsten die Straße fegte, nickte. „Das sind Halsabschneider!“ Er trug wie wir alle einen weißen Schutzanzug, Stiefel, einen Helm mit einer eckigen Schutzbrille und eine Atemmaske mit zwei seitlich angebrachten Filtern. Seine Stimme klang dumpf. „Kannst du mir sagen, wohin das noch führen soll? Was denkt der Stadtkaiser, wie wir unser Brot bezahlen sollen?“
„Und unser Bier“, ergänzte Otto keuchend. Heute zog er den Karren mit den Arbeitsgeräten und dem Kanister, in dem die Reinigungslösung hin- und herschwappte. Früher hatte ein Dampfmotor das Fahrzeug angetrieben, aber nachdem die Preise explodiert waren, wurde Muskelkraft zu einer günstigeren Variante.
(S. 263f, „Wir von der Kaiserlichen Reinigungskolonne“ von Uwe Hermann)
 
Die Kaiserliche Dampfmanufaktur stellt aus Gigalonium gebrauchsfertigen, festen Dampf her, der in der Stadt die einzig verfügbare Energiequelle darstellt. Allerdings sind die Rückstände des Dampfes nicht nur
rußig, sondern auch giftig, weshalb es eine  Kaiserliche Reinigungskolonne gibt, die ihrer Aufgabe bedauerlicherweise immer weniger gewachsen ist. Hinzu kommt, dass als Reinigungsmittel Ammoniumnitrat ver-
wendet wird, das seinerseits giftig ist.
Als wäre das Leben eines kaiserlichen Reinigers nicht ohnehin schon schlimm genug wäre, finden die Arbeiter auch noch die Leiche eines Professors und werden daraufhin in eine Folge von schier unglaublichen 
Abenteuern verstrickt.
„Wir von der Kaiserlichen Reinigungskolonne“ ist ein Paradebeispiel für eine Steampunk-Erzählung: Sie schildert eine Zukunft, wie sie sich ein besonders phantasiebegabter Schriftsteller des neunzehnten
Jahrhunderts hätte vorstellen können. Dabei legt Uwe Hermann besonderen Wert darauf, wissenschaftlich-technische Errungenschaften zu beschreiben, die vom heutigen Standpunkt aus (und vom damaligen 
wohl auch) völlig unhaltbar sind: Der Autor nutzt das Genre des Steampunks, um nach Herzenslust drauflosfabulieren zu können, was seine phantastische, handlungsreiche Erzählung besonders unterhaltsam und
amüsant macht.
 
Diese drei Erzählungen geben einen guten Eindruck von der Vielfalt, die die Steampunk-Anthologie Der Tod kommt auf Zahnrädern bietet.
 
Die fünfzehn Titel der Sammlung lauten:
My Happiness: Angelika Brox
Damenopfer: Lina Thiede
Braunkreuz: Michael Schmidt
Tempus Fugit: Tessa Maelle
Die Jagd nach Dampf: Carolin Gmyrek
Die Zukunft: Aiki Mira
Von Käfern, Schaben und anderem Ungeziefer: Galax Acheronian
Mechanical Circus: Janika Rehak
Hayes Tochter und Sohne: Thorsten Küper
Zero el Anarcho: Uwe Post
Lautes Sterben: Frederic Brake
Sehnsucht: Jol Rosenberg
Morsche Haut: Yvonne Tunnat
Die Nacht des toten Gärtners: Oliver Bayer
Wir von der kaiserlichen
Reinigungskolonne: Uwe Hermann

 


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#205 J. A. Hagen

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Geschrieben 11 Januar 2023 - 16:04

Ich spüre diesen Geschmack im Mund, ganz hinten, als würde sich Galle verfestigen und meine Kehle hochkriechen, von innen an meine Lippen pochen.

 

Das ist gut beschrieben. Schön plastisch. Dass einem die Galle hochkommt ist als Sprachbild bekannt, aber dass sie sich verfestigt und hochkriecht, ist eine originelle Variante.


Bearbeitet von J. A. Hagen, 11 Januar 2023 - 16:04.

  • (Buch) gerade am lesen:Samantha Shannon: The Priory of the Orange Tree
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#206 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 11 Januar 2023 - 16:33

Ich muss dann immer an das Gefühl denken, das ich hatte, wenn ich eine vollgesogene Zecke an unserem mittlerweile verstorbenen Kater entdeckt hatte.
Uff!

Und danke!

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#207 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 16 Januar 2023 - 13:29

In der nächsten phantastisch! erfolgt eine Rezension der Anthologie durch Horst Illmer


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#208 Sam Francisco

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Geschrieben 16 Januar 2023 - 13:41

Nach so viel Lob hab ich mir das eBook jetzt auch gekauft. Mal sehen wann ich dazu komme.
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  • (Buch) als nächstes geplant:immer noch Alan Campbell - Scar Night (Kettenwelt 1), aber meine Planungen werden häufig über den Haufen geworfen.
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#209 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 16 Januar 2023 - 13:43

Nach so viel Lob hab ich mir das eBook jetzt auch gekauft. Mal sehen wann ich dazu komme.

 

Cool, viel Spaß! Mein SuB sieht vermutlich so ähnlich aus wie deiner ...


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#210 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 08 Februar 2023 - 10:19

Eine neue Besprechung ist verfügbar und regt, zumindest in Teilen, zum Schmunzeln ein :bighlaugh: (oder zu Wut je nachdem wie man es aufnimmt):
https://www.amazon.d...iews/3958695000

 

Steampunk ist eine Unterkategorie aus der ScienceFiction, die eine strenge Kultur hat. Die aber hier leider nur wenig Beachtung fand. Auffällig auch, dass es ein hohes Maß an Autorinnen (9) in diesem Buch gibt, wo doch Steampunk immer den technischen Fokus hat.
So war es fast nicht wunderbar, dass die männlichen Autoren (6) eher den Kern des Themas getroffen haben. Nicht ausschließlich. Die Autorin Acheronan, die ich schon einige Mal bemerkt habe, fing mit ihrer Geschichte die Stimmung besonders gut ein. Rund würde ich sagen, dass die Sammlung ein lohnendes Buch wäre, wenn es nicht versucht hätte, unbedingt Steampunk sein zu wollen.

 

Tja, liebe Galaxine, so kann es gehen :bighlaugh: 


Bearbeitet von Mammut, 08 Februar 2023 - 10:19.




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