Ich glaube nicht, dass alle das so handhaben, Jol. Manche reichen ihre schlechte Story immer wieder ein, weil sie denken, es würde sich schon noch jemand erbarmen. Ich habe schon Storys bekommen, da wusste ich sofort für welche Ausschreibung sie ursprünglich verfasst wurden und auch, warum sie abgelehnt worden waren. Aber ich hatte auch schon welche auf dem Tisch, wo ich wusste, wofür sie geschrieben wurden und habe sie trotzdem genommen, nachdem sie überarbeitet worden sind.
Nun, Themen, die in den beiden bisherigen Weltenportal-Ausschreibungen überraschend häufig vorkamen, lassen mich vermuten, dass manche Autor:innen ursprünglich „The D-Files (Drachen)“ (Talawah), „Hereinspaziert“ (Ohneohren), „Body Enhancements“ (Polarise), „Verrufen“ (nochmal ohneohren, lese ich gerade) oder auch deiner „Jenseits der Traumgrenze“ (oh ja, viele Träume. Sehr viele.) ins Auge gefasst haben.
Jol, es wird mich nicht wundern, wenn ich in naher Zukunft Geschichten bekomme, die du und June Is schon vor der Nase hatten bzw. haben
.
Das ist ja auch okay. Gerade die besseren davon scheitern bei der Auswahl ja nicht, weil sie abgrundtief schlecht wären, sondern anderen ausgewählten Geschichten zu ähnlich sind, der Platz in der Publikation irgendwann belegt ist oder schlicht am Geschmack der Herausgebenden vorbeigeschrammt ist. Und, ehrlich gesagt, war das ja so ein bisschen auch meine Zuversicht für „Weltenportal“ bei den drei Millionen Anthologieausschreibungen: Dass eben eine Perle, deren Glanz von anderen übersehen wurde, bei mir landet. (Und ich natürlich auch nicht jede davon zu würdigen weiß). Leider habe ich das Gefühl, da bin ich ganz bei Marianne, dass eher die Geschichten bei mir landen, bei denen mir klar ist, warum sie bei den vermuteten, ersten Anlaufstellen abgelehnt wurden.
Meine Co-Redakteurin Sarah, die hier gelegentlich still mitliest, meinte kürzlich zu mir, wir neigen ein wenig zum Draufhauen. Nicht ganz unberechtigt, daher von mir zunächst: Ich bezweifle, dass mir Geschichten in der Absicht, mich zu ärgern, geschickt werden. Als Schreibende wissen wir genau, wie viel Herzblut in Texte fließt. Und doch: einer der häufigsten Kommentare in meiner Exceltabelle lautet: „Zu viele Baustellen“. Wenn es *hauptsächlich* an holprigen Formulierungen, *überwiegend* am strukturellen Aufbau oder flach gezeichneten Charakteren liegen würde, dann könnte ich ansetzen. Leider ist es aber das Zusammenspiel von allem, was mich selbst bei einer sympathischen Stärke des Textes zögern lässt.
Mich erinnert es an eine Aussage von Eric Saward („Doctor Who“, Script Editor 1981-1986), der sinngemäß von sich gab, dass er die Autoren nicht für unfähig, sondern für ungeübt hielt („8 Characters, 6 Rooms, 4 Acts, 48 Pages. They just never did it“). Einen oder zwei im Jahr hätte er nach Eigenaussage mit intensiverer Betreuung hochziehen können, aber er hatte fast nur solche Fälle. (Fananmerkung: Das merkt man dieser Ära der Serie auch an).
Ganz ehrlich: Wenn mir eine einzelne Geschichte, und sei es unbeholfen, etwas gibt, oder mir eine ganz frische Stimme einen Grund gibt, zuzuhören, wird sie im „Weltenportal“ landen - auch wenn ich trotz eines intensiven Lektorats objektiv keine Perle daraus machen kann oder ich derjenige sein werde, der sie zum Schluss am meisten feiert. Das ist eine Freiheit, die mir der Umstand, mit diesem Magazin nicht erfolgreich sein zu *müssen*, herausnehme.
Doch zum Schluss: Es freut mich, dass meiner Bitte im Vorwort der aktuellen Ausgabe nachgekommen wird. Ihr könnt euch sicher sein, dass mir Feedback - besonders das Kritische - wichtig ist, und für die Folgeausgaben im Hinterkopf behalten wird.
Bearbeitet von ChristophGrimm, 18 November 2023 - 11:12.