Walter Jon Williams - Wall, Stone, Craftin: Ronald M. Hahn (Hrsg.) - Die Untiefen der Sirenen. Die besten Stories aus The Magazine of Fantasy and Science Fiction 93 (Heyne Verlag, 1996)
Inspiriert durch den Film „Mary Shelley“ (2017) habe ich diese, in der deutschen Übersetzung 116 Seiten lange Novelle aus den Tiefen des Kellers gekramt und mal wieder gelesen - dafür sollte man öfter Zeit haben oder sich halt die Zeit nehmen. Williams†˜ Alternative-History-Geschichte „Wall, Stone, Craft“, im Original 1993 unter demselben Titel erschienen und hier von Michael Iwoleit übersetzt, war für den Hugo, Nebula und World Fantasy Award nominiert, und ist auch dann großartig zu lesen, wenn man nur rudimentäre Ahnung hat, was denn nun auf Tatsachen beruht und was frei erfunden ist. Mit Mary Godwin, der späteren Mary Shelley, ihrer Stiefschwester Claire Clairmont, Percy Bysshe Shelley und Lord Byron in den Hauptrollen ist für allerhand Dramatik gesorgt - und am Ende steht Mary Shelleys „Frankenstein“, auf ganz andere Art und Weise inspiriert, als das im oben genannten (in dieser Hinsicht wahrheitsgetreueren) Film der Fall ist. Spannend zu lesen, und vielleicht wäre eine Mary-Shelley-Biografie auch mal keine schlechte Idee †¦ Wie auch der Rest dieses von Ronald M. Hahn zusammengestellten Auswahlbands aus dem „Magazine of Fantasy and Science Fiction“ - über zwanzig Jahre nach der Erstlektüre ist da einiges in Vergessenheit geraten, bei den Titeln der Storys von Maureen F. McHugh („Virtuelle Liebe“) und Jack McDevitt („Standardkerzen“) klingelt es aber noch leise †¦ Vielleicht mal irgendwann demnächst.
Michael Iwoleit & Michael Haitel (Hrsg.) - Nova 27 (p.machinery, 2019)
Es klingt im Interview mit Harald Lesch (wie schon in Ausgabe 26 wieder das Highlight des Sekundärteils) kurz an: Utopien könne furchtbar langweilig sein, insofern darf man bei einer Themenausgabe „Neue Wege zur Utopie“ vorab schon ein bisschen skeptisch sein. Das Misstrauen ist aber glücklicherweise nicht angebracht: In Nova 27 findet sich wenig heile Welt, dafür überraschend viele gute Storys. Meine Favoriten waren die Geschichten von Frank Haubold („Die beste aller Welten“), Frank Hebben („Erwache“) und C. Stuart Hardwick („Regenbögen für kommende Tage“), dicht gefolgt von Frank Neugebauer („Entscheidung in Traumhaus 8“), Marcus Hammerschmitt („PLKL“) und Dirk Alt („Die Eismaschine“) - eine wirklich gute Ausbeute. Nur ein paar Mal haben mich die Autoren mit zu viel Erklärbär-Info-Dump-Modus genervt, wenn sie unbedingt erklären mussten, warum ihre Welt so geworden ist, wie sie geworden ist, aber insgesamt hat sich das glücklicherweise in Grenzen gehalten. Weil am Preis gemäkelt wurde: Ich persönlich brauche keine Farbgrafiken, empfinde die meisten aber als gelungene Beigabe - insofern ist das Buch seine 18,90 Euro wert, die bezahle ich auch beim nächsten Mal gerne. Highlights im Sekundärbereich neben dem erwähnten Lesch-Interview sind für mich die sehr persönlichen Nachrufe auf Achim Mehnert und Harlan Ellison.
Stephen King - Der Outsider (Heyne Verlag, 2018)
Als Jugendlicher habe ich Stephen Kings Romane verschlungen, irgendwann hatte ich sie dann komplett über und heute lese ich - wohldosiert - gerne wieder gelegentlich etwas von ihm. So viele Kritikpunkte sich da immer finden lassen (einfach das Zeug mal richtig lektorieren, dann wär†˜s halb so lang und verschwafelt, aber bestimmt doppelt so intensiv - das wär†˜ doch mal was), so gut werde ich unterhalten. Das gilt im Prinzip auch für „Der Outsider“, wobei ich ausgerechnet mit dem übernatürlichen Element meine Probleme habe, da geht es mir ähnlich wie den Figuren im Buch: Richtig glaubhaft wirkt der titelgebende „Outsider“ nicht auf mich. Zwiespältig sehe ich auch den Auftritt von Holly Gibney (aus „Mr. Mercedes“ und den beiden Folgebüchern): Einerseits ist es nett, sie wiederlesen zu dürfen, andererseits wirkt ihr Auftauchen ziemlich genau in der Mitte des Romans wie eine Verzweiflungstat des Autors, um seine Geschichte zu retten †¦ Trotzdem: Spannend war†˜s.
Andreas Eschbach - Submarin (Arena, 2017)
Nach „Aquamarin“ (2015) also „Submarin“ - Andreas Eschbach lässt aus seinen Jugendbüchern gerne Mehrteiler werden („Marsprojekt“, „Out“-Trilogie), da spricht ja auch nichts dagegen, und hier könnte sich theoretisch ebenfalls noch ein dritter Teil anschließen. Nachdem Saha in „Aquamarin“ entdeckt hat, dass sie sowohl an Land als auch im Wasser atmen kann, lernt sie jetzt die Welt der Wassermenschen, der Submarins, kennen. Das ist recht nett, aber nicht mehr ganz so unterhaltsam wie im ersten Teil und zieht sich zwischendurch ein bisschen - die ziellose Suche nach ihrem Vater mag dafür als Beispiel dienen. Vielleicht ist dann auch alles gesagt und es braucht kein drittes Buch ...
George R.R. Martin (ed.) - Knaves over Queens (Harper Voyager, 2018)
Endlich mal wieder ein englischsprachiges Buch geschafft, da war ich zuletzt faul, und die Stapel werden größer †¦ Wie schon mal erwähnt, ist „Knaves over Queens“ je nach Zählweise Wild-Cards-Band 26 oder 27 (es hat nichts mit der „America Triad“ zu tun, ist aber aus irgendeinem Grund zwischen „Low Chicago“ und „Texas Hold†˜em“ erschienen). Hier geht†˜s nach Großbritannien, und zwar noch einmal ganz zurück bis ins Jahr 1946, als in Kevin Andrew Murphys Auftaktstory „A Flint lies in the Mud“ das Wild-Card-Virus ausbricht, während das britische Schiff Queen Mary vor dem Hafen von New York liegt und das Virus schließlich mit nach Hause transportiert. Der im Titel erwähnte Captain Flint wird zu einer wichtigen Figur des von Queen Margaret (ja, ja) gegründeten „Order of Silver Helix“ (eine Reaktion auf „Scare“) und im Buch - so lernt er in „But a Flint holds Fire“ (ebenfalls von Murphy geschrieben) zum Beispiel Churchill und Turing kennen. In den Geschichten von Peadar Ó GuilÃn („The Coming of the Crow“, „The Cracks in the City“ und das das Buch beschließende „Feeding on the Entrails“) geht es um den Nordirland-Konflikt und die irische Göttin Babd, Caroline Spectors „Needles and Pins“ ist eine Mafia-Geschichte, Paul Cornells „Night Orders“, in dem es vordergründig um den (im wahrsten Sinne des Wortes) unsterblichen Churchill geht, gönnt dem Leser im Jahr 1973 einen Gastauftritt von David Bowie und den Spiders (ohne „from Mars“), Charles Stross fährt in „Police on my Back“ dann wieder eine Ganoven-Story auf, während sich Marko Kloos in „Probationary“ dem Falkland-Krieg widet. Peter Newman schildert in „Twisted Logic“ den Aufstieg von Redenschreiber Roger Barnes nach seiner Wild-Cards-Infizierung vom Undercover-Agenten in einer Terror-Organisation zu deren Anführer The Green Man (inklusive Churchills Ermordung) und in Melinda M. Snodgrass†˜ „The Ceremony of Innocence“ gibt es ein erfreuliches Wiederlesen mit dem Hermaphroditen Noel/Lilith (bekannt aus den Band „Low Chicago“ und dem Snodgrass-Beitrag „The Sister in the Streets“). Tragisch dann Emma Newmans „How to Turn a Girl to Stone“ über Kerry, die Menschen in steinerne Statuen verwandelt, woraus ihre Eltern ein Geschäft machen, und „The Visitor“ von Mark Lawrence, in dem Angela, behinderter Pflegefall, ihr Bewusstsein in andere Körper schicken kann. Der rote Faden ist vorhanden, aber vergleichsweise lose, das Geschehen ist nicht ganz so eng miteinander verknüpft wie in den letzten Wild-Cards-Mosaikromanen - vergleichbar vielleicht den allerersten beiden Bänden der Reihe („Wild Cards“ und „Aces High“, beide 1987), die ja noch eher Story-Anthologien waren. Das macht gar nichts, auch weil viele sehr gute Geschichten dabei sind, wobei mir persönlich die Stories von Kevin Andrew Murphy, Paul Cornell, Melinda M. Snodgrass und Emma Newman am besten gefallen haben. Damit wäre ich up-to-date, der nächste Wild-Cards-Band darf kommen. Nur habe ich noch nichts darüber gehört, wann das der Fall sein könnte.
Ken Grimwood - Replay - Das zweite Spiel (Heyne, 2013)
Wenn ich mir am Ende dieses Buchs den Hinweis auf die anderen „Meisterwerke der Science Fiction“ in Heynes gleichnamiger Reihe anschaue, dann habe ich wohl so ziemlich alle irgendwann einmal gelesen - große Ausnahme bisher: Ken Grimwoods Roman „Replay“, im Original sogar schon 1986 erschienen. Warum ich das Buch bisher verschmäht hatte, kann ich nicht sagen, nach der Lektüre noch weniger. Diese Murmeltier-Variante ist sehr gut geschrieben, durchdacht konstruiert, droht erst gegen Ende hin, ein wenig zu zerfasern (was kein Wunder ist: Wie will der Autor auch aus der Nummer rauskommen?), und schafft dann doch einen wirklich zufriedenstellenden Schluss. Klasse Buch, das macht Lust, sich weiter mit dem 2003 verstorbenen Autor auseinanderzusetzen. Leider scheint von seinem schmalen Werk sonst nichts auf Deutsch übersetzt worden zu sein - dann eben vielleicht mal im Original.
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