...jetzt wird's russisch
Strugazki
Dark Planet. The Prisoners Of Power. (Obitaemyy ostrov). Part 1 (???) von 2008, mitunter auch unter dem Titel: „The Inhabited Island“ (Die bewohnte Insel)
Ein russischer SF-Film, aufwändig, tolle Effekte, nach einem Roman von den Strugazkis? Muss ich sehen!
Habe ihn gesehen. Und nun? - Ein paar Eindrücke:
Nach kurzer Kamerafahrt durch ein deutlich erkennbar am Computer erstelltes Kanalsystem sehen wir den strahlenden, jugendlichen Helden in seinem Raumschiff-Cockpit. Das Raumschiff selbst ähnelt irgendwie einem anderen, komme jetzt nicht drauf (diese Tentakel - hier als Antrieb). - Dies ist übrigens ein grundsätzlicher Eindruck: Man hat sich scheinbar von vielen SF-Filmen inspirieren lassen. Nun, ok, man muss ja nicht dauernd alles neu erfinden...
Nach kurzem Telefonat mit der Oma, die meinte, er solle doch lieber seine Prüfungen an der Uni absolvieren, statt im Kosmos rumzupendeln, wird das Raumschiff von etwas getroffen, stürzt ab und landet hart in der Wüste eines fremden Planeten. Den Absturz aus dem Orbit hat unser Held unangeschnallt überstanden, nachdem er mal kurz auf den Pult geditscht ist; die Frisur sitzt.
Er steigt im Unterhemdchen bekleidet aus, lächelt in die Runde; die Frisur sitzt.
In einem Wald wird er von einem Halbwilden aufgegriffen und abgeführt in so eine Art Gulag, wo schwarzuniformierte Fascho-Typen das Marschieren üben. Ihr Symbol kommt mir doch irgendwie bekannt vor: Klar, das ist eine 1:1-Kopie des Pfeilkreuzes der ungarischen Faschisten. Sie heben aber im orwellschen Sinne nicht die ausgestreckte Hand, sondern die geballte Faust.
Unser Held, Maxim Kammerer aus der Kammerer-Trilogie von den Brüdern Sturgazki, wird hier als blonder, muskelbepackter Sunny-Boy dargestellt. Er lächelt laufend, was mir schnell auf den Zeiger ging. Kämpfen kann er wie ein asiatischer Martial-Arts-Kampfkunstmeister. Wenn ich mal vorgreifen darf: Die Kampf-Choreographie fand ich nicht wirklich gelungen. Sie wirkte auf mich wie ein Abklatsch diverser, einschlägiger Filme aus Fernost. Darauf muss man sicher stehen, um diese unrealistischen Flug-Kampf-Tänze zu mögen.
Maxim Kammerer Superheld? Ja, das zumindest stimmt! Die Menschen der strugazki†™schen Zukunft sind Supermen. Das kommt im Film dann noch mal zur Geltung, als Maxim erschossen wird und dennoch überlebt, weil sein Körper sowas wegsteckt. (Nur den Kopf darf man nicht treffen.) Ach ja, die Frisur sitzt auch danach.
Nach 10 Minuten steckt Maxim mitten drin im Schlamassel, wurde gefangen genommen, hat sich mit einem Gardisten angefreundet, wurde das Lager angegriffen; Krawumm!
Zunächst dachte ich mir, dass diese enorm verkürzte Erzählweise mit dem Vorspann einher geht, in dem Comic-Strip-Szenen „aufgeblättert“ werden. BTW: Kennt jemand noch den Comic aus der Zeitschrift SPUTINIK zum Roman „Die bewohnte Insel“; Mist, habe sie irgendwie wohl mal weggeworfen, Schade eigentlich. Kann mich aber erinnern, dass Maxim dort ähnlich dargestellt wurde.
Also muss man diese Handlung mit all seinen Einkürzungen und daraus resultierenden Unlogiken erklären. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Das ist ja nur die Kurzfassung des Films! Es gibt da wohl eine lange Fassung, doppelt so lang. Hmm, muss ich wohl auch noch sehen...
Um die Zuschauer in diese Welt reinzuholen, werden viele Zitate genutzt, aus der SF-Filmwelt und aus der irdischen Geschichte. Die Stadt, in der der Hauptteil der Handlung spielt, erinnert an „Metropolis“ und „Bladerunner“. Das Interieur in des Staatsanwalts Gemächern sieht russisch-byzantinisch aus, opulent und überladen. Um eine abweisende Atmosphäre zu erzeugen, regnet es auch mal stark, wie in „Bladerunner“, oder auch „Stalker“. Nicht alle Szenen nehmen sich bierernst, mitunter fühlte ich mich auch an die satirische Überhöhung wie etwa in „Brasil“ oder „Das 5. Element“ erinnert.
Als Maxim dann eine Art Super-Bomber zur Verfügung gestellt bekam, fühlte ich mich gar an „Iron Sky“ und die rasselnde Retro-Zahnrad-Ästhetik erinnert. Das mag wohl (auch als Ableger des Steampunks) in der Luft liegen. Kommt sicher gut, auch wenn es auch unlogisch ist: Übermanngroße Zahnräder aus Guss-Eisen treiben ein Luft-/Raumschiff an?
Aber wie schon erwähnt: Warum muss man das Fahrrad immer wieder neu..., na, Ihr wisst schon.
Andererseits: Diese eklektische, einfache assoziative Bildsprache funktionierte nicht immer, meiner Meinung nach. Wenn da dreckige Menschenmassen so eine Mittelaltermarkt-Stimmung erzeugen sollen, in einer supergroßen, supermodernen, Hochhäuserstadt, dann wirkt das unstimmig.
Als Kontrast zum dreckigen Alltag ist dann die holde Unschuld sauber, glatt, ungeschminkt, schlicht und rein. Oh je...
Diese Welt wird von harter Hand regiert; dazu wird eine Atmosphäre der Angst und ständigen Bedrohung geschürt. Das kennt man spätestens seit „1984“. Die Feinde sind dann auch Mutanten und „Ausgeartete“, gegen deren Terror nur der Terror der Garde hilft. Dieses System wurde von den „unbekannten Vätern“ erschaffen nach einem Atomkrieg und durch eine Art Super-Medien-Netz aufrecht erhalten: Per Strahlen werden die Leute flächendeckend beeinflusst.
OK, das ist alles sehr plakativ. Da muss ich wohl tatsächlich „Die bewohnte Insel“ noch mal lesen, um zu sehen, wie sehr man hier die Ideen der Autoren ...verarbeitet hat.
Mich konnte der Film am Ende nicht so recht überzeugen, die Figuren haben mich in keiner Sekunde berührt, die Handlung empfand ich nicht als originell. Die Ausstattung, Effekte, das Geballer, die Kämpfe - all das fand ich zu unorganisch inszeniert. Inhaltlich wird zwar klar, dass das System von einem Erdenmenschen aufgebaut und geleitet wird (Wanderer Rudolf), aber die besondere dramatische Situation, in der sich dieser Superman aus der großartigen, geläuterten (kommunistischen?) Zukunft befindet, der hier mit einer Situation konfrontiert wurde, in der er zum Stalinisten / Faschisten werden lässt. Weil es wohl anders nicht geht? Hmm, muss wohl wirklich das Buch noch mal lesen.
Aber wichtig: Die Frisur sitzt (am Ende lediglich blutverschmiert).