Hofmanns Sommerlektüre 2017
Waldtraut Lewin Brian Deatt Marianne Sydow
Das Wiederlesen war nötig, und es war schön. Interessanter Weise habe ich eine Entdeckung gemacht (über etwas, was ich entweder zuvor nicht wahrgenommen hatte, oder es inzwischen wieder vergessen habe). bezüglicher einer handelnden Person (ist für die Kenner ja möglicher Weise ein alter Hut, aber ich hatte mich sehr erfreut über diese meine kleine „Entdeckung“).
Mehr als es mir in Erinnerung blieb, haben die beiden Autorinnen (Mutter & Tochter) ganz bewusst und direkt Bezug auf Tolkien genommen. Dass sie es taten, wusste ich ja noch, aber so viel und überdeutlich, war mir entfallen. DAS war sicher ungewöhnlich für DDR-Verhältnisse. Aber als das Buch 1985 in der DDR erschien, gab es dort bereits eine Ausgabe des „Kleinen Hobbit“, seit 1971 immerhin.
Nun, ich durfte die Tromba wieder einmal erschallen hören, erleben, wie aus dem Löwenfindelkind die lebenslustige Leontine wird, wie sich Halbelben und Zwerge doch noch irgendwie zusammen raufen und wie im Elb-Tal langsam der Sommer vergeht.
10 / 10 Punkte (etwas mehr - und auch über meine „Entdeckung“ in einem kommenden NEUEN STERN)
32 - Brian Deatt: „Mind Watch“
Der Kurzfilmmacher und Fotostory-Erzähler mit dem sprechenden Pseudonym verdingt sich nun auch als Schriftsteller. Neben Stories aus seiner Feder gibt es einen Roman, der in der Tradition der großen Antiutopien steht. Neben dem glasklaren Warnhinweisen auf eine Verschärfung der gesellschaftlichen Spaltung und gleichzeitiger totalen Kontrolle und Manipulation bekommt der Leser knallharten Stoff um die Ohren geknallt. Pulp Fiction trifft 1984. Für meine Begriffe hätte es etwas ausführlicher sein können, manche Aussagen schienen dem Autor zu wichtig zu sein, um von ihnen durch erzählerische Staffage abzulenken.
Ach so: Man kann sich am 28. September 2017 in Leipzig dann selber ein Bild vom Autor, seinem Buch und dem dazugehörigen Kurzfilm machen. Weitere Infos folgen†¦
8 / 10 Punkte
33 - RiÄardas Gavelis: „Friedenstaube“
Eine großartige Entdeckung für mich! Dabei ist das DER neue Autor aus Litauen. So richtig mit internationalem Renommee, aber leider schon tot, ist nur 52 Jahre alt geworden. Sein Hauptwerk gibt es auf Deutsch nicht. Dafür diesen kleinen Storyband. Stelle ihn im NEUEN STERN vor. Hier sei er nur wärmstens empfohlen. Es handelt sich um Phantastik; die stilistische, erzähltechnische Nähe zu Kafka wird bei ihm oft bemüht. Passt auch. Es sind Stories, die in der litauischen Umbruchzeit, nach Zerfall der SU, Aspekte des Lebens und Un-Lebens in Vilnius phantastisch, unwirklich, gespenstisch gar, umschreiben und auf den Punkt bringen. Na ja, ich war sehr angetan.
10 / 10 Punkte
34 - Tom Hillenbrand: „Drohnenland“
Hörbuch, gelesen von Uve Teschner.
Klassebuch! Keine Frage. Ob es den Laßwitz-Preis verdient hat (2015)? Na ja, meinetwegen. Ich fand das Buch nun auch sehr gut.
Es ist eine Art Near Future Politkrimi. Damit ist schon viel gesagt. Vielleicht noch, dass es eine sehr glaubwürdiges, nachvollziehbares, weil heute andeutungsweise schon existentes Background schildert. Ich fand die Beschreibung des Cyberspace hier sehr gelungen, nachvollziehbar, glaubwürdig, realistisch.
Ein Punkt erscheint mir diskussionswürdig, nämlich dann, wenn der Autor seine Figuren über die Möglichkeit und Unmöglichkeit von KI sprechen und nachdenken lässt. Da versagt ein wenig die ansonsten sehr ausgeprägte und fundierte prophetische Gabe des Autoren meiner Meinung nach.
Die kriminalistische Ermittlungsarbeit im realen und virtuellen Raum ist spannend, am Ende vielleicht nicht sooo überraschend. Aber gut.
Was die politische Entwicklung Europas und der Welt, die hier ziemlich konkret und ausführlich dargestellt wird, anbelangt, erscheint sie mir - leider - auch realistisch.
8 / 10 Punkte
35 - Marianne Sydow: „Affäre Interstar“
Dieser Zufallsflohmarktkauf entpuppte sich für mich als echter Glückstreffer! Das Heft hatte ich bereits vor Jahren mal erworben. Warum? Vielleicht, weil mir das Titelbild so gefiel? Eine Riesenkrabbe und ein grüner, muskelbepackter Humanoid kämpfen miteinander. Dazwischen ein Mann und davor ein Hinweisschild? Ähm, ja? - Was ich erst nicht wusste: Das Bild passt zum Inhalt.
Ich kannte bis dato nix von der Autorin, und war sehr positiv von ihrer Schreibe überrascht: Pointiert, kurzweilig, mit überraschenden Wendungen, liebenswerten Charakteren. Der 1. Eindruck stimmt.
Es beginnt fast wie im Film „Nachts im Museum“. Ein Detektiv wird inkognito als Nachtwächter angeheuert, da in einem Museum für außerirdische Artefakte seltsame Dinge in der Nacht abgehen. Die bisherigen Nachtwächter haben aufgegeben und sitzen meist in der Irrenanstalt.
Es entwickelt sich ein SF-Krimi-Plot, mit einer überschaubaren Anzahl von Verdächtigen und Mitwirkenden. Es bleibt im Grund bis zum Schluss spannend, auch wenn das Versprechen, man hat es ja schließlich mit einem außerirdischen Artefakt zu tun, irgendwie nicht eingehalten wird. Die Motivlage ist dann ziemlich „irdisch“, „menschlich“.
Ich fand diese 60seitige Novelle sehr gelungen und halte mal Ausschau nach weitern Romanen von Frau Sydow
9 / 10 Punkte
36 - Klaus Mann: „Treffpunkt im Unendlichen“
Nach seinem sehr speziellen Alexander-Roman, der im Untertitel etwas Utopisches verspricht, was ich so nicht eingehalten vorfand, nun also ein Buch mit einem Titel, der irgendwie auch einen SF-Fan ansprechen könnte. Aber das habe ich nicht wirklich erwartet, den SF-Bezug.
Es geht um junge Leute aus der oberen Mittelschicht, schon besser gestellte Leute, High Society im Deutschland zwischen 1929 und 1933. Der Roman hat viel Autobiografisches und Biografisches über die Bekannten und Freunde Manns, ohne eine Biografie sein zu wollen. Der Autor schöpfte lediglich aus seinem eigenen Erfahrungsschatz.
Die Bohème, Künstlerszene und Müßiggänger, die so eher in den Tag hineinleben, es sich gut gehen lassen, es aber nicht können, weil sie sich auch gern mal in ihren Liebelein und persönlichen Feindschaften gegenseitig aufreiben, sind auch nicht wirklich glücklich. Aber die Weltwirtschaftskrise, und auch die politischen Verwerfungen, erscheinen durch ihre Augen irgendwie wie ein Kunstwerk, wie eine Theaterinszenierung. Sie wollen nicht wirklich was, sie bringen nicht, tingeln durch die Welt (Paris, Nizza), telefonieren am liebsten, nehmen Drogen (ziemlich viel und ausführlich) und schwätzen herum.
Das ist kein Roman, der einen richtigen Plot hat, es entsteht keine Spannung oder so, es zeigt aber ein seltsames Lebensgefühlt sich wohl auch selbst als nutzlos erachtender Tunichtgute. Bin ich da zu streng mit der Bande?
Über lange Strecken fand ich das Ganze sehr interessant, auch wie sie so unbedarft mit den politischen Extremen ihrer Zeit (Faschismus, Kommunismus) umgehen, das alles wie ein Spiel betrachten, auch selber da mitspielen. - Da fällt mir ein Zitat aus einer anderen Geschichte zu ein: „Denn sie wissen nicht†¦“, na ja, kennt man ja.
Am Ende fand ich es etwas dürftig, auch wenn Klaus Mann seine verlorene Generation deutlich scheitern lässt - Selbstmorde†¦
7/ 10 Punkte
Den neuen Stern muss ich also auch wieder anfliegen.