Am Ende des Sommers - gelesen, Juni, Juli, August 2022
Strugazki Wyndham Vonnegut Glukhovsky Emma Braslavsky
Zeit für eine Abrechnung – meines Lektüre-Sommers. Es wird Herbst, das Wetter heute, am 27. August, in Halle a. d. Saale, ist schon sehr herbstlich. Ich finde das ja angenehm, nicht mehr heiß, nicht mehr trocken. Aber schon trübe, drückt ein bisschen aufs Gemüt.
Und heute ist hier Einschulung. Die Schule ging die Woche wieder los. Okay, tangiert mich persönlich auch nicht. Aber all das sind sichere Zeichen.
Meine letzte Leseliste ist von Pfingsten – hey, war das nicht erst gestern? Mal sehen, was da war inzwischen…
Vladimír Páral: „Der Krieg mit dem Multitier“
Das ist nun der Roman, an den ich mich erinnern wollte und der mich veranlasste, auch mal die anderen Sachen des Autors zu lesen, die es – entgegen meiner langjährigen Unkenntnis – auf Deutsch gibt. Der SF-Reißer war mir irgendwie in guter, spektakulärer Erinnerung geblieben, seit ich ihn in den 80er Jahren las. Hatte er wirklich so einen starken Bezug zur damals grassierenden Umweltverschmutzung, zum Waldsterben im Bergland zwischen der Tschechoslowakei, DDR und BRD etwa? Und wie „spektakulär“ ist der wirklich gewesen?
Nun, ich habe ihn heute mit großem Genuss gelesen. Nachdem ich aber die beiden Gegenwarteromane des Autors auch gelesen hatten, weiß ich, dass er auch hier seinem Metier treu geblieben ist. Es geht viel um Beziehungskisten.
Aber geprägt durch eine Stoff gewordene Rache der Natur gegen die Umweltverschmutzung – in Form braunen Regens, der zum Massit, zu angreifenden ekligen braunen, Umweltschmutz-Soldaten mutierte und dann zum „Multitier“ - einer parasitären Lebensform, die sich die Menschen wie eine Droge aneignen, um von dem Multitier übernommen werden zu können.
Ein recht dicker Roman (für den Autor), der sicher auch gekürzt werden könnte. Aber unterhaltsam. Und vielschichtig. Es geht auch um Konsumverhalten, Drogenmissbrauch, moralische Fragen und auch politische und ideologische Auseinandersetzung.
8 / 10 Punkte
Arkadi und Boris Strugazki: „Der Montag fängt am Samstag an“
Meine russische Phantastikphase ist noch immer nicht beendet, obwohl die Aelita-Hefte des Neuen Sterns bereits erschienen sind; ich also sowas nicht mehr lesen „muss“. Mach ich aber doch noch. Irgendwie verspüre ich Nachholbedarf.
Bei dem Buch ist es aber so, dass ich es – zumindest partiell – bereits gelesen hatte, kurz nachdem es erschien (1990) und von mir erworben wurde. Das Buch hat ja auch wieder so eine komplizierte Publikationsgeschichte. Insbesondere der vierte Teil, „Das Märchen von der Troika“, fiel lange Zeit der Zensur zum Opfer. Als es dann nach der „Wende“ auf Deutsch erschien (in Russisch wohl auch erstmals komplett?), war das natürlich ein Muss!
Zu meiner persönlichen Rezeptionsgeschichte des Buches sei nur angemerkt, dass ich mich so gut wie gar nicht mehr an das erinnere, was ich damals las und ich auch nicht mal mehr weiß, ob ich es überhaupt in Gänze las. Leider sagt das auch was aus – über das Buch, oder über mich? Ich muss gestehen, auch jetzt wird es nicht mein Lieblingsbuch von den Strugazkis.
Was ist das? Es geht um ein spezielles Institut, dass paranormale und randwissenschaftliche Phänomene aufspürt, analysiert, katalogisiert und – tja, was draus macht?
Ein bisschen wie die Men In Black, kommt mir das hier vor, durchaus auch witzig wie die Filme mit Will Smith, aber halt eine andere Form von Humor.
Wobei mir der erste Teil, wo der Ich-Erzähler dort ankommt, und quasi von der Straß0e weg rekrutiert wird, um dort mitzuarbeiten, noch am besten gefiel. Er ist Programmierer und daher sehr begehrt. Er wird auch gleich mit einem Ding konfrontiert, dass ihn ziemlich verunsichert – und den Leser auch. Sieht aus wie ein Canapé, aber man sollte doch lieber nicht drauf schlafen. Das Teil ist nämlich ein Translationskanapee aus der Zeit Rudolf II., also auch aus der Zeit Rabbi Löws.
Die Strugazkis packen gefühlt alles rein, was es an Märchen-, Sagen- und anderen phantastischen Figuren in der Welt-Literatur gibt. Vom Vampir bis zum UFO, oder auch einen vernunftbegabten Kraken, oder einen Außerirdischen, der auf der Erde notlanden musste, eigentlich nur seine Fliegende Untertasse reparieren möchte, sich aber den Fragen des Triumvirats für Rationalisierung und Utilisierung unterwerfen muss. Das berühmt-berüchtigte Triumvirat halt. Tritt auf wie eine ideologisch-dogmatische Parteileitung. Der STEMPEL (immer in Großbuchstaben) schwebt über allen „Vorgängen“ und ihr Urteil entscheidet über Wohl und Wehe, es stehen sogar Todesurteile zur Debatte. Da hört der Spaß dann auch auf.
Insgesamt passiert sehr viel, aber so richtig klar, wohin das Ganze steuert, wurde mir nicht. Das plätschert so dahin, es gibt tolle Passagen, Dialoge und kuriose Szenen, dann aber viel, was einfach überzogen und albern wirkt (auf mich). Die Satire ist so überzogen, weil sie vielleicht an der Zensur auf diesem Wege vorbei kommen wollte? Vielleicht hat die Darstellung absurder Inkompetenz und sinnloser Machtspielchen in dieser Form auch ihren Background verloren. Das ist ein Zeitdokument, damals wichtig, heute nicht mehr so relevant (aber, so ganz sicher bin ich mir da auch nicht…)
Für mich nur 7 / 10 Punkte
„Rückkehr nach Bleiwenheim“
(Arbeitstitel), demnächst hg. V. Ellen Norten und Andreas Fieberg
Sehnsucht nach Bleiwenheim
John Wyndham: „Die Kobaltblume“
Erzählungen, Suhrkamp 1988, aber jetzt erst gelesen (Juli 2022)
Na, bin ziemlich angetan von den Erzählungen. Obwohl sie wirklich nicht die SF oder Phantastik neu erfinden. Oder doch? Sie sind ja allesamt aus den 50ern und könnten theoretisch die Ideen damals das erste Mal enthalten haben. Vermag ich aber nicht nachzuvollziehen.
Es geht um einen Meteor, der in ländlicher (englischer, nicht amerikanischer) Gegend niedergeht und eigentlich aufgrund seiner Form (regelmäßige Eisenkugel, innen mit vielen kleinen Kammern durchsetzt) niemanden als ein natürlicher Meteorit erscheinen sollte.
Parallel dazu lesen wir von den Aliens, die ihren dem Untergang geweihten Planeten verlassen müssen und glauben, in der Erde eine neue Heimat gefunden zu haben.
Ja, total bekannter Topos, nix Neues, aber halt wunderbar erzählt
Mein Liebling ist „Wanderer auf dem Mars“, eine Story, die von Bradbury stammen könnte! Bradburys Marschroniken sind ja von 1950, da war er also sicher der Erste, oder? Melancholisch ist's (Erde ist kaputt, warum bleibt offen, Terraner auf dem Mars sind einfach nur Verlorene). Der Protagonist teilt nicht den herkömmlichen Rassismus gegenüber den scheinbar primitiven Marsianern. Und er liebt auch eine Marsianerin, bleibt aber nicht bei ihr, weil er sich nur durch das unstete Wandern über den roten Planeten nicht aufgibt und nur so leben kann. Am Ende scheint es aber auch so zu sein, dass die Beiden ein gemeinsames Kind haben.
Die Story brilliert für mich durch ihrer Sprache und traurige Grundstimmung. Wundervoll! Habe mir gleich eine Bemerkung in den Kalender gemacht, die muss ich bald wiederlesen.
Es gibt gespenstige Begegnungen mit Unbekannten in der kleinen Stadt auf dem Lande. Das bringt etwas Unruhe in die Beschaulichkeit. Es sind aber nie einfach nur olle engl. Gespenster, sondern Besucher aus der Zukunft oder aus Parallelwelten.
Und dann gibt es die Frage, was heißt es, wenn da jemand „verrückt“ ist und entsprechende Behandlung braucht. Ist es nur eine Drogenabhängigkeit, oder doch ein Entschlüpfen in eine Andere Welt? Wo der Patient übrigens glücklich sein kann. Es ist aber ganz anders: Er ist „Opfer“ eines Körpertauschexperimentes eines Mannes aus der Zukunft geworden, der wie seine Zeitgenossen alle, die noch Vernunft besitzen, ihr Leben dadurch verlängern, indem sie in die Körper Anderer schlüpfen, sie quasi übernehmen – wobei die bisherigen Opfer Menschen sind, die sich zurück entwickelt haben. Nun, eine ethisch nicht gerade einwandfreie Sache, aber unser Protagonist ist davon auch nicht angetan. Da er aber als vom Krieg Geschädigter (Bein verloren) sich in einem gesunden Körper wiederfindet, entbrennt ein Duell zw. den beiden Männern um diesen gesunden Körper.
Die Titelstory ist zwar sehr kurz, aber superschön – auch wenn die Aussage auch hier nicht so unbestritten ist (aus heutiger Sicht?). Aber die Story ist fast reine Poesie, eine Ode an die Kraft der Natur, an den Zustand zwischen Schlaf, Traum und Wachsein, und gegen die „kalte“, seelenlose Wissenschaft. – Die Kobaltblume ist eine neue Spezies, die nach Absturz eines Flugzeugs mit radioaktivem Kobalt an Bord, entstand. Ein Farmer merzt sie aus…
Insgesamt eine feine Sammlung; keine großen Sachen, den langjährigen SF-Leser wird da kaum was überraschen. Wyndham ist aber ein wundervoller Formulier-Künstler, mag auch an der Übersetzung liegen, die ich – als Ahnungsloser – nicht schlecht finde. Die Aussagen sind meist sehr humanistisch, was für einen Autor in einem gerade untergehenden Kolonialreich auch nicht so typisch sein mochte. Heute erscheint das auch nicht mehr originell, aber richtig. Hmm, ich glaube, ich muss mehr Wyndham lesen.
10 / 10 Punkte
Dmitri Glukhovsky: „Sumerki. Dämmerung“
Das ist eine Zweitlesung. Im Oktober 2010 habe ich es das erste Mal gelesen und mit 7 / 10 Punkten und ein paar kritischen Worten in meiner Leselistedamals aufgeführt.
Warum jetzt noch einmal? Na ja, irgendwie bin ich gerade irgendwie durch „Outpost“ und „Text“ doch noch zum Glukhovsky-Fan geworden, scheint’s mir. Und dann entdeckte ich das dicke TB in einem Antiquariat für 3 Euro; mein damaliges Exemplar hatte ich abgegeben, da das Buch ja mächtig aufgebläht, mit großer Schrift, dickem Papier viel zu viel Platz wegnimmt im Regal. Und hätte ich es denn noch mal lesen wollen? Damals habe ich mir die Frage mit „Nein“ beantwortet. Ja, so kann man sich irren.
Und irgendwie hatte ich das Ende des Buches vergessen; worum es vordergründig geht, wusste ich noch: Übersetzer in Russland erhält häppchenweise Auftrag zum Übersetzen eines Textes aus der Zeit der spanischen Conquista in Lateinamerika. Es geht um die „Mission“ des Diego de Landas, der im Auftrag der Krone und Inquisition alle Maya-Schriften sammeln und vernichten sollte, dann aber anderen Sinnes wurde und wichtige Schriften bewahrte, u.a. ja den bekannten Maya-Kalender mit der Weltuntergangsprophezeiung.
Das Buch erschien ja kurz vor 2012 und war damals quasi hochaktuell. Das war dann auch damals die Erwartungshaltung: Was macht der Autor mit dem Maya-Weltuntergang?
Damals war ich vom Ende enttäuscht, denn die Auflösung geht ja mächtig in Richtung „Matrix“. Das hatte ich übrigens tatsächlich vergessen. Und so richtig weiß ich nicht, ob dieses Matrix-Ding am Ende wirklich wirklich gemeint ist. Und: Gibt es denn nun den Weltuntergang?
Das Buch ist ein Kabinettstückchen. Alles dreht sich um den Protagonisten, den Übersetzer, was er mit dem Manuskript und so nebenbei erlebt. Dabei scheint sich alles – ja, die ganze Weltgeschichte? – auf ihn zu fokussieren. Das ist schon eine echte Last, unter der er auch leidet. Da will er natürlich wissen, wieso er und was das überhaupt alles soll. „Gott“ gibt ihm Auskunft. Aber stimmt das überhaupt?
Und dann bin ich ja jetzt auf der Suche nach politischen, gesellschaftlichen Ausführungen des Autors. Er ist ja eine im „Westen“ bekannte kritische Stimme zu dem, was gegenwärtig in Russland passiert. Und das, obwohl er ja „nur“ Unterhaltungsliteratur schreibt.
Auf die leider raren Stellen im Buch, die das Leben in Russland und Moskau um 2010 beleuchten, war ich besonders gespannt. Ein paar gibt es, so z.B. auch zur Frage, warum seine Zeitgenossen, allesamt vom Atheismus der Sowjetzeit mitgeprägt, jetzt wieder in die Kirche rennen, sogar in neue Riesenkirchen. Oder wie sich die Erinnerungskultur an den Großen Vaterländischen Krieg langsam wieder ändert – von „interessiert doch keinen mehr“ zum blanken Heroismus. DAS war dann schon ein Bausteinchen, das heute aufhorchen lässt…
Na ja, nach wie vor finde ich das Buch zu voluminös, hätte wirklich eine Straffung vertragen. Da finde ich, hat sich der Autor entwickelt; „Outpost“ fand ich in der Beziehung viel besser.
Über die Auflösung der Geheimnisse um das spanische Manuskript, die Zeichen für den Weltuntergang (Tsunamis, Erdbeben) und die Rolle des eigentlich von allem abseits lebenden Übersetzers, der von Maya-Götter-Monstern heimgesucht wird, weil er vielleicht etwas weiß, von dem er nichts weiß und deshalb zur Gefahr und Chance für – ja für was? – geworden ist – also, das Ende war dann wieder nicht so ganz richtig toll für mich.
Aber in meiner Gunst ist das Buch um 1 Punkt gestiegen: 8 / 10 Punkte.
PS. Ja, diese „Dass-Sätze“ des Manuskripts; nerven immer noch; deshalb habe ich hier ein paar „Und-Sätze“ geschrieben und hoffe, die nerven nicht so sehr.
Emma Braslavsky: „Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen“
Suhrkamp 2016, gelesen Juli 2022
Das ist fast eine Utopie. Die funktioniert natürlich auch nicht, hat nicht mal im Ansatz funktioniert. Es kam dann gar nicht mehr zum echten utopischen Versuch.
Es ist ein SF-Roman, der gar nicht aus der SF-Ecke kommt. Gibt es sowas? Na ja, ist mehr so eine Empfindung meinerseits. Natürlich, wenn die Geschichte in der Zukunft spielt, dabei etwas vorkommt, was es (noch) nicht gibt und vor allem, wenn gesellschaftliche, politische, wissenschaftliche Problematiken angesprochen werden – was soll es sonst sein, wenn nicht SF?
Da taucht nach einem Orkan eine bisher unbekannte, unentdeckte Insel auf.
Der Orkan heißt übrigens Frankenstorm Tony. Er wird hier wie eine eigenständige Persönlichkeit behandelt. Diese Art der Erzählung hat mich, was ihn betrifft, zunächst etwas abgelenkt – positiv gemeint! Das liest sich absolut stark – aber am Ende musste ich noch mal nachlesen, wie denn diese Insel in das allgemein-menschliche Bewusstsein kam. Ist ja heutzutage fast unmöglich anzunehmen, man würde noch nicht jeden Flecken Erde auf der Erde kennen.
Aber nehmen wir mal an, sowas passiert, was geschieht dann?
Die Autorin nutzt die Gelegenheit, die gutbürgerlichen Weltverbesserer und ihre (fiktiven) Weltverbesserer-Organisationen zu beleuchten, Leute, die durchaus verstanden haben, dass es so wie aktuell nicht weitergehen kann, vor allem vor dem Hintergrund er menschgemachten Klimaveränderungen.
Eine neue Gesellschaft muss her? Aber wie macht man das, frage ich mich, wenn man an den Grundpfeilern des gesellschaftlichen Zusammenlebens, vor allem am Wirtschaften, global gesehen, nicht rührt? Die Frage steht in dem Roman auch im Hintergrund. Aber die Autorin beleuchtet das alles eher psychologisch, zwischenmenschlich; zeigt auf, wie die Protagonisten und -innen miteinander agieren und dabei aufgrund ihrer Liebeleien, ihrer Promiskuität, ihrer persönlichen Lebensentwürfe und -ziele am „großen Ziel“ scheitern.
Dazu kommen die Realpolitik; welches Land kann Anspruch auf dieses neue Erdfleckchen erheben? Und: Ist es das neue Paradies? Kann man hier einen Neuanfang wagen? Und wenn ja: Wer darf und kann das?
Ein ziemlich großer Roman, mit ziemlich toll ausgearbeiteten Figuren, die mir echt ans Herz wuchsen, auch wenn sie nicht „perfekt“ sind, was sie mitunter sein wollen (Selbstverbesserung und so).
Starker Roman! Mit interessanten und abwechslungsreichen Stilistiken, liest sich nach hinten immer mehr wie ein Pageturner, sogar mit klassischen Cliffhängern, die man in einem „serösen Mainstreamroman“ gar nicht vermuten würde.
10 / 10 Punkte
William F. Nolan & George Clayton Johnson: „Logan’s Run – Flucht ins 23. Jahrhundert“
Meine Phase der Klassiker-Aufarbeitung ist noch nicht abgeschlossen. Jetzt also Logan‘s Run. Habe Film mal wieder gesehen und nun auch das Buch erstmalig gelesen. Und? Ja, Buch ist sogar besser als der Film! (Mache im NEUEN STERN dann mal einen etwas längeren Vergleich.)
Vor allem hat mich das Buch stilistisch überzeugt. Der Stil ist irgendwie verknappt, aber so auf den Punkt geschrieben, hat mich echt angesprochen. Das baut auch eine starke Dynamik auf.
Logan, der Sandmann, ist am Ende seines Lebenszyklus (nur 21, statt wie im Film 30, Jahre) und schwankt nun zwischen dem Fluchtimpuls und der eingeimpften Pflichterfüllung.
„Peter Ustinov“ tritt im Buch nicht auf, aber Box (der Roboter – eigentlich eher ein Cyborg) und eine Menge anderer Nebenfiguren, die es im Film nicht gibt. Die Flucht ist im Buch auch viel länger und vielfältiger (Molly, die Unterwasserstadt, ein atomar verseuchtes Washington mit neuer Wildnis, die Eis-Tunnel gibt es auch, sind aber richtig stark besiedelt, von Leuten, deren Leben dort nicht einfach ist; Kämpfe mit Mad-Max-Typen, Bronzeadler und Tiger).
10 / 10 Punkte
Anthologie: „2029. Geschichten von morgen“
Darin die Erzählung von Emma Braslavsky: „Ich bin dein Mensch“, die Vorlage zum gleichnamigen Film. Und: Noch zwei weitere Erzählungen, die verfilmt wurden. Reiche Ausbeute! Allerdings ist das kein Wunder, denn die Herausgeber sind vom Fernsehen und suchten Stoffe für das Fernsehen. Man möchte die SF-Fernseh-Filmgeschichte bereichern, die in D dann doch etwas eingeschlafen ist. Dabei schaut man in die nahe Zukunft, will aktuelle Themen aufgreifen und umsetzen, dabei halt schon eine Nah-Zukunfts-SF schreiben, mit realistischen Ansätzen.
Und das scheint mir doch sehr gelungen zu sein. Namenhafte Autor*innen, tolle Stories; mehr dazu im NEUEN STERN.
9 / 10 Punkte
Emma Braslavsky: Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten“
Klasseroman! Ein transhumanistisches Statement? Das muss ich die Autorin dann mal auf dem ElsterCon im September fragen. Mir erschien es so; die Hubots sind dann am Ende doch die besseren Menschen. Nur wollen sie halt erfahren, erkennen, was Menschsein ausmacht. Selten habe ich etwas in der SF gelesen, das dieser Frage so einfühlsam, überzeugend und stimmig nachgeht. Das ist en realistischer Roman über die nahe Zukunft.
Roberta, als neue KI-Kollegin auf Probe bei der Berliner Kripo. Sie soll Suizide aufklären. Dabei muss sie in erster Linie hausbekommen, wer für die Beerdigungskosten aufkommen kann. BTW lernt man – wenn man das will und aufmerksam verfolgt –, was alles bei so einem Akt beachtet werden muss, welche Behörden da drin hängen etc. Nun, ich denke, die Autorin hat dahingehend Recherche betreiben; oder ist das alles erdacht? Auch das kann ich sie ja dann fragen…
Ich mach mal hier kein weiteres Gewese, das Buch wurde ja im Mainstream-Feuilleton zur Genüge besprochen, zumal es im gleichen Universum / Berlin wie „Ich bin dein Mensch“ spielt.
11 / 10 Punkte
Kurt Vonnegut: „Das höllische System“ (Player Piano, auch: Utopie 14, 1952, dt. ab 1964)
Sein erster Roman! Ich habe leider nur die Kurzversion von 1964, 180 Seiten, die von 1988 hat 350. Aber ich denke, das Prinzip hab ich verstanden. Das ist ein prophetischer Roman! Wir erleben die 3. Industrielle Revolution – die auch das Denken, die Denk-Arbeit durch Maschinen ersetzen wird. Die große Langeweile der Nicht-Mehr-Beschäftigten wird zunehmen. Das System ist (frei nach Ford) auf totale Effizienz ausgerichtet. Alles muss stimmen, auch die persönliche Haltung zum System. Gerade die Leistungsträger und Stützen der Gesellschaft müssen mitmachen, sonst verlieren sie ihre Privilegien, z.B. tätig sein zu dürfen. Klingt komisch, ist aber durchaus vorstellbar heutzutage.
Ich muss unbedingt mehr von Vonnegut lesen! Dies Jahr wird er 100; dazu gibt es im NEUEN STERN (so der Plan) auch was zu berichten. Z.B eine ausführliche Meinungsabgabe zu dem Buch hier. Also, dort mehr, wer will.
9 / 10 Punkte
Emma Braslavsky ist cool! Freu mich schon auf den Elstercon!