Hofmann hat erstes Buch fertig: nix Neues unter der Sonne
Wolfgang Harich
Wolfgang Harich: „Kommunismus ohne Wachstum?“
Das Jahr beginnt wie das vorherige, wie es scheint. Wieder einen Harich beim Wickel. Wobei ich an dem Buch hier wochen-, fast 1 Monat lang gelesen habe, immer mal ein Häppchen.
Es ist übrigens gar nicht so leicht aufzutreiben und das Exemplar, das ich hier habe, ist in keinem guten Zustand, war aber nicht gerade billig. Und es ist nur ausgeliehen. Aber nun gelesen.
Es ist die Aufzeichnung von Gesprächen, die der ostdeutsche Philosoph Wolfgang Harich mit Freimut Duve führte und die dann der westdeutsche Rowohlt-Verlag veröffentlichte. In der DDR erschien das Buch nie, dabei wendet es sich in erster Linie an „den Osten“.
Untertitel: „Babeuf und der ‚Club of Rome‘“. Es erschien 1975. Damals begann die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der drohenden totalen, menschheitszerstörerischen Umweltzerstörung, die heute in der Diskussion um den menschengemachten Klimawandel seine Fortsetzung findet. Was mich bei der Lektüre am meisten erstaunt, ist der Umstand, das damals, 1975, ziemlich genau die gleichen Problematiken auf die Tagesordnung gesetzt wurden wie heute. Damals schon wurde ultimativ formuliert, dass einen Wende im Denken und Handeln, vor allem im Wirtschaften essentiell sei und es um Leben und Tod der Menschheit geht.
Na und? Zynisch – sorry, anders kann ich da nicht mehr reagieren – muss man feststellen, dass alles Reden und Schreiben für die Katz ist.
Anfang 2023 begann ich mit Ulrike Herrmanns „Das Ende des Kapitalismus“ (click), jetzt habe ich mir dem Harich ein Déjà-vu. Herrmann schlägt z.B. vor, den Stand der Industrialisierung und der wirtschaftlichen Ausbeutung der Ressourcen etc. auf den Stand von Anfang der 70er d. 20.Jh, zurückzuführen. Also genau in die Zeit, in der der Club of Rome und hier auch Harich ihre Warnungen formulierten. Harich kolportiert einen ähnlichen Vorschlag 1975: Zurück zum Jahr 1910! (S. 54) Tja, nix Neues unter der Sonne.
Ich habe mir viel aus dem Buch abgeschrieben (weil ich es ja wieder abgeben muss) und oft den Vermerk dazu: „WIE HEUTE!“
So spricht Harich z.B. davon, wie in den westlichen und östlichen Medien die Warner verächtlich gemacht werden, um von den genannten Problemen abzulenken. Engagierter Umweltschützer wird als „dummer August“ hingestellt (S. 7) In der DDR, hat wohl ein Hermann Ley (kenne ich nicht) sie mit den „Pestpredigern des ausgehenden Mittelalters“ verglichen. Auch nicht nett.
Die Quintessenz der Forderung Harichs, wie des Club of Rome, besteht in der, das Wirtschaftswachstum zu beenden. Diese Forderung widerspricht nicht nur den Grundzügen der kapitalistischen / Markt-Wirtschaft, sondern auch der der sozialistischen Volkswirtschaften. Alle sind auf Wachstum orientiert, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven heraus. Dummerweise sind es ja nicht unbedingt die persönlichen Wünsche einiger Protagonisten, die das bestimmen, sondern funktionierende „Systeme“, die so ausgerichtet sind. Die zu stoppen und umzukehren, ist das Problem. Daher heute sicher die moderate Forderung nach „grünem Wirtschafts-Wachstum“. Mir persönlich gefällt ja der „Ressourcen-basierte“ Ansatz; aber da schreien dann sicher auch gleich viele Leute: Das ist Kommunismus!
Apropos, Harich wendet sich ja an seine Ideologie-Genossen (die es im Grunde aber gar nicht sind). Er formuliert 2 Dinge, die ganz wesentlich der vorherrschenden Ideologie des realexistierenden Sozialismus widersprechen: Es sollte / wird nicht zum prophezeiten Absterben des Staates auf dem Weg zum Kommunismus kommen, das das lenkende und regulierende Moment des Staates unverzichtbar für die zukünftige kommunistische Gesellschaft sei und er meint, dass nicht unbedingt die existierenden, leider nicht sehr weit entwickelten sozialist. Staaten den Schritt zum Kommunismus machen werden, sondern die hochentwickelten kapitalist. Puh, das ist ja sicher ein Schlag ins Gesicht aller Ideologen – sowohl im Osten, wie auch im Westen. Schwer verdaulich damals, denke ich. Heute, wie schon angedeutet, kommt so ein Gedanke z.B. mit der Zeitgeist-Bewegung wieder auf die Agenda. Allerdings, auch nicht gerade so populär. Ulrike Hermann bemüht die britische Kriegswirtschaftsordnung der 40er Jahre. Auch ein Ansatz, der vielleicht nur auf den ersten Blick schmerzt.
Der Analogien von damals und heute gibt es noch mehr. So spricht Harich davon, dass zu seiner Zeit „die Experten“ sich nicht einig waren über bestimmte Detailfragen bei ihrer Einschätzung der Umweltfaktoren und deren Auswirkung etc. Das wird für die Öffentlichkeit so dargestellt, bzw. kommt dort so an, als wären sie sich grundsätzlich über den Fakt der Umweltzerstörung uneinig. Und so lange sie da diskutieren, muss und kann man ja auch noch nix machen. – Genau wie heute (ja, es gibt auch Wissenschaftler, die den „Klimawandel“ anzweifeln, aber das gros ist sich da schon einig, dass er stattfindet und verheerende Folgen haben wird).
Auch der Glaube an das „grüne Wachstum“ hatte 1975 schon seinen Vorläufer in Form an den Glauben, dass neue Technologien und Energiequellen unendlichen Wohlstandswachstum und Naturschutz garantieren. (S. 103)
Die Wirtschaft bekennt sich zu Naturschutz, bleibt aber allgemein, verschwommen und inkonsequent (S. 104), legt sich nicht fest und muss so nicht wirklich etwas tun. „Neue Energie- und technologische Faktoren werden so nicht genau unter die Lupe genommen, nicht als unzulänglich oder gar als Quelle neuer Gefahren erkannt.“ (ebenda)
Ein Faktor, der unser Überleben bedroht, wird hier immer wieder genannt, der inzwischen etwas aus dem Fokus geraten ist, weil er sicherlich nicht unbedingt humanitäre Konsequenzen suggeriert: Die „Bevölkerungslawine“ (S. 109 z.B.) Auch der Faktor Wettrüsten wird immer wieder genannt – wo – auch wenn es nicht zum Krieg kommt – Unmengen an Ressourcen sinnlos verballert werden. Ja, klingt für mich plausibel; ist aber aktuell z.B. Überhaupt kein Thema mehr, im Gegenteil: ich sag nur „100 Milliarden“ …
An der Stelle mache ich einen Punkt. Die Ausführungen wiederholen sich. Außerdem setzt sich Harich mit den Reaktionen seine vor allem sowjetischen „Kollegen“ zur Thematik auseinander. Ist mitunter nicht uninteressant, aber für heute kaum noch relevant. Außer, dass daraus die Erkenntnis gezogen werden kann: Leider nix Neues unter der Sonne.
8 / 10 Punke