LBM2024, der FKSFL & ein Anthologieprojekt - mein Messetag 22.März
LBM2024 FKSFL
LBM2024 & FKSFL am Freitag, 22. März
Der Freundeskreis SF Leipzig lud – auch schon wie gewohnt für die Messezeit – ins Ambrosia, in der Prager Straße, zur Lesung ein. Diesmal stand eine neue Anthologie aus dem Hirnkost-Verlag im Zentrum der Aufmerksamkeit:
„Strandgut“. Eine SF-Anthologie, die sich um das Thema Migration, Flucht etc. dreht.
Hier im SF-Netzwerk gibt es bereits einen Diskussionsfaden. Da geht es u.a. auch um das Titelbild, das nicht bei allen gut ankommt. Nun, ich muss gestehen, bei mir auch nicht. Es wird ein bekanntes Motiv verwendet, das quasi zum Meme für das Elend der Migration geworden ist – das tote Kind am Strand.
Ich finde es etwas pietätlos, das Bild hier so zu verwenden. Es wird vor eine fiktive, moderne, städtische Kulisse / Skyline gesetzt, die wohl den SF-Bezug darstellen soll.
Ich habe die Anthologie nicht gelesen, werde es wohl auch nicht. Das Thema ist mir einfach noch zu nahe, zu akut. Vor dem Hintergrund der Diskussionen um korrekte Sprache und korrektes Denken und Handeln, um kulturelle Aneignung, von Wahrnehmung und Wahrung von Identitäten finde ich es z.B. komisch, dass hier ausschließlich "wohlstandsdeutsche"* SF- und Phantastikautor*innen zu Wort kommen. Warum keine Betroffenen? Und würden sie ihre Geschichten auch in ein fiktives Umfeld setzen wollen / gesetzt sehen wollen?
Aiki Mira und Vincent Voss haben aus ihren Beiträgen zur Anthologie gelesen. Beide haben mich nicht wirklich überzeugen können. Lesungen sind nicht leicht zu bewältigen, wie ich immer mehr erkennen muss. Beide können ihre Texte durchaus sehr schön, flüssig, mit Verve interpretieren. Aber eignen sich die Texte zum Vor-Lesen? Kam mir bei beiden nicht so vor.
Bei Aiki Miras Text kommt es, glaube ich, auf die Zwischentöne an. Ansonsten ist es eine Migrant*innen-Liebesgeschichte. Zum Schluss spürte ich die Sehnsucht der Protagonistin nach ihrer Liebe, aber das hat echt gedauert, bis ich mich da einhören konnte.
Die Geschichte von Vincent Voss war zum Vortragen einfach zu lang. Sie besteht auch aus erkennbar drei Teilen, wobei wir zum dritten Tell nicht mehr kamen. Die Teile driften dermaßen auseinander, dass ich erst mal dachte, das wären völlig unterschiedliche Stories, die er da liest. Auch hier nützt es mehr, wenn man sie selber liest, denke ich.
Beiden Lesenden kann man aber bescheinigen, dass sie durchaus „bei sich blieben“. So hat Aiki Mira ihre Protas bewusst queer angelegt und Vincent Voss hat beruflich mit Migrations-Hilfe zu tun, er weiß also durchaus, wovon er schreibt. Das „mindert“ meine oben gemachte Kritik etwa.
Wer wird diese Anthologie lesen? Leute, die man vielleicht davon überzeugen möchte, mehr Empathie für die Problematik und vor allem für die betroffenen Menschen zu wecken? Das wurde so in etwa in der kurzen anschließenden Diskussion zum Ausdruck gebracht. Aber wird man die erreichen, die dem Thema Migration skeptisch bis feindlich gegen über stehen? Glaube ich nicht. Es sei denn, es handelt sich um SF-Fans, die ein Faible für toll aufgemachte und teure SF-Anthologien haben. Die mag es geben. Ich wünsche es dem Buch sehr, habe aber so meine Zweifel.
Die Veranstaltung war leider nicht gut besucht. Dafür waren mit dem Verleger und den beiden Lesenden insgesamt fünf an der Antho Beteiligte vor Ort.
Ansonsten hatte ich mich etwas in der Zeit vertan, war im Grunde zu früh da; ärgerlich nur, dass im offiziellen „Leipzig liest“-Programm auch 18 Uhr als Startzeit stand, aber auf der FKSFL-Seite 19 Uhr. So was sollte man vielleicht in Zukunft vermeiden.
Handyfoto von mir: links Vincent Voss und rechts im Bild Aiki Mira
*) man möge mir den sarkastischen Ausdruck verzeihen, zumal ich ja gar nicht alle Autor*innen kenne, schon gar nicht, in welchen Lebensumständen sie sich befinden. Aber nach dem Inhaltsverzeichnis auf der Verlagsseite (click) sind keine Migrant*innen dabei, oder?
Moin,
danke für den Blogbeitrag, habe ich mit Interesse gelesen! Ich habe inzwischen ein Drittel der Anthologie durch.
Und ja, ich vermute auch, dass keine Migrant:innen dabei waren.
Immerhin haben einige Beteiligte (Vincent, Jacqueline) beruflich mit Flüchtlingshilfe o. ä zu tun.
Danke für deinen Bericht von der Lesung, bei der ich leider nicht dabei sein konnte.
Schöne Grüße, Yvonne