Ruhm
Kehlmann Daniel Kehlmann
Über dieses Buch noch Worte fallen zu lassen, erscheint fast müßig und überflüssig; ich glaube, inzwischen wurde mehr über das Buch geschrieben als in ihn steht. Außerdem tut der Autor mir leid: Sein „Vermessung der Welt“ ist sicher zurecht ein Bestseller geworden, das Buch ist toll, wenn es auch nicht so ein 08/15-Schmöker ist, der ansonsten die Kassen der Buchhandlungen füllt, aber nun scheint alle Welt zu glauben, das ginge so weiter. Kann das sein?
Kehlmann gabs ja vor der „Vermessung...“ auch schon und da war er auch nicht übel; sein „Mahlers Zeit“ ist ein brillantes Stück Phantastik - by the way - das in der SF&F-Szene so gut wie unter ging, wenn ich das mal richtig verfolgt habe. Doch nun muss der arme Kerl ja wieder einen Bestseller abliefern, auch wenn das in jeder Rezension irgendwie in Frage gestellt wird, leuchtet genau diese Forderung durch; es besteht einfach so ein Erwartungshaltung.
Ich könnte mir denken, dass es auf den Autor einerseits einen enormen Druck ausübt, aber sicher auch dass es ihm nicht wirklich schaden kann; so einen (Vorschuss-) Erfolg wünscht sich sicher manch anderer Autor.
Wie habe ich die Lektüre nun empfunden:
Zunächst: Es ist doch eher kein Roman, sondern 9 Stories, die lose miteinander verbunden sind, die alle für sich genommen stehen und gelesen werden können. Nur die letzte Story ergibt ohne die restlichen keinen richtigen Sinn, ist aber auch nicht essentiell.
Lustig, dass es - wie der Buchtitel verrät - genau um die Erwartungshaltung des Publikums an den Autor selbst geht, denn was ist Ruhm anderes als eine besondere Sicht auf einen Menschen. So wie seine Figuren muss sicher auch der noch junge Autor mit seinem erworbenen Ruhm umgehen. Vielleicht ist dieses Buch die Form, wie der Autor mit dem ganzen Trubel umgehen kann, er schriebt es sich von der Seele. Ich hoffe aber, dass es ihm dabei nicht so geht wie seinen Figuren. Das war für mich das überraschenste Moment des Buches: Die Stories sind alle durchweg melancholisch, mitunter depressiv und haben alle ein offenes Ende.
Normale Menschen werden aus ihrem Alltag gerissen, weil sie mit Leuten und ihrem Leben konfrontiert werden,die im gesellschaftlichen Fokus stehen und erkennen stellvertretend für den Leser (?) wie öde das / ihr Leben eigentlich ist. Auch wenn da jemand durch eine Art Doppelleben scheinbar neue Ufer erreicht, so ist dies keine Erweiterung, sondern macht halt nur zweimal dasselbe.
Die Promis, die der Autor literarisch vorführt, stoßen auch wieder nur an Grenzen, verlieren auf befremdliche Art und Weise ihren Prominentenstatus bzw. den Sinne, in dem was sie tun, was sie am Ende schon als Verlust erleben. Dass sie in so eine Situation geraten, liegt daran, dass sie auch nur unzufrieden sind.
In vielen Rezensionen wird der Autor dafür gelobt, dass er mit der Realität in diesen Geschichten spielt. Mitunter wird deutlich, dass das gerade Gelesene zum Teil nur die Fiktion eines Schriftstellers ist. Allerdings empfand ich diese Passagen und diesen Ansatz als etwas aufgesetzt. Das hat mich nicht überzeugt. Und einen höheren Sinn konnte ich darin auch nicht erkennen. Im Gegenteil, mitunter nahmen diese Wendungen der Story ihre Brisanz, am deutlichsten z.B. in der, wo eine ältere, krebskranke Dame den Entschluss zum Selbstmord fasst und der Autor ihr am Schluss die Chance gibt, wieder jung und gesund zu werden. Dabei ist die Seelennot der Frau und was sie bei der Realisierung ihres Unterfangens erlebt, mit das Stärkste in dem Buch.
Das Buch ist toll. Ob es nun diese riesigen Erwartungshaltung in „den neuen Kehlmann“ erfüllt, wage ich zu bezweifeln, aber vielleicht habe ich ja zu viel erwartet? Die Stories sind mit leichter Hand geschrieben, haben tolle Plots und sehr interessante Protagonisten, in denen man sich selbst, mehr als einem lieb sein kann, wiederfindet. Ich war begeistert.
Leseliste Februar 2009