Thomas Ziegler: "Sardor"
Beim letzten SF-Stammtisch zu Halle erwähnte ich meine momentane Obsession, was ein unmütiges Grummeln erzeugte - nicht weil ich so was lese, sondern weil ich das Wort "trivial" benutzt habe. Ja, Recht haben sie! Tatsächlich teile ich nicht die mitunter spürbare Arroganz gehobener Literaturkritik, die Bücher in Hoch- und Trivialliteratur einteilt. Obwohl: Wo findet das eigentlich wirklich noch statt? Inzwischen kommt es mir vor, dass auch das Feuilleton die vermeintlichen Tiefen der Unterhaltungskunst entdeckt hat. Aber vielleicht hat sich das Bild von der Trivialität in der Kunst nur verschoben?
Ich denke, es gibt durchaus ein paar Merkmale, an denen Trivialität festgemacht werden kann. Dabei muss dann der Konsument dieser Werke für sich entscheiden, ob dies dann schlecht oder gut ist - ja, so einfach ist das, oder?Eines dieser Merkmale ist nach meinem Dafürhalten der Eskapismus. Und das ist sicher auch der Grund, weshalb SF & Fantasy unter dem Generalverdacht der Trivialität stehen.
Sobald fremde Welten und Wesen bemüht werden, glaubt "man" (wer?) das geht "uns" (wen?) nichts wirklich an; hier lässt ein gewissenloser Autor den Leser aus der Realität fliehen. Nun ja, in diesem Forum braucht sicher keine Lanze gegen so ein Vorurteil gebrochen zu werden. Wobei Unterhaltung ja auch kein schlechtes Motiv des Schreibens sein muss - das ist tatsächlich eine Kunst, die leider nicht jeder Autor versteht. Meiner Meinung nach ist es sogar dann wiederum ein Zeichen von Trivialität, wenn ein Autor es nicht versteht, seine Leser zu unterhalten, sondern sie mit Klischees etc. langweilt.
Ein weiterer Hinweis auf Triviales ist der schlechte Stil, die Kunst, falsch und un-inspiriert zu formulieren. Auch da hat die SF einen schlechten Startschuss, einen schlechteren als die Fantasy, denn ihre Ahnen hatten meist einen nicht-literarischen Zugang zum Schreiben.
Komischer Weise sind die echten Klassiker des Genres solche ursprünglichen Nicht-Literaten. Und hauptberufliche Autoren - damals und heute - denen aus Profession vielleicht die Zeit fehlt, gediegen zu schreiben, weil sie einfach viel schreiben müssen, um davon leben zu können, geraten dadurch in triviale Gefilde. Das ist ungerecht!
So sehr viel habe ich von Thomas Ziegler noch gar nicht gelesen. Ich denke aber dennoch, dass beide Phänomene auf ihn zutreffen. Und in beiden Fragen hat er eine faszinierende Meisterschaft entwickelt. Ja, er kann tolle Welten und Wesen entwerfen und kann den Leser ent- und verführen. Irgendwie schien ihm das einen Riesenspaß gemacht zu haben, zumindest liest es sich so. Und was seine Fabulierkunst anbelangt, so hat er trotz der Vielschreiberei seinen eigenen Stil entwickelt und vermag durch seine Worte zu fesseln. Und er hatte immer was mitzuteilen, hat Position bezogen.
Das kommt bei "Sardor" ganz besonders zum Zuge! Vielleicht sogar zu viel davon. Denn auf den 200 Seiten passiert fast nichts. Da wird eine seltsame, archaische, grausam wirkende Welt entworfen, mächtig gewaltige Geschöpfe, die dann schon wieder (unfreiwillig?) komisch wirken. Das Ganze hat einen uralten Hintergrund, der ein wenig an Lovecraft erinnert, was mir besonders gut gefiel. Dabei übertreibt er nicht.
Wo es an Übertreibung erinnert, ist der Stil, das Wie des Erzählens. Ziegler badet geradezu in Formulierungen und Wort-Bildern. Das ist eine Wonne. Allerdings muss ich zugeben, dass es nach 200 Seiten genug ist.
Und dann ist die Story auch noch gewagt. Da wird so ein über-patriotischer, deutscher Flieger aus dem I. Weltkrieg direkt aus der Luft des irdischen 20. Jahrhundert in das kirschrote Licht der fremden Sonne entführt und wird zur Inkarnation der titelgebenden uralten Gottheit, die 20.000 Jahre auf Ihn gewartet hatte. Sardor ist so etwas wie ein gerechter Ausgleich im Kampf der Menschen gegen kosmische Kräfte, die nach dieser Welt greifen.
Das Alles fetzt ungemein. Und da gibt's auch eine Fortsetzung, leider nur eine, ein dritter Band wurde wohl angekündigt, ist aber nie erschienen. Es sollten mal 6 Bände werden, aber deutsch-sprachige Fantasy geht ja nicht... Das war wohl in den 80ern so. Gibt's eigentlich die Manuskripte dazu? Vielleicht könnte man ja heute, wo dicke deutsche Fantasy-Folianten die Bücherläden füllen...
Meister Ziegler gab seinem Affen Zucker. Das macht Laune. Man könnte das heroische Fantasy-Zeug natürlich für bare Münze nehmen, aber vielleicht war es dann doch eher ironisch gemeint? Beide Lesarten sind, glaube ich, zulässig.
Aber vielleicht - hier dräut wieder die didaktische Anti-Trivialitäts-Kaule herauf - hat der vielbeschäftigte Autor auch nur in die Trickkiste gegriffen, um einiger Maßen und effektiv erklären zu können, wie ein Mensch aus dem 20. Jh. sich so problemlos in so eine fremde und lebensfeindliche, kriegerische Welt zurecht findet, nämlich weil er, der Luft-Ritter, es ja die letzten vier Jahre so gewöhnt war und für einen heutigen, zivilisierten Zeitgenossen schon ziemlich "verkorkst" wirken muss.
OK, der 2. Band ist bereits geordert... Und auch der Erzählungsband von Ziegler, wo eine Story aus dem Sardor-Universum enthalten ist, sozusagen die Ursprungsidee dazu.
Ach, und dann hätte ich auch noch eine Frage: Wer ist der Illustrator? Irgendwie hat man dessen Namen vergessen zu erwähnen. Na ja, die sind jetzt nicht sooo toll, aber auch nicht so schlecht, dass man den Namen verschweigen muss.