Basil, Weiss, ein bisschen Kotzwinkle
Meine Leseliste 2011
Endlich konnte ich das Buch mal lesen. Es wird auf einschlägigen Alternativ-Geschichtes-Buchlisten immer ganz oben aufgeführt. Jetzt endlich habe ich es mir mal gegönnt - und muss sagen: Nicht übel, wenn auch nicht so überragend.
Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, hintereinanderweg mehrere Bücher zum Thema...
Aufarbeitung der Nazi-Diktatur in der Science Fiction
... zu lesen. Da hat sich was angesammelt. Neben diesem Buch noch ein relativ neues: „Das Reich Artam“ von Volkmar Weiss und „Filmriss“ von William Kotzwinkle. Ich wollte vergleichen. Allerdings scheiterte dieses Unterfangen...
Das Buch von Basil ist eine Satire. Anti-Held der Geschichte ist Albin Totila Höllriegel. Der Name deutet sicher schon mal auf Satire hin, andere Namen sind ähnlich kurios, überdreht.
Zeit: 60er Jahre, Ort: Mitteldeutschland (da, wo ich wohne - sic!). Höllriegel ist ein berufsmäßiger Esoteriker, der im weiter bestehenden Dritten Reich seine Brötchen mit Pendeln verdient. Er spürte Strahlungen auf, pendelt Lebensumstände seiner Klientel aus. Unwissenschaftliche Praktiken sind sozusagen staatlich anerkannt.
Höllriegel ist ein überzeugter Nationalsozialist, da gibt es keinen Zweifel. Er macht da alles mit, findet alles gut, auch Folterungen etc. Der Kerl wird zudem getrieben von sexuellen Fantasien, in deren Zentrum eine Film-Diva steht. - Nun, ich denke, der Autor verarbeitet hier soziologische und psychologische Überlegungen über den Männlichkeitswahn schwarz-unifomrierter Männerbünde und deren unterdrückte Sexualität. Bei der Beschreibung hatte der Autor offensichtlich so seine Freude, denn er widmet dem Thema viel Platz.
Deutschland hat den Weltkrieg gewonnen, weltweit gibt es faschistische Vasallenstaaten, auch in den USA. London wurde von einer deutschen A-Bombe zerstört. Nur im Fernen Osten hat sich der ehemalige Bündnispartner Japan breit gemacht. Es kommt daher nun auch zur Konfrontation zwischen beiden Weltmächten. Ein Atomkrieg bricht aus. Ohne viel verraten zu wollen, aber am Ende versinkt alles im atomaren Chaos.
Hitler stirbt. Ein Nachfolger, der sich vor allem auf die SS stützt und eine faschistische Fraktion anführt, die Werwölfe, will mit innenpolitischen Gegnern abrechnen. Diese formieren sich um eine faschistische Bauern-Organisation, den „Armen Konrad“ und die SA; nun da wird also ein alter Konflikt wieder aufgewärmt. Bei der großen feierlichen Bestattung Hitlers am Kyffhäuser bricht der Tumult aus, neben dem neuen Weltkrieg gibt†™s nun auch noch Bürgerkrieg.
Die Bauernvereinigung beruft sich übrigens auf den Bundschuh und Thomas Müntzer. - Muss ich mal recherchieren, ob das bei den Nazis auch eine Rolle spielte; sie haben ja gerne auf revolutionäre Traditionen aufgesattelt.
Auf seinen Wegen begegnet der Protagonist Leuten, die in protegierter Position auf ihre halb verborgene, halb öffentliche Art Widerstand gegen das System leisteten, bzw. sich auf bizarre Art mit dem System arrangierten.
An vielen Stellen merkt man zum einen, dass Basil Lyriker ist: Formulierungen und sprachliche Bilder sind mitunter faszinierend, aber man merkt auch, dass er kein Roman-Autor ist. Es gibt lange Passagen die etwas dröge sind, u.a. endlose Aufzählungen - z.B. von Tätigkeiten, von Nachrichten-Headlines etc. Auch hätte eine redaktionell Kürzung mancher Passagen dem Buch gut getan.
Wie ist das nun mit der Satire? Da alles aus der Sicht eines überzeugten Nazi geschildert wird, könnte es hier zu Missverständnissen kommen. Es ist zwar alles sehr überzogen und im Grunde lächerlich, aber wer weiß, wie manche Leute ticken...
So 100%ig hat das Buch mich nicht überzeugt, aber wichtig ist es (also für mich).
BTW fand ich auch interessant, das hier in dem Buch der Begriff „Meme“ erwähnt wird (10 Jahre vor Dawkins?). Und noch ein SF-Gimmick: Ein (Pseudo-) Wissenschaftler sucht den Gottesbeweis, dabei kommt er (sozusagen auf die Frage nach dem Universum...) auf eine Zahl als Antwort = leider nicht 42, aber irgendwie so ähnlich: 10 hoch 40...
8 / 10 Punkte
Volkmer Weiss: „Das Reich Artam“
Habe das Buch nur angefangen. Zur Zeit erscheint er mir unerträglich. Keine Ahnung, ob das nun auch eine Satire sein soll, oder ob der Autor das ernst meint.
Der Autor war in der DDR ein ernst zu nehmender Wissenschaftler, der sich mit Vererbung, Genetik und IQ-Forschung beschäftigte. Nun ist er Rentner und schreibt Bücher, vornehmlich zu demografischen Themen. Man wird über ihn schnell fündig im Netz.
Der Roman spielt in der Zukunft, die auf einer alternativen Historie beruht. Auch hier hat Hitlerdeutschland den Krieg gewonnen. Dann gab es eine Zeit des Großen Chaos, das alte Deutschland ist ziemlich am Ende. Das Reich Artam besteht auf dem Gebiet der Ukraine (mehr oder weniger). Und verwirklicht - nun ja, wie soll ich das sagen - seltsame Ideen.
Artam ist ja ein Begriff aus den 20er Jahren des 20. Jh, und bezeichnet im Grunde eine jungkonservative, bündische Utopie. Man möge mich korrigieren, wenn ich das nicht richtig auffasse. Eine Nähe zum Nazismus bestand dann auf alle Fälle. Denen ging es um Blut und Boden, Urkräfte des Volkstum, aber auch praktische Besiedlungsprojekte und ein von der übrigen Gesellschaft autarkes Leben nach ihren Prinzipien. Auch da kann man im Netz was zu finden; es gibt wohl immer noch Leute, die dem frönen.
Tja, was soll nun das Ganze? Ich weiß es nicht. Mich hat der Text ziemlich geärgert, denn von satirischer Brechung spürte ich nichts. Der Autor bemüht - für seine Zukunftswelt - die alte Sprache, Begriffe und eben auch Haltungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Was will er uns damit sagen? Ich habe das Buch erst mal wieder aus der Hand gelegt, kam da gar nicht ran, nicht mal aus Interesse; „begeistern“ konnte es mich schon gar nicht. Daher wird es wohl auch nichts mit meinem Artikel; nur das hier ist bisher draus geworden.
- keine Wertung -
Nun habe ich das dritte thematische Buch begonnen. Mal sehen, ob das was ist.
Der Autor mit dem im Deutschen übel klingenden Namen ist ja kein Unbekannter : „E.T.“ stammt aus seiner Feder. Berühmt ist er mit so einem Pop-Roman: „Fan Man“, den ich mal versucht zu lesen. Leider scheiterte ich da auch, hat mir überhaupt nichts gegeben. Auch sein viel gerühmter „Ein Bär will nach oben“, das ich zumindest als Hörspiel kenne, hat mich nicht überzeugt.
Eins kann man Kotzwinkle nicht vorwerfen: Einseitigkeit. Hat ja ein breites Oevre, alle Achtung.
Ich gehe 'mal davon aus, daß Du die Standard-Naziaufbereitungs-SF bereits kennst :
- Norman Spinrad : Der Eiserne Traum
- Mark Brandis : Die ersten vier Delta VII-Romane
- Phil Dick : The Man in the high Castle
Mehr fallen mir so spontan nicht ein.