8 / 10 Punkte
Joe R. Lansdale: „Kahlschlag“ - Golkonda Verlag
Tatsächlich! Ein großartiger Roman! Wie hat im Horror-Forum jemand so treffend formuliert: Ein reifes Werk des Autors! Dem muss ich mich anschließen. Habe selten so einfühlsam und präzise Personen beschrieben vorgefunden. Und zwar fast alle, auch die Nebenpersonen sind so ausgearbeitet, dass sich mir sozusagen ihre Bilder aufdrängen. Ich bin sehr begeistert, habe mitgefiebert.
Was ich einfach auch mal erwähnen möchte, weil es vielleicht mitunter heute schon fast ein Manko darstellt: Lansdale bezieht Position für die Unterdrückten, für die Frauen, für die Schwarzen. Das mag zwar „politisch korrekt“ sein, was ja mitunter wieder als Schimpfwort gebraucht wird, ist aber vielleicht sogar etwas mutig in dieser Eindringlichkeit für einen Texaner. Na, ich weiß nicht, wie die Leute heute da insgesamt so ticken. In den Zeit der Großen Depression war es aber ein Thema, offensichtlich. Interessant, wie das wohl funktionierte: Die Weißen, auch die Unterprivilegierten, nutzen den alltäglichen Rassismus, um sich einzurichten. Sie hinterfragen ihn nicht, weil es ihnen gut damit geht. Ja, das mag ein Allgemeinplatz sein, aber wo wie es der Autor hier zur Sprache bringt, wird dieser Mechanismus deutlich. Er zeigt auch, wie die Schwarzen darunter leiden, denn sie müssen sich ständig vorsehen, anpassen, ducken, verstellen. Wie kann man so normal leben?
Es fängt ja gleich mit einem Paukenschlag an: Während eines Wirbelsturms versucht ein Mann seine Ehefrau zu vergewaltigen und verprügelt sie. Sie erschießt ihn. Da der Mann der amtierende Constable war, gibt es nun keinen Gesetzesvertreter in dem Dorf. Da schlägt die Mutter des Erschossenen die „Mörderin“ als neuen Constable vor. So viele Tabubrüche auf einen Haufen. Das muss man erst mal verarbeiten...
Es gibt dann noch einen anderen Doppelmord und einen Komplott aufzudecken. Dabei wird die politisch-kriminelle Kaste dieses hinterwäldlerischen Ortes auf den Kopf gestellt - allerdings nicht die politisch Grundordnung; Lansdale hat ja keine Utopie geschrieben, nur einen „Gesellschaftskrimi“.
Dazu: Ein toll gestaltetes Paperback, das rein äußerlich was her macht. Unbedingte Empfehlung!!!
10 / 10 Punkte
Hellboy 11: Der Krumme von Mignola, Corben u.a.
Großartig, wie eigentlich immer. Diesmal einzelne Stories, von verschiedenen Zeichnern. - ein paar Worte dazu -
10 / 10 Punkte
Carlton Mellick III: "Die Kannibalen von Candyland"
Festa, 2010, 158 rosa Seiten, Lesebändchen, Hardcover in Bonbonfarben und Duftstoff.Rubbelfläche
Hach, was für ein Buch! Selbst wenn es einem nicht gefällt, braucht man es nicht in die Ecke zu werfen, da kurz und knackig. Das hat man schnell durch. Wenn man dem Nachwort des Autors trauen kann, erging es ihm beim Schreiben ähnlich. Na gut, dass er damit keinen großen Aufwand hatte.
Nun, inhaltlich ist es nicht überragend, wie ich finde. Eigentlich ist es eine 08/15-Story über ein armes Würstchen, das mit seiner Frau und seinem Leben nicht klar kommt. Selbst die Jungs auf dem Hof machen sich über ihn lustig und er steht allem ohnmächtig gegenüber.
Was das Buch zum kleinen Lesefest macht, ist das Drumherum, die Gestaltung, Aufmachung, aber auch die absurden Bilder, die es durch einfache Sätze im Kopf erzeugt. Diese Mischung aus ekligem Zuckerguss und kannibalistischem Splatter. Aber alles ist simpel aufgeschrieben, so dass man sich beim Lesen kaum wirklich ekeln oder gruseln muss.
Ich fand die Grundidee witzig, doch wenn man erst mal mitbekommt, wohin die Reise geht, kann es schnell langweilig werden, da erweist es sich als gut, dass es nicht so ausufert. Daher von mir 8 von 10 Punkte, ich fühlte mich gut unterhalten und bin durchaus auf weitere Mellicks gespannt!
PS. Habt Ihr bemerkt, wie ich kein einhiges Mal den Begriff bizarr(o) verwendet habe...
8 / 10 Punkte
Martin Cruz-Smith: „Der andere Sieger“
Den Autor kennt wahrscheinlich jeder („Gorki Park“), aber auch dieses kleine Buch? Als Fan alternativer Geschichtsverläufe bin ich darauf gestoßen. Die Indianer Nordamerikas konnten nach ihrem Sieg in der Schlacht am Little Big Horn gegen General Custer am Ball bleiben. Sie haben sich vereinigt, Waffen aus Europa und Kanada bekommen, auch Kanonen und moderne Gewehre und konnten ihre personelle Überlegenheit (jeder Mann war ein Krieger) ausnutzen und sich einen großen Happen Steppe im Herzen Nordamerikas sichern.
Dadurch verläuft die Geschichte der USA etwas anders (Kolonien, Vietnam), was in einer 2. Handlungsebene angedeutet wird; im 20. Jh. ist leider das Verhältnis zwischen den USA und den Ureinwohnern immer noch nicht besser, sogar schlechter als in der realen USA.
9 / 10 Punkte