Die Anziehungskraft eines Ost-Comics: Das geheime Leben der...
Mosaik Digedags Lehmstedt
Buchvorstellung & Vortrag von Dr. Mark Lehmstedt
25.11.2011, Haus des Buches, Leipzig
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Na, das war eine Überraschung: über 50 Gäste kamen zum Vortrag! Was daran ungewöhnlich ist? Nun ja, zu anderen Lesungen, organisiert durch den Freundeskreis Science Fiction Leipzig e.V., kommen meist weitaus weniger Leutchen. Leider...
Dabei ist das Thema nicht mal streng genommen ein SF-Thema. Aber offensichtlich gibt es hier ein breiteres öffentliches Interesse. Welche Parameter führen zu so einer erhöhten Aufmerksamkeit? Da ist zum einen der Leipziger Herausgeber, Dr. Lehmstedt, der durchaus seinen guten Ruf in der Messestadt genießt und dessen Verlag sich vor allem um die Kultur- und Alltags-Geschichte Mitteldeutschlands kümmert. Dann wurde der Leipziger Comic-Stammtisch aufmerksam, aus dessen Reihen einige Leute kamen. Das „Mosaik“ ist zudem eine typische DDR-Sache; das weckt Erinnerungen und lockt sicher in der ostdeutsche Metropole auch so machen an. Es gab hier im Vorfeld auch relativ viel Presse.- Nun, die Veranstalter hat es gefreut.
Der Referent enttäuschte dann auch seine Zuhörer nicht! Habe selten einen so eloquenten und unterhaltsamen Vortrag gehört. Der Mann versteht sein Handwerk, kann reden, keine Frage!
Nach kurzer Einführung von FKSFLer René Meyer ging Herr Lehmstedt der Frage nach, wer der Schöpfer der drei berühmten und beliebten Comic-Figuren war. Herr Johannes Hegenbarth lebt ja noch, ist aber an einer Selbstdarstellung nach wie vor überhaupt nicht interessiert. Er gab nie ein Interview, auch dem Auto des Buches nicht.
Seinen Namen hat er wohl auch aus dem Grund erst auf „johannes“ (als Karikaturist), später auf Hannes Hegen verkürzt, weil es noch einen anderen berühmten Illustrator namens (Josef) Hegenbarth in der DDR gab, der sogar mit Hannes Hegen verwandt war.
Derzeit ist Hannes Hegen dabei, seine Privatsammlung in Sachen MOSAIK und DIGEDAGS dem Zeitgenössischen Forum zu Leipzig zu übergeben. Am 16. Februar 2012 wird dort dann auch eine neue Ausstellung eröffnet. Vielleicht ist der legendäre Schöpfer auch zugegen.
So einer wie ich, der durch das MOSAIK quasi mit sozialisiert wurde, damit aufwuchs, hörte sicher ganz anders zu. Für die DDR war das Heft eine enorme Erfolgsgeschichte, zu der es eine Reihe von „Hinter den Kulissen“-Stories gibt. Das konnte Dr. Lehmstedt eindrücklich darstellen. Weil das MOSAIK so erfolgreich war, durfte es Mitte der 70er auch nicht zurück gefahren werden, obwohl Hannes Hegen das gerne so wollte; die goldene Kuh sollte weiter gemolken werden. Den Wechsel von die Digedags zu den Abrafaxen hatte dann in dieser Darstellung auch reinweg kommerzielle Gründe; das traut man der DDR gar nicht zu.
Es war dann auch eine Überraschung, als der Referent in der anschließenden Fragerunde bestätigte, dass es wohl zu Herrn Hegen keine Stasi-Akte gab.
Nun will ich hier nicht den Inhalt des Vortrages wiedergeben, da gibt es ja schließlich noch das Buch, das gelesen werden will. Und wohl schon reichlich gelesen wurde; der Herausgeber verkündete, dass sich bis dato ca. 5500 Exemplare verkauft haben.
Dabei begann alles mit einer Verlegenheitslösung. Anfang der 90er sollt Dr. Lehmstedt einen Vortrag in den USA halten. Er wollte über die Verlagsstadt Leipzig des 18. Jh. reden. Ein Bekannter entdeckte aber im Bücherregal des Dr. dessen zerfledderte MOSAIK-Sammlung. Da gab es doch auch die Amerika-Serie! Warum den Kollegen in Übersee nicht davon erzählen?
Der Vortrag wurde wohl ein toller Erfolg, denn die Amerikaner staunten nichts schlecht, was so hinter dem Eisernen Vorhang in einer Comiczeitschrift möglich war und wie genau die Bilder des New York des 19. Jh. darin waren. Zu der Grundausstattung des Ateliers, in dem die MOSAIK-Hefte entstanden, gehörte eine große Bibliothek, in der die Zeichner sich Inspirationen und Vorlagen besorgten.
Ja, „die“ Zeichner, und ja, „Vorlagen“... Das sind auch „Problemkreise“, auf die Dr. Lehmstedt einging. Denn das MOSAIK war eine Kollektivleistung; bis zu 12 Leute arbeiteten daran. Und mit den Urheberrechten (an Bildern) nahm man es wohl auch nicht immer so genau...
Interessant waren auch die Ausführungen zum Verhältnis des Meisters zu Disney. Hegen betonte ja immer, dass er mit westlichen Comics nichts am Hut hat; aber wenn man sich gerade die ersten MOSAIKs genau anschaut, dann findet man da durchaus Parallelen. Es wurde auch ein Titelbild des „Eulenspiegel“-Vorläufers „Frischer Wind“, dem DDR-Satire-Magazin, auf dem die Disney'schen 7 Zwerge auf die gerade im Aufbau befindliche Stalinstadt (heute: Eisenhüttenstadt) schauen.
Das Fazit des Referenten und Buchautors: Das MOSAIK wurde mit der „Ritter Runkel“-Serie und den folgenden Heften zum Teil der großen Comic-Weltliteratur. Was die große Gesamterzählung ausmacht, die Ausarbeitung der Charaktere, den Wortwitz, die künstlerische Ausführung, ist es halt ganz großes Kino. Er verglich die Serie mit „Prinz Eisenherz“.
Mein Fazit: Ein erstaunlicher Abend, der mir Einblicke in eine Sache gewährte, von der ich dachte, dass ich sie gut kenne.