Wochenende eines Papiertigers
Am Freitag Abend (7.9.2012) lud ein Großer der Gothic-Szene deutscher Zunge zur Lesung nach Leipzig, ins Kulturcafé Knicklicht: Oswald Henke. Er wird mit seinem Musikprojekt „Goethes Erben“ gerne in die Ecke „Neue deutsche Todeskunst“ gestellt. So habe ich ihn sozusagen auch kennen gelernt und war in den 90ern sehr begeistert von Konzerten der Gruppe. Was damals schon sehr auffiel, war der theatralische Auftritt, die vor allem von der Person Henkes getragen wurde. Er inszenierte seine Lieder regelrecht, intensiv, gänsehauterzeugend.
Es gab dann auch dieses Theaterstück. Weiß nicht mehr so genau, um 2000 (???) im Berliner Urania. Da gab er seinem Affen Zucker, wie man so schön sagt. Nun, war mir zu viel des Guten; ich fand es sogar etwas langatmig.
Neben Musik und Theater schieb und veröffentlichte er schon immer seine Lyrik, schreibt Kolumnen, nicht nur für Gothic-Magazine und liest eben auch öffentlich.
Ach, das Knicklicht. Nicht ganz im Zentrum Leipzigs gelegen, das Haus mit einer noch nicht sanierten Fassade, eine Mischung aus Neo-Barock und Neo-Klassizismus, wirkte auf mich wie ein riesiges Mausoleum. Na, passt, dachte ich.
Das derzeitige Lese-Programm Oswald Henkes, "Zwischengeist", umfasst etwa 2 Stunden, mit Pause. Nun wäre Henke nicht Henke, wenn auch so eine „Lesung“ weit mehr wäre als „nur“ eine Lesung.
Zuerst fiel mir seine Vortragsweise auf, die mir sehr bekannt vorkam, denn so exakt und wohlformuliert, so mit Atme-Einsatz und Verve interpretiert er auch seine musikalische Lyrik. Im Übrigen erkannte ich zumindest ein Gedicht wieder, dass er musikalisch untermalt auf einer CD des Projektes ARTWORK interpretiert.
Er ist ein Gothic-Künstler, dem geschuldet sind die meisten Gedichte eher ... traurig. Es geht um den Sinn de Lebens, den Tod und die Erfüllung des Seins vor dem Tod. Um sein Publikum nicht in Depressionen abgleiten zu lassen, lockert er seine Lesung ordentlich auf, bis dahin, dass er zuvor eingekaufte Süßigkeiten verteilt und eine auserwählte Assistentin Seifenblasen machen lässt.
Neben getragener Lyrik sind es aber auch die sarkastischen und ironischen Artikel und das 1.Kapitel eines seeehr erst gemeinten Erziehungsberaters, die die Stimmung auflockerten und die sehr lange Lesung einfach abwechslungsreich gestalteten.
Eine Kolumne widmet sich de Frage, inwieweit die im Grundgesetz verankerte menschliche Würde im Alltag gelebt wird. Er muss feststellen, dass es daran sehr hapert. So richtig überzeugend fand ich seine Argumentation nicht, nun ja...
Eine andere Kolumne widmet sich der Intoleranz der Schwarzen Szene, die wohl inzwischen dermaßen aufgesplittert ist, so dass sich die Leute untereinander (bat cave, cyber, „richtige“ goth...) nichts mehr zu sagen haben und gegenseitig ausgrenzen. Richtig harsch ging er mit „seiner“ Szene zu Gericht. Seine Ausführungen wurden durch zustimmendes Gelächter quittiert. Hmm, bin mir nicht sicher, vielleicht war es auch peinliches Berührtsein, denn es waren j vornehmlich „Szene-Leute“ im Publikum...
Unterm Stich fand ich dieses Wiedersehen mit einer der markantesten und eindringlichsten Figuren der deutschen Alternativ-Pop-Szene großartig.
Am Samstag (8.9.2012) ging es wieder nach Leipzig Mein Auto findet schon allein dorthin mittlerweile..
Ich besucht,e diesmal mit Familie, den Comic Garten. Ist ja in erster Linie so was wie eine kleine Comic-Verkaufsmesse, halt mit Sänden, an denen Comics feilgeboten werden. Tja, konnte mich nur schwer zurück halten. Auf dem Foto ist die Ausbeute zu sehen... - siehe Bild oben.
Überall saßen Comickünstler und zeichneten, oftmals als Widmung in gekaufte Alben und Bücher. Das habe ich mir auch gegönnt (Widmung, Zeichnung und Extra-Stempel...):
Bild von Stephan Probst (**) (Foto von mir)
Von den wenigen Programmpunkten habe ich leider wenig mitbekommen. Am meisten tut es mir leid, den Vortrag zu israelischen Comics von Stefan Pannor verpasst zu haben. Leider war mir gar nicht bekannt, dass... Aber ich bin mir sicher, dass es irgendwann und -wo bekannt gegeben wurde; Werbung wurde ja im Vorfeld sehr viel gemacht.
Schön an dieser Veranstaltung ist, dass man mit Comics abseits der großen Verlage konfrontiert wird. Ich staune immer wieder, was für tolle Exponate die Fan-Clubs erstellen, ob nun die um die DDR-Comics MOSAIK, oder die „moderneren“, z.B. aus Berlin.
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(*) Ich freue mich auf die Lektüre von:
Infinity Black Art, 1 u. 2 von David Mack; BATMAN spezial, one million, Dino comics 99;MOSAX 6 u.9, Fanzines des Dresdner Mosaik Fanclubs; SWIFT. Burn baby burn, von Stephan Probst, undergroundcomix.de; Ted Naifeh: "Polly & die Piraten, Bd. 1" eidalon verlag, 2008; EPIDERMOPHYTIE. Ausgabe 17: Der Sinn des Lebens, aus Berlin
(**) Mehr von Stephan Probst gibt es hier: http://www.comic-killer.de/