Literarische Exkursion nach Russland, SF war auch dabei. War sie es?
42) Viktor Jerofejew: „Die Akimuden“
Dabei fing es so gut an: Die Toten stehen wieder auf in Moskau. Sie überrennen das Land, die Städte. Etwas hat es von World War Z, aber nur etwas. Zombie-Apokalypse auf Russisch geht schon mal irgendwie unspektakulärer, fast unauffällig. Für die Menschen ist das erst mal eine doofe Nachricht mehr.
Doch die Plage werden sie nicht mehr los, die quartieren sich in „ihren“ alten Wohnungen wieder ein, wo sie einst starben. Da wird es jetzt eng. Aber weiterhin spielt das dann auch keine Rolle mehr.
Na gut; dann gibt es noch so eine Botschaft eines Landes, das es nicht gibt, die der Akimuden. Die nehmen sich viel vor, wollen Russland wieder zur Weltmacht machen, der Botschafter schient gleichzeitig (ein) Gott zu sein (???) - Tja, da beginnen sie, die surrealistischen Ungereimtheiten.
Ist Jerofejew der neue Sorokin? Auf jeden Fall ist er nicht besser, eher schlechter. Im Grunde scheint der Autor hier mit dem Zufallsgenerator gespielt zu haben. Es gibt es Replik auf die persönliche Vergangenheit, Erinnerungen an die Kindheit. Da ich „Der gute Stalin“ noch nicht gelesen habe, kann ich nicht einschätzen, ob diese Erinnerungen hier sich mit denen aus dam anderen Buch decken, oder doch eher fiktiv sind.
Nichts wird richtig vertieft, und vieles so seltsam ausformuliert, dass es mir nicht mehr gelungen ist, dem Autor zu folgen. Ich habe keine Ahnung, worum es in dem Buch geht!
Dass ich nicht vollkommen blöd bin, beweisen andere Rezensionen, die man im Netz finden kann. Sie zeigen sich ebenso verwirrt, vielleicht etwas weniger als ich.
(P.S.: Letztens war der Autor zu Gast beim Blauen Sofa. Es ging um das Buch hier - eigentlich. Dann redeten er und der Moderator über... na? Klar: Stalin....)
43) Dj Stalingrad: „Exodus“
Was für ein Name! Natürlich ein Künstlername. Der Mann hat auch allen Grund, seinen wahren Namen zu verschweigen. Er wird (oder wurde) von den russischen Behörden, dann auch von Interpol gesucht. Exil hat er in Finnland gefunden, lebte aber auch in Griechenland, wo er das hier vorliegende Buch schrieb. Heute lebt er immer noch außerhalb Russlands, schreibt aber für angesagte, namhafte russische Magazine.
DJ war ein russischer Straßenkämpfer, ein linker. Neben rechten Typen, wie Limonow und Prilepin ist nun also mal ein Vertreter der anderen Seite präsent. Allerdings merkt man es dem Buch lange Zeit überhaupt nicht an. Der Autor vermeidet politische Statements, scheinbar haben er und seine Kumpane gar keine. Gekloppt wird aber trotzdem, viel und ausgiebig. Was er da an Schlägereien und Straßenkämpfen schildert, klingt schlimm. Heftige Verletzungen bis zur Todesfolge sind an der Tagesordnung und werden billigend in Kauf genommen. Anlässe sind oft Fußballspiele oder Demos.
Erst ganz zum Schluss des Buches, in einer Art Epilog, fasst der Autor in einem historischen Abriss seine politischen Motivationen zusammen. Man findet natürlich auch etwas im Netz über und von ihm. In Interviews sagt er mehr zu den historischen Hintergründen dessen, was er da in dem Buch erzählt. Das finde ich etwas unglücklich und weiß auch nicht, was er damit zum Ausdruck bringen will: Ist es vielleicht nicht wichtig, wofür und weshalb die Leute sich auf den Straßen der russischen Städte die Köpfe einschlagen? Hmm, mag sein.
Fakt ist wohl, dass zwischen 2003 und 2008 linke Schläger den rechten Schlägern den Schneid abgekauft haben und damit anderen, friedlichen, linken, Öko-, Friedens- u.a. Bewegten etc. Raum geschaffen, „erkämpft“ haben. Das hat wohl einiges bewirkt. Nun ja†¦
Erzählerisch eindringlich (teilweise fast poetische Wort-Bilder), wenn auch wie erwähnt merkwürdig apolitisch, liest sich das Buch schnell weg (ist ja auch erschreckend dünn).
44) Oleg Jermakow: „Winter in Afghanistan“
Beim Renovieren und Aufräumen gefunden, kurz nach der „Wende“ noch in der spektrum-Reihge des Verlages Volk und Welt erschienen. Damals sicher „was besonderes“. Inzwischen konnte ich einige russische Kriegsbücher nach Glasnost und Perestroika lesen, die waren meist besser und aufrüttelnder als das hier.
Es soll das Buch (das erste?) der „verlorenen Generation“ in der SU / Russland sein, also der Wehrdienstleistenden, die in einem Krieg verheizt wurden und gebrochen, zumindest geprägt, wieder zurück kehrten.
Es wird viel über das Verhältnis der Soldaten untereinander erzählt, die Demütigungen und Erniedrigungen, die sie sich gegenseitig angetan haben (was es bei „uns“, bei der „Fahne“ als „E-Bewegung“ ja auch gab, nur abgeschwächter). Aber so richtig gepackt oder erschüttert hat das Buch mich dann auch nicht. Mag am Autor liegen. Habe auch nichts weiter von ihm gefunden, scheint eine Eintagsfliege gewesen zu sein (?).
45) Viktopr Jerofejew: „Russische Apokalypse“
Ich geb es auf! - Was für ein Titel! Was man daraus alles machen könnte (was ich da erhofft und vermutet habe...)! Und dann lese ich was über den Kampf der Regierung(en) gegen die Schimpfwörter, über des Autors Opernaufführung in Amsterdam, über eine Gulag-Stadt, aber nichts, was mich im Innern trifft. Ach, ich weiß nicht, der Autor schreibt - über sich... Vielleicht müsste er mich interessieren als Person. Tut er nicht. Komischer Weise ist er aber sehr beliebt im Westen. Ich glaube zu wissen, warum, weil er Russland ähnlich distanziert sieht wie wir, die wir von außen drauf schauen. Er schimpft über „sein“ Russland, ohne es dass (ich) man merkt, dass ihm daran was liegt (anders als bei Sorokin etwa). --- Hmm, ob ich sein Stalin-Buch wirklich noch lesen soll?