Ein paar Kurze im November - Leseliste (oder was habt ihr gedacht?)
Daniel Kehlmann
Bild © Thomas Hofmann, also ich --- so ca. Anfang der 80er...
November - begann mit ein paar Shorties. Kurz, knapp, mitunter aber nicht übel. --- Der Nebelmond lädt ja in der Regel zum Verweilen im Sessel ein, zum Lesen, aber irgendwie wirkt das bei mir zur Zeit nicht. Da sind die kurzen Texte willkommen.
46) Daniel Kehlmann: „Geister in Princeton“
Gödel ist eine superinteressante Figur. Das steht schon mal fest nach diesem Stück. Das „Stück“ ist zunächst ein Theaterstück, hier aber ein Hörspiel.
Kehlmann ist so ein Autor, von dem ich gerne alles lesen möchte, wenn es sein muss, auch Theaterstücke. Die guckt man sich selbstverständlich lieber an. Wenn das nicht geht, ist so ein Hörspiel natürlich eine sehr gute Alternative.
Gödel wird hier als wunderlicher Mann geschildert, dessen Beziehung zu seiner Frau schon mal seltsam begann. Er ist der Logiker und Mathematiker, ein Freund Einsteins. Einstein hat ihm wohl auch im praktischen Leben viel geholfen (hier eindrucksvoll die Bemühungen, Gödel in die USA einzubürgern), ähnlich wie seine Frau, eine Tänzerin, die er - Gödel - lieber nicht seiner Mutti vorstellen wollte, die ihm aber das Essen vorkosten musste.
Gödel sieht Gespenster. Inwieweit dies historisch verbürgt ist, muss ich erst mal recherchieren. Ist aber auch egal, weil es für das Stück absolut passend ist. Es sind nicht wirklich „Geister“, aber eben Gödels alter egos aus anderen Zeiten. Als Kind erscheint ihm schon der alte Gödel. Für den Wissenschaftler ist dies kein mystischer Zustand oder so, sondern logisch. Er ist ja der Auffassung, dass Zeitreisen möglich sind. Daher sind die Geister eben nur Zeitreisende. Am Ende schreibt er einen Brief, der in 5000 Jahren gefunden werden soll, in dem steht, dass er gerne abgeholt werden möchte. Aber eben, aus seiner gegenwärtigen Lage, 10 Jahre zu vor. Logischer Weise wartet er vergebens, denn er ist ja immer noch da, und wurde nicht vor 10 Jahren†¦ nun ja, das kennt man ja†¦
Auch der Gottesbeweis kommt zur Sprache, wird aber nicht vertieft. Leider (wäre ja mal interessant, wie Kehlmann da ran geht, zumal ja kürzlich andere Wissenschaftler die Formel Gödels zum Gottesbeweis „durchgerechnet“ haben und den „Beweis“ bestätigten.)
Gödel ist eine tragische Figur. So wie Kehlmann ihn vorstellt, erinnerte er mich an „A Beautiful Mind“ Russel Crow aka John Forbes Nash Jr. Gödel pflegte ähnliche Paranoia (der Kalte Krieg als Kulisse droht), und das mit den Geistern (so es stimmt) passt dann auch. Seine Angst vor Vergiftung ließ ihn am Ende verhungern. Puh, harter Tobak, wie ich finde.
9 / 10 Punkte
47) Michael Marrak: „Das Königreich der Tränen“
(Kurzroman in „2012. T minus Null“)
Der Autor verbindet 2 sehr unterschiedliche Stories miteinander. D.h., eigentlich erzählt er sie parallel. Nun ja, so richtig habe ich das verbindende Element nicht erkannt. Zum einen geht es um ein Initiation-Ritus der Dogon (?), in dem aber aus einem Weltuntergang eine neue Welt geboren wird. In dem anderen Erzählstrang überleben 2 Wissenschaftler aufgrund eines glücklichen (na ja, das liegt im Auge des Betrachtgers) Umstandes den Weltuntergang 2012. Allerdings verschlägt es sie in eine ferne Vergangenheit. Was sie wohl dort erleben werden?
Also 2 Kreisläufe, die den Untergang der jeweiligen Welt nicht ausschließen, die aber den konkreten Protags so etwas wie Hoffnung auf Neues geben. Wie immer bei Herrn Marrak 1 A erzählt. Das kann er! Daher:
9 / 10 Punkte
48) Carlton Mellick III: „Adolf im Wunderland“
Och nee, brauch ich nicht mehr. Der Großmeister der Bizarro Fiction habe ich nun zur Genüge kennen gelernt. Ist immer dasselbe, ohne wirklich spektakulär zu sein. Im Grunde sind seine Romane ganz einfach gestrickte Absurditäten. Die Handlung ist geradlinig, schnörkellos, für mich zudem irrelevant - na ja, vielleicht sollen sie es ja sein, sie haben so etwas wie eine Anti-Aussage. Na gut, mag sein, aber irgendwann hat man das begriffen, und dann ist gut.
Hier also wachen zwei SS-Männer in einer Wüste auf. Sie wollen den letzen unvollkommenen Mann jagen. Aber sie wissen nicht, wer sie sind, wie sie heißen, wie der unvollkommene Mann aussieht. Der eine bleibt ein Mann, der andere wird zum Wildschwein, oder so. Sie begegnen einer äußerst bizarren, absurden Wüstenstadtbevölkerung. Aber das alles ist völlig egal, beliebig, austauschbar.
Die Lektüre eignet sich wunderbar so für zwischendurch und in der Straßenbahn. Das Interessanteste ist noch das Vorwort vom Autor selbst. Er bekundet, schon immer Interesse an der Nazi-Zeit gehabt zu haben. Er begründet dies auch mit seiner Herkunft, seinen Ahnen, in denen sich Deutsche, auch jüdischer Abstammung, befinden. Also, wenn das hier das Ergebnis einer eingehenden Beschäftigung mit der Nazi-Zeit darstellt, dann hat er nicht gerade intensiv recherchiert. Sein Protagonist, den alle Adolf Hitler nennen, weil der Name auf seiner Uniformjacke steht, erfüllt zumindest kein Nazi-Klischee. Wenn das Mellicks Ziel gewesen ist, dann hat er es erfüllt. Ansonsten:
5 / 10 Punkte
49) Arthur Gordon Wolf: „Katzendämmerung“ - aber nur Teil 1 (bisher)
OK, das Buch kann so nicht enden. Erschien das wirklich mal als einzelnes Buch? (*) Das war ja sicher sehr unbefriedigend für die Leser. Nunmehr gibt es die vollständige Trilogie; und ich werde sicher auch weiterlesen. Da es aber den ersten Teil als eBook separat gibt, darf ich ihn hier auch extra erwähnen.
Es beginnt mit einem Report über des große Erdbeben von San Franziskus, Anfang des 20. Jh., bei dem die halbe Stadt abgebrannt ist. In den Trümmern wird eine brennende Frau gesichtet, alles ziemlich mysteriös. Dann geht es weiter im 20. Jh. Ein Modefotograf wird auf eine besondere Frau aufmerksam, verliebt sich in sie. Ihre Beziehung ist schön, aber auch etwas bizarr. Das erinnerte mich stark an „Cat People“.
Die „katzige“ Geliebte stirbt, der Mann ist tief traurig und voller Sehnsucht. Die Erzählung hat einen schönen erotische Touch und ist einfach schön erzählt. Aber wie wird sie weitergehen ... und enden...
8 / 10 Punkte
(*) ...der Autor des Buches hat gleich korrigiert: Der erste Teil ist gar nicht allein erschienen, nur Teil 1 und 2 zusammen; später erst Teil 3!