Alexandrinisches Stillleben (Leseliste im Zeichen des ollen Griechen)
„Eine Ehrfurcht ergriff ihn, die dem Grauen verwandt war.“ (J. Wassermann, S. 129)
18) Jakob Wassermann: „Alexander in Babylon“ - 10 / 10 Punkte
19) L. Sprague de Camp: „Ein Elefant für Aristoteles“ - 8 / 10 Punkte
20) „Alexander der Große“, GeoEpoche Nr.63 - 8 / 10 Punkte
Et voilà.: Ein alexandrinisches Stillleben! - Ist das Kitsch? --- Och nö. Also, die Figur im Vordergrund: Diesen Zinn-Griechen habe ich vor recht langer Zeit als Abschiedsgeschenk von einer Schulklasse erhalten, die meinen Geschichtsunterricht wohl gar nicht so übel fand. Ich war damals sehr gerührt und halte dieses Geschenk in Ehren.
Alexander der Große ist ein Held meiner Kindheit und Jugend. Vor kurzem hatte ich in diesem Medium die Alexander-Romane von Elisabeth Hartenstein erwähnt, von denen ich allerdings damals nur den ersten Band kannte und daher recht überrascht war, dass es davon eine Fortsetzung gab.
Den kurzen Roman von Jakob Wassermann zähle ich zu den großen Eindrücken meiner Jugend. Das Buch hat mich geprägt. Es ist mehr als „nur“ ein historischer Roman, meiner Meinung nach. Es ist ein Seelenroman, ein düsteres Stimmungsbild einer hitzigen, dekadenten, untergehenden Welt, die ihrerseits von den Trümmern weit älterer Welten umgeben ist. Immer wieder werden die Jahrtausende alte Vorgeschichte beschworen, die dem Welteroberer in Form von Ruinen auf Schritt und Tritt begegnen. Solche Szenen findet man auch bei Howards „Conan“. Dass mich dies offensichtlich schon damals faszinierte, beweisen Anstreichungen in dem Buch (an die ich mich gar nicht mehr erinnern konnte, und die mich durchaus verblüfften, wie sehr Wassermann den Zauber der Nähe zum Uralten, zum Unbegreiflichen, zum Ausdruck brachte.
Dass mit Alexanders Eroberungen im Grunde eine Neue Welt entstand, kann man den Zeilen Wassermanns kaum entnehmen.
Die Art, WIE Wassermann schrieb, aber teilweise sogar, WAS er schrieb, macht „Alexander in Babylon“ zu einem Prä-Fantasy-Roman. Er beschwört Bilder herauf, die jedem epischen Swort & Sorcery Schinken gut zu Gesicht stünden. - Und die ich, so nebenbei, auch in den richtigen Fantasy-Schmökern vermisse, weshalb ich lange Zeit der High Fantasy eher skeptisch gegenüber stand; erst seit den letzten Jahren entdecke ich in den Klassikern des Genres die Nähe zu dem Ideal, das Wassermann in mir provozierte; bei Moorcock, Howard, Farmer etwa...
Wenn Wassermann eine Prozession schildert, in der eine nackte Tempeldienerin auf einem Wagen, gezogen von Leoparden durch der verfallenen Straßen Babylons fährt, angehimmelt von Kriegern, dann ist das mit Sicherheit kein korrekt historisches Bild, oder?
Der Roman Wassermanns schildert die letzen Tage in Alexanders Leben, etwa ab dem Tod seines Busenfreundes Hephaistions, der als blutschäumender Fiebertraum geschildert wird. Nach dem Willen des Dichters litt Alexander unter dem Tod seines engsten Vertrauten und Freundes, dem er aber auch Verrat unterstellte, so dermaßen, dass dies seinen eigenen Tod beförderte.
Alexander der Große ist Teil eines dualistischen Systems, in dem der Widerpart, sein Halbbruder Arrhidaios darstellt. Ich denke mal, das dies historisch auch eher keine so große Rolle spielte. Macht sich aber in der Dramatik der Erzählung großartig. Der als schwachsinnig in die Geschichte eingegangene Bruder war ja dann auch der offizielle Nachfolger Alexanders. Was aber nur eine Fußnote in der Geschichte blieb. Wassermann zeigt den Bruder als in sich zerrissenen, durchaus intelligenten, aber dunklen, träumerisch veranlagten Menschen, der an seinen eigenen Ansprüchen und der Unfähigkeit, ihnen gerecht zu werden, zerbrach. Er faszinierte mich damals - und heute immer noch. Solche Typen sind es, die mich gerne in die dunkle Seite schauen lassen...
Alexander „erscheint“ oftmals wie eine phantastische Heroen-Gestalt, wie in einem Hollywoodfilm. Die Personen handeln oft nicht rational, rausch-gesteuert, oft ... ja, suizidal. Der Untergang wird mit fast jeder Zeile beschworen. Ehrlich gesagt, kann man das so gar nicht länger aushalten als die 180 Seiten, die das Buch füllt.
Der nun auch sehr von mir geschätzte (und den ich erst mal noch richtig für mich entdecken muss) L. Sprague de Camp sieht das ganz anders.
De Camp ist ja auch durch Fantasy-Schmöker bekannt geworden, sicher auch durch seine Lovecraft-Biografie, aber einst auch durch seine Sachbücher zu antiken und anderen Themen. Ich schwärmte ja kürzlich an dieser Stelle schon von ihm.
Jetzt also mal ein historischer Roman. Soll auf keinen Fall der letze sein, den ich von ihm lesen werde! Der ist so ganz anders als der von Wassermann, natürlich moderner, aber auch nüchterner. Mitunter blitzt auch der Humor durch, den er ja auch gern in seiner SF verarbeitete.
Hier stehen ein Mann und seine Expeditionsteilnehmer im Mittelpunkt, die im Auftrage Alexanders einen indischen Kriegselefanten aus Indien nach Athen bringen sollen, als Geschenk für Alexanders Lehrer Aristoteles. Was wie ein tolles Geschenk anmutet, ist bei näherer Betrachtung eher eine Zumutung. So ein Tier braucht eine Menge Futter z.B., dafür darf dann der Beschenkte sorgen. Nun ja, wie man den Worten, die der Autor Alexander in den Mund legt, entnehmen darf, ist das Verhältnis des Schülers zu seinem ehemaligen Lehrer durchaus als gespalten zu bezeichnen. Das ist ein falsches Geschenk. Allerdings packt Alexander noch ein paar Kisten, mit Gold und mit wissenschaftlichen Präparaten, die durchaus sinnvoll sind.
Erzählt wird also von dieser Queste durch das von den Makedonen und Griechen eroberte Riesenreich. Wie man sich sicher gut vorstellen kann, hält dieses Reich gar nicht so gut zusammen. Ist ja tatsächlich ein Problem für den neuen König der Welt gewesen, immer dort, wo er hinkam, wieder für Ordnung zu sorgen, weil die regionalen Potentaten sich eher nicht an seine Anweisungen gehalten hatten.
Demzufolge ist die Reise der kleinen Truppe samt Elefanten ein Abenteuer und sehr gefährlich. Der Aufbau des Romans ähnelt natürlich einem klassischen Fantasy-Roman. Und inhaltlich ist da auch viel Ähnliches, denn ob es nun die Wesen aus einem Feen-Reich oder die Bewohner eines der zahlreichen kleinen und großen Länder sind, die mal erobert wurden, macht keinen Unterschied.
Vielleicht wird alles zu ausführlich geschildert, mitunter hatte ich auch etwas den Eindruck, das könnte beliebig verlängert (oder eben verkürzt) werden. Dafür sind die Personen „normaler“ und in ihren Motivationen sicher auch nachvollziehbarer als die bei Wassermann.
Recht aktuell - und sicher nicht ganz unschuldig an meiner Alexander-Erinnerungstour - ist das Erscheinen eines Bandes bei GeoEpoche zum Thema. Reich bebildert, schöne Artikel, die mir auch durchaus neue Aspekte lieferten und als Nachschlagewerk dienen.